Übemethodik für Bläser: Ansatz - Atmung - Stütze
Von Gerhard Freiinger und Martin Hommer
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Über dieses E-Book
Der vorliegende Band 'Übemethodik für Bläser ? Ansatz, Atmung, Stütze' gibt einen Überblick über wichtige Übe-Themen. Welche Methode die richtige ist, darüber kann man trefflich diskutieren. Und Robert Schumann hat sicher recht, wenn er seine 'Musikalischen Haus- und Lebensregeln' mit dem Satz beendet: 'Es ist des Lernens kein Ende.'
Die Reihe clarino.extra dient dem Leser als gleichermaßen praktisches wie unterhaltsames Nachschlagewerk und beinhaltet thematisch sortierte Fachartikel aus über 20 Jahren der Zeitschrift Clarino bzw. clarino.print.
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Buchvorschau
Übemethodik für Bläser - Gerhard Freiinger
clarino.print
Atemtechnik für Bläser - Tipps und Übungen
Atem bedeutet Leben, Energie, Wohlbefinden und ist Basis aller menschlichen Äußerungen. Die Art und Weise der Atmung beeinflusst maßgeblich die musikalische Ausführung. Für den Bläser ist die Beherrschung einer bestimmten Atemtechnik Grundlage des Musizierens. Diese Technik baut auf der natürlichen Atmung auf und kann daher auch ein aktiver Beitrag zur Förderung der Leistungsfähigkeit und Gesundheit sein. In der derzeitigen Situation der Bläserausbildung gibt es bereits viele Möglichkeiten, sich über die »richtige Atemtechnik« zu informieren. Und trotzdem hat eine erhebliche Anzahl von Bläsern Schwierigkeiten, diese vor allem in Stresssituationen auch anzuwenden. Im folgenden Kapitel sollen mögliche Ursachen dieser Atemprobleme aufgezeigt und auch Lösungsvorschläge in Form von Atemübungen angeboten werden.
Gerhard Freiinger ist Dozent für Trompete und Didaktik an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz.
Die natürliche Atmung
Die Atmung geschieht in einem dreiteiligen Rhythmus, der sich immer von neuem wiederholt: »Einatmung – Ausatmung – respiratorische Pause«. Die respiratorische Pause dauert so lange, bis über das Atemzentrum die neue Einatmung ausgelöst wird.
Einatmung
Durch eine Brustraumerweiterung (nach allen Seiten) wird beim Einatmen Sauerstoff aufgenommen. Das Zwerchfell, ein kuppelförmiger Muskel, auf dem die Lungenflügel gelagert sind, zieht sich zusammen. Dadurch wird der Brustraum auch nach unten erweitert.
Ausatmung
Beim Ausatmen wird der Brustraum wieder verkleinert, da sich die Atemmuskulatur wieder entspannt und somit wieder in ihre Ausgangslage zurückkehrt. Der verbrauchte Atem wird wieder abgegeben.
Respiratorische Pause
Diese Pause dauert so lange, bis das mit Kohlensäure überladene Blut das Atemzentrum erreicht und dieses einen neuen Atemimpuls an die Atemmuskulatur gibt.
Die Atemtechnik der Bläser
Die natürliche Atmung wird beim Blasen so verändert, dass der jeweilige Atembedarf gedeckt werden kann. Das bläserische Atmen darf jedoch immer nur im Zusammenhang mit dem Sauerstoffbedarf des Organismus gesehen werden.
Einatmung
Wie bei der natürlichen Atmung wird der Brustraum nach allen Seiten hin erweitert. Verwendet wird dabei eine Kombination der Zwischenrippen- und Zwerchfellatmung. Im Gegensatz zur »natürlichen Atmung«, die unwillkürlich vom Sauerstoffbedarf gesteuert wird, kann der Bläser bei dieser Technik den Zeitpunkt, die Atemtiefe und die Anzahl der Atemzüge willkürlich bestimmen.
Tonvorbereitung
Diese Vorbereitung geschieht in einer sehr kurzen Phase zwischen Ein- und Ausatmung. In dieser Phase erfolgt eine »Grobeinstellung« für den benötigten Luftdruck und der Ansatzstellung.
Ausatmung (Blasen)
Mit Hilfe der Atemstütze wird die Atemluft gleichmäßig abgegeben. Die Aufgabe des Bläsers ist es dabei, die Regulatoren des Luftstromes (Atemmuskulatur, Bauchmuskulatur etc.) in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu bringen. Wird zum Beispiel der Luftdruck zu stark erhöht, so kommt es zu einer »Übersteuerung« des Tons und er klingt gepresst. Außerdem wird bei zu hohem (steigendem) oder zu niedrigem (fallendem) Luftdruck die Intonation unsauber.
Atemmuster
Jeder Mensch verfügt über eine Vielzahl instinktiver Atemmuster. Für jedes Gefühl und jede Bewegung gibt es ein entsprechendes Atemmuster, welches den Körper auf dem gerade notwendigen Energieniveau hält. Dies geschieht ohne jeden bewussten Einfluss, da das Gefühlszentrum und das Zentrum der Atemreflexe im selben Bereich des Gehirns liegen. Beispiel: Versuchen Sie, Wut auszudrücken und dabei entspannt zu atmen.
Atem und Bewegung
Atmung und körperliche Aktivität sind stets miteinander verbunden. Im Ruhezustand brauchen die Muskeln weniger Sauerstoff als in der Bewegung. Beim Einatemvorgang wird der Luft der für den Energiehaushalt so wichtige Sauerstoff entzogen. Die Menge Sauerstoff, die entzogen werden kann, ist bei jedem Menschen verschieden und hängt von dessen körperlicher Kondition ab. Je mehr Sport jemand betreibt, desto mehr Sauerstoff kann er der Luft entziehen. Ein untrainierter Körper muss wesentlich öfter einatmen, um die erforderliche Sauerstoffmenge zu erhalten. Er arbeitet daher unrationeller. Angstzustände, Stress, Verunsicherungen und Depressionen erzeugen im Laufe des Lebens vermehrt Atemhemmungen. Ist das Atemverhalten chronisch flach und gehemmt, kann es durch Ganzkörperübungen angeregt werden.
Atemintegration
Atemintegration ist die Fähigkeit, das natürliche Atemverhalten mit der kontrollierten Atmung zu verbinden. Der erste Schritt zur Atemintegration besteht im bewussten Beobachten des Atemverhaltens.
Übung: Beobachten des Atems
Achten Sie sechs Atemzüge lang auf die Empfindung der durch die Nase ein- und ausströmenden Luft. Lassen Sie die Atmung geschehen und beobachten Sie nur, wie sie funktioniert. Dieselbe Übung wiederholen Sie dann mit geschlossenen Augen.
Übung: Kennenlernen des Atemreflexes
Atmen Sie aus und halten Sie eine Zeit lang die Atmung an. Wird der Atem lange genug angehalten, kann man die Kraft des Atemreflexes spüren.
Übung: Atem und Bewegung
Stellen Sie sich aufrecht hin (Füße etwa 30 cm auseinander). Halten Sie die Schultern entspannt und springen Sie mit beiden Beinen (nicht zu hoch). Atmen Sie durch den Mund zwei Sprünge lang ein und zwei Sprünge lang aus. Danach stellen Sie sich einen Moment mit geschlossenen Augen hin und beobachten die Atmung.
Allgemeine Aspekte zu Atemübungen
Wählen Sie einen Ort, wo Sie ungestört sind.
Der Raum sollte gut durchlüftet sein.
Tragen Sie lockere, bequeme Kleidung.
Üben Sie zu bestimmten Zeiten (zum Beispiel während des instrumentalen Übens – dient zur muskulären Entspannung).
Atmen Sie durch die Nase ein und lassen Sie den Atem durch den Mund ausströmen (Lippenbremse).
Atmen Sie sanft, behutsam und erzwingen Sie nichts.
Keine Atemübungen kurz nach dem Essen.
Sollten Schwindelgefühle auftreten, dann beenden Sie die Übung.
Atemübungen
Sie nehmen eine aufrecht sitzende Haltung ein und legen eine Hand auf die Brust und die andere Hand auf den Bauch, um die Atembewegungen zu spüren. Schultern, Nacken und Brustraum sind dabei passiv und vollkommen entspannt. Stellen Sie sich vor, dass Sie beim Ausatemvorgang eine Kerze ausblasen. Lassen Sie danach die Einatmung durch den Einatemimpuls geschehen (federnde Bewegung). Die Bewegung nicht aktiv unterstützen.
Nehmen Sie wieder eine entspannte aufrechte Sitzhaltung ein, wobei Sie die Hände oberhalb des Hüftbereichs legen. Atmen Sie durch die Nase ein und blasen Sie mehrmals kurz und kräftig mit »ft« durch die leicht geöffneten Lippen aus. Spüren Sie bewusst die federnde Bewegung. Die Einatmung geschieht wieder durch den Einatemimpuls (Bauchmuskulatur entspannen!).
Wie bei den vorangegangenen Übungen nehmen Sie wieder eine aufrechte, aber entspannte Sitzhaltung ein und legen die Hände in die Flanken. Der Mund wird ein wenig geöffnet und das Hecheln eines Hundes nachgeahmt. Beschleunigen Sie das Tempo allmählich. Führen Sie diese Übung auch mit geschlossenem Mund durch. (Maximal 30 Wiederholungen!)
Sie sitzen auf einem Stuhl und halten die Knie zusammen. Dann beugen Sie den Oberkörper und den Kopf so tief wie möglich nach unten. Wenn Sie jetzt tief einatmen, werden Sie die Aktivität der Zwischenrippenräume spüren und entwickeln.
Sie legen sich auf den Rücken und geben auf den Bauch ein Gewicht (zum Beispiel Bücher). Dann atmen Sie dabei mehrmals ein und aus.
Der erste Schritt, die »bläserische Atmung« zu erlernen, ist, die Atemvorgänge mit Hilfe von Atemübungen bewusst zu erfahren. Diese Atemtechnik sollte dann in weiterer Folge durch regelmäßiges Üben automatisiert werden, um sie auch auf die Musizierpraxis übergehen zu lassen. Atmen ist ein Teil der Phrasierung und sollte deshalb genau koordiniert, geplant und programmiert werden. Wie beim Sprechen wird stets ein Satz oder ein Gedanke »in einem Atem« ausgeführt. Die Musik ist durch Motive und Phrasen gegliedert. Diese Gliederung soll durch eine durchdachte Atmung verdeutlicht werden.
Literatur
Karin Schutt: »Heilatmen«. Ein Weg zu Lebenskraft und innerer Harmonie.
John Selby: »Atmen und Leben«. Ganzheitliche Gesundheit durch Atemintegration.
Heike Höfler: »Atemtherapie und Atemgymnastik«. Durch richtiges und bewusstes Atmen zu mehr Harmonie und Energie im Leben.
Ulrich H. Cegla: »Atem-Techniken«. Physiotherapeutische, psychologische und apparative Hilfen.
Hiltrud Lodes: »Atme richtig«. Der Schlüssel zu Gesundheit und Ausgeglichenheit.
Bengt Belfrage: »Übungsmethodik für Blechbläser auf der Basis von physiologischen Faktoren«.
Gerhard Freiinger
Erschienen in Clarino 12/1995
Atmen? Kann ich doch längst... Atmen üben mit Hilfsmitteln
Atmen tun wir alle ständig. Zwangsläufig. Deshalb machen sich auch nur wenige Menschen wirklich Gedanken über die Tätigkeit, die völlig automatisch abläuft. Und diese wenigen Menschen sind zumeist Bläser. Im Fokus steht dann eigentlich immer die Atemtechnik – ganz selten wird über die Kraft gesprochen, die zum Atmen nötig ist.
Die Atmung ist ein ebenso lebensnotwendiger wie komplexer chemischer Vorgang. Schließlich findet in den Lungen ein Gasaustausch statt, bei dem das Blut mit Sauerstoff angereichert wird, den die Körperzellen zum Überleben benötigen. Die »verbrauchte« Luft wird vom Blut wieder zu den Lungen transportiert, die sie wieder an die Umgebung abgeben. Die Steuerung der Atmung geschieht im Atemzentrum im verlängerten Rückenmark bzw. im Gehirn. Dabei wird durch Rezeptoren der Kohlendioxid-Anteil im Blut gemessen. Wenn dieser eine kritische Marke übersteigt, wird der Atemreflex in Gang gesetzt. Soweit die Kurzfassung.
Die reine Atemtätigkeit (also die Bewegung) ist dagegen relativ unspektakulär: Die Atemmuskulatur erzeugt einen Unterdruck in den Lungen. Der Sog, der entsteht, füllt die Lungen mit Luft und der Unterdruck wird ausgeglichen. Nach dem Gasaustausch kehrt der Brustkorb wieder in seine Ausgangsposition zurück und die Luft entweicht aus den Lungen. Einatmung ist also in erster Linie Muskelarbeit – genauso wie viele andere Bewegungen. Soll die Abgabe der Luft aus den Lungen forciert werden, kommt wiederum die Muskulatur ins Spiel: Dann wird die Luft aus den Lungen stärker herausgepresst, als sie das durch die »normale« entspannte Ausatmung würde. Das ist die Ausatmungsart, die Bläser benötigen, um ihren Instrumenten Töne zu entlocken.
Jede Muskulatur