Ausgeburten: Wie auch Sie ein Geburtstrauma, überforderte Klinik-Ärzte und postnatale Depressionen überleben können.
Von Mariella Berger und Joachim Stein
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Über dieses E-Book
Was ein freudiges Ereignis sein sollte, erlebt eine junge Mutter, wie sie schreibt, als "Mental-Fukushima" und "9/11 für die Seele".
Unverstanden, alleingelassen und hilflos einer Klinik-Maschinerie ausgeliefert fühlt sich eine junge Frau in Kreißsaal und Wochenstation, aber nicht in einem Entwicklungsland, sondern in Deutschland 2009.
Ihr Bericht, der neben der Warnung vor Ähnlichem auch der persönlichen Aufarbeitung dient, wird ergänzt durch den fachlichen Kommentar eines Frauenarztes, der auch selbst lange in der Geburtshilfe tätig war und der zusammen mit der Betroffenen die Gründe analysiert und Möglichkeiten aufzeigt, wie sich Schwangere richtig auf den Aufenthalt in einer Geburtsklinik vorbereiten.
Mariella Berger
Mariella Berger erlebte 2009 eine Geburt in der Klinik einer deutschen Großstadt, die sie als das Horrorerlebnis ihres Lebens empfand und über die sie nur schwer hinwegkam. Der Leidensweg, den sie und ihr Kind durchlaufen mussten, bis sie Jahre nach der Geburt Hilfe fanden, prägt ihr Leben bis heute. Um dieses "Kapitel" abzuschließen und anderen Frauen ein ähnliches Schicksal zu ersparen, entschied sie sich, dieses Buch zu schreiben. Bei den Recherchen dazu lernte sie den Co-Autor kennen, der aus geburtshilflicher Sicht einen ergänzenden Kommentar schrieb.
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Buchvorschau
Ausgeburten - Mariella Berger
Berger
Geburtstrauma – Einschätzung eines Gynäkologen
von Dr. med. Joachim Stein, Bürgstadt¹
Jede Geburt verläuft einzigartig und höchst individuell. Auch nach 16 Jahren Berufserfahrung als Gynäkologe und Geburtshelfer ist es mir - wie allen Kollegen und Hebammen - nicht möglich, den Ausgang einer Geburt im Einzelfall vorherzusagen. Jeder Geburtshelfer hat in seiner Laufbahn Fälle erlebt, von denen er (oder sie) im Nachhinein sagt: Das hätte mir nicht passieren dürfen, hier hätte ich schneller reagieren, früher einen Kaiserschnitt machen oder Saugglocke bzw. Zange zur Geburtsbeendigung einsetzen sollen o.ä.
Daher liegt mir eine Be- oder gar Verurteilungsabsicht ebenso fern wie allen Autoren dieses Buches. Vielmehr möchte ich etwas Aufklärungsarbeit leisten und zum gegenseitigen Verständnis zwischen Patientinnen, Ärzten, Hebammen und Krankenschwestern beitragen.
Mit dem bewußt gewählten Wort gegenseitig
meine ich hierbei vor allem, daß auch den Patientinnen, wenn sie nicht gerade bewußtlos, in Narkose oder durch schwere Schmerzen akut beeinträchtigt sind, immer auch eine Mitgestaltungsmöglichkeit und Mitverantwortung zukommt. Unsere Gesellschaft und unser Gesundheitssystem fördern eine einseitige Forderungshaltung zulasten der im Krankenhaus Tätigen, die hier noch durch krankheitsbedingte Angst, Schmerzen und Hilflosigkeit in zwar menschlich verständlicher, aber im Ergebnis verhängnisvoller Weise verstärkt wird. So kann sich selbst eine medizinische Fachkraft, wie im vorliegenden Fall eine Arzthelferin, nicht auf ihre Kenntnisse und Erfahrungen verlassen, weil ihr der Zugang zu ihren eigenen Ressourcen teilweise versperrt ist.
Hiermit sensibel umzugehen wäre eigentlich Aufgabe der Schwestern, Hebammen und Ärzte - wozu es erforderlich ist, nicht zwei Meter über dem Boden zu schweben
, sondern erdverbunden zu bleiben. Dies wiederum kann nur ein Mensch, der auch Mensch bleiben darf und nicht von einem alle Ressourcen fordernden Kliniksystem zu einem Medizinroboter und Diagnosekodierer degradiert und in erster Linie als Kostenfaktor begriffen wird.
Verständnis zu wecken für die schwere, teils aufopfernde Tätigkeit in den Kliniken und für die Komplexität der Arzt-Patienten-Kommunikation, die sich nicht auf einfache Schuldzuweisungen, Feindbilder, lehr- und lernbare Techniken oder Schwarz-Weiß-Schemata reduzieren läßt - das ist das Ziel dieses ärztlichen Kommentars zu den traumatischen Erlebnissen von Mariella Berger im Krankenhaus Blauberge.
Ich möchte Fragen aufwerfen und Möglichkeiten diskutieren, ich gebe keinesfalls vor, alle Antworten zu haben oder Patentlösungen anbieten zu können! Dazu ist die Individualität der Menschen, die als Patienten kommen, aber auch die Verschiedenheit derer, die in den Kliniken arbeiten, viel zu groß.
Dennoch - wenn wir uns dem Sachverhalt und der generellen Thematik verantwortungsvoll und sensibel nähern wollen - können wir nicht umhin zu fragen:
Was hätte hier anders und besser ablaufen können? Welche teils gravierenden Kommunikationsmängel könnten leicht abgestellt werden, welche sind möglicherweise so subtil und verborgen, daß sie sich dem flüchtigen Blick des Beobachters entziehen?
Es erscheint mir sinnvoll, die Analyse in Teilbereiche zeitlicher Art zu gliedern, die sich um die Geburt des Sohnes von Frau B. gruppieren:
Betreuungsphase vor dem Einsetzen geburtswirksamer Wehen
Eigentliche Geburt des Kindes
Nachgeburtsperiode und Komplikation durch schwere Blutung sowie Operation
Situation in den ersten Wochenbetttagen bis zur Entlassung
Medizinische Betreuung nach der Entlassung
Psychosoziale Situation nach der Entlassung
Selbsthilfe – wie können Sie dazu beitragen, ähnliche Erfahrungen zu verhindern?
Diese Einzelanalysen finden Sie sinnvollerweise im direkten Kontext zu den Schilderungen von Frau B. Ich möchte zudem darauf hinweisen, daß ich der alten deutsche Rechtschreibung den Vorzug gebe. Bitte mißdeuten Sie diese Tatsache nicht als Indiz für ein veraltetes medizinisches Fachwissen auf meiner Seite.
¹ Dr. med. Joachim Stein hat viele Jahre als Gynäkologe in Krankenhäusern gearbeitet. Inzwischen hat er sich als Frauenarzt im Raum Süddeutschland niedergelassen. Mehr über seine außergewöhnlichen Prinzipien und Ansichten zu Fragen der modernen Medizin und zum Zustand des deutschen Gesundheitssystems finden Sie hier: http://www.frauenarzt-buergstadt.de/home.html
Geburtstrauma: Ja, gibt’s das denn?
Egal, wie Sie die Überschrift zu diesem Kapitel auch verstehen mögen: Sie haben Recht.
»Ja, gibt’s das denn?« Wenn Ihnen diese rhetorische Frage immer dann von der Zunge geht, wenn sich Ihr Verstand, Ihr Seelenleben oder beide zusammen Sachverhalten, Schlussfolgerungen oder Vorstellungen gegenübergestellt sehen, die man nur als überraschend, erschreckend oder schier unglaublich einstufen kann – dann werden Sie im Verlauf dieses Buches reichlich Gelegenheit finden, diesen Ausdruck ungläubigen Erstaunens, stellenweise sogar Entsetzens anzubringen. Denn Mariella Berger, die junge Frau, die den Anstoß zu diesem Buch gegeben hat, musste während und nach der Geburt ihres ersten Kindes derart viel einstecken, dass einem allein beim Hören genau dieses Hören vergeht – neben dem Sehen. Den Chronisten dieser Ereignisse befiel beim direkten Gespräch mit Mariella Berger mehr als nur ein Mal der Argwohn, diese Geschichten hätten sich in Wahrheit in der »Dritten Welt« zugetragen. Oder wenn schon auf deutschem Boden, dann höchstens im finsteren Mittelalter.
Aber nichts da! Die Ereignisse, die Ihnen in den weiteren Kapiteln dieses Buches des Öfteren den Atem verschlagen werden, haben sich alle hier zugetragen, im Deutschland des 21. Jahrhunderts also, in einem hochentwickelten Industrie- und Hightech-Staat mit einem der vermeintlich besten Gesundheits- und Sozialsysteme der Welt. Wenn Sie allerdings die letzte Seite dieses Werks umgeschlagen haben, dürften Sie große Zweifel an dieser gängigen Selbst-Einschätzung beschleichen. Zumindest, was die medizinische Versorgung in diesem Land angeht – und alles, was im Entferntesten damit zusammenhängen mag.
Dieses Buch verfolgt keineswegs die Absicht, Sie in eine gewisse Meinungs-Richtung zu verbiegen oder eine bestimmte Ansicht über den sittlichen Zustand unseres Gesundheitssystems aufzudrängen. Es geht auch nicht darum, Ärzte und medizinisches Personal pauschal zum Sündenbock zu stempeln. Kesseltreiben gegen Körper- und Seelenärzte liegt uns fern; Doc- Bashing, um es in rumpeligem Engleutsch zu radebrechen, liegt nicht im Sinne derer, die an diesem Ratgeber mitgewirkt haben. Aber man kommt zumindest nicht um einige Stirnrunzel-Anfälle herum, wenn man sich das Verhältnis von Ärzten bzw. das ärztliche Selbstverständnis im Zusammenhang mit Gebärenden, Wöchnerinnen und jungen Müttern vor Augen führt. Und das gilt sowohl vor dem Panorama vieler Jahrhunderte wechselvoller Medizingeschichte wie auch im Hinblick auf unsere