Das T-Shirt meiner Frau: Stories
Von Johannes Gelich
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Über dieses E-Book
Ob Ex-Freundinnen mit Namensgleichheit, die Pornohefte des Nachbarn oder Besuche beim Friseur - Johannes Gelich versteht es wie wenig andere, die kleinen Gesten und großen Träume seiner strauchelnden Helden in Szene zu setzen.
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Buchvorschau
Das T-Shirt meiner Frau - Johannes Gelich
Johannes Gelich
Das T-Shirt
meiner Frau
Stories
Inhalt
Titel
Widmung
Sie hießen Magda
Die Wurzel
Der Doppelgänger
Das darfst du nicht
Ich will nicht nett sein
Potty
Spielen wir weiter?
Musst du nicht los?
Was ist denn?
Das T-Shirt meiner Frau
Lysandra cormion Nabokov
Deswegen
Abschied der Vampire
Blumentiere
Schieb an!
Fremde Haut
Johannes Gelich
Zum Autor
Impressum
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Für Linda
Sie hießen Magda
Ich weiß nicht genau, ob das mit dem Geräusch vor oder nach ihrer Mail anfing. Sie hatte in der Zeitung über mein neues Buch gelesen und sich darüber gefreut, dass es mit dem Schreiben bei mir doch noch geklappt habe. Das Buch war bereits vor einigen Monaten erschienen, und ich wusste wieder einmal nicht, wie es weitergehen sollte. Ich versuchte es mit der einen oder anderen Geschichte oder surfte den ganzen Tag im Internet. Im Prinzip hatte ich (obwohl ich es mir nicht leisten konnte) nichts zu tun, und vielleicht erregte die Mail deswegen mehr Aufmerksamkeit, als sie verdient hatte. Welche Magda es auch immer war, sie hatten mich beide vor Jahren übel abserviert, und es machte nicht wirklich einen Unterschied, welche von beiden mir nun geschrieben hatte.
Ich hatte mich am Vormittag gerade an den Schreibtisch gesetzt, um an einer Erzählung weiterzuarbeiten, die mich ziemlich plagte, aber ich kam auf keinen grünen Zweig. Ich klickte wieder auf die Nachricht (ich hatte sie schon so oft gelesen, dass ich sie mehr wie ein Rätsel betrachtete), da erklang dieses Geräusch. Das Rieseln kam direkt aus der Wand in meinem kleinen Erkerzimmer. Ich konnte mir nicht erklären, was das Geräusch verursachte, stand auf und legte mein Ohr an die Wand. Das Geräusch brach abrupt ab. Mein Arbeitszimmer war früher, als die Wohnungen noch Toiletten am Gang hatten, Teil des Stiegenhauses gewesen und später meiner Wohnung einverleibt worden. Ich nannte es das Erkerzimmer, aber ursprünglich war es nur ein kleiner Vorraum zum Klo gewesen. Ich öffnete das Fenster und lehnte mich nach draußen, um den Verlauf der Dachrinne zu studieren, aber die Rinne verlief nur am unteren Rand des Daches und keinesfalls der Mauer entlang nach unten. Ich konnte mir den Ursprung des Geräusches nicht erklären. Ich machte mir einen Kaffee und setzte mich an den Schreibtisch, da hörte ich es wieder. Es war mir nicht unangenehm, ja, eigentlich mochte ich das Geräusch, auch wenn ich mir nicht erklären konnte, woher es kam. Ich öffnete eine neue Textdatei und versuchte, es zu beschreiben. Es klang so, als würde jemand ein Goldkettchen von einer Hand in die andere rieseln lassen, ja, so klang das Geräusch. Ich wollte weiterarbeiten. Magda? Magdalena? Ich hatte weder die eine noch die andere je nach ihrem Nachnamen gefragt.
Magda 1 hatte ich im Foyer eines Kinos kennengelernt, daran erinnerte ich mich noch. Es musste zwanzig Jahre her sein. Ich verließ mit meinem Freund Toni gerade das Kino, da kam sie uns auf den Stufen des Entrees entgegen. Ich konnte mich nicht mehr erinnern, ob er oder ich sie angesprochen hatte, aber wahrscheinlich war es Toni gewesen, er quatschte die Frauen an, nicht ich. Wir tranken etwas, und ich gab ihr meine Nummer. Sie rief mich einige Tage später an, als ich schon nicht mehr an sie gedacht hatte. Wir trafen uns in einem Lokal und fuhren hinterher zu mir, wo wir Vodka tranken. Wir schliefen miteinander, aber es funktionierte nicht so richtig. Ich glaube, es gefiel ihr nicht wirklich. Ich war damals in eine Frau verliebt, die mich gerade verlassen hatte. Sie war ohne eine Nachricht nach Mexiko gereist, und ich hatte bereits geahnt, dass sie mich auf diese Weise loswerden wollte. Sie hatte nicht geschrieben und auch nicht angerufen. Noch bevor Magda und ich miteinander schliefen, sagte sie, sie werde bald verreisen. Ich erzählte ihr, dass sich meine letzte Freundin von mir getrennt habe, indem sie einfach weggefahren sei. Vielleicht gefiel es ihr im Bett deswegen nicht, weil sie spürte, dass ich mit den Gedanken woanders war. Monate später, als Magda längst wieder zurück war, rief ich sie noch einmal an, aber sie ließ sich von ihrer Mutter verleugnen. Vor ihrer Reise aßen wir gemeinsam in einem irakischen Restaurant, und ich schenkte ihr einen Packen Gedichte, die sehr schlecht waren. Nachdem ich Magda das Konvolut hingeschoben hatte, zuckte sie mit den Schultern und meinte: Was soll ich damit?
Ich hörte wieder das Rieselgeräusch an der Wand und schreckte aus meinen Gedanken hoch, aber ich war zu faul aufzustehen. Ich hatte mir, seit ich die Mail bekommen hatte, die ganze Zeit überlegt, wie ich Magda antworten sollte, aber ich wusste ja nicht einmal, um welche Magda es sich handelte. Ich überlegte mir einen unverbindlichen Text, auf den beide hätten antworten können: Wie lange das her sei. Ob sie inzwischen wieder auf Reisen gegangen sei. Ob sie wieder in Wien wohnen würde, aber die Sätze kamen mir beliebig vor, und ich ließ es bleiben.
Magda 2 lernte ich einige Jahre später kennen. Ich war alleine und nahm jede Gelegenheit wahr, auszugehen. Simon und Lea stellten sie mir vor. Sie luden mich zu einer Grillparty in ihrem Gartenhäuschen am Stadtrand ein, und dort war auch sie: Magda 2. Sie ging mit ihrer großen blonden Freundin aus Kroatien Hand in Hand über die Wiese, und sie kicherten dabei. Sie bildeten das typische Freundinnenpaar: Magda war die hübschere, aber verschlossene und schwierige, ihre Freundin die extrovertierte. Andrea hatte ein lustiges, etwas bäuerliches Gesicht mit strahlend blauen Augen. Als der Morgen anbrach, lagen wir alle betrunken im Wohnzimmer übereinander, und ich hatte sie beide im Arm, Magda links und Andrea rechts. Ich dachte, ich könnte sie beide haben, aber ich wusste nicht, welche ich nehmen sollte. Ich bildete mir ein, ihnen ginge es ähnlich, und Wochen später schien es, als stellten sie mich vor die Wahl.
Heute denke ich, dass ich mich einfach falsch entschieden habe, dass ich einfach zu blöd war, um zu bemerken, dass in Wirklichkeit nur Andrea mich wollte. Ich raufe mir noch die Haare und frage mich, warum ich nicht bemerkt hatte, dass Andrea sich für mich interessierte. Einige Wochen nach dem Grillfest trafen wir uns bei einem Konzert von Hansi Lang wieder, und das sollte die Probe sein, die ich nicht bestand. Wir standen ganz hinten, und Magda deutete uns auf einmal, sie wolle nach vorne tanzen gehen. Ich blickte ihr nach und sah zu Andrea, die mich anlächelte. Sie begann in meine Richtung zu tanzen, und ich kapierte einfach nicht, dass die beiden das ausgeheckt hatten, dass ich jetzt nur noch zugreifen musste, aber ich kapierte es einfach nicht. Ich zog Andrea zu mir und schrie ihr ins Ohr, dass ich auch nach vorne gehen wolle. Ich hatte mich entschieden und hundertprozentig daneben gegriffen. Andrea sah mich enttäuscht an und ging weg.
Als ich Magda in der ersten Reihe entdeckt hatte, bemerkte sie mich zunächst gar nicht und tanzte weiter vor sich hin. Als sie mich endlich sah, musterte sie mich distanziert. Wir tanzten zusammen ein oder zwei Lieder vor der Bühne, bis sie mir ins Ohr rief, dass sie gehen müsse. Hinterher traf ich Magda noch einmal, aber es war ein langweiliger Abend, und sie erzählte mir, dass sie bald nach Polen gehen werde, wo ihr Verlobter sie erwarten würde.
Ich öffnete den ganzen Tag über immer wieder Magdas Mail und starrte die Buchstabenreihen wie durch einen diffusen Nebel hindurch an. Ich fragte mich, ob ich lieber mit Magda 1 oder Magda 2 ausgehen würde, aber ich konnte mir keine Antwort darauf geben. Vielleicht hätte ich sie fragen sollen, ob sie mit mir auf einen Kaffee gehen wolle, aber ich wäre wahrscheinlich enttäuscht gewesen, dass Magda 1 nicht Magda 2 war und umgekehrt. Die Sache ließ mir keine Ruhe und ich überlegte mir erneut einige unverbindliche Sätze, die mir nicht gleich alle Chancen verbauen würden. Ich schrieb: Nach so langer Zeit, schön von dir zu hören. Willst du mit mir auf ein Hansi-Lang-Konzert gehen? Ich klickte auf Senden und fuhr den Computer herunter.
Ich kam spät nach Hause und war ziemlich betrunken, als ich mich vor den Computer setzte. Ich war im Begriff, ihn hochzufahren, da hörte ich wieder das Geräusch. Ich weiß nicht, war es die Dunkelheit oder mein benebelter Zustand, der meine Wahrnehmung verzerrte, jedenfalls wirkte das Geräusch jetzt völlig anders auf mich als untertags. Ich horchte in Richtung Wand, und da vernahm ich es deutlich: Es klang wie eine Kette, die an der Außenmauer schabte, es klang nicht mehr wie dieses zerbrechliche Rieseln, es klang, als würde jemand die Dachrinne mitten in der Nacht reinigen oder mit einer schweren Kette etwas die Wand hochziehen. Es war ein Rasseln und Quietschen, und erschien mir in der Dunkelheit so laut, dass ich mir die Ohren zuhalten musste. Ich fuhr den Computer hoch und führte den Mauszeiger zum Senden-und-Empfangen-Button, als mir plötzlich dämmerte, dass Hansi Lang schon vor einiger Zeit gestorben war. Meine Hände begannen zu zittern und ich googelte seinen Namen. Da sah ich sein Foto. Er war vor drei Jahren gestorben. Mir wurde übel, und ich wollte schon auf den Posteingang klicken, als wieder dieses Geräusch an der Wand ertönte. Die Kette schabte über die Außenwand. Es rasselte und quietschte, und es klang nicht so, als würde es bald wieder aufhören.
Die Wurzel
Ich befand mich damals in einem Loch und irgendwie hatte ich den Eindruck, dass es meinen Nachbarn in diesem verrückten Haus ebenso erging. Ein paar Tage bevor Giselher bei mir anklopfte, lag mein Nachbar von gegenüber betrunken vor seiner Wohnungstür. Er schlief in aller Herrgottsfrühe vor seiner Tür, und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich starrte durch meinen Spion hinaus auf den Flur und sah ihn schnarchend vor seiner Tür liegen. Ich überlegte, ob ich ihn aufwecken und in sein Bett schleifen sollte, aber ich konnte mich nicht dazu entschließen und ließ ihn dort liegen. Im selben Jahr hatte mich auch die große Frau im Stock über mir zum Essen eingeladen. Sie erzählte mir, dass sich ihre Vormieterin umgebracht habe und dass sie den Gedanken daran nicht los würde und ausziehen wolle, obwohl sie das Haus eigentlich ganz gern habe. Und dann kam Giselher. Er klopfte eines Tages an meine Tür, und ich dachte schon, er wolle sich wieder Geld ausleihen. Er war zu jener Zeit ziemlich am Trinken und hatte mir erzählt, dass er sich zum Militär gemeldet habe, weil er so vor der Verfolgung durch das Finanzamt sicher sei. Ich öffnete die Tür, und er grinste mich aus seiner Militäruniform an. Giselher sah nicht wirklich gut aus, aber er lachte immer und in allen Lebenslagen. Auch später, als die Sache mit dem Krebs kam, lachte er dauernd, wenn ich ihn im Krankenhaus besuchte. Er entschuldigte sich für die Störung und hielt mir den Schlüssel seiner Wohnung vors Gesicht. Er habe ein Problem mit seiner Therme, die tropfe, und er könne sich nicht darum kümmern, da er zu einer Truppenübung eingezogen worden sei. Ob ich für ihn alle paar Tage den Kübel ausleeren könne, den er unter die Therme gestellt habe.
Klar, antwortete ich, wann kommst du wieder?
Keine Ahnung, meinte er und lachte mich an.
O.k., sagte ich, kein Problem, ich habe im Moment nicht so viel zu tun, und nahm den Schlüssel entgegen.
Seine Wohnung lag im Stock unter mir hofseitig, während meine Wohnung zur Straße hinaus ging. Ich hatte damals gerade mein verfluchtes Studium abgeschlossen und keine Aussicht auf einen Job weit und breit. Meine Freundin hatte mich bald nach dem Abschluss verlassen, weil ich mich so gehen ließ. Ich las und trank und jobbte als Taxifahrer. Es war keine gute Zeit.
Am nächsten Morgen ging ich hinunter und sah mich in der Wohnung