Neue Dorfgeschichten: Siebtes Buch der heiter-besinnlichen Erzählungen
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Buchvorschau
Neue Dorfgeschichten - Karl Schreibelmayr
Dorfplatz
VORWORT
von Oberösterreichs Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer
Die Schönheit des Lebens und die geistige Unterhaltung sind Quelle der Kraft und der Freude für den Linzer Schriftsteller Karl Schreibelmayr.
Gerne begegnen wir den uns schon wohlbekannten immer wieder kehrenden Figuren in seinen beliebten Dorfgeschichten. Weisheit, Besinnlichkeit und Humor prägen ihren Inhalt.
Philosophische Betrachtungen, lustige Begebenheiten im Dorf und tiefgründige Dispute unter seinen Bewohnern machen die Geschichten so liebenswert.
Geistreich und ansprechend ist der Stil seines literarischen Werkes. Sein Wortwitz verschafft eine wohltuende Leseatmosphäre.
Im menschlichen Zusammenleben gibt es Leichtigkeit und Tiefgründigkeit. Beides in einer heiteren Art und Weise zu verbinden – das ist die Philosophie des Autors.
Das siebte Buch gesammelter Dorfgeschichten liegt vor. Ich danke Herrn Karl Schreibelmayr dafür und empfehle, seine Botschaft mit offenem Herzen zu vernehmen.
Dr. Josef Pühringer
Landeshauptmann
Die guten alten Zeiten
hat die Jugend nicht erlebt
uns Erwachsene plus fünfzig haben sie
jedoch geprägt.
Hildegard Schreibelmayr
DER FEDERFUCHSER
Ein leeres Blatt hat er schon vor sich liegen, der Franzl, Oberstrizzi des Dorfes, Lieblingsministrant des Pfarrers Justl und Zögling seiner Fanny-Tante. Diese meint, dass der Franzl über einer Schulaufgabe brütet und verhält sich daher mäuschenstill, um seinen Gedankenflug nicht zu stören. Aber die Absicht des Buben ist eine ganz andere. Er will einmal Berichterstatter für die große Zeitung werden und sich in dieser Richtung üben. Jedoch fällt ihm justament nichts ein, was er zu Papier bringen könnte. Plötzlich hat er aber eine famose Idee: „Wozu habe ich eine kluge Tante!"
Sein Plan ist, das niederzuschreiben, was ihm seine Fanny-Tante auf seine Fragen antworten wird. Deshalb beginnt er auf der Stelle mit seinem Ausfrascheln als zukünftiger Reporter.
„Du, Tante, wieso rümpft unsere Mesnerin immer ihre Nase, wenn sie über jemanden spricht?"
Als Antwort vernimmt sein Ohr: „Weil sie ein Tratschweib ist und sich über alle anderen erhaben vorkommt!"
Der Franzl schreibt diese Antwort brühwarm nieder und holt zur zweiten Frage aus.
„Du, Tante, wieso hat die Krämer-Hanni immer ihre schwere Hand auf der Waagschale liegen, wenn sie eine Ware abwägt? Soll sie meiner Meinung nach nicht die Ware alleine abwägen und nicht ihre Hand dazu?"
„Weit gefehlt, diese alt eingesessene Gewohnheit kann ihr niemand abgewöhnen, weder Gott noch Teufel. Dennoch möchte das Dorf nicht, dass die Krämerin anders wäre, als sie ist!"
„Du Tante, wieso steht die Barbara, ich meine die Frau des Bürgermeisters, immer so lange vor dem Spiegel? Wird sie dadurch noch schöner?"
„Im Gegenteil, Franzl. Durch ihre selbstkritischen Blicke in den Spiegel werden ihre Gesichtszüge eher härter! Aber jetzt sag einmal, Franzl, warum willst du das alles wissen?"
„Weil ich einmal Zeitungsreporter werden will und da fange ich jetzt schon zum Üben an und du sollst mir dabei helfen, so wie du mir bei den Schulaufgaben hilfst!"
Der Fanny-Tante steigen die Grausbirnen auf. Nachdem sie sich von ihrer Sprachlosigkeit etwas erfangen hat, liest sie dem Franzl, aufgeregt schnaubend, die Leviten: „Das darfst du doch nicht niederschreiben. Was glaubst du, was im Dorf passiert, wenn die Leute auf einmal die Wahrheit erfahren!"
„Aber der Herr Lehrer schärft uns immer ein, wir sollen bei der Wahrheit bleiben!"
„Da hat er ja recht, euer Lehrer. Der springende Punkt ist ja, dass man auch die Wahrheit nicht immer weitersagen kann."
„Aber du selbst hast mir doch soeben von der Mesnerin, der Krämerin und der Barbara Dinge weitergesagt, die durch und durch wahr sind. Warum soll ich sie nicht niederschreiben?"
Die Tante hat Gott sei Dank inzwischen wieder ihre Fassung gewonnen und auch ihre Schlagfertigkeit.
Daher: „Ja was glaubst du, wie viel Wahres und Unwahres wir alle im Dorf ertragen können? Gegenseitiges Ausrichten, Tratschen, alles in allem ertragen wir, ja brauchen es zuweilen sogar. Aber eines darf nicht sein, dass unsere Schwächen auf einmal in einer Zeitung angeprangert werden. Deshalb, Franzl, werde nie ein Federfuchser. Es ist einfach zu schwierig, zu ermessen, was man weitermelden kann und was nicht."
STAUBNESTER
Wenn am Kapellenweg, dort wo die alten Birnbäume stehen, die ersten Veilchen duften und die ganze Natur ringsum vor Lenzeslust jauchzt, haben es die braunen Hühner eilig, sich in den wärmenden Staub einzugraben. Sie fühlen sich dort so wohl, dass sie aus Dankbarkeit sogar manchmal ein Ei hinterlassen, aber verärgert brummen sie, wenn ein Fußgänger zu nahe an ihre Staubnester herankommt.
„Ja ja, reg dich nicht so auf! Deine alten Suppenhühner nimmt dir eh niemand weg!", schimpft der Ferdl mit dem Holzfuß und mit der großen Glatze zurück und droht dem Hahn, der sich gegen ihn erhoben hat, sogar mit seiner Krücke. In sich hineinkichernd humpelt der Ferdl weiter und blinzelt, ähnlich wie das Hühnervolk, vergnügt in die Sonne, die auch ihm wohl tut.
Schon fast bei der Kapelle angelangt erblickt er, zurückschauend, plötzlich einen Weiberrock, der sich ebenfalls den Kapellenweg heraufbewegt.
„Das ist ja die Res!, stellt der Ferdl erstaunt fest. „Na warte, mit dir treibe ich heute ein wenig Schabernack!
Hinter der Kapelle findet er Veilchen und mit einem Lausbubengesicht ohnegleichen, das beim ansonsten meist mürrischen Ferdl eine Seltenheit ist, erwartet dieser das Herannahen der alten Res. Diese bemerkt den Ferdl mit dem Holzfuß und mit der großen Glatze nicht, macht eilig ein Kreuzzeichen und beugt das Knie vor der Gottesmutter in der Kapelle und damit auch vor dem belustigt dastehenden Ferdl.
„Res, das hast du gut gemacht! Schau, dafür bekommst du jetzt die ersten Veilchen!"
Darauf die gewaltig erschrockene Res: „Ich hab dich gar nicht gesehen, bin recht in Eile – ich muss ins Försterhaus zum Simon. Es geht ihm gar nicht gut, deshalb nehme ich die Abkürzung durch den Wald, aber über die Veilchen freue ich mich schon, Ferdl!"
Mit zittrigen Fingern nimmt die gute, alte Res den ersten Blumengruß des Jahres entgegen und eilt weiter. Durch diese ernste Wendung kommt der Ferdl nicht dazu, die launigen Worte zu sagen, oder gar schelmisch zu flüstern, wie er es sich vorgenommen hätte. Dafür ist er sehr nachdenklich geworden. Er schickt sich an, wieder ins Dorf zurückzugehen. Bei den Staubnestern macht er einen großen Bogen, um den Hahn mit seinen Hennen nicht in ihrer Geborgenheit zu stören.
Neue Gedanken kreisen durch seinen Kopf: „Komisch, der Förster Simon, der mehr flucht als ich, hat jetzt zur Betreuung die Res. Na ja, ich gönne ihm ja, dass sich jemand um ihn umschaut, aber wer zum Beispiel kümmert sich um mich? Da sind die braunen Hühner noch besser dran, die vergraben sich in ihren Staubnestern und lassen sich vom Hahn bewachen!"
Im Weitergehen sinniert der Ferdl darüber nach, wie man jene Geborgenheit erlangen könnte, die von so einem Staubnest ausgeht. Seine Sehnsucht danach wächst unaufhaltsam. Beim Gasthaus „Zum Silbernen Kranz", wo er sonst täglich sitzt, humpelt der Ferdl mit dem Holzfuß und mit der großen Glatze gesenkten Blickes vorbei.
Eines weiß er nun mit Sicherheit: Schabernack mit den ersten Veilchen kann nicht zu jener Geborgenheit führen, die von einem Staubnest ausgeht.
Foto: Defner
DER ALTE BAUERNKASTEN
Der Kreuzer Naz besitzt einen uralten, behäbigen Bauernkasten. Dieses Stück alter Bauernherrlichkeit befindet sich seit Generationen im Familienbesitz des Kreuzer-Hauses. Die schöngeistige, aber auch eitle und stolze Barbara, Gattin des Bürgermeisters, möchte seit Langem