Gott ist nicht kleinlich: Über das christliche Maß
Von Christoph Benke
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Buchvorschau
Gott ist nicht kleinlich - Christoph Benke
1. Mehr Maß!
Ökologie war schon einmal populärer: Diesen Eindruck gewinnt man angesichts des dürftigen Ergebnisses von Konferenzen, die sich mit dem Klimawandel befassen. Klar ist: Wenn die Menschheit nicht schleunigst mit den Ressourcen des Lebens maßvoll umgeht, wird sie keine Zukunft haben. Geht es jedoch darum, konkrete Maßnahmen einzuleiten, nimmt der politische Gestaltungs- und Durchsetzungswille rapide ab. Zudem erlegt die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise vielen Menschen Einschränkungen auf, die sie nicht selbst gewählt haben.
Die globale ökologische Krise stellt einen zentralen Inhalt christlichen Glaubens in Frage: Ist der Mensch tatsächlich Ebenbild Gottes (Gen 1,27), damit »Krone der Schöpfung« und als solcher das Maß aller Dinge? Ist nicht allenthalben ersichtlich, wohin das geführt hat, nämlich an den Rand des globalen Kollaps? Kritiker des Christentums behaupten, es sei höchste Zeit, dass sich der Mensch im Gesamt des Kosmos selbst relativiert. Er soll sich als Teil des Ganzen, nicht als Spitze verstehen.
Ein alternativer Lebensstil
Aus heutiger Sicht scheint von der Lösung ökologischer Probleme und der Güterverteilung das Überleben der Menschheit abzuhängen. Die Devise »Maß halten« ist freilich politisch unpopulär. Damit lassen sich keine Wahlen gewinnen. Dies schafft eine lähmende Atmosphäre, die junge Menschen dazu bringt, kein rechtes Vertrauen in ihre Zukunft zu haben. Ethische Reflexion ist vonnöten und, christlich gesprochen, Umkehr, um nicht nur den Verstand, sondern auch das Herz der Menschen zu erreichen und Abstand zu nehmen von einer zu stark konsumorientierten Lebensweise. Im Mittelpunkt eines neuen Lebensstiles müsste das Maßhalten stehen, jene Tugend, die das Notwendige vom Überflüssigen unterscheidet und so Lebensqualität und Freude vermittelt. Ist nicht auch Maßhalten das Mittel, um dem allgegenwärtigen »zu viel« etwas entgegenzusetzen? Zu viel Arbeit, zu viel Stress, zu viel Fast Food, zu viel Internet, zu viele Bilder etc.: Das »zu viel« ist Signatur der Gegenwart. Der Mensch reagiert auf derartige Überforderungen unterschiedlich. Früher oder später driften die Stress-Symptome ins Krankhafte.
Permanente Überforderung
Die Kehrseite des Zuviel ist das Zuwenig. Ständiges Zuviel lässt kaum Zeit für die Pflege von Beziehungen, für Erholung. So Elementares wie Muße, das Spielerisch-Nutzlose oder das Staunen kommt zu kurz. Kaum jemand hat die innere Stärke, sich dem Joch des »immer schneller, immer größer, immer mehr« nicht zu beugen; wohl nur der Mensch, der durch die Tugend des Maßes innerlich frei geworden und, so ist realistischerweise hinzuzufügen, der ökonomisch unabhängig ist! Darüber hinaus ist vielen der weltanschauliche Pluralismus ein Stachel: Wer will schon ständig wählen, fortwährend sich entscheiden? Viele sind die andauernde Herausforderung, sich zu positionieren, leid und tendieren gerade bei komplexen, unübersichtlichen Problemlagen zu simplen Antworten. Von daher passt das »zu viel«, also die Übertreibung, zum religiösen Fundamentalismus. Auch die Medienindustrie arbeitet geschickt mit diesem Stilmittel. Mit der damit gelegentlich produzierten Hysterie lässt sich gut Geld verdienen.
Faszination des Extremen
Der Devise »Mehr Maß!« stimmen viele zu. Doch eigenartig: Nicht die Mitte, sondern das Extrem ist anziehend. Das Extrem ist häufig das Spektakuläre, die Mitte hingegen das scheinbar Gewöhnliche und Alltägliche. Maß und Mitte haben einen faden Beigeschmack. Wer mag schon einer Gesellschaft, die dem Genuss zumindest nach außen hin hohen Stellenwert einräumt, eine »Tugend« (klingt altmodisch und verstaubt) und noch dazu die des Maßhaltens empfehlen? Das Thema ist nicht leicht zu vermitteln, weil es verneinend klingt und das Gefühl aufkommen lässt: ›Da gönnt mir jemand mein Leben nicht. Hat da jemand Angst vor dem Überschwang des Lebens?‹
Weitaus attraktiver ist die Suche nach dem Kick über irgendein Extrem, um »sich wieder zu spüren«. Ausdauer- und Extremsportarten boomen, weil sie starke Gefühle vermitteln, die Eigenwahrnehmung intensivieren und (wieder?) in Berührung mit der Personmitte bringen. Das Extrem ist das Sensationelle. Es macht Eindruck. Es holt aus der Banalität des alltäglichen Lebens für eine Weile heraus. Versprochen wird freilich noch mehr: Gerade die Extremerfahrungen scheinen den Menschen Selbsterlösung und Selbstbefreiung zuzusichern. Dabei ist das Kippen in die Sucht oft gefährlich nahe. Schade eigentlich, dass es kein Guinness-Buch der Maße, sondern nur der Rekorde gibt! Das Maß und die Mitte finden benötigt nämlich mindestens so viel Aufmerksamkeit wie das Training für einen Weltrekord.
Gefragt: Gleichgewicht
Zu den jüngsten Bergsportarten zählt das Balancieren auf einer Slackline. Zwischen zwei Felstürmen wird ein speziell verfertigtes Kunststoffband von 25 mm Breite befestigt. Dann balanciert der Akteur – mit Selbstsicherung – von einem Turm zum anderen, unter sich verschlingende Tiefe. Eine sportlich-spielerische Suche nach Balance, nebenbei ein