Holger, die Waldfee: Zehn Gedichte über Redensarten
Von Lars Ruppel und Eyke-Sören Röhrs
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Über dieses E-Book
Lars Ruppels Poesie kommt daher wie Ringelnatz in Baggy Pants, wie Heinz Erhardt in Lederjacke, wie ein Feuilletonist auf Speed auf einem Scooter-Konzert. In Ruppels Gedichten verbindet sich die unverbindlichsaloppe Art der Poetry-Slam-Kultur mit Elementen der Klassik, auch wenn er die selbst gar nicht benennen könnte.
Ruppel dichtet so kunstvoll wie heutig, aber stets handwerklich exakt und erfindet herrlich absurde Geschichten hinter altbekannten Redensarten. Wer weiß denn schon, wer der "liebe Herr Gesangsverein" war, was Herr Specht nicht schlecht machte oder Schmitz Katze im Schilde führt? Die seit 2010 in loser Folge entstandenen Erzählungen in Reimform erscheinen nun erstmals gedruckt als Buch, filigran illustriert vom Berliner Grafiker Eyke-Sören Röhrs. - Ein perfektes Geschenkbuch für alle Sprachverliebten.
Das Buch enthält Gedichte über die Redensarten: "Schmitz' Katze", "Nicht schlecht, Herr Specht", "Alter Schwede", "Heiliger Strohsack", "Volker Racho", "Heide Witzka", "Weiß der Kuckuck!", "Ach, du liebes Bisschen", "Holger, die Waldfee" und "Mein lieber Herr Gesangsverein".
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Buchvorschau
Holger, die Waldfee - Lars Ruppel
Holger, die Waldfee
Jeden Morgen,
wenn tief fliegende Sonnenstrahlen
am Waldrand erst die Wurzeln kitzeln,
federfein mit hellen Farben
Graffiti in die Rinde kritzeln,
zerbrechen und als Scherbenregen
den Waldboden mit Glanz bedecken,
mit einem Streicheln die Insekten
unter Humusdecken wecken;
wenn die Stille, die im Wald zur Nacht
noch eben jeden Ton verbot,
vertrieben durch den Klang der Welt,
leicht angespielt vom Morgenrot,
verschämt ein Stück zur Seite geht
und Platz schafft für Konzerte;
Akkorde, die das Leben greift,
vom Hörer höchst verehrte
Klänge, wie das Amselzwitschern,
das, wenn man sich konzentriert,
klingt, als singe eine Orgel,
die im Regen explodiert.
Der Strauch, der müde Knospen streckt,
das Weidenkätzchenschnurren,
Humus, der leis’ Faulgas furzt,
ein Wühlmausmagenknurren,
Asseln, die mit lautem Groll
nach Kellerschlüsseln suchen,
und von oben raschelt sacht
das Umblättern der Buchen.
Welch Wohlklang, welch Balsam!
Oh, Waldlebens Lied!
Der Tag hat am Morgen
den ersten Zenit.
Der Schöpfung zu Ehren
erhebet die Ohren:
Euch wurde der Tag
von der Sonne geboren!
Kommt alle zum Reigen,
heut wollen wir tanzen
zum Lobe des Kleinen
im Großen und Ganzen.
Zum Ärger des einen:
Der, der nicht gerne tanzt,
der, dessen Wohnung
bepilzt und verranzt,
der öffnet die verdreckten Fenster,
holt tief Luft, und dann kawemmst er:
»Halt die Fresse, du!«, und droht
der ganzen Welt mit Hausverbot.
Der Herr, der sich so echauffiert,
ist großflächig und unrasiert
und doch des Waldes treuester Geist:
Es ist die Fee, die Holger heißt.
Einst war der Holger die Fee aller Wälder,
Herrscher der endlosen Baumkronenfelder,
Patron aller Wesen, Vertreter des Lebens,
Ausgleich im Kreislauf des Gebens und Nehmens,
der Ruhepol des Pendels, das hinter den Dingen
im rhythmischen Tanz aus harmonischem Schwingen
die Teile des Puzzles, das einstmals entzweit,
vereint’ zu Gemälden in Rahmen aus Zeit.
Nur Holger, die Welt und ein Beutel voll Samen
und Jahre, die gingen, genau wie sie kamen.
So wurde aus Boden, der leblos und kalt,
ein Kind dieser Erde in Kleidern aus Wald.
Später, als Menschen in Baumwipfeln lebten,
an Haaren und Händen die Harztropfen klebten,
da wusste man noch seine Arbeit zu schätzen
und lebte gar gerne nach seinen Gesetzen.
Und heut? Hat er Wohnrecht im eigenen Heim,
ist nicht mehr vonnöten und meistens allein –
ein lebendes Denkmal aus schöneren Tagen.
Im Wald hat seit Jahren das Forstamt das Sagen.
Wie jeden Tag schaut bald sein Alltag vorbei,
voll Seufzern des Saufens und RTL2.
Die Waldfee von einst ist nun kaum mehr ein Schatten,
geworfen von Tagen, die Sonnenschein hatten.
Im Forstamt am Tisch bei Kaffee und Tee sitzen
in Graustufen aufgereiht Männer mit Schlipsen;
zu allem entschlossen, den Rotstift gezückt,
den Arsch bis zur Ritze ins Leder gedrückt.
Über dem