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Zauberhafte Erzählungen aus Paris und anderswo
Zauberhafte Erzählungen aus Paris und anderswo
Zauberhafte Erzählungen aus Paris und anderswo
eBook268 Seiten3 Stunden

Zauberhafte Erzählungen aus Paris und anderswo

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Über dieses E-Book

Was haben eine Ananas, zwei Plüschtiere, ein Wellensittich, ein Drache, Shiva und eine Ratte gemeinsam? Es sind Elemente aus den Leben und Träumen von Kindern, Halbwüchsigen, Erwachsenen und Alten.
In 19 Geschichten vermengen sich alltägliche Beobachtungen mit bemerkenswerten Begegnungen und fantastischen Ereignissen. Die interessantesten Wege aus der Normalität finden sich dank fantastischer Ideen.
Im Zug auf dem Weg zwischen Fontainebleau und Paris geschrieben, auf der Suche nach einer gewissen Freiheit, raus aus der menschlichen Einsamkeit, denn jeder erkennt sich wieder, sei es als gelangweiltes Kind, aufgebrachter Jugendlicher oder gestresster Erwachsener.
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum30. März 2014
ISBN9783955011857
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    Buchvorschau

    Zauberhafte Erzählungen aus Paris und anderswo - Stephanie Berth-Escriva

    Stephanie Berth-Escriva

    Zauberhafte Erzählungen aus Paris und anderswo

    Ein Lesebuch von Stephanie Berth-Escriva

    Impressum

    Covergestaltung: Stephanie Berth-Escriva

    Digitalisierung: Gunter Pirntke

    das-e-book24

    Gunter Pirntke Verlag

    http://das-ebook24.de/

    © 2014

    Mail: ebook24verlag@aol.de

    E-Book Distribution: XinXii

    http://www.xinxii.com

    Hinweis

    Das Buch ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das Übersetzen in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlags ist es auch nicht gestattet, diese Bücher oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten oder zu verbreiten.

    Inhalt

    Impressum

    Alex ist sauer

    Begegnungen in einem Pariser Vorstadtpark

    Das Haus im Wald

    Das Mädchen und das Blatt

    Die Frau mit der Ananas

    Ein Mississippidampfer

    Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt!

    Ein infernales Dreieck

    Im Auge des Drachen

    La Flaneuse

    Perfekte Illusionen in der Finsternis

    Blaue Rabenfedern

    Mein namenloser Albtraum

    Pepe und das Postkartenbild

    Wenn Sterne verschwinden!

    Verloren gegangene Doudous in Paris

    Das Monster (eine Erzählung aus ihrer Sicht …)

    Der Held ( - eine Erzählung aus seiner Sicht -)

    Odurs Zorn

    Die Autorin

    Alex ist sauer

    Grauer Himmel, weder Regen noch Sonne, Alex schob die alte Holztür von Bubas Wohnung auf. Winzige chinesische Glöckchen bimmelten und kündeten das Erscheinen des Jungen an. Es roch nach kalter Asche im Kamin und Zigarettenrauch. Wenn Buba kein Feuer machte, heizte er nicht, denn das städtische Gas war ihm abgedreht worden.

    Alex rieb sich fröstelnd die Hände, er bebte innerlich vor Wut, wo ihm eben noch so warm gewesen war, wurde ihm jetzt kalt.

    „Guten Morgen Alex! Was bringt Dich denn zu so früher Stunde hier her? Es ist Sonntag, ich dachte, Du würdest ausschlafen."

    Buba kam mit zwei großen Tassen an und stellte die auf den Tisch. Allein der schlürfende Schritt des alten Händlers beruhigte den Jungen.

    „Morgen Buba. Ich würde noch pennen, wenn mein Alter mich nicht aufgeweckt hätte."

    „Habt ihr euch wieder gestritten?" Aber Buba erwartete keine Antwort. Wenn Alex zu dieser Stunde zu ihm kam, war er verärgert, anders konnte es nicht sein.

    Der Junge nickte und starrte mit zusammengekniffenen Lippen auf die vom Feuer geschwärzten Kaminwände.

    „Setz dich! Das Wasser kocht gleich und ich mache dir einen Kaffee." Der alte Mann beobachtete, wie sein junger Freund einen Stuhl über den Steinboden scharren ließ und sich darauf ausbreitete. Die Zeiten des unruhigen, kleinen Kindes waren lange vorbei. Damals hatte er ihn nicht eine Sekunde aus den Augen lassen können, wenn er mit seinem Vater bei ihm aufgekreuzt war. Alex’ Vater war der neue Lebensgefährte seiner Stieftochter gewesen und er hatte ihn sofort ins Herz geschlossen. Nachdem die beiden auseinandergegangen waren, sah er öfter seinen Schwiegersohn als seine Anverwandte. Aber wie konnte es auch anders sein, denn seine Beziehung zu seiner letzten Lebensgefährtin hatte sich auch nach ein paar Jahren auseinandergelebt.

    Alex wohnte jetzt bei seinem Vater, weil er es mit seiner Mutter nicht mehr aushielt. Fünfzehn Jahre war er alt, rauchte, trug sein Haar lang und gab sich die größte Mühe, seine Gedichte vor den Augen anderer zu verbergen. Doch Buba kannte das abgenutzte Notizbuch, welches Alex stets in seiner Jeanshosentasche bei sich trug.

    In der Küche blubberte der Wasserkocher und verkündete mit einem Klacken, dass Kaffee zubereitet werden konnte. Der alte Mann holte den Kocher und die Dose Konzentrat in die Stube. Alex wusste, dass die meisten Menschen dieses Getränk verschmähten und eine Wissenschaft daraus machten, wie und wann man diesen brauen Saft zu sich nehme. Doch es verstand keiner, so wie Buba das richtige Verhältnis von Zucker und braunen Körnchen mit heißem Wasser zu vermischen.

    Dankbar nahm er die dampfende Tasse entgegen und wärmte seine Hände daran.

    „So wie ich dich kenne, hast du heute noch nichts zu dir genommen", brummte der Alte, woraufhin Alex verneinend den Kopf schüttelte und sich eine Zigarette anzündete. Bei Buba durfte er im Haus rauchen, in der neuen Familie seines Vaters war das ein Unding. Er akzeptierte diese Regel nur, weil Papas Freundin sich als Raucherin selbst daran hielt.

    „Nun mal raus mit der Sprache: Worüber habt ihr euch denn gestritten?" Buba hielt den prüfenden Blick des Jugendlichen stand und wartete auf eine Erklärung. Doch Alex verbarg sich so lange hinter seiner geheimnisvollen Komödie, bis er aufstehen musste, um die Asche seiner Zigarette in den Kamin zu tippen.

    „Ich halte es einfach nicht mehr aus. Am Sonntag stehen die so früh auf, da bekommt man kein Auge zu …"

    „Naja, so ist das nun Mal mit jüngeren Geschwistern. Du warst in dem Alter auch nicht anders. Jeden Morgen um fünf kamst du ins Bett deines Vaters gekrabbelt, manchmal brachte er dich zurück, manchmal nicht. Außerdem hast du mir gesagt, wie froh du seist, endlich Schwestern zu haben", sprach Buba mit seiner beruhigenden, eintönigen Stimme.

    „Das bin ich auch, für Vierjährige sind die Zwillinge echt lieb, darüber kann niemand klagen.

    Papa wollte unbedingt, dass wir heute zusammen zu seiner Mutter fahren, ihr einen Besuch im Altersheim abstatten … dazu war ich nicht imstande, heute nicht, und er wollte davon nichts hören. Er ist regelrecht ausgerastet."

    Alex saugte energisch den Qualm in sich ein und wartete ab.

    „Ich kann mir vorstellen, wie schwierig es für deinen Vater sein mag, seine Mutter in so einem schwachen Zustand zu sehen."

    Doch der Jugendliche schnitt ihm das Wort ab:

    „Was kann ich denn dafür? Ich bin dieses Familientheater nicht gewöhnt. Meine Mutter hat mich nie zu sonntäglichen Besuchen verdonnert. Meine ganze Kindheit habe ich mich jedes Wochenende in Omis Sozialwohnung angeödet. Ich habe die Nase voll davon! Wann kann ich denn mal meine Freunde sehen?"

    „Und warum kommst du dann zu mir? Mehr oder weniger gehöre ich doch zur Familie, wenn ich auch nicht dein leiblicher Opa bin", warf Buba ein und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

    „Das ist was anderes, du hörst mir wenigstens zu … mich regt das Gemache von Papas Familie auf. Seine neue Freundin ist nur noch für ihre Töchter und ihre Arbeit da."

    „Sei nicht ungerecht mit ihr. Als du klein warst und deine Eltern arbeiten mussten, hat sie dich an ihren freien Tagen mit in den Louvre genommen. Ich erinnere mich, wie begeistert du damals von den ägyptischen Hieroglyphen warst. Jetzt sind ihre Töchter dran."

    Buba fand immer die richtigen Worte, um ihn zu beruhigen, auch wenn sein Ärger noch lange nicht verzogen war.

    Der Alte nannte sich , hatte sein Leben eher mit dem Entrümpeln alter Dachböden verbracht. Vor einigen Jahren noch fuhr er mit seinem kleinen Lastwagen um vier Uhr morgens durch die Straßen von Paris und stöberte in den Mülleimern der wohlhabenden Vierteln nach verkaufbaren Gegenständen. Wie er heute lebte, konnte sich keiner aus der Familie erklären, er bezahlte alles in bar und beklagte sich nie.

    „Meinetwegen bin ich eben ein herzloser Egoist, der keine Zeit mit seiner alten Oma verbringen will. Was soll das alles? Weil sich die Erwachsenen für ihre Kinder über eine gewisse Zeit aufgeopfert haben, müssen wir den Rest unseres Lebens uns um sie kümmern? Nur weil sie irgendwann vergessen haben, wer sie eigentlich sind und was sie wirklich interessiert?

    Es scheint so, als trügen die Kinder die Schuld dafür und sind dann zu Gehorsam verpflichtet."

    Die Stimme des jungen Mannes nahm wieder mit jedem Wort zu. Nur Bubas ruhiger Blick aus seinen dunklen Augen ließ ihn Luft holen.

    „Fühlst du dich denn besser, wenn du deinen Vater verärgerst und seine Mutter nicht siehst?", erkundigte sich der Alte und nahm einen Schluck Kaffee.

    „Woher soll ich denn wissen, wie ich mich fühle? Diese ganzen Geschichten von Familie und so sind doch nur eine Ideen von politischen Elitedenkern, um den Pöbel ruhigzustellen. In der Werbung wird uns auch Familienglück vorgegaukelt. Nach dem Motto: Schaut alle her, so sollt ihr es machen! Wenn ihr das nicht hinbekommt, ist es kein Wunder, dass ihr unglücklich seid!"

    Daraufhin erwiderte Buba nicht sofort, der Bengel war verdammt intelligent für sein Alter und hinterfragte so Vieles.

    „Als ich in deinem Alter war, verfluchte ich die ganze Welt, weil ich meine Eltern nicht kannte. Irgendwie war es einfach für mich, denn ich hatte eine Erklärung für mein Unglück. Jedenfalls war ich lange dieser Annahme gewesen", sprach er schließlich.

    „Kennst du eigentlich die Geschichte von dem Jungen, der auszog, um ein Künstler zu werden?", begann Buba, um die Stimmung zu entspannen. Doch er erntete einen finsteren Blick aus Alex Augen, wenn er sich auch erneut auf einen Stuhl fallen ließ.

    „Ja, mein Junge, ich weiß, dass ich dir in deinem Alter keine Geschichten mehr erzählen kann. Da werde ich mich kurzfassen müssen.

    Der Junge wollte raus aus dem Loch, wie er sein Dorf nannte. Raus in die weite Welt, denn es war ihm daheim zu eng geworden. Fest davon überzeugt, Künstler seien reiche Menschen, wollte er einer von ihnen werden."

    Der alte Mann baute eine Atempause ein und wartete ab, ob Alex ihm überhaupt zuhören mochte.

    „Und weiter!", forderte er ihn auf, ohne dabei wenigstens freundlich zu klingen. Buba räusperte sich.

    „Als er erwachsen geworden von seiner Reise zurück in seine Heimat kam, war er weder ein Maler noch ein Poet noch ein Bildhauer oder Musiker geworden.

    Er hatte einfach überlebt und kam zurück, um seiner Familie die Frau vorzustellen, welche sein Kind erwartete.

    Ein Lebenskünstler war er geworden, sonst nichts."

    Alex schob seine geballten Fäuste in die Hosentaschen und musste spöttisch auflachen.

    „Komische Geschichte - wahrscheinlich wäre der Typ nie in sein Dorf zurückgekommen, wenn er eine andere Kunst erlernt hätte", waren die grimmigen Worte des Jungen.

    Buba nickte, rieb sich die Hände und pustete sie warm.

    „Wird Zeit, dass die Tage wieder wärmer werden, ist schwierig geworden, Holz zu besorgen …"

    „Außerdem ist es verboten, in der Stadt mit einem offenen Feuer zu heizen, nicht wahr?", erkundigte sich Alex und Buba seufzte.

    „Was nicht alles verboten ist? … Du könntest schon recht haben, wahrscheinlich hätte es den Mann nie danach gedrängt, in seine Familie zurückzukehren, wenn er sich einer anderen Kunst zugewandt hätte. Aber vielleicht wäre er dabei verrückt geworden und gestorben.

    Du weißt schon, wie das mit Geschichten ist. Wenn sie einen beruhigen sollen, enden sie mit: … und sie lebten ein langes, glückliches Leben bis ans Ende ihrer Tage."

    Wenigstens war es Buba gelungen, den verärgerten Jungen ein zweites Mal zum Lachen zu bringen. Er erhob sich zufrieden und brachte die Tassen in die Küche. Heute am Sonntag wollte er sein Glück auf dem Flohmarkt versuchen.

    Seine alten Knochen machten ihm das Leben schwer und wer weiß, wofür Alex‘ Streit mit seinem Vater gut sein sollte. Der Junge konnte ihm wenigstens beim Aufbauen seiner Artikel helfen. Von klein auf hatte der Kerl sich zwischen den alten Sachen und den neugierigen Leuten wohlgefühlt. Ein bisschen Gesellschaft konnte Buba auch gut vertragen.

    „Magst du mir beim Trödel heute Nachmittag helfen oder hast du was vor?", rief er ihm aus der Küche zu.

    „Kein Problem, Buba, war schon lange nicht mehr auf so einem Markt. Hast du etwas zu essen da?"

    Doch Buba hatte bereits Baguette mit Butter und Konfitüre auf ein Tablett gelegt und brachte es in die Stube.

    Begegnungen in einem Pariser Vorstadtpark

    Mittwoch ist ein schulfreier Tag in Frankreich, ein Tag der Entspannung für die gestressten Kinder, der auch zur sportlichen und musischen Bildung dienen soll. Doch die meisten Familien sind froh, wenn sie überhaupt eine zuverlässige Person gefunden haben, welche sich den ganzen Tag um den Nachwuchs kümmert. Ich war eine von diesen Personen, Au-pair-Mädchen, mindestens dreizehn Stunden an einem Stück für einen vierjährigen Jungen da sein, die Rolle eines nichtvorhandenen Familienmitgliedes zu übernehmen.

    Ich war froh, wenn der ermüdende Vormittag schon mal überstanden war, nach einem halbherzigen Mittagsschlaf erwarteten wir einen Spielkameraden, was mich sehr erleichterte, denn zwei Kinder sind amüsanter als ein chronisch gelangweiltes Einzelkind, welches sich in dieser Erwachsenenwelt verloren und unverstanden fühlte.

    Der gleichaltrige Freund aus der Schulklasse wurde von seiner Mutter pünktlich abgeliefert. Selbst wenn Franzosen für ihre Unpünktlichkeit bekannt sind, trifft dies selten für Mütter ein, besonders wenn ein kleines Kind irgendwo gratis betreut werden kann …

    Die beiden vierjährigen Jungs beschlossen sofort, mit imaginären Pistolen herumzuballern und dabei albern zu kichern. Diese geistreiche Tätigkeit war mir beim Anorak anziehen sehr hinderlich, die Sonne schien und ich wollte unbedingt raus in den Park mit den beiden. Das kleine Mietshaus kam mir im Laufe des Tages immer enger und staubiger vor. Diesen goldenen Oktobernachmittag mit seinen leuchtenden Herbstfarben musste man irgendwie genießen.

    Irgendwann hatten die Jungs ihre bunten Jacken an, an jeder Hand einen aufgedrehten, kleinen Kerl, mit Trinktütchen, Stofftaschentüchern und Keksen bewaffnet, am linken Handgelenk einen in die Haut schneidenden Plastikbeutel mit Sandspielsachen, zockelten wir Hundehaufen ausweichend auf dem Asphaltweg los.

    Wir waren nicht die Einzigen, die noch ein paar Sonnenstrahlen abbekommen wollten. Der Park war voll mit Kindern unterschiedlichsten Alters und den dazu gehörigen Müttern, Vätern und Nounous.

    Eine Dame saß gelangweilt mit verschränkten Armen und übereinandergeschlagenen Beinen weit zurück gelehnt auf einer Bank und beobachtete mit starrem Blick ihr Kind. Eine Sitzgelegenheit weiter hockten zwei junge Mütter und unterhielten sich angeregt, sie waren umgeben von Taschen, Tüten und zwei Kindersportwagen mit unzufrieden quengelnden Babys. Dann war da noch ein Mann, mit krausem Haar und unrasiertem Gesicht, den Bauch in die Sonne gestreckt, beobachtete er schmunzelnd, wie sich seine drei Töchter lautstark im Sand balgten und dabei allerlei Sandburgen und halsbrecherisch tief gebuddelte Löcher zerstörten.

    Ich fragte mich ernsthaft, warum sich manche Damen mit hohen Absatzschuhen im Sandkasten herumquälten. Wenn deren kleines Kind im Sand nun mal nicht reibungslos spielte, wie es das Beste für Mutti gewesen wäre, und nach ihr rief, weil es Sandkörner im Auge hatte oder sein Lutscher plötzlich so paniert und fremdartig aussah. Dann tapste sie los, die Absätze versunken im Sand und der Minirock war beim Kind trösten sehr hinderlich. Sowieso hätte sie am liebsten überhaupt keinen Schmutz an ihren mit Lack und goldigen Ringen geschmückten Händen gehabt … Ob sie frisch geschieden war und ihr Kind allein erziehen musste, dabei jeden Moment ihres Lebens für eine eventuelle Begegnung mit einem zukünftigen Partner nutzen wollte? Oder ob sie sich und dem Rest der Welt einfach ihre Weiblichkeit selbst als Mutter beweisen wollte?

    Meine beiden Schützlinge und ich suchten uns ein Plätzchen, wo ich auch ein bisschen Sonne abbekommen konnte, denn ich spürte ziemlich schnell, wie die klamme Kälte des Spielsandes durch meinen Jeanshosenboden kroch.

    Es bedurfte gar keiner großartigen Animierleistung meinerseits, denn die Jungs waren schnell mit Feuereifer dabei, ihre Spielsachen auszupacken. Jeder bemächtigte sich eines Miniaturfahrzeuges und sie schoben laut brummend, den Oberkörper nach vorn gebeugt, auf die Autos gestützt, das Hinterteil in die Höhe gestreckt, in wilden Kurven über die Spielfläche.

    Im Augenwinkel beobachtete ich, wie eine Mutter ihr plärrendes Baby mit Keksen zu beruhigen versuchte. Die Parktauben schienen an den Lärm gewöhnt zu sein. Die grauen Vögel suchten ohne Unterlass die Umgebung der Sitzbänke nach Krümeln ab. Der sandige Boden hatte manchmal ein eigenartiges Muster, welches Hunderte von Taubenkrallen abgedrückt hatten.

    Im Allgemeinen frieren Kinder während sie spielen nicht so schnell. Wenn ich genauso durch den Sand getobt wäre wie sie, wäre mit bestimmt auch wärmer gewesen. Aber weil Kinder immer etwas trinken wollen, gehen sie auch irgendwann Pipi machen. So suchten wir das chronisch unsauberer Toilettenhäuschen auf. Nachdem alle TShirts, Pullover, Latzhosen und Jacken wieder am richtigen Platz und sinngemäß verschlossen waren, ergab es sich, dass wir Drei Fangen spielten. Die beiden Jungs eilten los, rutschten beinahe auf fauligen Blättern aus und versteckten sich in der Damentoilette. Ich hüpfte hinterher und sie kreischen vor Freude und Aufregung, als ich sie entdeckt hatte. Die Kleinen flitzten um die Ecke und flüchteten in die Toilette auf der anderen Seite. So ging das eine ganze Weile, die Kinder hatten ihren Spaß und ich wärmte mich dabei wieder auf. Doch irgendwann waren wir auch dieses Spiels müde und kehrten in den Sandkasten zurück.

    Mittlerweile hatte eine größere Kindergartengruppe den Spielplatz bevölkert. In Zweierreihen waren sie mit ihren Betreuern einmarschiert und hatten sich auf dem Klettergerüst und der Rutsche breitgemacht. Die Kinder jener Gruppe waren etwa so alt wie meine Schützlinge und konnten sich gemeinsam auf den rutschigen Eisenstangen amüsieren. Die Betreuer, junge Studenten, mit wenig Motivation bei ihrer Arbeit, gaben darauf Acht, dass niemand dieser bunten Rasselbande einen Schaden nehme.

    Ein Student konnte es sich nicht verkneifen, seinen vermeintlichen Charme an mir auszuprobieren, seine Schildmütze verkehrt herum auf seinen Kopf aufgeschraubt, gab er wild Kaugummi kauend allerhand Unsinn von sich. Ein kleines Mädchen mit dunklen Augen und schwarzen Lockenkopf, auf der obersten Stange des Klettergerüsts sitzend, lachte unsere dumme Konversation aus. Dabei stellte ich mir eine weitere Frage, ob kleine, junge Menschen nicht mit einer gewissen natürlichen Intelligenz geboren werden, welche im Heranwachsen hormongesteuert verloren geht? Heute noch betrachte ich die verzweifelten Graffitis auf Parkbänken und Spielplätzen von gelangweilten Jugendlichen mit zermürbender Sehnsucht nach ‚Liebe‘, riesige Erwartungen gefolgt von abgrundtiefen Enttäuschungen …

    Die Kindergartenbrigade rückte bald wieder ab und meine beiden Jungs wandten sich wieder ihren Lastwagen zu.

    Doch plötzlich entschieden sich meine Helden, woanders zu spielen. Ihre kleinen Hände beeilten sich und packten alles Nötige ein. Sie hatten sich entschieden, mit dem Monsieur dort drüben zu spielen und liefen quer über den Sandkasten.

    Als verantwortungsvolle Aufpasserin musste ich meinen letzten sonnigen Platz aufgeben und mit jenen Herrn genauer ansehen. Dort angelangt konnte ich die Kleinen mit einem dritten Jungen ihrer Altersgruppe gemeinsam ins Spiel vertieft erblicken. Da waren auf einmal drei vor sich hinbrummende Wesen mit merkwürdiger Fortbewegungsweise am Spielen. Sie lärmten, ahmten quietschende Bremsgeräusche nach und beluden Lastwagen mit Sand. Sie spielten auf einer fein säuberlich, von Erwachsenenhand eingerichteten Miniaturlandschaft mit Straßen, Kreuzungen, Garagen und Abgrenzungen.

    Der Herr und Meister dieses Werkes saß daneben, mit gutem Schuhwerk und hellem Mantel gekleidet und lächelte schüchtern als er mit einen guten Tag wünschte.

    Er käme oft am Mittwochnachmittag mit seinen Sohn in den Park und spiele mit ihm, um ihn kennenzulernen, erklärte er unverwandt. Sein Sohn, der dritte Wusel, parkte gerade einen Plastikdampfer in eine Lochgarage.

    Wir, der Herr und ich, unterhielten uns über Musik und über die anderen Leute im Park und spielten mit den Kindern. Zwischendurch kam der Betreuer der Kindergartengruppe noch einmal herbeigeeilt und gab mir breit grinsend ein Stück Papier, auf dem er seine Telefonnummer geschrieben hatte, was meinem neuen Gesprächspartner offensichtlich missfiel.

    Der Nachmittag war fortgeschritten und die Sonne stand bereits tief. Die wärmenden Strahlen waren hinter den Wohnhäusern versteckt und es wurde unangenehm kühl. Die Kinder kümmerten sich darum nicht weiter, aber Monsieur und ich beschlossen, so wie alle anderen Erwachsenen auch, allmählich nach Hause zu gehen und den Park den Tauben zu überlassen. Wir bemühten uns, sämtliches Sandspielzeug so vollständig wie möglich wieder einzusammeln, wobei die Kinder nicht sehr hilfsbereit waren. Die hatten nämlich ihre Arme aus den Jackenärmeln heraus gezogen und wedelten kichernd mit den leeren Stoffhüllen um sich herum.

    Bevor sich unsere Wege trennten, überließ mit auch Monsieur seine Telefonnummer, mit der Begründung, dass er sich an meiner Musik interessiere.

    Angerufen und mit ihm gesprochen hatte ich dann erst drei Wochen später. Vorher bin ich immer auf einen Anrufbeantworter gestoßen und ich wollte nicht mit meinem etwas holperigen Französisch auf ein Tonband sprechen.

    Dann aber trafen wir uns, beschlossen, uns öfter zu sehen und irgendwann sind wir bis heute zusammengeblieben …

    Das Haus im Wald

    Dieter schloss mit bemerkenswerter Sorgfalt die Haustür hinter sich zu und eine ungewohnte Stille ummantelte ihn. Normalerweise waren immer irgendwelche Geräusche im Haus, seine Söhne spielten mit einem Tennisball im oberen Stockwerk, das Radio lief, seine Frau föhnte sich die Haare, telefonierte mit einer

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