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die heimliche furcht vor der fremde
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eBook91 Seiten1 Stunde

die heimliche furcht vor der fremde

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Über dieses E-Book

Viele Themen, Orte und Szenarien tauchen in diesen berückenden Prosatexten von Bri­gitte Tobler auf. Diese Miniaturen fangen die großen Gesellschaftsthemen im Kleinen auf, machen sie sichtbar. Beispielsweise die Einsamkeit der Menschen, die zunimmt, uns alle bedroht. Brigitte Tobler hat geradezu poetische literarische Protokolle über das Altwerden, das Zunehmen der Vergesslichkeit, das Zerrinnen der Zeit (als Wohltat empfunden) verfasst (»wenn schweigen in sprache fliesst und in ein lauschendes ohr«). Tagebuchschreiben oder malen erscheinen als Tätigkeiten, die einzig noch ein (altes) Leben zusammenhalten. Eine Buchstabenheimat …
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum28. Okt. 2014
ISBN9783738663006
die heimliche furcht vor der fremde
Autor

Brigitte Tobler

Brigitte Tobler, *1951 in Zürich, lebt in Basel. Schreibt seit den 1980er Jahren Lyrik und Kurzprosa. Zahlreiche Buchveröffentlichungen.

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    Buchvorschau

    die heimliche furcht vor der fremde - Brigitte Tobler

    es ist morgen. der wind reisst an den läden. polternd gegen die hauswand. der regen läuft mit leisem schritt über die dächer. rinnt ihm in die gedanken. er liegt auf dem bett. die zeiten verschieben sich stetig. nach innen. sein körper ist seine uhr. seine zeit liegt nicht mehr hinter ihm. sie liegt neben ihm. in seiner deckelmütze, die er sich übers gesicht zieht.

    er hört den wind rütteln. an den läden. in den ästen.

    schlürfende autoräder. hinter den gardinen die dunklen wolken. davor die elektrische kerze. auf seinem schreibtisch. damit nichts geschieht. auch wenn er einschläft kann nichts geschehen. sie flackert regelmässig. gleichmässig. das flackern ist programmiert.

    der pc wirft ein gesicht in sein gesicht. eine schwarze fläche. manchmal sitzt er davor. betrachtet den betrachter. der wunsch, sich mit der welt zu treffen, ist in ihm erloschen. wie die fläche des bildschirms. es bewegt sich nichts dahinter. gleichmässige leere. seine augen treffen seine augen. sein mund seinen mund. der beinahe kahle kopf seinen kahlen kopf. das auge ohne leben glänzt mehr. eine glaskugel, die ihm das fehlende ersetzt. ein skiunfall.

    in den erinnerungen klaffen löcher. die kinderzeit am bahnhof. der vater stationsvorstand. schwestern. brüder. in der weite seines lebens verloren gegangen.

    wenn er vergisst, ob es abend oder morgen ist, fällt der abendrhythmus des fernsehens ins bewusstsein. nachrichten. hören. sehen. die welt. in seinem zimmer. die welt. die er bereiste. entdeckte. aufgedeckte zeit. gefüllte zeit. die schule. die hieroglyphen der stenografie. seine tagebücher sind voll davon. seine zeit ist in den tagebüchern. erschrecken ihn zuweilen. seine zeichnungen. der genaue strich. die farben, die ihm den tag erhellten.

    jetzt ist die zeit neben ihm. er kann sie berühren. mit den buchstaben zudecken. das kleine büchlein mit den schwarzen buchstaben. darin seine zeit. die dusche am morgen. die berührung des wasserstrahls. eine zärtliche geste. gesprächsfetzen beim morgenessen. einertisch. auf wunsch. ehepaare reden umeinander. um sich herum. ins leere ohne seinen kopf.

    die spatzen auf dem dach. vogelgespräche. erhörte.

    das licht liegt auf seinem zeichenstift. wirft konturen in die zeit. morgenzeit. und lange nachmittage. über den spaziergängen hängt die sehnsucht des lebens. ganz verborgen.

    im kleinen raucherzimmer die persönliche galerie. jedes bild ein lebenswerk. die farben im schlierigen rauch. der duft von kräutern, die keine gesprächspartner sind. der wortlose ort. das vermischte schweigen der bewohner. und die zeit neben ihm. der freund.

    in den strassen ist ein lautes wünschen. bis er wieder fremd sein zimmer sucht. es ist abend. und kein wort gesprochen. das gelernte wollen wird immer leiser. nur lauter das leben der anderen. diese mäandernde trauer sinkt in die gegenstände. im zimmer die bilder. die tagebücher mit ihrer zeit. die geige. die flöten. mit den tönen der zeit. die einsamkeit der hände. brechen leise zusammen. oder summen die zeit. legen sie ihm in die arme. auf den bauch. keine erschütterung. schweigen nur. schweigen im wind. der an den läden reisst. gegen die hauswand poltert.

    die flocken der freude klopfen den takt. öffnen lautlos eine tür. schliessen die gedanken auf wie ein wieder gefundenes portefeuille. wenn schweigen in sprache fliesst und in ein lauschendes ohr.

    5.1.12

    ich betrachte mich im spiegel. hinter mir die badetücher. an der warmen heizröhre. ich werde mich in ihre wärme hineinschmiegen. nach der dusche. vor dem zubettgehen. schuberts unvollendete wirft die töne an die badezimmerwände. unvollendet. denke ich. 1 mal ist sie vollendet. wenn sie gespielt wird. ist sie vollendet.

    das thema erinnert mich an einen text. die eigenen texte rücken manchmal in weite ferne. sind wie vergessen. jetzt kommt einer nah heran. wie ein tier, das liebkost werden möchte. ich denke erstaunt. diesen text. einen eigenen. fremden. oft. das bild des alten mannes. der die zeit neben sich hat. sie mit sich herumträgt. unter der mütze versteckt. sie in die hand nimmt. über dem körper abstreift. der alt ist. welk.

    ich betrachte meinen körper. die kleinen brüste. über den hüften ansätze zu rundungen. die arme kräftig. die beine. vereinzelt weisse haarsträhnen. erinnerung. beinahe verblasst. ein schwarzweissfoto. aus den fünfziger jahren. angegilbt. gezackter rand. ein kind, das in die kamera lacht. die mütze um den hals gebunden. dicker mantel. fausthandschuhe. stiefel. das kind lacht. es lacht laut. ich kann es hören. es schallt in schuberts unvollendete. hallt in die heizungsröhren & gurgelt.

    ich bin das kind. mager & fröhlich. & still. nach dem lachen. hochgezogene schultern. atemnot nach dem lachen. unvollendet. das leben unvollendet. die zeit neben sich. hinter sich. eine ins tragische kippende musik. das gekippte leben. das verstummte. stille. die vergessenen wünsche. die vergessenen freuden. menschen. verloren.

    das texttier schmiegt sich an meine wangen. um die ohren. klettert in die augen. mit den augen in den spiegel. salü. der teufel sitzt im spiegel. ¹ ich schaue. das gesicht lacht. lächelt eher. ein bisschen selbstverliebt. hallo.

    horch. sagt das texttier. ich horche. stille. horch. sagt es. stille. horch. stille. die zeit. sagt das tier. hörst du die zeit. ich höre schubert. horch. sagt das texttier. ein kind schreit irgendwo. die zeitung von b. raschelt. der hahn tropft. plopp. die musik wird leise. horch sagt das tier.

    der alte mann im altersheim. fernseherton. volksverblödungsanstalt. denke

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