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Schatten Tillys Rache: Band 4 der Arkansas-Saga
Schatten Tillys Rache: Band 4 der Arkansas-Saga
Schatten Tillys Rache: Band 4 der Arkansas-Saga
eBook511 Seiten6 Stunden

Schatten Tillys Rache: Band 4 der Arkansas-Saga

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Über dieses E-Book

Carola Constanze Rudolf, genannt CCR, ist nach ihrer Suspendierung bei Obdachlosen untergetaucht. Pappige Brötchen aus der Mülltonne statt Steaks mit Bohnen. Betonboden unter einer Brücke anstatt warme Betten. Sie muss also fortan aus dem Untergrund agieren. Um den wahren Mörder stellen zu können, muss sie unbedingt diese Wunderwaffe finden. Aber zuvor muss sie Tilly, ohne die ihr Vorhaben nicht gelingen kann, suchen. Was ihr Vorhaben ebenfalls nicht einfacher macht, ist, dass sie fortan von ihren Ex-Kollegen, die offenbar irregeworden sind, verfolgt wird. Als wäre das Fass nicht schon voll genug, wird sie auf offener Straße gekidnappt und zur Zwangsarbeit verschleppt. Und dann geschieht etwas Ungeheuerliches ...

›Er kann ja witzig sein‹ HeinzWilli
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum9. Sept. 2014
ISBN9783735750198
Schatten Tillys Rache: Band 4 der Arkansas-Saga
Autor

Michael Giersch

Michael Giersch, Jahrgang 1961, wurde im beschaulichen Dorf Frömern, welches im Fröndenberger Norden (NRW) liegt, geboren. Der schwerbehinderte ehemalige Handwerker lebt und schreibt in einem Fröndenberger Ortsteil und ist ledig. Heunes Garage ist sein achtes Werk.

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    Buchvorschau

    Schatten Tillys Rache - Michael Giersch

    Nicht durch unsere Entdeckungen, sondern durch unsere Ahnungslosigkeit bewegen wir uns sicher durch das Leben

    (Jean Giraudoux)

    Inhalt

    Dienstag

    (Ganz unten)

    Mittwoch

    (Tiefer)

    Donnerstag

    Freitag

    Samstag

    Sonntag

    Grobschnitt

    Von diesem Autor bereits erschienen:

    Koma

    Anderland

    Anderland (Das letzte Gefecht)

    Schatten

    Dienstag, der 30. Oktober

    (

    Ganz unten)

    Carola erwachte frierend. In ihrem Kopf hämmerte, schraubte, bohrte und sägte offenbar eine ganze Kompanie Klabautermänner. Zusätzlich schien jemand fortwährend eine Bowlingkugel oder einen Eisenbahnwaggon durch einen gekachelten Flur zu rollen.

    Sie öffnete vorsichtig die verklebten Augen. Sie schaute unter das Gewölbe einer Eisenbahnbrücke, über welcher gerade ein Güterzug rumpelte. Dies nahm sie jedenfalls an, denn Personenzüge rumpelten vielleicht nicht so brutal.

    Sie fror wie der berühmte Schneider, ihre Zähne klapperten aufeinander, sodass sie befürchtete, sie würden abbrechen. Sie hatte einen Geschmack im Hals, als hätte sie ein Steak mit totem Rattenfleisch, garniert mit Maden und Scheiße gegessen. Sie spuckte aus, schlug den Parka enger um ihren Körper und zappelte mit den Beinen, um ihr Blut in Wallung zu bringen. Sie hob den Kopf – was ihr einen Schwindelanfall bescherte – etwas an und schaute sich vorsichtig um. Sie lag mit dem Rücken auf dem Betonboden, die Kälte sickerte durch ihren Parka. Das Feuer in der Tonne war längst abgebrannt. Sie bewegte auch die Finger, sie waren fast steif vor Kälte. Sie quälte sich auf die Knie, was den Schwindel zusätzlich verstärkte und schaute auf ihre Kleidung. Die Hose war völlig verdreckt, der Parka nicht minder. Links und rechts um sie herum lagen die Sozial-Gestrandeten kreuz und quer durcheinander. Manche mit, manche ohne eine Schlafunterlage.

    »Guten Morgen Johanna, willkommen in der Realität. Na, hast du gut geschlafen?«, fragte Freddi, der soeben hinter einer Betonsäule hervorkam.

    Carola reckte sich, ihre sämtlichen Knochen schmerzten und pochten. »Was hast du mir gestern Nacht zu trinken gegeben? Rheinwasser mit Zyankali?«

    »Holunder, das hab ich dir doch gesagt. Ist ein guter Schnaps, du darfst nur nicht zu viel davon trinken. Ich habe ein paar Brötchen besorgt.«

    Besorgt sollte wohl geklaut heißen. CCR war’s egal, ihr Magen meldete sich mit einem gierigen Knurren. Sie kramte in ihrer Parkatasche und fand die Packung Zigaretten, welche nur noch eine Weiße enthielt. Sie steckte sie an und warf die leere Schachtel in die Eisentonne. Nach dem zweiten Zug begann sie zu husten, sie warf die Kippe hinterher.

    In der Truppe bewegten sich die ersten Gestrandeten. Einer, den sie gestern nicht bemerkt hatte, sprang auf und eilte zur Tonne. »Bist du bescheuert? Die kannst du doch nicht wegwerfen!« Er wühlte mit bloßen Händen in der Tonne und fand die Kippe wieder. Gierig sog er den ersten Zug in seine Lunge. »Wenn du zu viel Geld hast, dann musst du es mir geben!«

    Carola zuckte mit den Schultern. »Was gibt’s denn dazu?«

    »Wozu?«

    »Na, zu den Brötchen.«

    »Nichts, du bist hier nicht im Hotel oder im Präsidium.«

    Nach dem Wort Präsidium schlug er sich gegen die Stirn. Zum Glück hatte es niemand gehört. Der Tonnenraucher hatte sich in irgendeine Ecke verkrochen. Entweder, er wollte nichts von seiner Beute abgeben, oder er musste pinkeln.

    Freddi setzte sich auf seinen Flaschensammelwagen und reichte Carola die Tüte.

    Die schaute neugierig hinein. Er hatte doch tatsächlich verschiedene Brötchen besorgt. Sie sah Kümmel-, Sesam- und Mohnbrötchen. Die Papiertüte duftete wie frisch vom Bäcker. »Wo hast du die denn aufgetrieben, die sind ja ganz frisch?«

    »Frag nicht, iss. Du bist nicht mehr im –«

    »Wo ist sie nicht mehr?«, mischte sich der Kerl, der Carola gestern verführen wollte, ein.

    »Im zivilen Leben«, vollendete Freddi seinen Beinaheversprecher.

    Carola fischte ein Mohnbrötchen aus der Tüte und biss hinein. Es schmeckte auch ohne Belag wundervoll.

    »Ich könnte schwören, dass ich dich schon mal gesehen habe«, bohrte der andere und griff ebenfalls in die Tüte. »Ich glaube, sogar in der Zeitung. Jetzt, wo’s hell ist, kann ich dich auch besser erkennen.«

    Carola beschloss, in die Offensive zu gehen, sonst würde dieses Ekel keine Ruhe geben. »Ja, sicher. Ich war bei der letzten Oscarverleihung dabei. Nur habe ich nicht das nötige Kleingeld, um mir ein Hotelzimmer zu leisten. Aber morgen bekomme ich noch den Friedensnobelpreis, dann kann ich mir endlich ein Hotel leisten!«

    Der Mann schaute CCR verdutzt an und suchte das Weite.

    »Das hast du gut gemacht. Eginald ist eigentlich ein anständiger Kerl, aber bei Neulingen ist er ein bisschen misstrauisch.« Freddi schaute zu den anderen. »Olga ist noch immer nicht zurück. Ich möchte wissen, wo sie bleibt, sie ist doch sonst so zuverlässig? Hoffentlich ist ihr nichts passiert?«

    »Eginald? Ist das die Frau, die das Fleisch besorgt, wie du es nennst?«

    »Ja, er heißt so. Olga ist ein nettes Mädchen, vielmehr Frau. Sie zählt ja schon über fünfzig Lenze.« Freddi zwinkerte Carola schelmisch zu. »Wir haben sogar schon mal zusammen ...«, er schlug mit seiner offenen Handfläche zweimal in die geschlossene Faust, sodass es laut klatschte, »... wenn du verstehst, was ich meine?«

    CCR wusste ganz genau, was er meinte, schließlich taten sie und Ronny so etwas fast jeden Tag – hatten sie gemacht.

    »Olga hat Tricks drauf, das glaubst du nicht. Sie kommt überall rein, fast ohne Spuren zu hinterlassen. Sie ist eine Klasse für sich beim Einbrechen. Ich mache mir richtig Sorgen um sie.«

    »Vielleicht hat man sie erwischt und für eine Nacht eingebuchtet?«

    »Dann wäre sie schon längst wieder zurück. Morgens um sieben schmeißen die Bullen die Leute wieder raus, aus der Zelle.«

    »Ach ja. Wie spät haben wir’s eigentlich?«

    »Keine Ahnung, ich habe keine Uhr.« Freddi blinzelte in den verhangenen Himmel. »Etwa halb neun schätze ich mal.«

    CCR klaubte ein zweites Brötchen aus der Tüte. »Wie kannst du es denn so genau wissen, so ohne jede Uhr?«

    Freddi biss mit seinem letzten Zahn in ein Kümmelbrötchen und spülte mit einer Dose Bier nach. »Das beherrscht du irgendwann, wenn du lange genug auf der Straße gelebt hast.«

    »Wenigstens regnet es nicht schon wieder, ich habe noch genug von gestern. Meine Klamotten sind noch immer klamm.« CCR biss in ihr Brötchen, mit allen Zähnen. Sie fragte sich, wie lange noch.

    Freddi reichte ihr eine Dose Bier. Carola nahm sie mit einem Nicken entgegen, riss sie auf und spülte das trockene Stück Teig hinunter. »Regnen wird’s nicht. Wenn, dann wird es Schnee oder Schneeregen geben. Es ist schon wieder kälter geworden.«

    CCR bemerkte es erst jetzt. Seit gestern Abend war es noch kälter geworden. Sie hatte die Befürchtung, dass ihre klammen Klamotten nie trocken werden würden. Und nie sauber. Sie bückte sich, um den gröbsten Dreck abzuwischen.

    Abrupt wechselte Freddi das Thema. »Hast du Geld? Wir müssen zum Friseur«, flüsterte er.

    »Warum?«

    »Dein schwarzes Haar, wir müssen es färben.«

    »Warum?«

    »Weil jeder Streifenbulle ein Foto von dir in der Hosentasche haben dürfte. Mit schwarzem Haar. Du musst dich verändern, damit man dich nicht erkennen kann.«

    Daran hatte sie nicht gedacht. »Ja, ich habe Geld. Nicht viel, aber immerhin.«

    »Lass das bloß keinen sehen, sonst bist du es spätestens heute Nacht los.«

    »Warum?«

    »Warum? Ja, meinst du, hier ist jeder ein Engel? Auch hier herrschen Neid und Missgunst, wie im echten Leben auch. Auch hier gönnt niemand dem anderen das Schwarze unter den Fingernägeln. Wie in der Politik. Auch hier wird geschoben, gekungelt und es werden bei der ersten Gelegenheit die Seiten gewechselt. Wie in der Politik. Nur, dass hier niemand wieder auf die Füße fällt.« Er winkte ab. »Die da oben fallen ja immer auf die Füße. Egal, was die verbrochen haben.«

    CCR gab Freddi recht.

    »Aber wir können doch nicht in so einem Aufzug in einen Friseursalon gehen, die werfen uns doch sofort wieder hinaus?«

    »Lass mich nur machen, ich habe da schon so eine Idee.« Freddi fischte noch ein Brötchen aus der Tüte und reichte sie an CCR weiter. »Eins ist noch drin.«

    Sie langte dankend zu, bevor noch ein anderer kam. Neid und Missgunst, schoss ein Blitz durch ihr Hirn. Das Brötchen schmeckte sofort schlechter. Sie nahm sich vor, jeden Anwesenden – wenn sie dann jemals aus dieser Scheiße herauskommen sollte – zum Essen einzuladen.

    Die Frau ohne Zähne, die sie gestern Abend kennengelernt hatte, schlenderte heran. Sie gab CCR die Hand. »Na Mädchen, wie hat dir die Nacht in diesem Luxushotel gefallen? Ich heiße übrigens Gerdi, das Kürzel von Gertrud. Nachnamen gibt’s in diesem Ambiente nicht.«

    CCR drückte die kalte, trockene Hand. »C... äh ... Johanna.«

    Gerdi bemerkte das kurze Zögern Carolas nicht. »Ich war früher Chefsekretärin, in einem großen Weltkonzern, dann kamen die Heuschrecken und ich durfte gehen. Die übliche Laufbahn, die Beamten nicht passieren kann. Jetzt bin ich schon ein paar Jahre hier. Ich bin erst fünfundvierzig, sehe aber aus wie sechzig. Ich bin etwa so alt wie du, wenn ich das mal so sagen darf. Aber das ist jetzt unwichtig. Was ich dir sagen will: Die ersten Nächte sind die schlimmsten, aber du wirst dich an die Kälte und Nässe gewöhnen. Aber warte mal ab, bis wir Frost haben ...«, sie schaute kurz in den bedeckten Himmel, »... dann wirst du ganz schön frieren.«

    »Ich dachte, dann könnten wir in einem Obdachlosenheim übernachten?«

    »Ja, wenn es nicht überfüllt ist, wir sind inzwischen zu viele. Es gibt in dieser Stadt nicht genug Plätze, wie in jeder anderen Stadt. Wer zuerst kommt, malt zuerst. Die Oberschicht hat uns vergessen. Aber bald wird’s knallen, das kann nicht mehr lange dauern. Wir werden ständig mehr. Denk mal an die Französische Revolution.«

    Es würde noch etwas ganz anderes geschehen, wenn sie nicht bald ihre Waffe finden und etwas unternehmen würde, wusste CCR, sagte aber nichts. Sie hatte ein anderes Problem, ihre Blase und der Darm drückten. »Sag mal, wo kann ich denn hier für kleine Mädchen gehen?«

    Gerdi deutete mit einer Hand über die Schulter gen Westen. »Dort hinter dem Pfeiler haben wir ein Loch gebuddelt. Du musst nachher nur ein bisschen Erde draufschaufeln.«

    CCR ging los. Zuhause war sie es gewohnt, nach dem Aufstehen zuerst auf die Toilette zu gehen, anschließend unter die Dusche. In dieser Welt war schon ein Loch in der Erde purer Luxus.

    Sie kam an dem Loch, welches einen exquisiten Duft verströmte, an. Wenigstens war es in dieser Ecke fast windstill, die Verdammten hatten das Loch mit Bedacht gebuddelt. Dumm waren sie nicht. Vorsichtig lugte sie um die Ecke, damit niemand zum Spannen kommen konnte. Sie traute den Kerlen alles zu. Zumindest den beiden, die sie gestern angemacht hatten. Während sie ihr Geschäft verrichtete, dachte sie über ihre Lage nach. Ihre höchst beschissene Lage, um es mal übervorsichtig auszudrücken. Aber dieser Freddi war gar nicht so blöd. Wenn sie sich das Haar blond färben würde, dann hätte sie schon einen kleinen Vorteil gegenüber ihren Verfolgern. Sie nahm sich vor, gleich nach ihrer Morgentoilette mit Freddi zu einem Friseur zu gehen. Und neue Kippen brauchte sie auch noch.

    CCR war fertig, sie schaute sich um. Kein Papier, in der ganzen Umgebung war nicht ein Fitzelchen Papier zu sehen! »Scheiße!« Sie kroch mit heruntergelassenen Hosen auf allen vieren zu einem Grasbüschel, der sich verzweifelt gegen das Wetter wehrte. Gegen ihre Hand hatte er keine Chance, sie riss ihn aus Mutter Erde und wischte sich notdürftig ab. Dann warf sie das Büschel in das Loch. Neben dem Loch befand sich ein kleiner Haufen Erde, auf dem eine kleine Plastikschaufel – mit welcher Kinder normalerweise Sandburgen bauen – lag. Sie nahm die missbrauchte Schaufel und verschüttete ihre Notdurft. Hernach ging sie zurück.

    Freddi erwartete sie schon, die anderen gingen ihren normalen Tagesablauf nach. Die ersten Flaschen machten die Runde. Sie fragte sich, wo die Leute ständig den Stoff herhatten, schon gestern Abend zauberten sie eine Flasche nach der anderen aus irgendwelchen Ecken.

    »Können wir gehen?«, fragte Freddi. »Nach deiner Morgentoilette bist du sicher frisch und munter.«

    »Wie ein Fisch im Wasser«, grinste CCR, »fehlte nur das Wasser.«

    »Daran musst du dich gewöhnen. Zumindest die Zeit, in der du dich hier verstecken musst. Da ist jetzt nichts dran zu ändern.«

    Freddi konnte frei sprechen, sie hatten sich schon ein gutes Stück vom Lager entfernt. Kein Mensch war ihnen gefolgt. Den Flaschensammelkarren hatte er im Lager zurückgelassen.

    »Kein Wasser, keine Klospülung«, fuhr er fort. »Keine Klospülung, keine Dusche und keine Zahnbürste. Schau mich mal an, ich hab nur noch einen Zahn. Gerdi hat keinen mehr, den anderen geht’s nicht besser. Übrigens die anderen: Trau keinem von denen, die meisten kenne ich noch nicht einmal mit Namen. Sie bleiben auch nicht lange hier. Das ist hier so, sie kommen und gehen. Wohin sie dann gehen, das weiß niemand. Sie sind einfach nur Kommer und Geher. Manche bleiben für einen Tag, andere für eine Woche, aber meistens nicht länger. Irgendwann verschwinden sie alle. Die Einzigen, die ständig hier sind, sind Gerdi, Olga und ich. Vielleicht Eginald. Wenn du erstmal zwei oder drei Wochen unter uns bist, dann gehörst du schon zum alten Eisen, sozusagen.«

    CCR hatte nicht vor, zum alten Eisen zu mutieren, sie hatte noch eine wichtige Aufgabe zu erledigen. Sie, Ronny oder Fritz mussten auf schnellstem Wege die Waffe finden, die dem Monster den Garaus machen konnte. Nur hatte niemand einen blassen Schimmer, welche Waffe das ist. Dies war das erste Problem. Das zweite war vielleicht schwieriger, sie mussten das Monster irgendwo aufspüren. Nur wo? Wenn dieser Donar wirklich aus der Vergangenheit stammte, dann war die Lösung des Falles schier unmöglich. Sollten sie vielleicht mit einem Raumschiff in die Vergangenheit reisen und den Gott stellen? Wie bei der Enterprise?

    Fragen über Fragen.

    »Sag mal Freddi, wenn ihr euch das ganze Jahr nicht wascht, dann werdet ihr doch krank, oder?«, fragte sie, um ihre negativen Gedanken zu vertreiben. »Ihr müsst doch ab und zu eure Klamotten wechseln. Vor allem, die Unterwäsche. Da sammelt sich doch alles Mögliche an. Ich fühle mich jetzt schon dreckig, weil ich meinen Slip heute Morgen nicht gewechselt habe.«

    »Slip! Du hast Sorgen! Wir können uns ja duschen, wenn wir einen Platz in dem Heim ergattern. Aber nicht so, wie ihr das kennt.«

    »Was meinst du mit aber nicht so, wie ihr das kennt

    »Na ja, die Dusche ist nicht besonders sauber, das Wasser lauwarm, eher kalt. Wir müssen dann gleichzeitig unsere Wäsche mitwaschen. Socken und so. Eben Unterhosen und Unterhemden. Dann musst du die Sachen irgendwo zum Trocknen aufhängen, du musst sie aber im Auge behalten. Besonders, wenn die Wäsche noch einigermaßen intakt ist. Damit niemand klaut. Dann darfst du nicht so viel saufen, damit du nicht einschläfst.«

    Das sind ja schöne Aussichten, dachte Carola.

    Nach einer Viertelstunde Fußmarsch tauchten sie im Stadtteil Hörde ein. »Wir gehen durch Seitenstraßen, das ist sicherer. Setz deine Kapuze wieder auf!«, befahl Freddi.

    »Wo willst du denn hin?« CCR streifte die Kapuze über ihr Haar. Sie vertraute Freddi, er war das richtige Straßenleben gewohnt. Er kannte alle Schleichwege und Tücken.

    »Zum Friseur, das haben wir doch besprochen.«

    »Ich sehe hier keinen Friseur?«

    »Warte doch mal den Druck ab, wir müssen erstmal eine Station mit der U-Bahn fahren, dann ist es nicht mehr weit.«

    Carola dachte an ihre S-Bahn-Fahrt, die beinahe schief gegangen wäre. »Und wenn ein Kontrolleur kommt?«

    »Um diese Uhrzeit kommt kein Kontrolleur, jetzt ist die Bahn zu voll.« Freddi stieg schon die Stufen zur U-Bahn hinab.

    Die Tube war tatsächlich gerammelt voll. Leute aus allen Schichten drängten sich auf dem Bahnsteig, da fielen zwei Penner nicht auf. Freddi ordnete sich ganz hinten ein. Er schaffte es, sich völlig unauffällig zu verhalten. Wie ein Büromensch, der auf seine Bahn wartet. Wenn nur die Klamotten nicht wären. CCR nahm ihre Kapuze vom Haar und stellte sich neben ihm.

    Es dauerte nicht lange und die erste Bahn fuhr ein, Richtung Innenstadt. Die Leute, die in Hörde zu tun hatten, quetschten sich hinaus. Die Leute, die in der Innenstadt oder in der Nähe zu tun hatten, quetschten sich hinein. CCR und Freddi quetschten munter mit.

    Sie fanden direkt an der Tür einen Platz, was von Vorteil war, denn sie mussten an der nächsten Station wieder aussteigen. Die Leute rümpften noch nicht einmal die Nasen, ob ihres Gestanks, befand CCR. Den Grund erfuhr sie zwei Sekunden später.

    In dem Waggon herrschte eine Luft wie in einem Schweinestall-Parfüm-Lokal. Tausende Düfte und Nichtdüfte umnebelten ihr Gehirn, Tausende Sorten Parfüm, Rasierwasser, Deos, Mundwasser und Haarsprays. Ihr wurde es regelrecht übel. Jemand, die oder der hinter ihr stand, hatte gestern Abend anscheinend Gyros mit einer doppelten Portion Zaziki gegessen. Dazu mindestens acht oder zehn Bier. Er oder sie hatte eine Standarte wie ein Turmbläser. CCR fragte sich, wie fürchterlich der Gestank in den Zügen erst im Sommer sein mochte. Sicherlich nicht auszuhalten.

    Sie war froh, als die Bahn hielt und sie den Waggon wieder verlassen konnten.

    Freddi trat nach ihr aus dem Zug. »War doch gar nicht so schlimm.«

    »Das ist ja wohl kein Wunder, bei diesem Gestank würde ich als Kontrolleur auch nicht kommen. Da würde ich selbst vor einer Razzia erstmal durchlüften.«

    Freddi musste lachen. »Dagegen ist es in unserem Freiwildgehege so richtig muckelich, was? Dass die feinen Herren und Damen sich aber auch ständig so einmuffeln müssen. Das verstehe, wer will?«

    Sein Lachen sah fast ohne Zähne urig aus.

    Freddi blieb vor einem kleinen Friseurgeschäft stehen. Carola wäre beinahe vorbeigelaufen, sie hatte den lütten Laden gar nicht bemerkt. »Warte hier, ich gehe erstmal rein und erkläre dem Personal die Sachlage.«

    CCR hielt ihn am Arm fest. »Du willst denen doch nicht erzählen, dass ich –«

    »Quatsch mit Soße, ich habe mir schon etwas einfallen lassen«, grinste Freddi und ließ sie stehen.

    CCR lehnte sich an das Schaufenster und schaute auf die Straße. Die wenigen Leute, die vorbeigingen, beachteten sie nicht. Dies war ein gutes Zeichen. Sicherlich war die Fahndung nach ihr schon raus. Sie musste nur darauf achten, dass sie keinem Streifenwagen oder einer Zivilstreife in die Arme lief. Zum Glück kannte sie jeden Zivilwagen, zumindest die von der Dortmunder Polizei.

    Gegenüber des Friseurgeschäfts befand sich ein kleiner Kiosk. CCR ging hin, kaufte eine Schachtel Weiße und steckte sofort eine an.

    Zwei oder drei Minuten später kam Freddi zurück. »Alles klar, ich habe sogar einen Sonderpreis ausgehandelt. Das Ganze macht fünfzig Euro. Du kannst sofort reingehen, ich muss noch etwas erledigen.«

    »Wo willst du denn hin?«

    Freddi hatte sich schon vier oder fünf Schritte entfernt, er drehte sich um. »Ich bin in einer halben Stunde wieder zurück.«

    CCR zuckte mit den Schultern, trat ihre Kippe aus und betrat den Salon. Sie war die einzige Kundin. Eine schwarzhaarige Modepuppe empfing sie mit einem Zahnpastalächeln. »Da hat sich Ihr Mann aber etwas Originelles einfallen lassen, er muss Sie wirklich sehr lieben.« Sie deutete mit einer manikürten Hand zu einem der Frisierstühle.

    Carola grinste beflissen zurück und setzte sich auf den Stuhl. »Ja, er ist wirklich ein Goldstück, ich liebe ihn so sehr.«

    »Also, Ihr schönes Haar soll blondiert werden«, grinste die Modepuppe in den Spiegel. »Eigentlich schade, Ihre Haare haben eine sooo schöne schwarze Farbe, fast wie ein Raabe.« Sie zog das A wie eine Mettwurst.

    »Ist ja nur ein Scherz, es wächst ja wieder raus«, spielte CCR das Spiel mit. Sie fragte sich, was Freddi dieser Frau erzählt hatte. Sie durfte sich nicht verplappern, sie musste vorsichtig mit ihren Antworten sein.

    »Es gibt ein brandneues Mittel auf dem Markt«, grinste die Modepuppe in den Spiegel, »es soll völlig unschädlich für das Haar sein, völlig ohne Chemie. Es soll schwarzes Haar in einer halben Stunde weiß färben, fast wie Schnee. Nach drei Wochen ist die Farbe dann wieder ausgewaschen. Darf ich dieses Produkt bei Ihnen anwenden?«

    CCR hatte die Hoffnung, dass es der Tarnung Genüge tun sollte. Sie durfte nur drei Wochen nicht in den Spiegel schauen. Mit blondem Haar sah sie sicherlich unmöglich aus. »Ja dann wollen wir meinem Mann mal eine Freude bereiten!«

    Die Modepuppe begann mit der Arbeit und plapperte munter drauflos. Sie konnte reden wie ein Wasserfall, ohne Punkt und Komma. CCR gab nur ab und zu einen Kommentar von sich. Sie war froh, dass die Puppe ohne Ende quasselte. Eine Dreiviertelstunde später wusste sie alles Wichtige und Unwichtige über die reichen Leute, die ständig in den Boulevardzeitungen ihre Wehwehchen abdrucken ließen.

    »So richtig blond ist es aber nicht, das neue Mittel scheint ja doch nicht so ganz ausgereift zu sein«, sagte CCR nachher skeptisch.

    Die Puppe grinste verlegen in den Spiegel. »Eigentlich müssen wir das Ganze ja wiederholen. Ihr Haar ist vielleicht zu schwarz. Aber für diesen Spaß müsste es reichen. Wenn es Ihnen nicht gefällt, müssen Sie halt wiederkommen.«

    CCR schaute erneut in den Spiegel. Ihr Haar war viel mehr grau als blond, aber immerhin etwas. »Ich werde meinen Mann fragen, vielleicht reicht es ihm ja.«

    »Genau so sehe ich das auch, wissen Sie, der Schlagerstar Gänseschmalz –«

    CCR stand auf und holte ihr Geldbündel aus der Tasche. Was Herr Sowieso hatte, interessierte sie nicht die Bohne. Sie hatte in den letzten Minuten so viel völlig Unwichtiges über Prinzen, Schlagerstars, Schauspieler und Prinzessinnen gehört, das reichte erstmal für hundert Jahre. »Was bin ich Ihnen schuldig?«

    Die Modepuppe schaute sie überrascht an. Sie schien beleidigt zu sein, weil Carola nicht das Neuste über Prinz Hassenichtgesehen wissen wollte. »Fünfzig Euro, für diesen Spaß mache ich einen Sonderpreis.«

    Carola bezahlte, ließ die Frau mit deren Prinzen allein und verließ den Salon. Jetzt hast du nur noch so um die zweihundertzwanzig Mäuse, dachte sie, als die Tür hinter ihr ins Schloss schlug.

    Freddi erwartete sie schon.

    Carola gab einer Weißen Feuer. »Was hast du der denn erzählt? Die war ja ganz begeistert, als sie mir das stinkende Zeug auf den Schädel geschmiert hat?«

    »Dass wir eine einwöchige Urlaubsreise unter eine Brücke unternehmen, damit wir uns in die Lage der Obdachlosen hineinversetzen können. Stimmt doch sogar irgendwie, oder nicht?« Freddi grinste sie an und reichte ihr ein Brötchen mit vertrockneter Salami.

    »Wo hast du das denn schon wieder her?«, fragte sie und biss herzhaft zu.

    »Aus einer Mülltonne, woher denn sonst?«

    CCR verschluckte sich und spuckte das abgebissene Stück aus.

    »Da wirst du dich dran gewöhnen müssen. Du wirst froh sein, solch etwas Besonderes zu finden«, grinste Freddi wieder.

    »Komm, wir gehen in eine Bäckerei, ich gebe einen Kaffee aus. Da ich jetzt eine alte Oma bin, müssen wir auch standesgemäß einen schönen Kaffee trinken.«

    Zwanzig Minuten später saßen sie in einer Kaffeestube, Carola musste im Voraus bezahlen. Die Mitarbeiterin schaute sie verdutzt an, als sie ihr ständig schmaler werdendes Geldbündel hervorzog. Sie enthielt sich aber eines Kommentars.

    »Was tun wir denn den ganzen Tag?«, fragte CCR und biss in ein Schinkenbrötchen.

    »Wir müssen den Bullen aus dem Wege gehen. Auch, wenn du jetzt anders aussiehst. Sehen übrigens scheiße aus, deine neuen Haare. Grau wie eine alte Oma.«

    »Danke für das Kompliment, aber das war ja schließlich deine Idee.«

    »Was kann ich dafür, dass du solch eine schwarze Wolle auf dem Kopf trägst? Die sich nicht färben lässt?«

    Die Tür wurde geöffnet, Birken trat ein.

    CCR schnappte sich eine Zeitung vom Nachbarstuhl und hielt sie vors Gesicht.

    »Was ist denn?«

    »Das ist mein Chef, was will der denn ...«, flüsterte sie.

    »Dreh die Zeitung wenigstens richtig rum.«

    Sie bemerkte, dass sie die Zeitung falsch herum hielt. Sie traute sich aber nicht, sie umzudrehen, solange wie Birken im Geschäft war.

    Birken beachtete sie nicht. Er bestellte zehn belegte Brötchen, bezahlte und verließ das Café wieder.

    »Was wollte der denn hier, er geht doch sonst ganz woanders hin?«

    Birken besorgt, wenn ihn der Edelmut übermannt, ab und an belegte Brötchen für seine Truppe. Aber wahrhaftig nur ab und zu. Dass es ausgerechnet zu dem Zeitpunkt sein musste, als sie in diesem Café war? Oder hatten ihre Kollegen sie schon aufgespürt und Birken war nur gekommen, um zu schauen, wie viele Leute sich in dem Lokal befanden? Damit sie die Bude gleich stürmen konnten? Mit einem Überfallkommando? CCR schaute sich piano um und lugte vorsichtig aus dem Schaufenster. Birken war verschwunden.

    »Meinst du, er hat etwas bemerkt?«, fragte Freddi.

    Sie erhob sich. »Ich hoffe nicht, aber lass uns lieber verschwinden. Ist doch seltsam, dass er ausgerechnet auftaucht, wenn auch wir hier sind.«

    »Nimm die restlichen Brötchen mit, wir werden sie brauchen«, sagte Freddi und erhob sich ebenfalls.

    CCR trank noch einen Schluck Kaffee. »Lass sie liegen, die sind das Trinkgeld.« Sie verließen eiligst das Geschäft.

    ♦♦♦

    Birken erstürmte Carolas Büro mit einer Brötchentüte unter dem Arm. Er warf die Papiertüte auf den Gammeltisch und zog eine Zeitung aus der Jackentasche.

    »Wer war das?«, brüllte er und warf die Zeitung vor Arnika auf den Tisch.

    Die hob sie auf und studierte die erste Seite.

    Das ist die Killerin!!!

    Stand in roten Lettern über einem Konterfei von Carola fixiert.

    »Wir doch nicht. Das kann doch nur Ritter gewesen sein! Das dämliche Arschl...«, rief Arnika.

    »Das glauben Sie doch wohl selbst ...« Birken schaute sich suchend um. »Wo ist Herr Ritter eigentlich?«

    »Der ist krankgeschrieben, er ist in eine Scherbe getreten«, sagte F5 und stand von seinem Computer auf. Er nahm das Blatt und las die erste Seite, die fast gänzlich aus CCRs Konterfei bestand. »Diese Frau wird gesucht, per Haftbefehl, sie steht in Verdacht, diese ominöse Killerin zu sein.« Er wandte sich an Birken. »Es gibt doch noch keinen Haftbefehl!«

    »Nein, noch nicht. Entschuldigung, ich muss mal ganz schnell verschwinden!« Birken stürmte wieder hinaus, die Tür knallte ins Schloss.

    »Das war mit Sicherheit Ritter«, sagte John, »als wenn wir die Kacke nicht schon genug am dampfen hätten.«

    »Wir müssen Carola verständigen«, meinte Arnika, »damit sie sich verstecken kann.«

    »Das wird sie mit Sicherheit schon wissen, auf der Straße verbreitet sich so etwas ruckzuck.« Fritz warf das Blatt zurück und setzte sich an seinen Computer.

    Birken steckte wieder den Kopf in die Tür. »Ich glaube, ich habe Frau Rudolf soeben gesehen, ich bin mir aber nicht so sicher. Sie hatte einen anderen Kopf, wenn sie es dann war. Überprüfen Sie mal die Kaffeestube in der Saarlandstraße. Dort habe ich die Brötchen gekauft!« Krachend fiel die Tür ins Schloss.

    »Das ist ja hier um die Ecke«, sagte Fritz. »Ich bleibe hier, darum müsst ihr euch kümmern. Wenn meine Pension schon futsch ist, dann möchte ich die letzten Stunden vor meinem geliebten Computer verbringen.«

    »Du und dein Rechner. Ich lege dir, wenn es dann so weit ist, einen Computer ins Grab. Und einen Monitor«, sagte John. Er und Arnika verließen das Büro und fuhren zur besagten Kaffeebude.

    »Ja, diese Frau war hier«, sagte eine schlanke, etwa dreißigjährige Frau, die eine grüne Brille auf der Nase trug, fünf Minuten später. »Sie sah aber anders aus.« Sie drehte das Foto, welches Arnika ihr gegeben hatte, in das Licht. »Sie war mehr grauhaarig, und nicht so schön schwarz wie auf diesem Foto. Sie war in männlicher Begleitung, einem dreckigen Penner.« Die Frau schüttelte sich. »Ich habe sie im Voraus bezahlen lassen, bei denen kann man ja nie wissen. Sie waren so dreckig und haben so urtümlich gerochen

    »Sind Sie sicher?«, fragte Arnika.

    »Hundertprozentig nicht, aber diese ausgeprägte Nase und der dunkle Teint der Frau sprechen für sich. Der Mann war fürchterlich schäbig gekleidet, mit so ’ner gammeligen Pudelmütze. Ich achte stets als Erstes auf die Kleidung, daran beurteile ich die Menschen.«

    Arnika war da ganz anderer Meinung, sie beurteilte die Menschen lieber nach deren Charakter. Das, was diese Frau tat, war nicht beurteilen, sondern verurteilen. »Wann waren diese beiden Personen hier?«

    Die Frau zuckte mit den schmalen Schultern. »Eine Stunde? Vielleicht ein bisschen weniger, eher eine Dreiviertelstunde?«

    John gab ihr seine Karte. »Falls Ihnen noch etwas einfällt.«

    »Bekomme ich jetzt eine Belohnung?« Das Gesicht der stark geschminkten Frau hellte sich auf.

    »Leider nicht«, sagte Arnika, »vorerst ist es nur eine Überprüfung.«

    »Schade«, erwiderte die Frau.

    »Ja, echt schade«, sagte John und machte sich auf den Weg zum Ausgang.

    »Beehren Sie mich bald wieder!«, rief die Frau den Fahndern hinterher.

    »Die ist scharf auf dich«, sagte Arnika, als sie das Café verlassen hatten.

    »Warum ist eigentlich jede Frau scharf auf mich?« John betätigte den Schlüssel, die Zentralverriegelung des Autos sprang auf.

    Arnika boxte ihn in die Rippen. »Du bist doch so ein nettes Kerlchen.«

    John fuhr in Richtung Innenstadt los. »Das sag mal meiner Bärbel, die kratzt dir die Augen aus.«

    »Das ist sie!«, rief er nach einer Weile und trat auf die Bremse.

    Tatsächlich. Arnika erkannte CCR – trotz der grauen Frisur – an deren Gang. Sie war in Begleitung eines Mannes, sie wurden gerade von sechs oder sieben Glatzen angesprochen. »Fahr weiter!«, zischte sie, »wir haben nichts gesehen!«

    »Aber diese Nazis werden ihr Schwierigkeiten bereiten«, protestierte John. »Wir müssen ihr helfen!«

    »Sie kann sich selbst helfen, sie ist doch ein Bulle. Vielmehr Bullin.«

    »Hoffentlich hast du recht«, grunzte John und fuhr weiter.

    ♦♦♦

    Ritterdonar war im Ruhrgebiet unterwegs. Er musste sich eine neue Waffe besorgen. Er konnte nicht ununterbrochen mit seiner Polizeiwaffe um sich ballern. Er kannte einen ominösen Waffenhändler, welcher ihm aber mit Sicherheit keine Waffe verkaufen würde. Schließlich wusste der Händler, dass er ein Bulle war. Deshalb hatte Ritter sich etwas anderes einfallen lassen. Er beabsichtigte, in das Geschäft, welches als Zubehörladen für Campingartikel getarnt war, einzusteigen. Er wusste, dass der Mann des Dienstags Ruhetag hatte. Er hatte seinen speziellen Schlüsselsatz bei sich. Mit diesem hatte er bis dato noch jede Tür aufbekommen. Und wenn nicht, dann konnte er das Hindernis noch immer eintreten. Schließlich befand der Mann sich nicht im Geschäft.

    Ritterdonar parkte in einer Nebenstraße und ging die letzten Meter zu Fuß. Er erreichte das Geschäft (welches an einer Hauptstraße lag), und spähte durch die dreckige und zerkratzte Schaufensterscheibe.

    Alles dunkel.

    Ritterdonar schaute sich kurz um und zog den Schlüsselsatz aus der Tasche. Der erste Schlüssel passte nicht. Er überlegte es sich anders und verließ die viel befahrene Straße.

    Er betrat den Hinterhof, in dem es fürchterlich nach Gülle stank. Ein Junge und ein Mädchen spielten Fußball. Er zog seinen Mantelkragen hoch und ging scheinbar gelangweilt weiter, die Kinder beachteten ihn nicht. Er ging um eine Ecke, er war wieder allein. Vor der Hintertür standen schwarze Mülltonnen. Er schob sie an die Seite, trat an die Tür heran und betrachtete das Schloss. Primitiv, das Schloss dürfte kein großes Problem sein, ein uraltes Bartschloss. Der erste Schlüssel passte schon, Ritterdonar stieß die verwitterte Holztür auf und betrat einen langen, dunklen Flur. »Das klappt ja wie’s Katzenficken, vielleicht sogar ein bisschen besser.«

    Links am Ende des Flurs befand sich die Tür zum Geschäft, aber dort wollte er nicht hin. Er beabsichtigte, in den Keller zu gehen. Die Kellertür stand sperrangelweit auf. Er betrat die grauen Betonstufen, der typische Kellergeruch schlug ihm entgegen. Feucht, alt und muffig. Er betrat das Gewölbe und schaute sich um. Er hatte kein Licht angeschaltet, er sah mittlerweile auch ohne Licht ganz gut.

    Er hatte sich verändert.

    Rasch überschaute er die Lage, der Kellerverschlag des Waffenhändlers war nicht weit entfernt, das spürte er.

    Er trat an einen mit rauen Holzlatten verrammelten Verschlag heran. Das war der Keller des Waffenhändlers. Ritter schaute durch die Ritzen der Latten. Der Keller wurde scheinbar als Rumpelkammer missbraucht, aber Donar wusste es besser. Auch das primitive Vorhängeschloss war schnell geknackt, Ritterdonar ging zielstrebig in die hinterste Ecke des etwa zehn Quadratmeter großen Kellers. Unter einem vergammelten Teppich befand sich die rechteckige Kiste mit den Waffen, die bald abgeholt werden sollte.

    Donarritter wusste dieses, obwohl er diesen Keller noch nie betreten hatte.

    Er schlug den Teppich zurück, die Holzkiste mit der Aufschrift Kinderspielzeug war nicht zu übersehen. Er öffnete auch dieses Schloss mühelos und schlug den Deckel nach hinten. Dieser schlug leise gegen die graue Wand. Er lugte in die Kiste, die mit Pistolen vollgestopft war. Natürlich war auch die dazugehörige Munition anbei. Die Kiste war mit einem Holzbrett geteilt, in dem größeren Fach befanden sich die Pistolen, in dem kleineren die Munition. Er nahm eine Waffe, die in Ölpapier eingewickelt war, heraus. Den dazugehörigen Schalldämpfer nahm er auch gleich mit. Und reichlich Munition. Er steckte die Beute in seine Manteltasche, drehte sich um und ...

    Vor Ritterdonar stand der Waffenhändler, ein drei Quadratmeter großer Bulle! Mit einer Axt in der Hand und einem scharfen Köter an der Leine. »Freundchen, was machst du denn hier?«

    Die Bulldogge schien völlig unbeteiligt.

    Schien.

    Der Mann hob drohend die Axt. Ritter (nicht Donar) schaute sich hektisch um, er saß in der Falle!

    Kein Problem für Donar, aber für Ritter, denn der war verwundbar. Donar konnte sich ständig einen neuen Gastkörper suchen.

    Dachte Ritter.

    »Ich glaub’s nicht, Freundchen! «

    Die Bulldogge knurrte.

    Der Mann löste die Leine vom Halsband.

    »Ich ...«, flüsterte (nicht Donar) Ritter.

    Die Dogge rannte los und hechtete Ritter an die Brust. Sie knurrte nicht mal. Die messerscharfen Zähne schlugen wie Stahlklammern in seiner Kehle zusammen. Es hörte sich an, als wenn man einen Pfirsich in eine Pfütze wirft.

    Donar ließ ihn gewähren. Er wankte nicht mal.

    Der Köter zerrte wie ein Irrer, Sirup quoll aus der Wunde. Der Hund rutschte winselnd von Ritterdonars Brust, als er den Sirup schmeckte.

    »Kalle, was hast du denn? Fass habe ich gesagt!«, schrie der Hüne, obwohl er gar nichts gesagt hatte.

    Donar grinste den Mann an. »Da musst du dir schon etwas Besseres einfallen lassen, der Köter hilft dir auch nicht weiter!«

    Die Bulldogge verzog sich winselnd in eine Ecke.

    Ritterdonar ging grinsend auf den Mann zu.

    »Wer bist du?«, keuchte der Mann, »was bist du?«

    Ritters Kehle schloss sich wie von Geisterhand.

    »Das ist doch völlig unmöglich«, stammelte der Mann und starrte fassungslos auf Ritters Kehle. »Kalle hat bisher noch jeden gefasst!« Er packte die Axt fester, die Knöchel seiner Faust traten weiß hervor. »Kalle! Fass!«

    »Ihr Menschen sagt ständig, dass alles unmöglich ist. Aber nichts ist unmöglich!«, donnerte Ritterdonar. »Mach dich vom Acker, oder ich muss dich killen! Ich will nur diese Waffe mitnehmen, sonst nichts!«

    Der Mann schaute sich unsicher um, sein Blick flackerte wie ein Kerzenlicht im Wind. »An meiner Axt kommst du nicht vorbei?«

    Donarritter schaute den winselnden Hund an und schickte ihm einen Befehl. Die Dogge winselte lauter. Aber sie wehrte sich verwunderlicherweise gegen den Geist, Donarritter verstärkte seine Signale. Die Dogge legte sich auf den Boden und steckte die Schnauze in den Staub. Donars Befehle stießen noch härter zu.

    Dies zeigte Wirkung. Kalle erhob sich zögernd.

    »Kalle, fass!«, schrie der Mann, dessen Blick unsicherer wurde.

    Aber Kalle wandte sich seinem Herrchen zu.

    Donar grinste. »Wir haben ein kleines Problem. Entweder, du lässt mich mit der Waffe verschwinden, oder wir werden dich killen. Vielmehr der Köter. Von deinen illegalen Waffengeschäften weiß ich natürlich nichts.«

    »Das Problem hast du, denn ich habe eine Axt. Ich werde dir einfach den Schädel spalten!« Der Mann trat drohend einen Schritt näher.

    »Du hast es nicht anders gewollt«, sagte Donar gelangweilt und schickte einen superscharfen Befehl an den

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