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Harrowmore Souls (Band 2):
Harrowmore Souls (Band 2):
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eBook262 Seiten3 Stunden

Harrowmore Souls (Band 2):

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Über dieses E-Book

Als ein ehemaliger Mitschüler Conny Bligh, den Anwalt der Geister, um seine Hilfe bittet, ist dieser davon zunächst alles andere als angetan. Doch das ändert sich, als er und Allison Harrowmore auf Hidden Manor, der Burg ohne Vergangenheit, eintreffen. Oder hat das alte Gemäuer doch eine Geschichte? Bald drängt die Zeit, denn ein großer Maskenball steht unmittelbar bevor. Und jeder einzelne Gast läuft Gefahr, in dieser Nacht seine Seele zu verlieren …
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum19. Feb. 2021
ISBN9783038961703
Harrowmore Souls (Band 2):

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    Buchvorschau

    Harrowmore Souls (Band 2): - Miriam Rademacher

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Informationen zum Buch

    Impressum

    Widmung

    Prolog

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Kapitel 22

    Kapitel 23

    Kapitel 24

    Kapitel 25

    Kapitel 26

    Kapitel 27

    Epilog

    Dank

    Carolin Emrich

    Harrowmore Souls

    Band 2: Ticket 23

    Fantasy

    Harrowmore Souls (Band 2): Ticket 23

    Als ein ehemaliger Mitschüler Conny Bligh, den Anwalt der Geister, um seine Hilfe bittet, ist dieser davon zunächst alles andere als angetan. Doch das ändert sich, als er und Allison Harrowmore auf Hidden Manor, der Burg ohne Vergangenheit, eintreffen. Oder hat das alte Gemäuer doch eine Geschichte? Bald drängt die Zeit, denn ein großer Maskenball steht unmittelbar bevor. Und jeder einzelne Gast läuft Gefahr, in dieser Nacht seine Seele zu verlieren …

    Die Autorin

    Miriam Rademacher, Jahrgang 1973, wuchs auf einem kleinen Barockschloss im Emsland auf und begann früh mit dem Schreiben. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Osnabrück, wo sie an ihren Büchern arbeitet und Tanz unterrichtet. Sie mag Regen, wenn es nach Herbst riecht, es früh dunkel wird und die Printen beim Lesen wieder schmecken. In den letzten Jahren hat sie zahlreiche Kurzgeschichten, Fantasyromane, Krimis, Jugendbücher und ein Bilderbuch für Kinder veröffentlicht.

    www.sternensand-verlag.ch

    info@sternensand-verlag.ch

    1. Auflage, Februar 2021

    © Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2021

    Umschlaggestaltung: Juliane Schneeweiss

    Lektorat / Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Martina König

    Korrektorat Druckfahne: Sternensand Verlag GmbH | Jennifer Papendick

    Satz: Sternensand Verlag GmbH

    ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-169-7

    ISBN (epub): 978-3-03896-170-3

    Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Für Conny und Allison.

    Es tut mir wirklich leid, was ich euch in euren Abenteuern bereits

    alles angetan habe und noch antun werde, aber ich kann nicht anders.

    Es geht einfach mit mir durch. ☺

    Prolog

    Hidden Manor im September 2018

    Lautlos öffnete Dotty Prim die Tür und huschte ins Schlafzimmer ihrer Arbeitgeberin. So leise wie eine Maus tippelte sie dem Schimmer blassen Tageslichts entgegen, der durch die schweren Gardinen fiel. Gleich würde sie sie geräuschlos aufziehen und in heiterem und doch sanftem Ton einen Guten Morgen wünschen. Heute würde sie die perfekte …

    Rums.

    Irgendein heimtückischer Gegenstand, der im Dunkeln auf sie gelauert haben musste, brachte Dotty kurz vor ihrem Ziel zu Fall. Mit einem Schrei des Entsetzens streckte sie die Arme vor, fand Halt im schweren Stoff des Vorhangs und riss diesen mitsamt der Aufhängung von der Wand. Das war nicht so ganz der perfekte Auftritt, den sie sich erhofft hatte.

    Einen Moment lang blieb sie im Licht des neuen Herbsttages auf dem Teppich liegen und unterdrückte eine Reihe sehr bildhafter Flüche. Sie war eben keine Maus, sie taugte nicht zur unsichtbaren, aber sehr effizienten Haushaltshilfe, und als persönliche Assistentin der Hausherrin war sie sowieso hoffnungslos überfordert. Sie konnte ja nicht einmal ein paar Vorhänge öffnen, ohne eine Katastrophe heraufzubeschwören.

    Mürrisch setzte sich Dotty auf und starrte das Objekt an, dem sie ihren Sturz zu verdanken hatte. Es war ein Schuh. Eine dämliche Designer-Sandalette, wie sie im Kleiderschrank ihrer Arbeitgeberin zuhauf zu finden waren.

    Gleich darauf warf sie einen Blick auf das kitschige Himmelbett mit der roten Satinbettwäsche. Es war verlassen. Nein, bei genauerer Betrachtung wirkte es nicht verlassen, sondern unbenutzt. In diesem Bett hatte in der vergangenen Nacht niemand geschlafen.

    »Mrs Lawrence?« Suchend blickte sich Dotty im Zimmer um.

    Ein leises Grunzen wies ihr den Weg zum Schminktisch mit dem dreiteiligen Spiegel, und da saß sie: Den dürren Körper in einen teuren Morgenmantel gehüllt, starrte Hillary Lawrence ihr Spiegelbild an, den kahlen Schädel und die fahle Gesichtshaut. Sie saß genau so da, wie Dotty sie am Abend zuvor verlassen hatte.

    »Sie haben doch wohl nicht die ganze Nacht auf diesem Stuhl zugebracht? Haben Sie einen Knall?«, entfuhr es Dotty und sie verfluchte sich selbst, weil sie es gerade am nötigen Respekt gegenüber ihrer Brötchengeberin fehlen ließ.

    »Einen Knall?«, wiederholte die Gestalt vor dem Spiegel, und ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Ja, den habe ich wohl. Einen Knall, so laut wie der Aufprall einer Vorhangstange auf dem Fußboden.«

    Dotty murmelte eine Entschuldigung, griff nach dem unberührten Wasserglas auf dem Nachttisch und beeilte sich, es der übernächtigten Frau zu bringen. Doch diese nahm es nicht an, sondern beäugte weiter kritisch ihr Abbild in dem Spiegel des Schminktisches.

    »Ich bin zerstört. Hässlich wie die Nacht. Ist es nicht unglaublich, wie hässlich man werden kann? Ich wusste gar nicht, dass ich so eine ulkige Kopfform habe. Und jetzt habe ich auch noch einen Knall.«

    Noch einmal drängte Dotty ihr das Wasserglas auf und wartete mit ihrem Kommentar, bis die Frau wenigstens einen Schluck getrunken hatte. »Sie haben sehr viel durchgemacht, da kann man doch nicht aussehen wie das blühende Leben. Die Chemo, die Bestrahlung, all das war eine ungeheure Belastung für Ihren Körper und auch Ihre Seele. Aber es ist vorbei, es liegt hinter Ihnen und der Doktor ist zufrieden mit Ihren Fortschritten.« Dotty lächelte aufmunternd und legte noch ein paar motivierende Übertreibungen nach. »Sie werden wieder ganz gesund, und schon in ein paar Wochen verschwindet dieser spitze Kopf unter einer Flut von blonden Haaren. Genau wie früher. Wie auf dem Titelbild der Modezeitschrift, die Sie mir kürzlich zeigten. Und dann haben Sie Ihr altes Leben wieder.«

    Doch all die nett gemeinten Worte verfehlten ihre Wirkung.

    »Mein altes Leben?« Die Stimme von Hillary Lawrence klang hohl. »Du meinst die wirklich guten Partys mit den angesagten Stars und Künstlern in den teuersten Clubs? Du meinst die Fotosessions mit namhaften Fotografen, die mich in den coolsten Looks fotografieren? Du meinst die neidischen Blicke der vielen jungen Mädchen, die jetzt auf der Straße achtlos an mir vorbeigehen würden?« Das Lachen klang alles andere als froh. »So läuft das nicht, Dotty. So ein Leben wartet nicht brav auf dich, während du dir eine monatelange Auszeit gönnst. Da draußen gibt es genug schöne und gesunde Mädchen, die ab morgen anstelle meiner Person von den Titelseiten der Zeitschriften lächeln. Ich bin schon fast vergessen. Und ich bin nicht sicher, ob ich die Kraft habe, das zu ändern. Ich fühle mich so leer und unendlich müde. Gleichwohl weiß ich, dass es allerhöchste Zeit ist, mich bei den Wichtigen der Welt wieder in Erinnerung zu bringen, ansonsten bin ich in jedem Fall tot und begraben.«

    »Es ist nicht verwunderlich, dass Sie müde sind, wenn Sie die ganze Nacht nicht schlafen.« Vorwurfsvoll deutete Dotty auf das unbenutzte Bett.

    Doch Hillary Lawrence achtete gar nicht auf sie. Mit ihrer zarten Hand, an deren Fingern die Nägel gerade erst nachwuchsen, strich sie sich über den Schädel. »Sie müssten längst sprießen wie Unkraut. Bei anderen Frauen beginnen die Haare schon während der Chemo wieder zu wachsen, warum nicht bei mir? Warum sehe ich noch immer aus wie eine Außerirdische?«

    Dotty dachte, dass nicht jeder Frau nach einer solchen Rosskur das Wunder einer dichten Haarpracht vergönnt war. Manches Haar blieb für immer schütter, aber dafür war die Person wenigstens am Leben, und das zählte ungleich mehr, oder? Wortlos reichte sie der Kranken die Echthaarperücke mit dem adretten aschblonden Pagenkopf. »Jammern hilft Ihnen nicht weiter, Mrs Lawrence. Sie müssen den Stier bei den Hörnern packen und kämpfen.«

    »Hörner wären gar nicht so schlecht. Alles ist besser als diese Wüste auf meinem Kopf.« Für einen kurzen Moment zuckte ein Lächeln über ihre blassen Lippen.

    Dotty war sich nicht sicher, ob das ein Witz hatte sein sollen, und lachte vorsichtshalber lieber nicht. »Haben Sie heute Schmerzen? Denn wenn nicht, dann beginnen wir beide gleich wieder mit unserem Fitnessprogramm. Dreimal den Flur hinauf und hinunter. In ein paar Tagen geben wir den großen Ball aus Anlass Ihrer Genesung. Hidden Manor wird einen Abend lang der Anziehungspunkt für viele Berühmtheiten sein. Da wollen Sie trotz allem sicher tanzen und fröhlich mitmischen.«

    »Schmerzen? Ich habe immerzu Schmerzen.« Die Stimme des Ex-Models klang weinerlich. »Wie sollte ich auch keine haben? Zuerst hat man ein Stück aus mir herausgeschnitten und das, was übrig geblieben ist, mit Strahlen verbrannt. Weißt du, wie es sich anfühlt, lebendiges Barbecue zu sein? Nein, das weißt du nicht. Habe ich vergessen zu erwähnen, dass man mich auch noch vergiftet hat? Das macht das Chemohirn. Es arbeitet nicht zuverlässig. Diese blöde Ballnacht war eine ganz und gar hirnverbrannte Idee von mir und jemand hätte mich davon abhalten müssen, die Einladungen zu verschicken.«

    »Nein«, widersprach Dotty und richtete die Perücke, die sich Hillary Lawrence lieblos auf das Haupt gestülpt hatte. »Dieser Ball ist eine großartige Idee, denn ohne diesen Termin im Hinterkopf wären Sie in den letzten Wochen vermutlich noch nicht einmal aufgestanden.« Der Spiegel vor ihnen zeigte eine leichte Verbesserung, doch es hätte eimerweise Make-up gebraucht, um aus dem ausgezehrten Wesen, das hier vor ihr saß, eine attraktive Frau zu machen. »Ich weiß nur, dass Sie das Schlimmste hinter sich haben. Der Doktor hat es gesagt, und dem glaube ich. Von jetzt an geht es nur noch aufwärts.«

    »Aufwärts? Ich schaffe ja kaum ebenerdig. Und ich will nicht mehr auf dem Flur spazieren gehen«, quengelte das Ex-Model. »Dort sehe ich nur wieder Dinge, die du nicht siehst, und hinterher glaubt mir keiner.« Sie seufzte. »Es ist eine Sache, wie eine Verrückte auszusehen, aber eine ganz andere, wirklich eine zu sein. Ich will meinen Verstand nicht auch noch verlieren. Was bleibt mir denn dann noch?«

    Dotty dachte an ein fettes Bankkonto, ein Haus in London und einen eigenen Fuhrpark in der Garage. Laut sagte sie: »Ein liebender Ehemann und ein quicklebendiger Sohn, der eine gesunde Mutter braucht.« Sie zupfte noch ein bisschen an der Perücke herum und suchte Blickkontakt mit ihrer Arbeitgeberin im Spiegel. »Also seien Sie tapfer und lassen Sie uns ein paar Schritte wagen. Ihre Trugbilder sind doch nur Spätfolgen der Behandlung. Auch das geht vorbei.«

    Hillary Lawrence schüttelte den Kopf. »Nein, ich mag heute nicht tapfer sein. Ich lege mich ins Bett und starre ein bisschen die Zimmerdecke an. Tut mir leid.«

    Dotty seufzte und hatte das Gefühl, für diesen Job wirklich völlig ungeeignet zu sein. Die Frau vor ihr hätte einen Personal Trainer gebraucht und kein Mädchen vom Lande, das ihr half, in die Kleider zu steigen. »Wollen wir dann vielleicht mit einem ordentlichen Frühstück beginnen?«

    »Nur Kaffee«, war die trotzige Antwort.

    Dotty gab es auf und verließ das Zimmer. Um die heruntergefallenen Vorhänge würde sie sich später kümmern.

    Draußen auf dem Gang empfing sie der goldene Sonnenschein eines Spätsommertages, der durch ein hohes Fenster fiel. Es gab nicht viele lichtdurchflutete Orte in Hidden Manor. Die verwitterte und nur teilweise restaurierte Burg war ein eher dunkler Klotz mit dem Charme eines Eiswürfels. Daran hatten auch neue Fassadenteile aus Glas und Metall nichts geändert, sie hatten dem Ganzen vielmehr einen surrealen Charme verpasst. Doch eine fantastische Lage nahe der Küste und ein verträumter Garten glichen diese Mängel halbwegs aus.

    Alles in allem war Dotty froh über ihre neue Arbeit als persönliche Assistentin der Hausherrin. ›Kammerzofe‹ wurde sie von ihren Freundinnen scherzhaft genannt, wenn sie sich an ihrem freien Tag trafen, doch das war ihr egal. Die Bezahlung war gut, die Launen der Mrs Lawrence erträglich und die Arbeit nicht besonders schwierig, wenn auch, wie heute Morgen, manchmal unbefriedigend.

    Lange würde sie diese Stelle sowieso nicht innehaben, das war ihr klar. War die vom Schicksal so hart bestrafte Frau, die nur wenige Jahre älter als Dotty selbst war, erst wieder sicher auf ihren langen Beinen unterwegs, dann konnte die Familie Lawrence ihr Jetset-Leben in London wieder aufnehmen und Hidden Manor verlassen.

    Dotty würde zurückbleiben und auf neue Arbeitgeber warten, denn sie liebte diese Gegend und nichts lag ihr ferner, als das Landleben gegen ein Dasein im überfüllten London einzutauschen.

    Diese Burg wurde immer wieder aufs Neue vermietet. Manchmal nur für einen Sommer, manchmal auch für länger, also würde Dotty die Arbeit niemals ausgehen. Und wenn der nächste Mieter lieber eine Wäscherin oder Gesellschafterin haben wollte als eine persönliche Assistentin, dann würde sich Dotty auch auf die Stelle bewerben. Ihr war es egal, womit sie ihr Geld verdiente, solange sie nur weiterhin im Schatten von Hidden Manor leben konnte.

    Sie eilte den verwinkelten Flur entlang, um Kaffee aus der Küche zu holen, und bog wieder einmal falsch ab, weil sie mit den Gedanken woanders gewesen war. Das war einer der Nachteile an diesem Gebäude: Sein Erbauer war äußerst planlos vorgegangen. Wer nicht auf seine Schritte achtete, landete nur selten ohne Umwege an seinem Zielort. Hidden Manor war zu verwinkelt.

    Kein Wunder, dass Mrs Lawrence manchmal glaubte, Dinge zu sehen, die nicht da waren. Man bog um eine Ecke, ein Schatten trat ins Blickfeld und verschwand wieder, und schon gaukelte einem das Hirn die seltsamsten Sachen vor. So musste es sein, zumindest hoffte Dotty, dass es so war.

    Dotty stellte bald fest, dass sie in ihrer Unaufmerksamkeit nur einen kleinen Umweg gemacht hatte. Sie befand sich jetzt im ehemaligen Dienstbotentreppenhaus von Hidden Manor.

    Na, auf diese Weise würde sie auch zur Küche gelangen.

    Zügig schritt sie voran und stieß einen überraschten Schrei aus, als sie unvermutet mit jemandem zusammenprallte und zum zweiten Mal an diesem Morgen zu Boden stürzte. Hart schlug sie auf dem robusten Sisalteppich auf.

    »Entschuldigung«, hörte sie die Stimme des Hausherrn über sich, und schon waren da zwei starke Arme, die ihr aufhalfen.

    Doch Dotty bemerkte sofort, dass die Hände von Mr Lawrence zitterten, und als sie den Kopf hob, um ihm ins Gesicht zu sehen, hatte dieses einen Ausdruck, den sie nicht benennen konnte.

    »Hast du dir wehgetan?« Sogar seine Stimme bebte.

    »Nein, alles in Ordnung«, erwiderte Dotty und zupfte Rock und Bluse zurecht. »Wie steht es mit Ihnen? Sie sehen etwas verwirrt aus.«

    In dem Moment, da sie es aussprach, wusste Dotty, dass ihre Wortwahl zutreffend war. Der Mann sah verwirrt aus. So wirr, wie es sonst nur sein blondes Haar zu sein pflegte, war jetzt auch der unstete Blick seiner Augen. Als ob ihm gerade etwas Unglaubliches widerfahren wäre.

    »Schnell, Dotty, komm mit. Das musst du sehen. Oder vielmehr musst du mir sagen, ob du überhaupt etwas siehst.« Mr Lawrence, der stattliche Mann von etwa dreißig Jahren, hastete durch den schmalen Flur, zurück in die Richtung, aus der er gekommen war.

    Dotty folgte ihm, so schnell sie konnte, eine Treppe hinunter. An ihrem unteren Ende blieb Brian Lawrence stehen und sah sich hektisch um.

    »Dort! Kannst du ihn sehen? Er schwebt dort im Halbdunkel neben der alten Kleidertruhe und dreht sich um sich selbst!«

    Sie stellte sich neben ihn, kniff die Augen zusammen und spähte in einen, wie sie fand, ganz und gar unauffälligen Winkel neben dem Treppengeländer.

    Dort war nichts. Oder doch? Für einen kurzen Moment hatte sie den Eindruck, dass sich etwas bewegte. Ein Tier vielleicht? Nein, das waren nicht die Bewegungen eines Tieres gewesen. Nichts Lebendiges bewegte sich auf so eigenartige Weise. Tiere rotierten nicht. Es sei denn, sie versuchten, den eigenen Schwanz zu fangen.

    »Jetzt ist er fort.« Mr Lawrence klang aufgeregt. »Hast du ihn gesehen?«

    Hatte sie das? Nein, es konnte auch Einbildung gewesen sein. Sie wollte auch lieber nichts gesehen haben, was einen Augenblick später nicht mehr da war. Langsam schüttelte sie den Kopf.

    »Verdammt!« Er schlug mit der Faust gegen das Geländer. »Aber er war dort. Oder werden wir plötzlich alle verrückt? Dotty, glaubst du, dass diese seltsamen Dinge, die meiner Frau widerfahren sind, vielleicht doch keine Hirngespinste waren? Kann es sein, dass es auf Hidden Manor spukt?«

    Sie zuckte hilflos mit den Schultern und senkte den Blick.

    Was hätte sie darauf erwidern sollen? Dass sie nichts über Hirngespinste oder Spuk wissen wollte?

    Während sie gemeinsam am unteren Treppenabsatz standen und wieder zu Atem kamen, ging eine Wandlung in dem Mann neben ihr vor sich. Alle Hektik und Verwirrung fiel schlagartig von ihm ab und machte einer fast beängstigenden Nüchternheit Platz.

    »Es ist an der Zeit, einen Fachmann zurate zu ziehen.« Er richtete seine Krawatte, die in den Farben einer bekannten Privatschule gehalten war. »Wenn am kommenden Wochenende eine Herde wichtiger Menschen durch unsere Haustür schreitet, um sich hier einen Abend lang nach besten Kräften zu amüsieren, kann ich keine Gespenster oder Ähnliches gebrauchen. Wie stehe ich denn dann da?«

    »Ja, das geht natürlich nicht.« Dotty nickte eifrig, um ihre Zustimmung zu bekunden und gleich ein paar Bedenken loszuwerden. »Aber so ein Fachmann zieht ja auch neugierige Blicke auf sich. Wollen Sie denn wirklich einen Geisterjäger im Haus haben? Sind diese Leute nicht alle Spinner?«

    »Schon«, räumte Mr Lawrence ein. »Aber nicht allen sieht man das an der Nasenspitze an. Ich hatte da einen Schulfreund und späteren Studienkollegen, einen gewissen Conrad Bligh. Netter Kerl, bisschen seltsam, aber ein vielversprechender Anwalt, dachte ich damals. Das dachten wir alle. Dann ist er leider völlig verrückt geworden und hat eine Kanzlei für Geister und durch sie Betroffene gegründet.«

    »Ach«, brachte Dotty hervor, weil sie nicht so recht wusste, was sie dazu sagen sollte.

    »Ich werde ihn anrufen oder noch besser: Ich werde ihm schreiben, das ist irgendwie offizieller. Er muss mir diesen Spuk vom Hals schaffen oder ihn zumindest für die Dauer der Ballnacht irgendwo einsperren.«

    »Kann man einen Spuk denn einsperren?« Dotty bemerkte, dass ihre Stimme sehr dünn und ein wenig zittrig klang.

    »Mein alter Freund Conny wird wissen, was hier vor sich geht und was zu tun ist.« Brian Lawrence klang zuversichtlich. »Und er wird alles tun, um mir zu helfen, da bin ich sicher.«

    Kapitel 1

    Londoner Stadtteil Kensington, September 2018, kurz nach 11.00 Uhr.

    Lieber Conrad,

    erinnerst du dich noch an deinen alten Kumpel und Schulfreund Brian

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