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TRUE LOVE - Der magische Augenblick
TRUE LOVE - Der magische Augenblick
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eBook281 Seiten3 Stunden

TRUE LOVE - Der magische Augenblick

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Über dieses E-Book

EIN MAGISCHER AUGENBLICK VERÄNDERT CARLOTTAS LEBEN FÜR IMMER Die junge Kunsthistorikerin Carlotta verliebt sich während eines Sommerkurses in Venedig Hals über Kopf in den Architekten Stefan. Der beendet gerade ein Forschungsjahr in der Lagunenstadt, wo er auf seiner Segeljacht True Love lebt. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Jedoch gibt es ein Tabu, von dem Stefan nichts ahnt. Carlotta wurde als Prinzessin geboren und sie weiß, dass ihre Familie die Verbindung verbieten wird, weil Stefan nicht adelig ist. Carlotta muss sich entscheiden. Soll sie sich den Regeln des alten Fürstenhauses beugen oder der Stimme ihres Herzens folgen? ​Ein Roman über die Selbstbestimmung einer modernen Frau. An Schauplätzen in Venedig, den Bergen Südtirols, der Weltmetropole New York und Paris, der Stadt der Liebe. Mit Streifzügen durch die Geschichte der Kunst und alter Adelsbräuche. Romantisch. Entschieden. Atmosphärisch.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum19. März 2021
ISBN9783347250345
TRUE LOVE - Der magische Augenblick
Autor

Conny Redox

Conny Redox gelangte erst auf Umwegen zum Schreiben. Sie wurde 1966 geboren und absolvierte zunächst eine Lehre zur Bankkaufrau. Später studierte sie Kulturwissenschaft. Die Mutter von zwei erwachsenen Söhnen lebt in Hessen und ist im Hauptberuf als Unternehmerin tätig. Der Autorenname ist ein Pseudonym. Wann immer der Alltag ihr Zeit und Gelegenheit lässt, erträumt sie spannende Liebesgeschichten darüber, wie unerwartete Begegnungen das Leben schlagartig verändern können. Eine dieser Geschichten ist jetzt bei tredition als Roman erschienen.

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    Buchvorschau

    TRUE LOVE - Der magische Augenblick - Conny Redox

    Prolog

    Sie weinte.

    „Werden Sie Ihren Geliebten verlassen?", fragte der Mann leise.

    „Das geht nicht", erwiderte die junge Dame mit zitternder Stimme. Sie war elegant gekleidet und hatte ihr Gesicht hinter einem schwarzen Schleier aus Spitze verborgen. Mit gefalteten Händen kniete sie in der Betbank.

    „Aber was wird dann aus Ihrer Ehe?"

    Sie zog ein kleines, an den Rändern fein besticktes Taschentuch hervor und putzte vorsichtig die Nase.

    „Ich werde selbstverständlich bei meinem Gemahl bleiben, antwortete sie. „Allerdings müssen Sie wissen, dass meine Ehe das ist, was man eine Vernunftehe nennt. Sie beruht allein auf verstandesmäßigen, sachlichen und wirtschaftlichen Gründen. Sie neigte den Kopf etwas nach unten und zögerte einen Moment. „Kinder habe ich noch keine."

    „Habe ich Sie richtig verstanden?, war der Mann hinter dem dunklen Holzgitter zu vernehmen. „Sie leben in einer Vernunftehe, die Sie nicht aufgeben wollen, in der Sie aber das Verständnis und die Zuwendung nicht finden, nach der Sie sich sehnen. Diese Erfüllung finden Sie bei einem Liebhaber, den Sie deshalb nicht verlassen wollen. Seine Stimme klang irritiert.

    Die junge Dame nickte. „Genau so ist es. Ich werde meinen Geliebten nicht verlassen. Ich kann es nicht. Wir wollen es beide nicht. Niemals, antwortete sie voller Überzeugung. Einen Atemzug lang hielt sie inne. Dann fuhr sie fort: „Es ist wahre Liebe und wir sind für immer miteinander verbunden. Sie wusste nur zu gut, wie gewaltig diese Worte klangen und hatte sie keineswegs unüberlegt gewählt. Demütig senkte sie den Kopf.

    Für einen Moment herrschte Stille im Halbdunkel des engen, schrankartigen Gehäuses. Es roch nach Reinigungsmittel und Bohnerwachs. Von draußen war das gleichmäßige Schlagen der Turmuhr zu hören.

    „Warum sind Sie zu mir gekommen?, war wieder die Stimme hinter der Gitteröffnung zu vernehmen. „Ist nicht Pater Carlo Ihr Beichtvater? Er begleitet Ihre Pilgergruppe doch in jedem Jahr zu diesem heiligen Ort hier. Warum bitten Sie nicht ihn um Rat und Absolution? Es schien dem Priester nicht zu gefallen, dass er sich mit diesem Anliegen auseinandersetzen musste.

    Die Betbank knarzte leise, als die junge Dame ihren schlanken Körper vorbeugte, um mit dem Kopf näher an das Holzgitter heranzukommen.

    „Das geht nicht", flüstere sie ängstlich.

    „Warum nicht?, wollte der Priester wissen. Seine Stimme klang erstaunt. „Ist es Ihnen unangenehm, weil Pater Carlo sie kennt?

    Die Frau schüttelte den Kopf. „Nein. Damit hat es nichts zu tun. Sie hielt einen Augenblick inne. „Der Grund ist ein anderer.

    Dann holte sie tief Luft und antwortete mit gepresster Stimme, als müsste sie ihren gesamten Mut dafür zusammennehmen. „Er … Sie zögerte wieder. „Er kann mich von dieser Schuld nicht lossprechen.

    Der Priester schüttelte verwundert den Kopf. „Warum kann er Sie von der Sünde des Ehebruchs nicht erlösen?" Befremdet sah er vor sich zu Boden, hob dann aber plötzlich langsam das Haupt, als habe ihn soeben die wahre Botschaft von dem erreicht, was die Beichtende ihm mitteilen wollte. Überrascht und erschreckt zugleich wandte er den Blick in ihre Richtung.

    Als die verschleierte Dame durch das Gitter in das Gesicht des Priesters sah, erkannte sie, wie jung er noch war. Er schien kaum älter als sie selbst. Das hatte sie wegen seiner dunklen Stimme nicht erwartet, verlieh ihm aber nun zusätzliche Vertrauenswürdigkeit, weil sie sich der sehnlichen Hoffnung hingeben wollte, dass ihr Problem ihm selbst vielleicht schon einmal begegnet sein könnte. Dann wüsste er aus eigenem Erleben, wovon sie sprach, und würde leichter verstehen, wie sie in diesem Augenblick fühlte.

    „Ist Pater Carlo …", fragte der Priester vorsichtig, als hätte er Angst vor den Worten, die aus der entsetzlichen Ahnung, die gerade in ihm aufstieg, eine unumstößliche Wahrheit machten, in dem Moment, in dem er sie aussprach.

    „Ja.", fiel ihm die junge Frau ins Wort. Sie wusste, welche Antwort ihr Gegenüber befürchtete und ihre Stimme klang resigniert.

    Mit Tränen in den Augen hob sie den Kopf und sah nach oben, wo unter der Decke des Beichtstuhls eine kleine, in das Holz geschnitzte Rose Verschwiegenheit symbolisierte.

    Dann blickte sie wieder durch die schrägen Leisten des Gitters. Sie hatte sich gefasst und nickte. „Pater Carlo ist mein Geliebter."

    „Ihr Beichtvater ist …", begann der Mann hinter der Trennwand langsam, als müsste er sich noch einmal versichern, dass er richtig verstanden hatte.

    Die junge Frau nickte wieder und senkte dann den Kopf.

    „Um Himmels willen", erschrak der Priester.

    Er erhob den Blick zur Decke des Beichtstuhls und streckte die gefalteten Hände empor. Nur mühsam konnte er sein Entsetzen verbergen, obwohl er sich im selben Augenblick eingestehen musste, dass das, was die Frau ihm soeben gestanden hatte, seit Jahrhunderten niemals anders gewesen war. Wie oft mochten Beichtväter …, dachte er, wollte diesen für die heilige Kirche so fürchterlichen Gedanken aber nicht zu Ende führen. Für ihn war es unheilvoll genug, dass es in den Geschichtsbüchern stand.

    „Wir lieben uns, rechtfertigte sich die Frau. Wir haben darüber gesprochen und nachgedacht, wir haben es ohne einander versucht. Vergeblich. Es ist unmöglich. Die Kraft unserer Liebe überstrahlt alles andere. Aber es ist zermürbend. An das Verstecken und das Verstellen gewöhnt man sich nie."

    „Sie haben ein Eheversprechen abgegeben und mein Mitbruder hat ein Gelübde abgelegt", entfuhr es dem Priester vorwurfsvoll. Er verbarg nicht, dass das, was die verheiratete Dame ihm soeben gestanden hatte, in seinen Gedanken nun als etwas Entsetzliches Platz gefunden hatte.

    Ratlos sank er auf dem harten Sitz in sich zusammen und schlug die Hände vor das Gesicht. Einen unentschiedenen Moment lang, in dem seine Gedanken zwischen Gefühl und Verstand, Herz und Vernunft regellos hin und her sprangen, verharrte er, unfähig einen Entschluss zu fassen. Dann besann er sich. Mit einer bedächtigen Bewegung legte er die Hände in den Schoß, richtete langsam den Oberkörper auf und holte tief Luft.

    Zögernd näherte er sich mit dem Ohr der Gitteröffnung. Den Blick in Richtung der Frau vermied er und sah stattdessen vor sich zu Boden. Das schuf Distanz und verlieh ihm Sicherheit.

    „Ehebruch stellt nicht nur eine Sünde vor Gott dar. Ehebruch ist in unserem und anderen Ländern vor dem Gesetz strafbar, begann er streng. „Sie dürfen sich aber darauf verlassen, dass mich das Beichtgeheimnis zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie können beruhigt sein. Ich werde niemandem von Ihrem sündigen Leben erzählen. Allerdings kann ich jemanden, der keine Reue zeigt und die Gelegenheit zur Sünde nicht meiden will, von seiner Schuld nicht lossprechen. Er hob den Kopf ein wenig, sah die Beichtende aber dennoch nicht an und blickte stattdessen weiter vor sich hin. „Es tut mir leid. Ich kann Ihnen nicht helfen."

    In ihrem tiefsten Innern hatte die junge Dame längst geahnt, dass der Kirchenmann so antworten würde. Dennoch hatte sie gehofft, dass er anders entscheiden könnte. Nun ließen seine Worte sie erstarren. Für einen Moment glaubte sie, den Halt zu verlieren. Krampfhaft umfasste sie die Gebetbank, während sich das dünne Schleiertuch vor ihrem Gesicht bei jedem Atemzug heftig auf und ab bewegte. Es schien ihr, als würde sich der Boden öffnen und die Stimmen der Hölle nach ihr rufen.

    Sie begann leise zu schluchzen. „Bitte helfen Sie mir", stieß sie hervor. Verzweifelt griff sie mit den schmalen Händen in das Holzgitter. Krampfhaft umklammerte sie die dünnen Leisten mit den zarten Fingern, an denen außer dem Verlobungs- und dem Vermählungsring noch der Siegelring schimmerte. Vergeblich suchte sie nach dem Blick des Priesters. Sie rüttelte an der Gitteröffnung. Aber sie konnte ihn nicht erreichen, weder mit Worten noch mit Blicken.

    Mit gesenktem Kopf starrte der Diener der Kirche sprachlos vor sich hin, hilflos und stumm im Angesicht der Wirklichkeit.

    Die junge Frau sackte in sich zusammen. Wie gemartert hing sie mit ausgestreckten Armen an dem Gitter der Sprechöffnung. „Was soll ich nur machen?, schluchzte sie verzweifelt. „Ich erwarte doch ein Kind von ihm.

    Viele Jahrzehnte später

    Erster Teil

    Verbotene Liebe

    1

    Knarzend zogen sich die Hanftaue um den Poller fest, als das Vaporetto anlegte. „Accademia" rief der Bootsmann im singenden Tonfall der Venezianer den Namen der Haltestelle aus und schob geräuschvoll das hüfthohe Edelstahlgitter vor der Bordwandöffnung zur Seite. Mit einer eleganten Geste half er einer älteren Dame mit Einkaufsroller vom Boot der öffentlichen Schifffahrtslinie auf den Schwimmanleger. Das Lächeln, mit dem sie ihn dafür belohnte, nahm er gelassen und selbstbewusst entgegen. Dann trat er zur Seite und ließ die übrigen drängend hinter ihm stehenden Passagiere von Bord gehen.

    Carlotta griff den Rollkoffer und reihte sich ein. Als sie den neugierigen Blick des jungen Bootsmannes bemerkte, sah sie an ihm vorbei. Wie ihr der Ausdruck in seinen Augen verraten hatte, gefiel sie ihm in der schmal geschnittenen, hüftig sitzenden Canvashose, die ihre hohe schlanke Figur betonte und den Blick auf ihre zierlichen Fesseln und die weißen Sneaker lenkte. Vielleicht fand er auch nur die Tätowierung reizvoll, die unter dem kurzen Ärmel des einfachen Poloshirts hervorschien. Obwohl sie den Blick keineswegs lästig empfand, sondern eher bewundernd, erwiderte sie ihn nicht.

    Kaum hatte sie den kleinen Platz am Kanalufer betreten, merkte sie wie viel Schutz das überdachte Boot vor der Sonne gespendet und der leichte Fahrtwind für etwas Abkühlung gesorgt hatte. Unter dem freien Sommerhimmel spürte sie die starke Mittagshitze sofort.

    Sie nahm die Sonnenbrille aus dem kastanienroten Haar und setzte sie auf. Gewohnheitsmäßig fuhr sie anschließend mit den Händen ordnend durch ihren kräftigen Schopf, obwohl das bei der lockigen Bob Frisur unnötig war.

    Freudig schaute sie umher und spürte, wie ein grenzenloses Glücksgefühl sie erfasste. Es erinnerte sie daran, wie sehr sie das Flair der Lagunenstadt vermisst hatte. Hier fühlte sie sich zuhause.

    Neben ihr erhob sich die Fassade der Galleria dell’Accademia, hinter der sich eine der bedeutendsten Kunstsammlungen Europas befand. Daneben öffneten sich die engen Gassen in das Labyrinth von Venedig. Auf dem Canal Grande, dem Hauptverkehrsweg der Lagunenstadt, bahnte sich eben ein Schnellboot der Ambulanz mit heulender Sirene den Weg zwischen Frachtkähnen, voll besetzten Vaporetti und komfortablen Wassertaxis hindurch. Dass es bei diesem bewegten Treiben nicht häufiger zu Unfällen kam, wunderte sie immer wieder. Dazwischen ruderten Gondoliere scheinbar mühelos die seltsam schrägen, mit Brokatsitzen ausgestatteten Holzboote, deren glänzender schwarzer Lack sie immer an Särge erinnerte. Die wehmütige Melodie des venezianischen Volksliedes, das der Sänger in der Gondel den Gästen aus dem fernen Asien vortrug, klang über das Wasser wie ein Requiem.

    Der Gesang rief Carlotta das Klischee ins Gedächtnis zurück, das sie irgendwo einmal gelesen hatte. „Touristen, Tauben, Kreuzfahrtschiffe" lautete die Überschrift, mit der man die Lagunenstadt charakterisiert hatte.

    Das war zutreffend, dachte sie, wenn sie sah, wie Venedig seine Schätze dem Kommerz überließ, nicht anders als eine Prostituierte ihren Körper dem Freier. Die Stadt war längst zu einem Lehrstück darüber geworden, wie unersetzliches öffentliches Gut zur Beute einiger weniger wurde.

    Allerdings gab es in den sechs Stadtteilen auch noch Bezirke, wo dies nicht zutraf, wo keine Fremden hinkamen und das Leben abseits der Touristenpfade immer noch ursprünglich und unverfälscht war. Dort konnte man echten Venezianerinnen und Venezianern begegnen, ihren Humor erleben und in ihre Herzen schauen.

    Carlotta liebte Venedig und sie wollte nicht zulassen, dass man schlecht redete, vor allem nicht, wenn diese selbstberufenen Kritikerstimmen die faszinierende, ehrwürdige alte Stadt nur oberflächlich kannten.

    Sie ging zu dem Kiosk bei der Anlegestelle, wo sie eine Ausgabe der venezianischen Tageszeitung kaufen wollte, die zu lesen für sie üblich war, da sie als Südtirolerin Deutsch und Italienisch sprach. Sie kramte das Portemonnaie aus der Tasche, die an einem breiten Tragegurt quer über den Oberkörper hing, bezahlte und schob die Zeitung in das Außenfach des Trolleys.

    Carlotta hatte in München Kunstgeschichte studiert und war schon häufig in der Lagunenstadt gewesen. Die Accademia hatten dann ebenso zu ihren Zielen gehört wie der Dogenpalast und die Markuskirche oder die vielen anderen beeindruckenden Bauwerke und Sammlungen in den Museen. Die ganze Stadt war ein einzigartiges Kunstwerk.

    Nachdem sie vor kurzem ihr Studium abgeschlossen hatte, würde sie in wenigen Wochen ein Auslandsjahr bei einem großen internationalen Auktionshaus in Paris beginnen. Vorher nahm sie noch an dem Sommerkurs für Nachwuchswissenschaftler der Stiftung des Amerikanischen Museums in Venedig teil, für den, wie jedes Jahr, auch diesmal Stipendien ausgeschrieben waren. Einen dieser sehr begehrten Plätze, die nur die Besten erhielten, hatte sie, Carlotta Prinzessin Schenckerfels zu Hochrais, bekommen. Ihr Herz hüpfte, als sie wieder daran dachte. Es machte sie stolz, wie sie sich eingestehen musste. Denn offensichtlich war sie fachlich so überzeugend gewesen, dass man aus der Reihe der vielen internationalen Bewerbungen sie ausgewählt hatte. Das hatte besonders ihren Vater beeindruckt, den Fürsten, der sie immer damit aufzog, dass Kunstgeschichte ein Studium für höhere Töchter sei. Nur wenige und nur die Fähigsten würden später in diesem Beruf arbeiten, die Übrigen, so behauptete er lachend, müssten eben heiraten. Carlotta liebte ihren Vater. Aber diese Bemerkung von ihm war abschätzig und ärgerte sie.

    Als sie daran dachte, griff sie den praktischen Rollkoffer fester. Entschlossen, fast trotzig, zog sie ihn auf den kleinen, laut über die Bodenplatten der Gassen rollenden Rädern hinter sich her. Er war nicht schwer, weil er wie immer nur das Nötigste enthielt. Außer bequemer Alltagskleidung gehörten dazu Hose, Bluse und Schuhe für besondere Anlässe. So konnte sie zu jeder Gelegenheit angemessen auftreten. Auf teure Schönheitspflegemittel legte sie keinen Wert. Die brauchte sie nicht bei ihrem makellosen Teint. Einzig die dunkelbraune Wimperntusche durfte nicht fehlen. Außerdem hatte sie noch einen speziellen Reiseführer dabei, wie ihn Fachleute benutzten. Mit dem kleinen, handlichen Rollkoffer fühlte sie sich ungebunden und selbstbestimmt. Damit zu reisen verlieh ihr das Gefühl von Freiheit, die sie für ihr Leben anstrebte.

    Der Palazzo der Museumsstiftung lag nicht weit entfernt. Auf dem Weg dorthin war sie immer darauf bedacht, im Schatten zu laufen wie die Venezianer, die den Weg durch die Sonne den Touristen überließen. Eine Abzweigung noch, ein kurzes Stück an einem schmalen Kanal entlang, dann sah sie den Eingang der Stiftung wenige Meter weiter vor sich.

    Das Stipendium für den Sommerkurs umfasste die Teilnahme an dem einwöchigen Seminar mit international ausgezeichneten Dozentinnen und Dozenten sowie ein bequemes Einzelzimmer und Verpflegung. Außerdem hatte sie mit dem Flugzeug anreisen können, was sie sonst, wenn sie mit ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen unterwegs war, nie getan hatte. Da waren sie von München aus mit dem Nachtzug hierhergefahren, hatten sich in einer einfachen Pension eingemietet, die Stadt durchstreift, Ausstellungen besucht, nächtelang gefachsimpelt oder nur Spaß miteinander gehabt. Langweilig war es nie gewesen.

    Aber dieses Mal war alles anders. Carlotta glaubte zu spüren, dass es ein außergewöhnlicher Aufenthalt werden würde. Wodurch diese Ahnung hervorgerufen wurde, konnte sie sich nicht erklären. Sie wollte aber auch nicht darüber nachdenken. Dafür war sie in diesem Moment zu glücklich. Sie unterdrückte deshalb die aus ihrem tiefsten Inneren emporsteigende Befürchtung, dass etwas geschehen könnte, was sie aus ihrer gewohnten Welt herausreißen würde. Gleichwohl wollte sie wachsam bleiben. Als ihr dieser Gedanke durch den Kopf ging, musste sie lachen. Er erinnerte sie an einen Ausspruch ihres Vaters, den der irgendwo bei Goethe gelesen hatte und gerne als ein besonderes Fundstück seines Bildungsschatzes wiedergab. „Wer vorsieht, ist Herr des Tages", pflegte er den Dichter und Naturforscher zu zitieren. Aber wie langweilig war diese Weisheit, dachte Carlotta. So konnten nur Menschen gesinnt sein, deren Dasein bis über den letzten Atemzug hinaus durchorganisiert war, von der Karriere über die Familienplanung bis hin zur Vorsorge für Tod, Sarg und Bestattung. So mochte sie nicht sein, so war sie auch nicht. Sie wollte den Abenteuern begegnen, die ihr das Leben bot, Ängste bewältigen, Gefahren überstehen und Glück erleben. Wenn sich ihr eine Herausforderung böte, die sie aus ihrem geschützten Alltag hinausführen und zu einer Heldenreise einladen würde, dann war es früh genug, die richtige Entscheidung zu treffen, glaubte sie.

    2

    Es war Abend in Venedig.

    Stefan hatte das Forschungsinstitut verlassen und war mit dem Vaporetto auf dem Weg zur Guidecca, wo er lebte. Die Inselgruppe im südlichen Teil der Stadt war einer der letzten wahren und unverfälschten Bezirke, wie er meinte. Einen Grund dafür sah er darin, dass die Fremdenverkehrsindustrie dort noch nichts entdeckt hatte, was für den Massentourismus anziehend war. Eine andere Ursache war sicherlich, dass man nicht zu Fuß dorthin gelangen konnte. Die Guidecca war nur mit dem Boot zu erreichen, entweder mit dem eigenen, einem Wassertaxi oder mit dem öffentlichen Verkehrsmittel. Auch das hielt die Massen fern. Die wenigen Fremden, die trotzdem hierher kamen, waren meist auf der Suche nach einem Bett in der Jugendherberge, die dort in einem renovierten Getreidespeicher untergebracht war. Andere interessierten sich für die Erlöserkirche, das späte Meisterwerk des Renaissancearchitekten Andrea Palladio, deren Fassade aus hellem istrischen Stein weithin sichtbar das Kanalufer beherrschte. Ansonsten traf man auf der Guidecca nur Einheimische und einige wenige Zugereiste, zu denen seit einem Jahr auch Stefan zählte.

    Er war Architekt und hatte, wie er gerne betonte, das Glück gehabt, dass er in drei Ländern studieren, arbeiten und leben konnte. Dazu gehörten neben seiner Studienzeit in Hamburg und Rom die wertvollen Erfahrungen aus der italienischen Behörde für Kulturdenkmäler, in der er während seiner Zeit in der Stadt am Tiber gejobbt hatte. Seine Doktorarbeit hatte er in Zürich abgeschlossen. Etwas überspitzt sagte er immer, in Deutschland hätte er Verwaltung und Antragstellung gelernt, in der Schweiz die Buchhaltung und in Italien das Leben und die Kunst.

    Er war Spezialist für historische Stadtbaukunst und Denkmalpflege, wozu er gerade ein Jahr am Europäischen Forschungszentrum in Venedig verbracht hatte. Von dort würde er an die Universität in New York wechseln. Nachdem das Fach dort zunehmend an Bedeutung gewann, hatte man ihm eine Dozentenstelle angeboten. Das war einer der Vorteile der europäischen Auslandsinstitute, dass sich schnell viele internationale Kontakte ergaben.

    Den Weg von der Anlegestelle des Vaporettos bis zu seinem Zuhause auf der anderen Seite des kleinen Archipels hatte er schnell zurückgelegt. Unterwegs hatte er noch ein paar Lebensmittel eingekauft und mit dem Händler einige Worte über das Wetter und die Politik gewechselt. Dann hatte er seine Bleibe erreicht.

    Die Heimstatt war ein alter Zweimaster. Das Schiff war ursprünglich ein traditioneller dänischer Fischtrawler gewesen, den sein Vater vor vielen Jahren gekauft und für die Familie umgebaut hatte. Stefan liebte den alten Segler. Nicht nur wegen der wunderbaren Erinnerungen, die er damit an seine Kindheit und Jugend in Hamburg verband, an die gemeinsamen Ferien mit den Eltern und den drei älteren Geschwistern. Das Boot bedeutete für ihn Freiheit, Unabhängigkeit und die unmittelbare Nähe zur Natur. Das verstand jeder sofort, der einmal einen Sturm auf See durchlitten und dabei erlebt hatte, wie inmitten der entfesselten Naturgewalten das Schiff Schutz und Geborgenheit bot.

    Da von seiner Familie für die geplante Zeit niemand Anspruch auf den Zweimaster erhoben hatte, war er vor Beginn des Forschungsjahres damit etappenweise von Hamburg nach Venedig gesegelt. Von den Freunden hatten ihm viele davon abgeraten, auf dem Boot zu leben. Die meisten verstanden es nicht, weil eine Wohnung doch bequemer und angenehmer sei, wie sie

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