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Rätselhafte Orte unter der Erde
Rätselhafte Orte unter der Erde
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eBook398 Seiten5 Stunden

Rätselhafte Orte unter der Erde

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Über dieses E-Book

Verlassen liegen sie da.
Niemand hat sie seit Jahren betreten.

Es gibt sie überall auf der Welt: verlassene, verschüttete, vergessene Orte unter der Erde. Doch was ist geschehen, weil die Tunnel, Bunker oder Keller nicht mehr genutzt werden, die Höhlen gesperrt wurden – ihre Lage verschleiert, in den Unterlagen ausradiert, damit sie niemand finden kann? Warum wurde der Deckmantel des Schweigens über diese Orte geworfen? Was ist dort vorgefallen? Und wieso werden manche dieser Orte sogar gemieden?

Neugierig geworden?
Dann folgt uns einfach und betretet die besagten Höhlen, Bunker, Bergwerke und Keller. Lasst euch überraschen, welche Geheimnisse die Geschichten aufdecken werden.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum31. Okt. 2023
ISBN9783985280254
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    Buchvorschau

    Rätselhafte Orte unter der Erde - Mikey L. Theiß

    Mikey L. Theiß: Die Tropfsteinhöhle

    Innerhalb von wenigen Wochen ist die Intelligenz meines Onkels Michael geschrumpft auf die Größe eines Sonnenblumenkernes. Dabei war er einer der klügsten Menschen in meinem Umfeld gewesen.

    Mit 16 hat er das bayrische Abitur geschrieben, mit einem Schnitt von 1,0 wohlbemerkt. Er hat das Biologiestudium aufgenommen, seinen Doktor gemacht und ist bereits sehr früh Professor geworden.

    Mein Onkel hatte gerade einmal das 38. Lebensjahr vollendet, da wurde er dumm wie Stroh und fing an, von Händen zu sprechen, welche nachts aus den Wänden kämen und nach ihm greifen wollten.

    In unserer Familie gibt es niemanden, der mit der Krankheit Schizophrenie diagnostiziert worden war. Erblich bedingt waren seine Wahnvorstellungen, dass Trump die Erde sprengen würde, also nicht.

    Ich hatte zwar bereits davor von dieser Krankheit gehört, doch wusste ich nicht, was diese für Auswirkungen mit sich bringen würde.

    Es ist anzumerken, dass mein Onkel erst angefangen hatte, sich so zu verhalten, nachdem er von einem Sondereinsatzkommando gerettet worden war.

    Vor einiger Zeit hatte er mit drei anderen Wissenschaftlern eine Expedition unter die Erde gestartet. Der Eingang sei verschüttet worden und sie steckten für etwas länger als drei Wochen in der Höhle fest. Durch den fehlenden Empfang war es ihnen nicht möglich gewesen, um Hilfe zu rufen. Zusätzlich erschwerte die Witterung es den Rettungskräften, die Wissenschaftler zu bergen.

    Als das Rettungskommando es endlich geschafft hatte, den Eingang freizulegen, war einzig und allein er lebendig aus der Höhle hervorgekommen. Auf Fragen, wo seine Kollegen seien und ob es ihnen gut gehe, hatte mein Onkel nicht geantwortet. Es war sehr seltsam gewesen. Doch die Sanitäter meinten, er stünde unter Schock und leide an Amnesie, daher hatte niemand sein Verhalten weiter untersucht. Zwei Tage später jedoch entdeckte die Polizei die leblosen Körper der anderen Wissenschaftler, woraufhin Michael vorläufig in Untersuchungshaft genommen wurde. Die Leichen befanden sich an den unterschiedlichsten Orten im Inneren des Höhlensystems, wiesen allerdings keinerlei Spuren von Gewalteinwirkung auf. Trotzdem war Michael nicht nur in den Augen der Polizei verdächtig.

    »Professor verhaftet wegen Mordes an Kollegen«, hieß es in allen Schlagzeilen. Sowohl in den Zeitungen als auch in den Nachrichten und im Radio.

    Mein Onkel schien über Nacht zum Zentrum der medialen Aufmerksamkeit geworden zu sein.

    In den zwei Tagen, in denen er sich zu Hause befand, hatte er zudem angefangen, sich äußerst seltsam zu verhalten.

    Angelika, seine Frau, hatte meine Eltern gebeten, ihre Kinder aufzunehmen, bis sie eine andere Wohnung gefunden hätte. Sie meinte, ihr Mann sei unberechenbar geworden und sie habe Angst um deren Sicherheit.

    Bereits damals empfand ich das Ganze als sehr suspekt. Nachdem mein Onkel jedoch von der Polizei abgeholt worden war und in Untersuchungshaft kommen sollte, stellte sich recht schnell heraus, dass er offenbar an einer psychischen Krankheit litt und sich deswegen so seltsam verhielt.

    »Normalerweise«, hatte der Psychologe im Fernsehen gesagt, »bricht die Krankheit nicht so plötzlich aus.«

    Richtig viel hatte ich von der Unterhaltung zwischen meiner Mutter und Angelika, aufgrund der Lautstärke des Gerätes im Wohnzimmer, nicht mitbekommen. Ich hatte sie belauscht, da ich mich gefragt hatte, wie lange sie wohl noch bleiben würden. Allerdings sprachen sie nur über Michael. Daher bin ich gegangen, als Angelika angefangen hatte zu weinen, und im Nachhinein hätte ich sie erst gar nicht belauschen sollen.

    Nachdem Michael in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen wurde, zog Angelika mit ihren Kindern wieder in ihr altes Haus zurück.

    Ich dachte, dies sei es gewesen, und kümmerte mich nicht weiter darum. Stattdessen gab ich ausnahmsweise einmal mein Bestes, um nicht erneut sitzen zu bleiben, und widmete meine ungeteilte Aufmerksamkeit meinem Mathebuch.

    Als ich aber heute Nachmittag mit meinem Kumpel in meinem Zimmer gemütlich eine Zigarette rauchte, klingelte mein Cousin an der Tür.

    Carlos ist das krasse Gegenteil von mir. Er ist drei Jahre jünger als ich, viel zu neugierig und muss seine Nase in jeden Scheiß hineinstecken, der ihn absolut nichts angeht. Er kennt kein Nein als Antwort und nervt jedes Mal so lange, bis ich nachgebe, weil es mir zu blöd wird.

    Jedenfalls stand Carlos vor meiner Tür mit einem dicken Buch in der Hand, in welchem ganz viele einzelne Zettel steckten.

    »Nico, du musst dir das anschauen!«

    Luke hatte natürlich sofort mitbekommen, was los war, und warf einen neugierigen Blick aus meinem Zimmer hinaus auf den Flur.

    Ich wusste sofort, dass es kein Zurück mehr geben würde, als Carlos seitlich an mir vorbeischaute.

    Mein Cousin hatte seit zwei Jahren einen Crush auf meinen Kumpel. Jetzt würde ich ihn erst recht nicht mehr loswerden. Resignierend atmete ich daher aus.

    Einige Minuten später saßen wir allesamt auf meinem Bett und durchforsteten das Buch, welches Carlos mitgebracht hatte.

    Auf den Seiten waren allerlei Notizen meines Onkels über die Höhle, in welcher sie für ein paar Wochen gefangen waren. Die letzte war nicht seine erste Expedition dorthin gewesen. Daher war das Buch randvoll gefüllt mit allerlei langweiligen Informationen über Gestrüpp und Kleintiere, wie man es nur in biologischen Enzyklopädien lesen konnte.

    Auf Deutsch: Es war ätzend langweilig.

    Doch Carlos’ Augen funkelten. »Sieh dir das an«, sagte er nun zum zwanzigsten Mal und hielt mir eine herausgerissene vergilbte Seite vor die Nase, auf welcher sich eine Zeichnung von einem Blatt befand.

    »Und was soll mir diese Seite jetzt genau sagen?«

    Dass ich mehr Kaffee hätte trinken sollen?

    »Mein Papa hat sich für all diese Sachen interessiert.«

    Noch immer konnte ich ihm nicht ganz folgen. »Und?«

    »Du kennst dich doch mit Substanzen aus. Ist da irgendetwas dabei, was diese Wahnvorstellungen in ihm ausgelöst haben könnte?«

    Ach darum ging es ihm.

    »Nur weil ich vor zwei Jahren Cannabis vertickt habe, heißt das nicht, dass ich weiß, wie sich irgendwelche Gewächse, die ich noch nie zuvor gesehen habe, auf die Psyche von Menschen auswirken.«

    Entmutigt ließ Carlos das Papier sinken und starrte auf das geöffnete Buch hinab. »Aber…«

    »Ich wette, er ist verrückt geworden, weil er dort unten eingesperrt war. Du kennst doch deinen Vater.« Ich verschränkte meine Hände hinter dem Kopf und lehnte mich gegen die Wand.

    »Nur weil er Angst davor hat, eingesperrt zu sein, verliert er doch nicht den Verstand und ermordet seine Freunde!«

    »Würde mehr Sinn ergeben als deine Theorie.«

    »Es ist ein Wunder, dass er überhaupt überlebt hat«, gab nun auch Luke seinen Senf dazu, der wie immer recht wenig zu sagen hatte und lieber seine fünfte Zigarette anzündete.

    Luke war ein Jahr jünger als ich, hatte dafür aber schon um einiges mehr erlebt. Er hatte mit seinen 17 Jahren bereits fünf Entzugskliniken von innen gesehen, schaffte es aber dennoch immer wieder, von irgendetwas anderem abhängig zu werden.

    Angefangen hatte es mit Alkohol. Inzwischen hatte er so gut wie alles durch. Das Schlimmste, seiner Meinung nach, waren Benzodiazepine. Xanax, um genau zu sein. Allerdings meinte er auch, dass Heroin garantiert schlimmer sei.

    Hätte ich ihm nicht dabei zugesehen, wie er sein Leben mit den ganzen Drogen versaut hatte, wäre ich garantiert ebenfalls in dieses tiefe Loch gefallen.

    »Ich werde mich in der Höhle umsehen«, sagte Carlos entschlossen, packte die losen Blätter zusammen und warf sie achtlos in das Notizbuch zurück.

    »Bist du verrückt?« War mein Cousin wirklich so dumm? Der Eingang zur Höhle war nicht ohne Grund abgesperrt. Doch Carlos schien dies nicht abzuschrecken.

    »Ich will herausfinden, was mit meinem Vater passiert ist. Das ist alles andere als verrückt.«

    Ich ignorierte den Fakt, dass Carlos so gereizt klang wie der Busfahrer, der uns jeden Morgen zur Schule fuhr.

    »Das ist dumm! Frag ihn halt einfach! Die Höhle ist einsturzgefährdet!«

    Carlos verengte die Augen. »Und? Glaubst du, das hätte ich nicht versucht? Er bemerkt nicht einmal, dass ich da bin!«

    Seine Augen wurden glasig, und augenblicklich fühlte ich mich beinahe schlecht, angenommen zu haben, dass dies so einfach sei.

    »Sag doch was, Luke.«

    Jener wollte mir allerdings nicht beistehen.

    »Begleite ihn doch einfach, wenn du dich unwohl dabei fühlst, ihn alleine gehen zu lassen.«

    »O nein, sicher nicht!«

    Carlos, welcher eben begonnen hatte, wie ein Honigkuchenpferd zu strahlen, blickte nun wieder verbittert auf das Buch hinab. »Dann geh ich eben alleine.«

    So kam es, aufgrund meines dummen Gewissens, dass wir uns zu zweit am nächsten Tag auf den Weg zu besagter Höhle machten.

    Die Höhle lag in den Bergen und war nur sehr schwer zu Fuß zu erreichen. Weder ich noch Carlos hatten Erfahrung im Bergsteigen. Zugegeben, ich hatte es mir nicht im Ansatz so anstrengend vorgestellt, wie es am Ende wirklich war.

    Der Boden war noch matschig, da es nachts geregnet hatte. Überall versperrten uns kleine und große Sträucher den Weg. Als ob dies alles nicht schon schlimm genug wäre, wurden wir auch noch von einem Schwarm hungriger Mücken verfolgt.

    Das einzig Gute war, dass wir im Schatten der Bäume laufen konnten. Denn ich begann schon nach knappen zehn Minuten zu schwitzen. Hätten wir den Weg in der prallen Sonne zurücklegen müssen, wäre ich vermutlich bereits geschmolzen.

    »Was erhoffst du dir hiervon eigentlich?« Ich war nun mit meinem Shirt am fünften Ast hängen geblieben und langsam, aber sicher gewann meine schlechte Laune wieder die Oberhand.

    »Ich habe Plastikbeutel dabei.« Carlos stieg vorsichtig über einen umgefallenen Baumstamm, ohne sich umzudrehen.

    »Für was denn?« Ich gab mein Bestes, ihm zu folgen, blieb jedoch unglücklicherweise ein weiteres Mal hängen, wodurch mein Shirt leicht einriss. Ich fluchte einmal laut genug, dass die Vögel aufschreckten und mit lautem Gezwitscher das Weite suchten.

    Normalerweise hätte sich Carlos jetzt beschwert. Da er dies jedoch nicht tat, beeilte ich mich, zu ihm aufzuholen.

    Mein Cousin stand einige Meter von mir entfernt da und starrte auf eine Stelle, welche ich von meiner Position aus noch nicht sehen konnte.

    »Ey, Carlos, hast du ein Einhorn entdeckt?«

    Erst als ich auf seiner Höhe war, sah ich das offensichtliche Problem. Die Polizei hatte die Höhle mit Absperrband versehen. Des Weiteren standen Warnschilder links und rechts von dem Eingang, welche auf deren Einsturzgefahr hinweisen sollten, sowie auch Schilder, auf denen »Betreten verboten« stand.

    »Ich habe dir doch gesagt, sie ist einsturzgefährdet.« Noch immer gab Carlos kein Wort von sich und langsam begann ich doch, mir Sorgen zu machen. »Willst du umdrehen?«

    Der Braunhaarige schüttelte den Kopf. »Ich habe nur nicht damit gerechnet, dass die Bergwacht die Höhle absperren lassen hat …«

    Ich musste mein Bestes geben, mein Lachen zurückzuhalten. »Das ist ein Tatort. Natürlich haben sie die absperren lassen.«

    Doch Carlos schien unwohl bei der Sache zu sein, die Absperrbänder zu überschreiten. Natürlich, mein Cousin hatte keinen Dreck am Stecken wie ich und mein Kumpel. Er hatte um einiges mehr Respekt vor der Polizei als ich. Gesunden Respekt.

    Gerade als ich erneut versuchen wollte, ihn zum Gehen aufzufordern, setzte er sich wieder in Bewegung und lief auf den Höhleneingang zu.

    Na ganz toll.

    Dabei hatte ich schon die Hoffnung gehegt, ihn über diese Schiene zu überreden, nach Hause zu gehen und es gut sein zu lassen.

    Ich stieg also über das Absperrband und folgte dem Fünfzehnjährigen in die Höhle hinein. Luke hatte ich gesagt, dass er die Polizei rufen solle, falls er spätestens morgen früh nichts von mir hören sollte. Nur um sicherzugehen natürlich.

    Carlos schaltete seine Handytaschenlampe an und kniete sich vor einem Gewächs auf den Boden. Mit einer Pinzette zupfte er es ab und legte es in eine der Plastiktüten, welche er kurz darauf verschloss.

    Jetzt wusste ich, wofür die Dinger waren.

    »Du willst jetzt nicht allen Ernstes jede Pflanze in diesem Buch suchen gehen, oder?«

    Carlos drückte mir sein Handy in die Hand. »Doch. Genau das werde ich tun.«

    Ausatmend folgte ich ihm zu der nächsten Pflanze. »Und wie willst du herausfinden, ob sie Halluzinationen auslösen?«

    Carlos antwortete nicht sofort. Erst musste er eine weitere Pflanze von ihrer Wurzel entfernen.

    »Ich schicke sie Verena zu, nachdem ich Papa gefragt habe, ob er sich an sie erinnern kann.«

    »Verena?« Irgendwoher kannte ich den Namen, doch wollte mir momentan einfach nicht einfallen, wer dies war.

    »Sie hat den Doktor bei Papa gemacht.«

    Ich nickte nur leicht, wobei ich zu jenem Zeitpunkt nicht einmal bemerkte, dass er diese Geste ja unmöglich sehen konnte.

    Je weiter wir uns von der Oberfläche entfernten, desto mulmiger wurde mir. Um uns herum wurde es immer dunkler und ohne die Taschenlampenfunktion des Handys erkannte man nun gar nichts mehr. Ich wollte überhaupt nicht wissen, was für Viecher sich hier aufhielten. Wenigstens war die Höhle relativ groß, sodass ich keine Angst haben musste, mir den Kopf zu stoßen. An die Decke leuchten wollte ich dennoch nicht.

    »Hast du nicht gesagt, dein Vater hat dich nicht erkannt. Glaubst du allen Ernstes, er wird diese Blätter erkennen?«

    Natürlich bekam ich keine Antwort darauf.

    Was habe ich auch anderes erwartet?

    Mit der Zeit wurde es zunehmend kälter. Am Eingang der Höhle war es noch angenehm warm gewesen, doch mittlerweile war es so frisch, dass ich fast zittern musste.

    »Wir sollten umdrehen.«

    Allmählich begann ich zu glauben, dass Michael tatsächlich nur verrückt wurde, weil er hier unten eingesperrt war. Ich wusste, ich würde mit Sicherheit in der ersten Stunde den Kopf verlieren, sollte der Eingang verschüttet werden. Zumal wir uns bereits ein gutes Stück von der Oberfläche entfernt hatten.

    Ich blieb stehen und leuchtete nach hinten. Wir waren so weit gelaufen, dass wir den Eingang gar nicht mehr sehen konnten. Was, wenn er schon verschüttet worden war? Immerhin standen die Schilder nicht ohne Grund dort. Die Warnungen »Einsturzgefahr« und »Betreten verboten« standen schließlich nicht an jeder Ecke.

    »Wir sind weit genug gelaufen. Lass uns zurückgehen.«

    Ich konnte Carlos’ Kichern hören. »Hast du etwa Angst?«

    »Natürlich nicht!« Wie immer war mein Ego zu groß, um dies zuzugeben, doch ja, ich hatte Angst. Wenn ich nur daran dachte, dass die Höhle jede Sekunde direkt über unseren Köpfen einstürzen könnte, wurde mir schlecht.

    Vielleicht war es ja nicht einmal nur das Eingesperrtsein, was Michael zugesetzt hatte. Auch die Angst, dass er jede Sekunde lebendig begraben werden könnte, muss unaushaltbar gewesen sein. Dies würde jeden Menschen auf lange Sicht verrückt machen, und mein Onkel war diesen Gedanken mehrere Wochen lang ausgesetzt.

    »Ich gehe«, beschloss ich schließlich, da es mir zu viel wurde. Ich spürte bereits das Krabbeln von irgendwelchen Tierchen an meinen Beinen, doch weigerte ich mich hinunterzusehen. Diese Viecher Tag und Nacht auf der Haut zu spüren würde ebenso sehr gut dazu beitragen, Wahnvorstellungen zu bekommen.

    »Dann gib mir mein Handy zurück. Ich laufe weiter.«

    Verständnislos blickte ich Carlos an. Wie konnte er unter diesen Bedingungen weiterlaufen wollen? Es war so dunkel und jetzt, wo ich so darüber nachdenke, konnten die Akkus, welche mein Onkel mitgeschleppt hatte, unmöglich die ganzen Wochen durchgehalten haben.

    Eine lange Zeit in purer Dunkelheit zu leben, dazu noch nicht zu wissen, ob man jemals wieder das Tageslicht sehen könne, würde jeden Menschen verrückt machen. Doch ganz gleich, wie viele Dinge ich aufzählte, Carlos war fest entschlossen, dass es an irgendwelchen Pflanzen hier unter der Erde gelegen haben musste.

    Wir liefen also weiter. Weiter durch den dunklen Gang, bis wir irgendwann das Rauschen von Wasser hörten.

    »Eine Quelle!« Carlos eilte enthusiastisch den Gang entlang. Doppelt so schnell wie zuvor. »Papa hat davon geschrieben!«

    Ich gab mein Bestes, mit ihm mitzuhalten. Noch immer machte ich mir Sorgen, dass wir nicht wieder rechtzeitig hinausfinden würden. Doch Carlos lief munter weiter.

    Eine Minute später breiteten sich die Wände plötzlich aus und wir befanden uns in einem größeren Raum. Der Boden hatte sich mittlerweile von Erde in glitschigen Stein verwandelt und an der Decke hingen große Zapfen.

    Eine Tropfsteinhöhle!

    Carlos nahm mir nun sein Handy ab, da er sich selbst umsehen wollte. Ich zog mein eigenes Smartphone heraus und schaltete ebenso die Taschenlampenfunktion an.

    Würde sich dieses Wunderwerk nicht in einer einsturzgefährdeten Höhle befinden, könnte man sicher richtig Asche damit machen.

    Ich schoss einige Bilder, die ich später meiner Freundin zeigen wollte.

    »Nico, schau mal!«

    Genervt, da ich gerade dabei war, ein Bild zu machen, folgte ich der Stimme meines Cousins, welcher vor einem kleinen Bach stand.

    »Schön, Wasser.« Andernfalls wäre sein Vater sicher verdurstet in der Zeit, in welcher er hier eingesperrt war.

    Hier gefiel es mir jedoch. Hier schien es weniger Insekten zu haben als am Eingang.

    Da fiel es mir mit einem Schlag wieder ein. Wir waren in einer unsicheren Höhle.

    »Wir gehen jetzt wieder.«

    Carlos atmete genervt aus. »Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du ja gehen kannst, wenn du Angst hast.«

    »Ich habe keine Angst.«

    »Natürlich nicht.« Der Lockenkopf rollte mit den Augen.

    »Dein Handy hat nicht mehr viel Akku und es wird bald dunkel.«

    Erneut atmete mein Cousin theatralisch genervt aus. »Na gut.«

    Damit drehten wir schließlich wieder um.

    Zu meinem Entsetzen gab es drei Durchgänge, welche allesamt in derselben Richtung lagen, aus der wir gekommen waren.

    In der Dunkelheit, nur mit dem Licht unserer Handys, sahen sie alle gleich aus.

    Scheiße. Das konnte doch nicht sein!

    Langsam, aber sicher stieg die Panik in mir hoch. Gleichzeitig fragte ich mich, wie sich mein Onkel nur in der Dunkelheit hatte zurechtfinden können, wenn die Tunnel alle gleich aussahen.

    »Wir hätten uns den Eingang irgendwie kennzeichnen sollen …«, murmelte mein Cousin neben mir vor sich hin.

    »Ach echt?« Er war ja so schnell weggesprungen, dass ich Mühe gehabt hatte, ihm zu folgen.

    »Du warst doch damit beschäftigt gewesen, Bilder zu machen!«

    »Ach, jetzt bin ich schuld oder was?«

    Ich ballte meine freie Hand zur Faust. Dasselbe tat er.

    In jenem Moment fragte ich mich, ob solch eine Auseinandersetzung dazu geführt hatte, dass mein Onkel auf seine Freunde losgegangen war. Eine einfache Auseinandersetzung. Vielleicht hatte jemand seine Akkus oder Verpflegung vergessen. Vielleicht wurde aber auch vergessen, jemandem Bescheid zu sagen, dass sie die Bergwacht informieren sollten, falls sie zu lange weg wären. Letzteres kann sehr leicht dazu geführt haben, dass einer die Kontrolle verlor, wenn es um Leben oder Tod ging. Oder aber es war genau so banal wie gerade und jemand hatte nur vergessen, den Eingang zu markieren, durch welchen sie gekommen waren.

    »Das bringt uns jetzt auch nicht weiter«, sagte ich schließlich resignierend und blickte zu den Tunneln.

    »Ich nehme den rechten Gang und du den linken.«

    »Spinnst du? Das kommt absolut nicht infrage! Ich kann dir nicht helfen, wenn du draufgehst! Deine Mutter wird mich umbringen! Du gehst nirgendwo alleine hin!«

    Carlos grinste. »Sagst du das nicht nur, weil du Angst davor hast, alleine in einen der Tunnel zu gehen?«

    »Ach halt doch die Klappe. Wie oft muss ich dir noch sagen, dass ich keine Angst habe. Wir gehen da rein«, beschloss ich kurzerhand und lief in den Tunnel hinein, welcher sich am weitesten links befand.

    Carlos zuckte mit den Schultern, was ich an der Bewegung des Lichtkegels seines Smartphones bemerkte, und folgte mir anschließend.

    Dieser Tunnel war auf jeden Fall der falsche.

    Die Wände waren bewachsen von seltsamen Pilzen, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Gut, ich gehe keine Pilze pflücken, daher war dies nichts Außergewöhnliches und die könnten auch sehr gut ungiftig sein. Allerdings wollte ich kein Risiko eingehen.

    »Cool!« Carlos sah sich um wie ein fünfjähriges Kind im Bällebad.

    Bevor er jedoch einen der Pilze anfassen konnte, zog ich ihn am Handgelenk zurück. »Wir haben keine Ahnung, was die Pilze machen. Am Ende sondern sie irgendwelche giftigen Sporen ab, wenn sie gepflückt werden.«

    »Aber …«

    »Kein Aber.« Ich zog ihn hinter mir her, zurück in die Tropfsteinhöhle.

    Da der linke Tunnel nicht der richtige war, eilte ich einfach geradewegs in den nächsten.

    Doch auch dieser führte nicht zum Höhleneingang. Stattdessen gelangten wir zu einem sehr alten Ticketstand. Offenbar war ich nicht der Erste gewesen, der die Idee hatte, diese Tropfsteinhöhle zu Geld zu machen.

    Hinter dem Ticketstand gab es einen Zugang. Dieser war allerdings mit Holz vernagelt. Zumindest schienen die Bretter von außen irgendwie befestigt worden zu sein, denn sie ließen sich kein Stück bewegen. Das Holz fest in den Griff zu bekommen, war unmöglich. Die Abstände zwischen den Brettern waren viel zu klein, und der Gang dahinter war zudem von außen mit Steinen zugeschüttet worden. Insgesamt war dies alles sehr seltsam.

    Warum hatte Michael nie gesagt, dass die Höhle früher für Besichtigungen offen stand? Warum hatte ich nie etwas in Zeitungsartikeln darüber gelesen? So lange konnte sie für den Tourismus bislang nicht geschlossen sein. Immerhin schien es bereits moderne Schreibmaschinen gegeben zu haben, als sie noch für die Öffentlichkeit zugänglich war. Denn eine befand sich in dem Ticketstand. Allerdings gab es eine Menge Spinnenweben, welche ihn beinahe einhüllten wie einen Kokon.

    »Igitt, hat es hier viele Spinnen!«

    Ungeduldig zog mein Cousin an meiner Kleidung. Doch ich hatte den interessantesten Raum der ganzen Höhle entdeckt.

    »Lass uns zurückgehen.«

    Bei seinem Gequengel musste ich glatt grinsen. »Ausgerechnet jetzt willst du zurückgehen?«

    Tatsächlich kamen wir vor Sonnenuntergang wieder an der Oberfläche an. Nie zuvor war ich so froh gewesen, das Licht der Sonne zu sehen.

    Langsam, aber sicher tauten meine Gliedmaßen durch die Hitze wieder auf, obwohl es nicht im Ansatz mehr so warm war wie heute Vormittag, als wir die Höhle betreten hatten.

    Auf dem Weg zum Fuß des Berges machte der Akku von Carlos’ Handy schlapp. Zwar beschwerte er sich lauthals darüber, dass er nun auf der Heimfahrt keine Musik mehr hören könne, doch ich war einfach nur froh, dass es nicht in der Höhle geschehen war.

    Zu Hause recherchierte ich. Ich musste einfach wissen, was es mit dieser Tropfsteinhöhle auf sich hatte, warum sie verbarrikadiert war und weswegen ich nichts von ihrer Existenz gewusst hatte, obwohl ich in der Nähe aufgewachsen bin.

    Ich war schon immer interessiert an Tropfsteinhöhlen gewesen. Doch ich dachte, die uns nächst gelegene wäre fünf Stunden mit dem Auto entfernt.

    Ich durchforstete das Internet sicher gute vier Stunden, doch ich fand nichts. Absolut nichts. Es war, als hätte diese Höhle für die Öffentlichkeit nie existiert!

    An jenem Abend stand ich frustriert sicher zwei Stunden unter der Dusche, da ich noch immer das Gefühl von krabbelnden Insekten auf meiner Haut verspürte. Selbst nach dem langen Duschen verschwand dieser ekelhafte Eindruck nicht. Erst als ich am nächsten Tag aufwachte, hatte das unangenehme Kribbeln auf meinen Beinen endlich nachgelassen.

    Ich war gerade dabei, eine Scheibe Weißbrot in den Toaster zu stecken, da tauchte Carlos erneut vor unserer Haustür auf. Ich ahnte Übles.

    »Ich gehe mit dir sicher nicht noch mal in die Höhle. Das kannst du knicken«, sagte ich, noch bevor er überhaupt etwas von sich geben konnte.

    »Eigentlich wollte ich fragen, ob du mich zu meinem Papa in die Psychiatrie begleiten könntest.«

    Irritiert zwinkerte ich zweimal, als er jedoch weitersprach, wurde mir klar, weswegen er ausgerechnet zu mir gekommen war.

    »Mama darf nicht wissen, dass ich in der Höhle war, und ich darf nur mit Papa sprechen, wenn ein Erwachsener dabei ist.«

    Ja, ich bin vor fast genau zwei Wochen 18 geworden. Allerdings hatte niemand wirklich Lust, dies zu feiern, da sie alle mit den Gedanken bei meinem Onkel waren, der einen Tag zuvor von der Polizei verhaftet worden war. Ich durfte nicht einmal meine Freunde einladen und die Musik aufdrehen. Das hat mich schon ziemlich angekotzt. Also sind wir in eine Disco gegangen. Jedoch war selbst dort die Stimmung gedämpft, da ich mich wenige Stunden zuvor wegen der Musik mit meinen Eltern gestritten hatte.

    Also der beste 18. Geburtstag, den man sich vorstellen kann.

    »Meinetwegen, aber erst nach dem Frühstück.«

    Carlos strahlte über beide Ohren.

    »Willst du auch einen Toast?«

    Zwei Stunden später standen wir schließlich vor der Tür der geschlossenen Psychiatrie. Carlos hatte denselben Rucksack dabei, in den er gestern all die Tütchen gepackt hatte.

    Ich wusste noch immer nicht, weshalb ich mich dazu überreden habe lassen, ihn hierher zu begleiten. Vermutlich weil ich am Morgen generell zu müde bin, um irgendwelche Entscheidungen zu treffen. Wahrscheinlich aber auch, weil mich die Geschichte mit der Tropfsteinhöhle noch immer nicht in Ruhe ließ. Carlos hatte es also wirklich geschafft, mich anzustecken.

    Die nette Dame im Eingangsbereich meinte jedoch, dass wir ihn erst nachmittags besuchen dürften. Zwar hatte sie sich entschuldigt und sie konnte natürlich auch nichts dafür, dennoch war ich innerlich enttäuscht. Ich wollte Antworten und dies am besten sofort.

    Carlos war bestimmt genauso enttäuscht wie ich. Er hatte es kaum abwarten können, seinen Vater zu sehen.

    Am Ende entschieden wir uns dazu, zuerst zu Verena zu fahren. Vielleicht wusste sie ja etwas über diese Höhle.

    Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass Carlos sie über sein Vorhaben aufgeklärt hatte. Doch natürlich hatte er dies nicht getan. Daher verbrachte Verena die nächsten zehn Minuten damit, uns beide über die Gefahren aufzuklären. Dies war nichts Neues. Ich wusste schließlich, dass die Höhle einsturzgefährdet war. Trotzdem ärgerte es mich etwas, dass sie den Nerv hatte, mir diese Fakten ebenso ins Gesicht zu klatschen, als sei ich ein zehnjähriges Kind und wüsste nicht darüber Bescheid.

    »Wie weit seid ihr hineingegangen?«

    Diese Frage irritierte mich. Wusste sie etwas über die Tropfsteinhöhle? Bevor ich allerdings ihr Wissen testen konnte, kam mir der Lockenkopf zuvor.

    »Wir waren in der Tropfsteinhöhle.«

    Innerlich hielt ich mir bereits die Hand über die Augen. Wie konnte man nur so naiv sein? Kurz darauf beschlich mich die Nervosität. Was, wenn sie die Polizei darüber in Kenntnis setzte?

    »Bitte sagt mir, dass ihr nichts angefasst habt.«

    Verwirrt warfen wir uns einen Blick zu, weshalb Verena laut ausatmete.

    »Wieso?«, fragte ich schließlich, da sie offenbar keine Intention hegte weiterzusprechen.

    »Dein Vater hat mich ursprünglich bei der Untersuchung dabeihaben wollen. Es ist schrecklich, was mit ihm passiert ist.« Verena setzte sich auf das Sofa und fuhr sich durch die Haare. Sie wirkte auf mich beinahe so wie Angelika, als diese herausfand, dass ihr Mann nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte.

    »In der Tropfsteinhöhle gab es einen Ticketstand.« Ich bemerkte zwar, dass ihr diese Thematik offenbar zusetzte, doch wollte ich Antworten, und ich hatte das Gefühl, sie war die Einzige, die sie uns geben konnte.

    »Sie war früher für die Öffentlichkeit zugänglich gewesen, bis einige Besucher angefangen hatten, sich seltsam zu verhalten. Es kamen zunehmend mehr Leute mit Wahnvorstellungen zu der Höhle. Laut den Arbeitern kamen dieselben Leute immer und immer wieder und verhielten sich jedes Mal noch seltsamer. Als einer davon auf einen Arbeiter losging, weil dieser ihm den Zutritt verbot, wurde die Höhle verschlossen.«

    Carlos setzte sich nun auch auf die Couch. »Das heißt, irgendetwas in der Höhle hat diese Wahnvorstellungen ausgelöst?«

    »Genau das sollte dein Vater recherchieren.« Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.

    Carlos stellte noch zwei Fragen, doch Verena schien nicht länger ansprechbar zu sein. Ich entschuldigte mich also für ihn und zog ihn am Handgelenk aus ihrer Wohnung heraus.

    »Siehst du! Ich hatte recht!«

    Ich war nicht in der Lage, mich nun mit ihm darüber zu streiten.

    »Wenn es eine Substanz war, kann man sicher auch ein Gegenmittel herstellen!«

    Noch immer ignorierte ich ihn und zog ihn stattdessen hinter mir her zu dem Auto meiner Mutter.

    »Wo fahren wir hin?«

    »Zu deinem Vater.«

    Kaum hatte ich jenen Satz ausgesprochen, stieg der Lockenkopf in den Wagen.

    Eine Dreiviertelstunde später befanden wir uns erneut vor der geschlossenen Psychiatrie.

    Wir stiegen aus und ich schloss das Auto ab. Ungeduldig verlagerte Carlos sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, während ich mit der Dame im Eingangsbereich sprach.

    Einige Minuten später fanden wir uns auch schon in einem weißen Raum wieder, welcher sich zwischen der Schließanlage und der Station befand.

    Als Michael den Raum betrat, fielen mir die Augen beinahe auf den Boden. Er

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