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Astralux - Wo bist du?
Astralux - Wo bist du?
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eBook298 Seiten4 Stunden

Astralux - Wo bist du?

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Über dieses E-Book

Ein verspielter mystischer Phantasy-Roman, bei dem der 14-jährige Manuel coole Erlebnisse mit Pingi auf dem Planeten Astralux teilt. Aber auch auf der Erde hat er immer wieder seltsame Visionen oder vielleicht auch Parallel-Leben, die er nicht zuordnen kann. Später war ihm auch sein Adaptiv-Vater eine große Hilfe, sodass er sich von einem Ex-Knacki nicht nur zu einem wertvollem Mitglied der Gesellschaft verwandelte, sondern auch einige Flow-Erlebnisse sein Eigen nennen durfte.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum27. Mai 2016
ISBN9783738071603
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    Buchvorschau

    Astralux - Wo bist du? - Henriette Pascher

    1. Jugend

    Sieh mal an, da kommt ja unsere Geldquelle!

    Hämisch grinsend näherte sich Norbert, der Anführer der vier Peiniger seinem Mitschüler Manuel.

    Na, du Typ eines jämmerlichen Versagers, ich hoffe, du hast diesmal genug Kohle mit. Wenn nicht, du weißt ja, was dann mit dir passiert, nicht wahr?

    Manuel sah noch die üblichen Taschenmesser aufblitzen, doch dies- mal wurde er zum Täter. Blitzschnell brachte er die Pistole in Position und schoss so lange, bis sich keiner der jahrelangen Mobber mehr rührte. Schreiend stoben die Klassenkameraden aus dem Zimmer.

    Als Professor Schweinemann den Klassenraum betrat, wurde er eben-falls von dem 14-jährigen bedroht. Da Manuel bisher immer ein ruhiger, unauffälliger und leicht lenkbarer Schüler war, konnte er sich diesen Ausraster nur schwer vorstellen.

    Kommen Sie ja nicht näher, oder ich schieße!

    Manuel, sei doch vernünftig. Dir ist doch hoffentlich klar, dass dir eventuell eine lebenslange Gefängnisstrafe droht, wenn du hier wahllos Leute über den Haufen schießt.

    Schnauze, das geht Sie gar nichts an. Bisher war Ihnen mein Leben doch scheißegal. Warum auf einmal diese scheinheilige Fürsorge? Oder haben Sie etwa Angst, dass ich Sie auch kalt mache?

    Aber so kenn ich dich doch gar nicht. Junge, denk an deine Zukunft.

    Damit Sie sehen, dass Sie keinen Einfluss mehr auf mich haben, gebe ich Ihnen einen kleinen Vorgeschmack davon, wie und vor allem wo Sie Ihre Zukunft verbringen werden.

    Und schon knallte ein neuer Schuss direkt auf die Geschlechtsteile des Professors. Mit einem Schrei des Entsetzens und des Schmerzes sackte er am Boden zusammen.

    Professorchen, ich bin ja nicht so ein Unmensch wie Sie, ich gebe Ihnen jetzt den Gnadenschuss, einverstanden?

    Mit vor Schreck geweiteten Augen starrte ihn Professor Schweinemann an und bat demütig, ihn am Leben zu lassen. Aber es war schon zu spät.

    Die zweite Kugel durchbohrte direkt sein Herz.

    Nachdem Manuel nun alle Quälgeister, die ihm das Leben beinahe rund um die Uhr zur Hölle machten, ins Jenseits katapultiert hatte, ließ er sich von den nun eintreffenden Polizeibeamten - alle vorsorglich in kugelsicheren Anzügen verpackt - widerstandslos festnehmen.

    "Na, da werden sich deine Eltern aber freuen, wenn sie erfahren, was sie da für ein Früchtchen großgezogen haben.

    Die brauchen Sie erst gar nicht anzurufen, die hab ich auch kaltgemacht.

    Wie bitte, das ist doch wohl nicht dein Ernst?

    Wissen Sie, auf ein paar kaputte Typen mehr oder weniger kommt es mir wirklich nicht mehr an.

    Sprachlosigkeit machte sich breit. Soviel Zynismus und Abgebrühtheit, aber auf der anderen Seite ein freiwilliges Eingeständnis eines weiteren Mordes war selbst für erfahrene Polizisten, die es auch schon mit mehreren zerstückelten Leichen zu tun hatten, zu viel.

    Zwei Beamte fuhren nun zu seinem Elternhaus. Als sich auf ihr Läuten niemand rührte, sperrten sie mit Manuels Schlüssel die Gartentür auf.

    Es empfing sie großer, gepflegter Swimmingpool, der von Blumen- und Gemüsebeeten eingerahmt wurde. Im Haus befand sich im Erdgeschoss neben Vorraum, WC und Abstellraum eine Wohnküche, ein geräumiges Wohnzimmer mit Kamin und einer Orgel mit drei Manualen. Dann ging es noch zu einer zu einem Wintergarten umgebauten Terrasse mit vielen exotischen Pflanzen. Erst im Obergeschoß fanden sie neben drei weiteren Zimmer und

    zwei luxuriösen Bädern die gesuchten Leichen seiner Eltern. Todesursache bei beiden

    Kopfschuß. Wahrscheinlich im Schlaf überrascht.

    Mensch, Andi, ich hab mir immer gewünscht, in so einem wunder-schönen Haus zu leben, und dieser junge Schnösel macht sich mit dieser Wahnsinnstat alles kaputt.

    Der Junge wird schon seine Gründe haben. Uns wird er das sicher nicht erzählen.

    Und die hatte er auch. Aber er war weder bereit, seinem Verteidiger noch dem Richter etwas über seine Eltern davon zu erzählen.

    Sie geben also zu, nicht nur vier Mitschüler, Herrn Professor Schweinemann sondern auch ihre Eltern ermordet zu haben. Möchten Sie sich dazu äußern? fragte ihn der Richter.

    Ich wurde gemobbt und in letzter Zeit musste ich auch Schutzgeld bezahlen, damit sie mich eine Weile in Ruhe ließen. Und was den Herrn Professor Schweinemann betrifft. Er war äußerst ungerecht zu mir. Ein kleines Beispiel: Nur weil mein Nachbar bei einer Klassenarbeit von mir abgeschrieben hat, bekam ich für eine fehlerfreie Arbeit ein genügend.

    Und wie war ihr Verhältnis zu ihren Eltern?

    Darüber möchte ich keine Auskunft geben.

    Das könnte aber eventuell ihr Strafausmaß mindern.

    Ja, ich weiß, ich möchte aber trotzdem nicht.

    Gut, wie Sie wünschen. Wir werden uns jetzt zur Beratung zurückziehen.

    Manuel konnte dem Richter schwer sagen, dass er sich als Kind zu sehr bemuttert und umklammert fühlte. Später hat sich seine Mutter nur noch auf ihre Karriere konzentriert. Seinen Vater hatte er zumindest bis zu seiner Volksschulzeit in guter Erinnerung. Da er Jäger war, nahm er ihn manchmal auch auf Hochsitze mit. Hier gab es einige der seltenen Gelegenheiten, wo er wenigstens beweisen konnte, dass er fähig war, ohne fremde Hilfe hinauf- und hinunter zu klettern. Er durfte dann auf seinem Schoß sitzen und spannenden Märchen lauschen. Zwischendurch tauchten dann am Rande der Lichtung ganz vorsichtig schnuppernd Rehe, Hirsche oder Füchse auf. Hin und wieder verirrten sich auch Hasen direkt in die Schusslinie. Er durfte sie dann auch im Fernrohr ganz nahe betrachten. Aber diese Idylle änderte sich schlagartig mit dem Karriere-Wahnsinn seiner Mutter.Sein Vater begann zu trinken, wurde alkoholabhängig und verlor da-durch auch seinen Job. Alles Lamentieren seiner Mutter, seine Sucht in den Griff zu bekommen und sich wieder einen Job zu suchen gingen ins Leere. Wozu auch, wenn die Frau das Doppelte von ihm verdiente. Anfangs kümmerte er sich wenigstens noch einigermaßen um den Haushalt, aber dann hängte er auch tagsüber in diversen Kneipen ab. Da seine Mutter jetzt zeitmäßig nur mehr Einkauf und Kochen schaffte, musste er sich zusätzlich zu den Hausaufgaben um die Reinigung des Hauses und Gartenbetreuung kümmern. Am Abend mussten sie dann seinen Vater suchen, nach Hause transportieren, von der Urin verseuchter Kleidung befreien, waschen, und für das Bett fertig machen.

    "Wir sind zu der einstimmigen Erkenntnis gelangt, dass das Urteil auf lebenslange Haft lautet. Es besteht jedoch die Möglichkeit, wieder die Freiheit zu erlangen, wenn zwei Puzzles mit je fünftausend Teile zusammengesetzt werden. Dann würde das lebenslang in bedingt um-gewandelt werden. Die kleinste Straftat im weiteren Leben wird jedoch die ursprüngliche Haftstrafe sofort wieder aktivieren.

    Angeklagter, haben Sie das verstanden?"

    Ja, ich denke schon. Obwohl ich sagen muss, dass ich lebenslang schon sehr hart finde. Ich habe maximal mit zehn Jahren gerechnet.

    Manuel war wie betäubt. Sein Verteidiger hat zwar angedeutet, das Höchststrafausmaß könnte durch eine Gesetzesänderung hinaufgesetzt werden, aber dass ihn diese Neuerung schon treffen würde, mit dem hat er nicht gerechnet. Vielleicht hätte es ja was genützt, wenn er die Wahrheit über seine Eltern erzählt hätte. Aber er schämte sich so dermaßen, dass er lieber lebenslange Haft in Kauf nahm. Eigentlich wollte er ja nach seinem zweiten Amoklauf Selbstmord begehen. Er wusste es selbst nicht so genau, warum er es nicht gemacht hatte. War es nur Angst, vor seinem Tod noch schlimme Schmerzen zu erleiden oder eventuell als Krüppel weiterleben zu müssen, weil er es nicht sofort mit einem Schuss schaffte? Außerdem konnte einem ja niemand so genau sagen, ob es ein ewiges Leben gab oder nicht. Und wenn ja, wurde es einem durch Selbstmord verwehrt bzw. landete man dann in der sogenannten Hölle? Zumindest katholische Geistliche behaupteten das. Ob es der tatsächliche Wirklichkeit entsprach, wusste ja niemand. Man konnte nur daran glauben oder nicht. Aber wenn er die Gefangenschaft genauso oder noch unerträglicher als sein bisheriges Leben empfand, konnte er ja auch dort Selbstmord begehen. Oder war vielleicht doch noch ein Funken Hoffnung in ihm, aus seinem Leben etwas Positives herauszuholen? Wenn das wirklich so wäre, dann würde er ja in diesem Leben etwas verpassen. Und was soll dieser Scheiß mit den Puzzles? Das ist doch nur für Kindergarten-Kinder, aber sicher nichts für fast erwachsene Teenager wie ihn.

    Aber da sollte er sich gewaltig täuschen. Zuerst einmal nahm er seine Zelle in näheren Augenschein. Zellengenossen dürfte er keine haben, da nur ein Bett vorhanden war. Er war etwas enttäuscht, da er sich ganz gerne mit anderen Gesetzesbrechern unterhalten hätte. Aber wahrscheinlich hatte man Angst, dass er weitere Morde begehen würde. Wenn seine Vermutung stimmte, dann würde er damit die Rollen vertauscht haben. Bisher hatte er immer vor den anderen Angst gehabt. Aber Tatsache war sicher, dass er vom Opfer zum Täter geworden war. Dann gab es da noch einen Tisch mit einem Sessel, ein schmaler Kasten, ein Waschbecken und ein WC. Am Fußende des Bettes stand auf einer Kommode ein kleiner Fernseher. Das war's dann wohl. Ein wenig spartanisch, fand Manuel. Da er ja noch nie ein Gefängnis von innen gesehen hatte und nur sein eigenes Luxusheim kannte, wusste er nicht, dass er in einer Fünf Sterne Zelle gelandet war.

    Erst jetzt merkte er das Plakat am Kasten:

    Werter Zellenbewohner!

    Sollten Sie am Tisch zwei Puzzle-Bilder vorfinden, möchten wir Sie daran erinnern, dass mit Fertigstellung derselben ihre Haftzeit damit vorläufig beendet ist. Es liegt also ganz in Ihrer Entscheidung, wann Sie wieder in Freiheit entlassen werden.

    Die Gefängnisleitung

    Sollen sich doch andere Gefangene mit diesem Kinderkram auseinander, für ihn war das jedenfalls nichts. Außerdem, was fing er schon mit einer sogenannten Freiheit an, wenn er dann als ehemaliger Strafgefangener so gut wie keine Chance auf einen Job hatte. So gesehen war es vielleicht gar nicht so schlecht, dass es lebenslang bekam.

    Der Fernseher erregte da weit mehr Interesse. Er zappte sich zuerst durch einige Sender und blieb schließlich bei RTL hängen. Bei der Serie Alles, was zählt ging es ähnlich kaputt zu, wie in seinem eigenem Leben, nur das hier mehr mit verbaler Gewalt agiert wurde. Einige andere Sendungen waren ähnlich destruktiv, bis er auf Helfer mit Herz aufmerksam wurde. Hier ging es darum, wie Familien in Notlagen geholfen wurde. Ob es für seinen Fall da auch eine Hilfe gab? Arm waren seine Eltern ja nicht und einen Schicksalsschlag in Form einer schweren Krankheit gab es auch nicht. Aber ist es nicht schlimm genug, den Niedergang seines eigenen Vaters tagtäglich mitansehen zu müssen? Ganz zu schweigen von Tante Elli, ein weiterer dunkler Fleck in seinem Unterbewusstsein. Zuerst konnte er sich bei ihr noch ausweinen, wenn seine Eltern zunehmend immer weniger Zeit für ihn hatten. Sie war so etwas wie eine letzte Vertraute in einer Welt, die zunehmend zu einem Horror-Szenario wurde. Deshalb war es für ihn auch nichts Ungewöhnliches sich im Jacuzzi, das sich seine Eltern zur Entspannung im Keller einbauen ließen, den ganzen Frust von der Seele zu reden. Bis sie eines Tages ganz sanft seinen Penis massierte. Der Rest ergab sich dann wie von selbst. Anfangs empfand er es als recht angenehm, vielleicht auch ein wenig Stolz, dass ihn seine Tante bereits als Mann akzeptierte. Doch nach und nach nahm er immer mehr ihre Falten und ihre aus den Fugen geratene Figur wahr. Er wollte einfach nicht mehr. Das ließ sich Tante Elli natürlich nicht gefallen. So einen jugendlichen Liebhaber bekommt man schließlich nicht alle Tage. Sie drohte ihm damit, dass sie nicht mehr als Gratis-Psychiater zur Verfügung stehen würde. Aber er hatte ja niemanden mehr, mit dem er sein Elend teilen konnte. Es war ihm natürlich schon klar, nichts im Leben war umsonst. Aber musste es ausgerechnet diese Art von Gegenleistung sein? Er hat ihr sogar angeboten, für sie einkaufen oder sonstige Besorgungen zu machen oder ihre Wohnung zu putzen, aber das wollte sie nicht. Er hatte dann noch eine Weile mitgemacht. Bis ihm schließlich eine geniale Idee kam. Er drohte nun ihr, mit ihrer Tochter Sabine dasselbe zu machen, was sie mit ihm gemacht hat. Es war dann eine Weile Ruhe, aber die hielt leider nicht lange an.

    Die erste Woche war Manuel komplett fernsehsüchtig. Doch mit der Zeit interessierte ihn diese passive Berieselung immer weniger. Er konnte sich selbst nicht verstehen. Zu Hause hätte er es sich so gewünscht, war aber zeitmäßig nicht möglich. Und jetzt, wo er praktisch rund um die Uhr schauen konnte, ließ die Anziehungskraft immer mehr nach. Sein reger Verstand verlangte immer mehr nach aktiver Betätigung. Immer öfter wanderte sein Blick zu den Puzzles.

    Vielleicht war es ja doch nicht so schlecht, sich damit näher zu beschäftigen.

    Das erste Bild stellt zentral eine Pyramide dar, im Vordergrund zwei Kamele. Eines davon mit einem farbenprächtigen Reiter und im Hintergrund ein mystisch leuchtenden Planet, der gerade in einem orangerotem Wolkenmeer eintaucht. Manuel fühlte sich geradezu magisch angezogen. Genau jetzt war der richtige Zeitpunkt, das Puzzle-Abenteuer in Angriff zu nehmen. Und das zweite Bild? Ein Eiskristall-Palast. Als er es näher betrachtete, merkte er, dass auf den Schneemauern lauter Eisblumen oder gefrorenes Wasser in Form eines Spinnennetzes hafteten. Ob das nur der Phantasie eines Malers entsprungen war oder ob es das auch in Wirklichkeit gab, wusste Manuel nicht. Tatsache war nur, dass sein Interesse jetzt endgültig geweckt war.

    Aber wie beginnen? Er brauchte ja eine Unterlage, auf die er die Puzzles kleben konnte. Also, wenn der Richter und die Gefängnisleitung schon so erpicht waren, von Inhaftierten Bilder anfertigen zu lassen, - warum wohl? - musste das wohl auch irgendwo zu finden sein. Als er seine Zelle etwas genauer unter die Lupe nahm, entdeckte er hinter dem Kasten zwei Korktafeln, ähnlich wie die Pinnwände, aber nur viel größer. Er schätzte 1,5 x 1 Meter. So jetzt fehlte nur noch ein Kleber. Intuitiv zog der die Tischlade auf. Und siehe da, zwei große Uhu-Tuben sprangen ihm da ins Auge. So, nun stand einem fulminanten Beginn wohl nichts mehr im Wege.

    Voll Begeisterung öffnete er den ersten Karton. Aber alles, was er fand, waren zwei große Plastiksäcke mit lauter winzigen Teilen. Und, wo war die Beschreibung, wie man diese Dinger möglichst schnell zusammen-setzen konnte? Na ja, eines stand zumindest fest: Kinderspiel war das sicher keines. Er leerte also die zwei Säcke vorsichtig am Tisch aus. Aber auch jetzt war keine Anleitung zu finden. Das war für ihn eine völlig neue Situation. Bisher hatte man ihm immer gesagt, was zu tun und zu lassen war. Jetzt durfte er sich frei entscheiden, ob er das Puzzle zusammensetzen wollte oder nicht. Okay, wenn man es schon machte, dann wäre es zumindest eine nette Geste, eine Erklärung für einen totalen Neuling beizulegen. Er könnte zwar einen anderen Häftling oder den Gefängniswärter um Hilfestellung bitten, aber irgendwie wollte er das nicht. Außerdem ist es ja auch nicht sicher, ob die Ausgesuchten diese Erfahrungswerte besaßen. So blieb also nichts anderes übrig, als selbst einen Weg zu finden.

    Als er sich den Chaos-Haufen länger angeschaut hatte, konnte er Farb- und Formen-Unterschiede erkennen. Am besten wird wohl sein, wenn er mit den vier Ecken beginnen würde. Das hieß also, er musste jene Teile finden, wo zwei Seiten im rechten Winkel zusammentrafen ohne Ein- und Ausbuchtungen. Er war richtig stolz auf sich, als er nach langem Suchen, die vier Eckpfeiler seines Bildes gefunden hatte. Er hatte noch nie empfunden, dass die Zeit so schnell und vor allem so angenehm vergangen war. Aber das hing wahrscheinlich mit seiner Faszination und dem absolutem Hineintauchen in eine einzige Beschäftigung zusammen.

    Fast hätte er heute auf sein Abendessen vergessen. Es gab Linseneintopf. Zu Hause hätte er ein solches arme Leute Essen sicher nicht angerührt. Aber hier blieb ihm ja wohl nichts anderes übrig, wenn er nicht verhungern wollte. Ja, okay, so übel schmeckte es eigentlich gar

    nicht. Zumindest machte es satt.

    Am nächsten Tag kündigte ihm der Gefängniswärter einen Besuch an.Nanu, wer sollte ihn denn sehen wollen, wo er doch seine gesamte Familie ausgerottet hatte, damit er endlich Ruhe hatte vor diesen sinn- losen Unterhaltungen. Als er den Besucherraum betrat, wurde ihm regerecht übel. Ach ja, Tante Elli hatte er doch tatsächlich verdrängt. Sie war der letzte Rest seiner kaputten Familie. Jetzt fragte er sich, warum er sie nicht auch über den Haufen geschossen hatte. Besser wäre es sicher gewesen. Aber jetzt hatte er ja keine Möglichkeit dazu. Schade!

    Hallo, Manuel, ich hoffe, du freust dich, dass ich dich nicht vergessen habe!

    Ja, natürlich, riesig. Was willst du?

    Das klingt ja nicht gerade erfreut. Also, ich wollte dir nur mitteilen, ich bin mit Sabine in dein Elternhaus eingezogen.

    Du bist was? Sag, dass das nicht wahr ist!

    Er sprang von seinem Sessel auf und war gerade dabei, sie in einer Art Affekthandlung zu erwürgen. Aber zwei starke Arme des Gefängnis-wärters verhinderten gerade noch rechtzeitig einen weiteren Mord.

    Meine Güte, Manuel, was ist denn so schlimm daran? Sei doch froh, dass ich mich darum kümmere. Sonst müsste man einen fremden Mieter nehmen oder das Haus überhaupt verkaufen. Das wirst du doch nicht wollen, oder?

    Aufgrund der eisernen Arme, die ihn nach wie vor festhielten, hat sich Manuel etwas beruhigt.

    Tante Elli, soll ich dir mal sagen, was ich denke? Dir geht es doch nur darum, dass du bei deinen Leuten angeben kannst, in welch chicen Haus du jetzt wohnst. Mach doch, was du willst, ist mir scheißegal. Sollte ich je wieder aus diesem Knast herauskommen, werde ich in dieses verdammte Haus sowieso nicht einziehen.

    Ich seh schon, du bist heute nicht gerade gut gelaunt.

    Das wundert dich, nach all dem, was zwischen uns vorgefallen ist?

    Es wird wohl das Beste sein, wenn ich ein anderes Mal wieder komme.

    Fast fluchtartig verließ Tante Elli den Besucherraum.

    Und solltest du nochmals hier auftauchen, werde ich dich sicher nicht empfangen. Kannst schon mal einen Besuch in der Hölle machen, dort wirst du sowieso eines Tages landen.

    Manuel war so aufgewühlt, dass er die darauf folgende Nacht nur sehr schlecht schlief. Und auch noch viele Wochen danach wurde er nicht nur in der Nacht, sondern auch tagsüber von Alpträumen gequält, in denen er die vielfachen Vergewaltigungen immer wieder neu durchmachen musste. Er musste mit jemanden darüber reden, sonst würde er innerlich zerplatzen. Er ging im Geiste seine neuen Bekanntschaften durch. Am besten würde sich wohl sein Bildungs-Mentor eignen. Auch wenn er für seine Begriffe uralt war. Da er sich ja erst in der achten Schulstufe befand, musste er seine Ausbildung nun im Gefängnis weiterführen. Es war nur schade, dass sich hier keine auch nur an-nähernd in seinem Alter befanden. Aber vielleicht war es ja auch ein Glück, wer weiß das schon so genau. Auf seine bisherigen Mitschüler konnte er sowieso locker verzichten. So hatte er wenigstens die ungeteilte Aufmerksamkeit des Lehrpersonals. Als sein Mentor ihn das nächste Mal besuchen kam, nahm er all seinen Mut zusammen und versuchte, sein Problem möglichst ohne ausufernde Emotionen anzusprechen.

    Kann ich dich kurz sprechen, auch wenn es nicht meine Ausbildung betrifft?

    Aber ja, du weißt ja, du kannst mit jedem Problem zu mir kommen.

    Es handelt sich um meine Tante Elli. Sie ist die einzige lebende nähere Verwandte, die ich noch habe. Aus diesem Grund ist sie auch in mein Elternhaus übersiedelt. Im Moment sicher die beste Lösung. Aber wenn ich je die Chance habe, je wieder hier herauszukommen, ich möchte auf gar keinen Fall in das Haus meiner verdorbenen Kindheit einziehen. Zum einem die negativen Erinnerungen an meine Eltern und andererseits wegen Tante Elli. Ich weiß nicht, wie Ich es dir am besten sagen soll. Ich versuch es einmal, vorsichtig auszudrücken. Sie hat mir meine sexuelle Unschuld geraubt. Verstehst du mich?

    Das heißt also, du hattest den ersten sexuellen Kontakt mit deiner Tante, ist das richtig?

    Ja genau. Aber nicht nur das. Ich weiß jetzt nicht, ob du mir glaubst. Aber sie zwang mich immer wieder dazu. Sie war damals die einzige Vertraute, die ich für all meine Probleme hatte. Als ich versuchte, mich zu weigern, drohte sie, mir nicht mehr zuzuhören und nicht mehr zuhelfen. Ich hab dann meinerseits angekündigt, dass ich meine Kusine Sabine, also ihre Tochter, vergewaltigen werde. Das hat eine Weile geholfen, aber nicht lange.

    Manuel, das ist ja furchtbar, du musst ja durch die Hölle gegangen sein! So gesehen, kann ich sehr gut verstehen, dass du nie mehr in dein Elternhaus einziehen möchtest.

    "Siehst du, und deshalb habe ich mir überlegt, sollte ich noch als Minderjähriger diese Gefängnismauern hinter mich lassen, ob da nicht die Möglichkeit besteht, dass ich von einer netten Familie adoptiert werden kann. Wenn möglich mit anderen Jugendlichen in meinem Alter. Weißt du, ich hab mir immer gewünscht, in einer großen Familie aufzuwachsen, wo man sich gegenseitig hilft und fördert. Und wo sich einer auf den anderen hundert Prozent verlassen kann.

    Glaubst du, dass das Wirklichkeit werden könnte?"

    "Tja, ich muss schon sagen, du hast einen etwas ungewöhnlichen Wunsch. Aber es zeigt mir, dass du dich nicht aufgegeben hast. Du hast dir auch schon sehr viele Gedanken über deine Zukunft gemacht. Ich denke schon, dass das möglich sein wird. Vor allem war es gut, dass du mir das schon so zeitgerecht gesagt hast. Ich werde also mit dem Gefängnisdirektor sprechen. Ich denke schon, dass sich da etwas machen lassen wird. Ich

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