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Schwabenhardcore
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eBook158 Seiten2 Stunden

Schwabenhardcore

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Über dieses E-Book

Erich, jung, dynamisch, erfolglos, trifft auf Martha, alt, dynamisch, erfolgreich. In einem weitläufigen Garten, einer einladenden Küche und einem uralten Kellergewölbe begegnen sich preußische Großspurigkeit und württembergische Umtriebigkeit, Kuriosität und Sparsamkeit. Homophile Menschen und freche Katzen sowie mystische Backwaren bereichern das Bild um Know-how und Know-how-not. Mit Lokalkolorit und schwäbischem Einschlag entführt die Autorin ihre Leser in eine Welt rund um Baustellen, schöne Autos, Musik, Lust und Triebe. Eine Liebesgeschichte zwischen den Jahren, den unterschiedlichsten Welten und den Kulturen nimmt ihren Lauf
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum26. Nov. 2018
ISBN9783960145530
Schwabenhardcore

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    Buchvorschau

    Schwabenhardcore - Heidi Rösner

    Cover-front.jpg

    Nachdruck oder Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Verlages gestattet. Verwendung oder Verbreitung durch unautorisierte Dritte in allen gedruckten, audiovisuellen und akustischen Medien ist untersagt. Die Textrechte verbleiben beim Autor, dessen Einverständnis zur Veröffentlichung hier vorliegt. Für Satz- und Druckfehler keine Haftung. 

    Impressum 

    Heidi Rösner  

    »Schwabenhardcore 

    www.edition-winterwork.de 

    © 2018 edition winterwork 

    Alle Rechte vorbehalten. 

    Satz: edition winterwork 

    Umschlag: edition winterwork 

    Druck/E-BOOK: winterwork Borsdorf 

    ISBN Print 978-3-96014-537-0 

    ISBN E-BOOK 978-3-96014-553-0

    Schwabenhardcore

    Heidi Rösner  

    edition winterwork

    Familie Sailer 

    Stuttgart-Münster 

    Brezel.jpg

    Jetzt stand ich hier mit zwei Koffern, einer Reisetasche, einem Kleidersack und einem Rucksack – alles vom Feinsten und alles von Loui. 

    * * * 

    Der trostlose, verwaiste Bahnsteig. Eine triste Treppe, die von Kaugummi marmoriert zur Unterführung geleitete, ohne Wohlgerüche zu verbreiten, und die einen einsamen Reisenden zu den Bussen führte, um ihn in die entlegensten Orte des Nordschwarzwaldes zu bringen. Hier war die Welt zu Ende. Hier war mein Leben zu Ende. Heul! Alles nicht nach meinem Geschmack. 

    Was hatte mich nur geritten, mein geliebtes Berlin zu verlassen, um mich in die Niederungen der süddeutschen Kultur zu begeben? Es hatte mich nach Baden-Württemberg verschlagen – immer noch besser als Hartz 4 in Berlin, so dachte ich. 

    Mein Freundeskreis war entsetzt, jeder wusste noch schrecklichere Dinge über die Schwaben zu berichten. Sie seien sparsam bis geizig, engstirnig, raffgierige Spießer ohne Kultur und Spaß am Leben, zudem wortkarg und unfreundlich. Angeblich sei das Essen karg, schlecht und kohlenhydratreich, daher seien die Menschen dort alle sehr dick, unförmig und wohl auch ungepflegt und schlecht gekleidet. Es hieß, sie wären abgearbeitet beziehungsweise verschafft, wie man in Schwaben sagte. Zu allem Übel gebe es Schwierigkeiten mit der Verständigung, da die Sprache nur schwer verständlich sei. Das Motto lautete: „Schaffe, schaffe, Häusle baue". Ach ja, und jeder dort fuhr Mercedes. 

    Es war auf jeden Fall nichts Gutes, was die Berliner Freunde so über die Schwaben berichteten. Im Nachhinein musste ich auch sagen, dass die wenigsten überhaupt je aus ihrer Hauptstadt herausgekommen waren, um dies objektiv zu beurteilen. 

    Nach den ersten Eindrücken ereilte mich das zweite grausame Erlebnis: meine Vermieterin, die mich am Bahnhof in einer bunten, verwaschenen und ausgeleierten Jogginghose der frühen Achtzigerjahre, lila Gummistiefeln und einem blau-karierten Herrenhemd abholte. Das Hemd war ihr zwei Nummern zu groß und sie hatte es sich um den Bauch ihrer Rubensfigur geknotet. Ich schätzte sie auf Mitte dreißig. Lange, schmutzige Fingernägel sowie wirre, dunkelblonde Locken, die mit einem Tuch zusammengebunden waren, krönten das Erscheinungsbild. Eine vertrocknete alte Jungfer, so hatte mein neuer Chef die Vermieterin beschrieben; das kam mir jetzt in den Sinn. Wenn man sie waschen und in Designerklamotten stecken würde, könnte sie vielleicht etwas darstellen! 

    Ich will heim, heim, heim, dachte ich. Nichts wie weg von hier und von ihr! Doch dann wurde das Ganze noch getoppt von einem Golf 1 GTI in Grün Metallic mit einem Anhänger, der mit Grünzeug beladen war und auf dem mittig eine Mistgabel thronte. Wie bereits beschrieben, war das erste Klischee erfüllt, nur dass der Benz ein VW war. 

    Mir wurde schwindelig und ich brauchte dringend einen starken Drink – oder gleich mehrere, denn das hier war nur im Suff zu ertragen. 

    „Grieß Gott", waren die ersten Worte, die das Wesen aus einer anderen Sphäre zu mir sprach. Sie packte meine schwere Tasche und verstaute diese mühelos im Kofferraum, gefolgt von meinen restlichen Koffern und Utensilien. Offensichtlich war sie Tetris-Spielerin. Also, ich hätte das ganze Gepäck nie in den kleinen Kofferraum gebracht, vor allem weil noch eine Kiste Apfelsaft und ein Karton vom Bäcker drin war. 

    Mit größter Mühe hatte ich die Fahrt mit Nahverkehrszug und S-Bahn samt meinem Gepäck in dieses Kaff mit Endbahnhof am Rande des Nordschwarzwaldes geschafft. Vierzig Kilometer von der Großstadt und fünfzehn Kilometer von der nächsten Kleinstadt entfernt. Hätte ich nicht so über meine Verhältnisse gelebt und meine Koffer zu Geld gemacht, hätte ich mir einen Businessflug nach Stuttgart und ein Taxi nach Weil der Stadt leisten können. Hätte, hätte Fahrradkette – dann hätte ich auch nicht hierhergemusst. 

    Meine Vermieterin hatte also mein Gepäck, als wäre es nichts, in ihrem Golf verstaut, ging dann behände um das Fahrzeug herum, öffnete die Tür, lehnte sich über den Türrahmen und strahlte mich mit einem sinnlich rot lächelnden Mund und wunderschönen Zähnen an. Über das Autodach hinweg reichte sie mir die Hand und sagte: „Ich bin übrigens Martha." 

    „Erich." 

    Damit war klar: Man duzte sich. 

    Die Knie wurden mir weich ob dieses Lächelns aus einem Gesicht, das Spuren von Erde enthielt. Der harte Griff ihrer Hand holte mich jedoch in die Realität zurück. 

    * * * 

    Als ich so im Wagen neben ihr saß, wirkte Martha auf mich leicht verschwitzt, denn offenbar war sie bei der Gartenarbeit gewesen. Der Geruch jedoch, den sie verströmte, war der nach Rosen. Immer wieder schnupperte ich in ihre Richtung. 

    Sie sprach ein gutes Deutsch mit einer schönen dialektischen Einfärbung. Das sogenannte Honoratioren-schwäbisch. 

    „Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe, aber das Unkraut im Garten schießt schon so früh in diesem Jahr und macht mich noch fix und alle. Ich bin bei der Gartenarbeit und am Schoren, und bevor wir nach Hause fahren, müssen wir noch zum Häckselplatz fahren." 

    Ah ja, „Schoren und „Häckselplatz, diese Worte waren neu für mich. Ich wollte ihre Bedeutung gar nicht wissen. Trotzdem klärte sich alles sehr schnell auf. 

    Im Fahren mit einem alten Golf GTI und einem Anhänger mit Mistgabel ohne Verlust der Ladung machte Martha Walter Röhrl schwer Konkurrenz. Ebenso im Entladen des Hängers. 

    Wir waren an diesem Tag nicht allein auf dem Häckselplatz, denn es war der erste Samstag nach Fasnet und die Sonne schien warm vom Himmel, sodass die Württemberger die Gelegenheit nutzten, um in ihren Gärten die Bäume zu schneiden und die Erde umzugraben – sie zu schoren. Anschließend trafen sie sich hier, um Gartenabfälle zu entladen und zu tauschen. 

    Man redete und plauderte. Ein smarter Typ namens Tobi hatte einige Gösser Radler dabei, mit denen wir jetzt am Hänger standen und uns zuprosteten. Martha hatte noch Hefezopf im Kofferraum, den sie großzügig verteilte, und sogar eine Thermoskanne Kaffee machte die Runde. Lustige Becher wurden verteilt, auf denen „Grasdackel, „Allmachtsdackel, „Lausmädle und „Lausbub draufstand. 

    Eine Hexe und eine Gärtnerin hatten sich zu uns gesellt. Die Hexe war ein Mann mit guten einsneunzig oder größer, denn er überragte mich um einiges, und ich war schon einssechsundachtzig groß. Sehr gepflegt, manikürte Fingernägel und gut gekleidet. Seine Aussprache war gebildet, die Stimme sonor. Der Traum einer jeden Schwiegermutter. 

    Die Gärtnerin dagegen war derb und auch nicht mehr die Jüngste. Ihre Haut war von der Sonne gegerbt und die Hände verschafft, dennoch hatte sie unheimlich viel Witz in der Stimme und ein Blitzen in den Augen, nur verstand ich nicht, was sie sagte. 

    Martha klärte mich später auf, dass sie eine große Gärtnerei in der Region führte, ebenso wie einen tollen, kreativen Blumenladen im Ort. Viele der Kreativen, so auch die Hexe, holten sich für das Binden von Gestecken oder zu Dekorationszwecken die Abfälle auf dem Häckselplatz. Auch Martha hatte einige bizarr gewundene Äste mitgenommen. 

    Ah ja! Ich hatte schon etwas in meiner neuen Heimat gelernt: Samstags machte man Picknick auf dem Häckselplatz, traf Freunde und Bekannte, um sich über den neuesten Klatsch auszutauschen und um Sträucher, Pflanzenabfälle, Baumrinde, Äste und so weiter mitzunehmen oder zu tauschen, um daraus Blumenarrangements herzustellen, die man dann teuer im Laden verkaufte. 

    Es sei noch angemerkt, dass Martha mir mitteile, im Herbst hole man hier Tannenzweige, mit denen man Gräber und Beete abdecke. Nun in Berlin kaufe man das natürlich im Blumenladen – zwei Wedel zu fünf Euro. Da sei der Häckselplatz wohl die alternativ günstigere Version. Nur kannte ich keinen Häckselplatz in Berlin und hatte auch kein Grab und kein Blumenbeet zu pflegen! 

    * * * 

    Das lustige Zusammensein auf dem Häckselplatz hatte mich etwas entspannt, vor allem aber das Bier, so herrlich kühl und lecker. Es stammte aus Österreich, wie ich später erfuhr. Marthas betörendes Lachen hatte mich in einen warmen Rausch gehüllt. 

    Auf dem Weg zu meiner neuen Behausung und dem Haus meiner Vermieterin wurde ich zunehmend aufgeregter, denn das Fragezeichen war groß. Was würde mich dort erwarten? Ihrer Kleidung und dem Auto nach zu urteilen, hatte ich die schlimmsten Befürchtungen und rechnete mit einer Bruchbude und Bananenkisten sowie mit einem Nachkriegsküchenbuffet. 

    Oh nein! Viel schlimmer! 

    Das hatte ich jetzt nicht erwartet. Am Ortsrand stand ein recht neues und modern geschnittenes Haus in einem großen Garten. Es war leicht in den Hang gebaut und von alten Bäumen umgeben. Hinter dem Haus gab es eine große Wiese mit alten Apfelbäumen, Birnbäumen und sonstigen Bäumen, die ich nicht kannte. 

    Eine kleine Auffahrt führte direkt vor eine große Garage, die mit einem Lamellentor verschlossen war. Der Golf wurde davor geparkt, das Gepäck ausgeladen und durch eine große Haustüre seitlich der Garage ins Erdgeschoss des Hauses gebracht. Zunächst gelangte man in einen großzügigen Eingangsbereich, dahinter lagen die Kellerräume. Im Entree befanden sich eine Ritterrüstung und ein großer Scherenstuhl, der üppig gepolstert war. Es wirkte sehr einladend, vor allem weil daneben eine große Vase stand, in der jetzt die mitgebrachten Zweige ihre neue Heimat fanden. 

    * * * 

    Mein Zimmer war im ersten Stock. Jetzt half Martha mir aber nicht mehr beim Kofferschleppen. Sie zeigte mir nur kurz mein Zimmer, Bad und WC sowie die große Wohnküche. 

    Das Erste, was ich tat, war, meine Tasche auszuräumen und das Bad aufzusuchen. Die Dusche war der Traum eines jeden Junggesellen, dieselbe hatte ich in Berlin. Der Gedanke daran trieb mir eine Träne ins Auge. Groß, geräumig, Seitenstrahl und mit einer individuellen Temperatureinstellung für jedes Familienmitglied sowie dem legendären Duschkopf aus dem Savoy Hotel London. 

    Schnell hatte ich Marthas Einstellung entdeckt und programmierte meine eigene. Sollte ich gemein sein und ihre verstellen? Lieber nicht. Wer wusste schon, was sie dann mit mir tun würde, schließlich war sie sehr kräftig. 

    Gute zwanzig Minuten berieselte mich das warme Wasser. Ich bediente mich großzügig am Seifenspender, um hinterher wie ein Rosenbusch zu duften. 

    In meinem exklusiven Hausanzug von Mila haute ich mich wenig später auf das großzügige, harte Bett. Die Bettwäsche duftete herrlich frisch und war kuschelig warm, obwohl sie aus weißem Leinen bestand und an eine Klinik erinnerte. 

    Kurz darauf fiel ich in einen tiefen Schlaf. 

    Als ich wieder erwachte, war es stockfinstere Nacht. Meine Uhr zeigte vier. Jetzt begann mein neues Leben. 

    Als Erstes nagten Durst und Hunger an mir. Ich tastete mich an der Wand entlang und suchte nach einem Lichtschalter. Gedimmtes Licht hüllte das Zimmer ein. Schatten huschten über die Wände, unergründlich, woher sie kamen. Ein Huschen, Raunen, Brummen und Zischeln erfüllte den Raum – ungewohnte Geräusche für einen Menschen, der aus einer Metropole kam, in der vierundzwanzig Stunden am Tag Lärm herrschte. Für jemanden, der an Autos, Musik, Singen, Gegröle und sonstigen Lärm gewöhnt war. 

    Hier war nur das Knarzen der Bäume zu hören, die sich im Wind bogen, oder das der Balken an der Decke, die sich reckten und streckten. Katzen, die ihr Revier verteidigten, und Hunde, die dies kommentierten. Schrille, spitze Schreie von einem Tier, das ich weder kannte noch vermutlich je gesehen hatte. 

    Ich wollte tief durchatmen und öffnete das Fenster. Kalt strömte mir die Nachtluft entgegen und ich sog sie tief in mich ein. Das war ein Fehler. Nicht gewohnt an gute, frische Luft, schwankte ich zurück zu meinem Bett, um kurz darauf festzustellen, dass meine Zimmertüre offen stand. 

    Ich nahm es als einen

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