Der Kreisrichter: Novelle
Von Paul Heyse
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Über dieses E-Book
Paul Johann Ludwig von Heyse (15.03.1830–02.04.1914) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Neben vielen Gedichten schuf er rund 180 Novellen, acht Romane und 68 Dramen. Heyse ist bekannt für die "Breite seiner Produktion". Der einflussreiche Münchner "Dichterfürst" unterhielt zahlreiche – nicht nur literarische – Freundschaften und war auch als Gastgeber über die Grenzen seiner Münchner Heimat hinaus berühmt.
1890 glaubte Theodor Fontane, dass Heyse seiner Ära den Namen "geben würde und ein Heysesches Zeitalter" dem Goethes folgen würde. Als erster deutscher Belletristikautor erhielt Heyse 1910 den Nobelpreis für Literatur.
Null Papier Verlag
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Der Kreisrichter - Paul Heyse
Paul Heyse
Der Kreisrichter
Novelle
Paul Heyse
Der Kreisrichter
Novelle
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-962811-31-0
null-papier.de/503
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Der Kreisrichter
Am hellen Nachmittag rollte mein Wägelchen über das etwas unsanfte Pflaster der sauberen kleinen Stadt und hielt vor dem Wirtshause zum roten Engel. Schon unterwegs, auf der fünfstündigen Fahrt durch das schöne ebene Land in heiterer Herbstsonne, hatte ich es meinem Freunde Dank gewusst, dass er mich zu dieser Abschweifung von der trostlos geraden Eisenbahnlinie veranlasst hatte. Ich trug eine Vollmacht von ihm in der Tasche, den Verkauf eines ihm vererbten Weingärtchens in der Umgegend der kleinen Kreisstadt abzuschließen, und einen Empfehlungsbrief an den Herrn Kreisrichter. Die Bekanntschaft des Mannes wird dich nicht gereuen, hatte mein Freund gesagt, und die Bekanntschaft der Gegend lohnt sich wahrlich auch. Wer weiß, ob ich das Stück Land, das mir jetzt zur Last ist, nicht einmal zurückkaufen werde, wenn ich um einen Winkel der Welt verlegen bin, wo man sich ohne Hass vor ihr verschließen und das Restchen Leben friedlich tropfenweise ausschlürfen kann.
In der Tat schien mir der Ort gleich auf den ersten Blick wohl dazu angetan. An der Schwelle der gelinde ansteigenden Vorberge lag der bescheidene Häuserhaufen schon von fern gesehen in großer Behaglichkeit da, während die Winzerhütten und kleinen Landhäuser sich lachend im Grünen über die Abhänge zerstreut und die weitere Aussicht in Besitz genommen hatten.
Der Wein, der hier wächst, ist unberühmt, aber, wie manche geringere Landweine, von einem sehr bestimmten Geschmack und zarter hellroter Farbe. Wer ihn nur einmal flüchtig gekostet, pflegt ihn hinfort unter die Getränke zu rechnen, die nicht die Gabe haben, das Menschenherz zu erfreuen. Die Landesünder und Andere, die sich in ihn hinein getrunken haben, verspüren dann und wann in der Gesellschaft der edelsten und kostbarsten Weine aller Zonen ein Heimweh nach ihm, das ich an mir selbst erleben sollte.
In der Gaststube zum »roten Engel« war es um diese Stunde leer, wie denn auch die Gassen in tiefer Nachmittagsruhe lagen, als mein Gefährt hindurchrasselte. Der Wirt aber hatte sich tapfer sein Schläfchen abgebrochen und zu mir gesetzt, auch der Gelegenheit wahrgenommen, ein höfliches Glas mitzutrinken. Nach mancherlei Kriegs-, Staats- und Erntegesprächen kam er auf das Neueste vom Jahr, eine große Hochzeit der Bürgermeistertochter mit dem Sohne des hiesigen größten Kaufmanns, dessen Laden mir, wie ich dem Wirt zu seiner nicht geringen Befriedigung sagen konnte, durch die Mannigfaltigkeit der ausgestellten Produkte und eine stattliche Spiegelscheibe, die einzige im Orte, im Vorüberfahren aufgefallen war. Das junge Paar ist gestern verreist, sagte der Wirt. Das ist ja die leichtsinnige neue Mode, während es sonst für das Beste galt, den Ehestand im eignen Nest anzufangen. Da bleibt nichts übrig, wenn das ledige junge Volk nicht um sein Tänzchen kommen soll, als eine Nachhochzeit, wie sie heut Abend drüben beim Brautvater gehalten wird. Die meisten meiner Abendgäste sind zwar geladen, aber ich fahre dennoch nicht schlecht dabei, fügte er pfiffig hinzu. Man hört die Musik über den Markt her deutlich genug, und wir lassen die Fenster auf. Es wird auf den Abend voll werden im roten Engel, aber ein Plätzchen am Fenster soll Ihnen aufgehoben sein. Wäre jetzt noch ein Schöpplein gefällig?
Ich dankte, seinen Wein belobend, und bat ihn, mir den Weg zum Hause des Herrn Kreisrichters zu sagen, da ich mein Geschäft mit ihm bald zu erledigen wünschte. – Warten Sie, unterbrach sich mein Mann in einer sehr gewissenhaften Wegweisung, da kommt mein Heinrich eben aus der Schule und soll Sie begleiten. Der Herr Kreisrichter hält was auf ihn, wie er überhaupt hübsche Kinder und sauberes junges Volk gern um sich hat. Die Bürgermeistertochter, die gestern geheiratet hat, war sein Augapfel, und alle jungen Mädel hat er am kleinen Finger, obwohl er schon in Jahren ist und sein Lebtag nicht war, was man eine schöne Mannsperson nennt. Schönheit vergeht, Hässlichkeit besteht, heißt’s im Sprichwort. Als er jung war, mögen sie sich nicht so arg um ihn gerissen haben.
Damit rief er seinen Buben, der draußen über den Flur gelaufen kam. Es war ein krausköpfiger lebhafter Junge mit schönen schwarzen Augen. Zutraulich fasste er meine Hand und wir wanderten zusammen unseres Weges.
Sie werden den Onkel jetzt zu Hause treffen, sagte mein kleiner Führer. Wenn die Birnen erst reif sind, geh’ ich jeden Nachmittag mit Hans, dessen Vater nebenan wohnt, von der Schule aus an Onkels