Naturfotografie mit dem Blitz: Kreatives Licht für Landschaft, Tiere und Pflanzen
Von John Gerlach und Barbara Eddy
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Über dieses E-Book
Sie lernen auch die benötigte Hardware wie Blitzgeräte, Stative, Verbindungskabel und Funkauslöser kennen und einzusetzen. Die Autoren illustrieren ihre Erläuterungen mit zahlreichen Fotos samt genauer Aufnahmedaten. Im abschließenden Kapitel setzen sie das Gelernte in die Praxis um, am Beispiel eines Mehrblitzsystems für die Fotografie von Kolibris.
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Buchvorschau
Naturfotografie mit dem Blitz - John Gerlach
Einstieg
Blitzgeräte sind so nützlich – eigentlich sollten alle Fotografen das Licht in ihren Bildern regelmäßig per Blitz verbessern. Doch leider wird der Blitz zu selten ausgelöst, viele verzichten sogar ganz darauf. Oft hört man, ein Blitz sei überflüssig oder produziere hässliches Licht. Doch wer Blitzlicht unnötig findet, erklärt damit gutes Licht allgemein für überflüssig. Wahr ist: Ein falsch eingesetzter Blitz verunstaltet die Aufnahme und zu häufig stimmt in der Tat die Blitztechnik nicht. Barbara und ich unterrichten Blitzfotografie seit mehr als zehn Jahren in unseren Kursen. Wir verstehen, warum Blitzgeräte viele Fotografen abschrecken. Es sind wohl drei Gründe, warum Fotografen in der Natur auf das Blitzen verzichten:
Ungewohnte Begriffe
In der Blitztechnik gibt es leider viele Ausdrücke, mit denen Fotografen zunächst nichts anfangen können, darum wirkt das Ganze so kompliziert. Einsteiger hören Verwirrendes wie Blitzsynchronisationszeit, Synchronisation auf zweiten Verschlussvorhang, Highspeed-Blitzsynchronisation, Lichtverhältnis, Vorblitz, Synchronisation auf lange Belichtungszeiten, Quadratabstandsgesetz, Blitzbelichtungskorrektur. Da stellen Neulinge schon mal den Blitz ganz hinten ins Regal, weil alles dermaßen umständlich klingt.
Mühsamer Einstieg
Wirklich Sinn ergibt das Blitzen draußen nur, wenn der Blitz nicht eingebaut ist oder auf der Kamera steckt. Platzieren Sie Ihre Kunstlichtquelle vielmehr getrennt von der Kamera – blitzen Sie »entfesselt«. Dabei verbinden Sie Kamera und Blitz per Kabel oder Fernsteuerung. Funkauslöser gibt es als eigenes Gerät oder eingebaut in der Kamera. Sie stellen den externen Blitz auf Slave- (Canon) oder Remote-Modus (Nikon) ein. Die Anleitung verrät dann, was Sie wie mit welchen Werten einrichten müssen – aber das ist oft schwer zu durchschauen und entmutigt Anfänger.
Standardeinstellungen tief im Unterholz der Kameramenüs frustrieren selbst engagierte Fotografen. Ein Beispiel: Sie nutzen eine Belichtungsautomatik wie die Blendenvorwahl (Zeitautomatik). Dann wechseln viele Kameras automatisch zur schnellstmöglichen Blitzsynchronisationszeit, zum Beispiel 1/200 Sekunde – auch wenn Sie eine Landschaft mit Stativ fotografieren und 1/4 Sekunde brauchen, um mit dem Umgebungslicht die gesamte Szene auszuleuchten. Die Kamera erkennt jedoch den eingeschalteten Blitz und wechselt automatisch zur 1/200 Sekunde.
Die Hersteller gehen davon aus, dass Sie aus der Hand fotografieren. Per Automatik springen die Kameras also zu einer kurzen Belichtungszeit, sodass nichts verwackelt, was vom Umgebungslicht erhellt wird. Doch engagierte Fotografen wie Sie verhindern Verwackelungen mit einem Stativ. Nun suchen Sie im Menü nach der Standard-Blitzbelichtungszeit, um sie zu verlängern. Meist findet man die Vorgabe in der Kamera, aber manchmal steckt sie auch im Blitz oder in der Funksteuerung – Frust ohne Ende. Merke: Verhält sich die Kamera nicht wie gewünscht, dann ändern Sie das mit der geeigneten Menüoption. Studieren Sie auch die Handbücher für Blitz und Kamera.
Machen Sie sich mit den Blitz-Optionen bestens vertraut, sodass Sie alle Möglichkeiten kennen. Rätselhafte Einstellungen tief im Untermenü Ihrer Systemkamera bremsen mitunter den schnellen Weg zum Erfolg. Darum noch einmal, lesen Sie die Handbücher für Kamera und Blitz genau.
Ein Blitz auf der Kamera arbeitet die Hautdetails dieser stolzen Masaifrauen heraus. (Nikon D4, 34 mm, 1/1600 Sek. mit Highspeed-Synchronisation, Belichtungszeit-Priorität, f/6.3, ISO 400, Weißabgleich »Bewölkter Himmel«, +3 Blenden Blitzbelichtungskorrektur.)
a) Ein Leopard in der Masai Mara: Das Motiv ist gut, das Umgebungslicht trist. (Nikon D300, 400 mm, ISO 400, f/6.3, 1/400 Sek., Blendenvorwahl, Weißabgleich »Bewölkter Himmel«, kein Blitz.)
b) Ein Blitz erzeugt ausgeglichenes Licht durch Aufhellung der tiefen Schatten. Der trichterartige Blitz-Extender Walt Anderson Better Beamer auf dem Blitzkopf konzentrierte das Licht auf den Leoparden. (Nikon D300, 330 mm, ISO 400, f/6.3, 1/250 Sek. (schnellste Blitzsynchronisationszeit), Blendenvorwahl, Weißabgleich »Bewölkter Himmel«, –1 Blende Blitzbelichtungskorrektur.)
Vorteile nicht immer erkennbar
Viele Fotografen machen sich mit Terminologie und Bedienung ihres Blitzes vertraut – und blitzen dennoch viel zu selten. Warum? Weil sie die Vorteile des Blitzlichts in vielen Situation nicht erkennen. Manchmal bringt ein Blitz nur kleine Verbesserungen, die kaum deutlich werden, solange man nicht eine Aufnahme ohne Blitz danebenhält.
Das verstehe ich sehr gut. Und dennoch: In 40 Jahren als Berufsfotograf habe ich schon immer geblitzt und noch heute finde ich neue und bessere Verwendungsmöglichkeiten für den Blitz. Tatsächlich bringt das Blitzen dank Digitaltechnik und hoher, rauschfreier ISO-Werte immer neue Vorteile.
Sie sollten also vor Ort in der Natur unbedingt in der Lage sein, die Vorteile des kreativen Blitzens zu erkennen.
Wir zeigen Ihnen hier viele Bildpaare ohne/mit Blitz. Sie verdeutlichen, wie der Aufhellblitz auch Ihre Fotos verbessert. Wir hoffen, dass Sie Blitzgeräte bald auch außerhalb geschlossener Räume gern und erfolgreich einsetzen.
In den letzten Jahren ist Fotografieren immer beliebter geworden und dabei spielte der Blitz eine wichtige Rolle. Verbesserte Technik bei HDR-Verfahren, Autofokus, Focus Stacking und Rauschreduzierung helfen Fotografen ebenso wie neue Messsysteme, Histogramme und andere Entwicklungen. Drahtlose Blitze lassen sich optisch oder funkgesteuert auslösen und sicher mit Umgebungslicht mischen; die Blitzautomatiken funktionieren zuverlässig – auch mit mehreren Blitzen zugleich. Besser geht’s fast nicht mehr! Der Fotografie-Boom profitiert stark von der Blitztechnik. Engagierte Fotografen erlernen die Techniken, um per Blitz bessere Bilder zu machen. Der Lernaufwand hält sich in Grenzen, doch Sie erhalten viel bessere Bilder! Tun Sie es uns also gleich und machen Sie sich mit dem Blitzen vertraut. Wenn Sie die Technik erst sicher beherrschen und die enormen Möglichkeiten kennen, werden Sie sich ein Arbeiten ohne Blitz kaum noch vorstellen wollen.
Die attraktive Windmühle der Wooden Shoe Tulip Farm in Oregon hebt sich reizvoll gegen den Abendhimmel ab. Die Windmühle erhielt Blitzlicht und gelangte ebenso wie der Mond per Doppelbelichtung ins Gesamtbild. (Nikon D4, 200 mm, ISO 1000, f/10, 1/1000 Sek., Weißabgleich »Direktes Sonnenlicht«, +1 Blende Blitzbelichtungskorrektur.)
Ziele dieses Buchs
Blitzfotografie interessiert mich schon lange und ich kenne die meisten Bücher zum Thema. Es gibt zwei Herangehensweisen: Viele Autoren konzentrieren sich ganz auf einen Kamerahersteller, sie erklären zum Beispiel das Blitzsystem nur von Canon oder nur von Nikon. Sie besprechen ausführlich sämtliche Geräte und Optionen eines Systems. Mit so einem Buch nur für Canon oder nur für Nikon beherrschen Sie dann alle Knöpfe und Menüs eines Herstellers. Solche Bücher liefern mir wertvolle Informationen und sie lassen sich viel leichter lesen als die oft öden bis unverständlichen Original-Handbücher.
Die zweite Art von Buch beschreibt Porträtfotografie mit Mehr-Blitz-Anlagen vor allem im Studio. Einige Autoren erklären allerdings auch den Blitzeinsatz bei Tageslicht. Die hier beschriebenen Techniken helfen Ihnen bei der People-Fotografie und teils bei der Tierfotografie.
Bücher zu einem einzelnen Blitzsystem oder nur zur Porträtfotografie haben eine große Lesergemeinde und zweifellos profitieren wir von dem darin vermittelten Wissen. Mit diesem Buch möchte ich aber einen anderen Bedarf stillen, der nach meiner Überzeugung bisher nie berücksichtigt wurde.
Ein Ziel dieses Buchs: Wir zeigen Ihnen instruktive und inspirierende Bilder. Sie verdeutlichen, wie Sie mit dem Blitz bessere Bilder von Landschaften, Menschen, Tieren und Pflanzen machen. Viele der Blitztechniken aus diesem Buch haben wir selbst entwickelt und wir erklären sie detailliert. Dabei lernten wir sogar selbst noch hinzu! Sicher, Barbara und ich wissen natürlich nicht alles über das Blitzen, aber wir verbessern damit täglich und erfolgreich das Licht auf unseren Bildern.
Wer unsere Bilder sieht, ahnt oft nicht, dass ein Blitz mit im Spiel war (das geht selbst Profis so). So unaufdringlich kann Blitzlicht sein. Das Erfolgsgeheimnis: Mischen Sie Tageslicht und Blitzlicht zu einem natürlichen Gesamtbild. Das klingt vielleicht kompliziert, ist es aber nicht. Mit Digitalkameras prüfen Sie Ihr Bildergebnis doch gleich nach dem Fotografieren. Sie können also Blitz- oder Umgebungslicht sofort anpassen, während Sie Ihr Motiv noch vor sich haben.
Wir wünschen Ihnen eine gute Reise in die wundervolle Welt der Naturfotografie mit Blitz!
Der Birkenwald von Munising, Michigan, strahlt Mitte Oktober in prächtigen Farben. Die weißen Birkenstämme und das kräftig gelbe Laub harmonieren zauberhaft mit roten Ahornblättern. Ein Blitz hellte die Stämme im Vordergrund auf. (Nikon D4, 150 mm, ISO 100, f/8, 1/30 Sek., Weißabgleich »Bewölkter Himmel«, manuell belichtet, Blitzgerät SB-800 mit –1 Blende Blitzbelichtungskorrektur.)
Dieser Dunkelschnäpper nistet im Gebüschschatten; das Umgebungslicht beleuchtet den Hintergrund weit stärker als das Nest. Wir blitzten darum mit zwei Canon 580EX II auf das Nest, gesteuert vom optischen Fernauslöser Canon ST-E2. Das Bild zeigt eine gelungene Mischung der Lichtarten: Den Hintergrund trifft nur Umgebungslicht, den Vogel fast nur Blitzlicht. (Canon 7D, 300 mm, f/4, ISO 250, f/11, 1/60 Sek., Weißabgleich »Bewölkter Himmel«, +2/3 Blendenstufe Blitzbelichtungskorrektur.)
Wir beleuchten das Nordamerikanische Pfauenauge seitlich, um die Details im Flügel mit sanften Schatten herauszuarbeiten. (Nikon D3, Objektiv Nikon 200-mm-Micro-Nikkor, ISO 200, f/20, 1/13 Sek., Weißabgleich »Bewölkter Himmel«, manuelle Belichtung, Automatikblitz mit +1/3 Blende Blitzbelichtungskorrektur.)
Kapitel 1
Einstieg in die
Blitzfotografie
Klären wir zuerst, was ein Blitz ist und wie er uns zu gut belichteten und packenden Bildern verhilft. Zu Beginn müssen wir ein paar Begrifflichkeiten klären. Für uns wichtig sind diese Anwendungen:
»Blitz« (1): elektrisches Gerät, das bei Auslösung einen kurzen Lichtimpuls erzeugt
»Blitz« (2): der Lichtimpuls selbst, den das Gerät erzeugt
»blitzen«: das Beleuchten eines Motivs
Allein diese drei Varianten verwirren schon. Und manche Hersteller verwenden noch ihre eigenen Namen. Canon nennt die hauseigenen Blitze »Speedlite«, Nikon nennt sie »Speedlight«. Wir verzichten auf diese Herstellerbezeichnungen und reden von »Blitz« oder »blitzen«, wenn wir das Gerät meinen, das Licht des Geräts oder den Vorgang des Beleuchtens. Sie erkennen die Bedeutung allemal aus dem Zusammenhang.
Warum reden die Hersteller von »Speedlites« und »Speedlights«, was hat es mit »Speed« (Geschwindigkeit) auf sich? Diese modernen, kleinen Blitzgeräte produzieren viel kürzere und hellere Lichtstöße als die Blitzbirnen vergangener Jahrzehnte. Anders als diese Blitzbirnen liefern moderne Blitzgeräte viel Licht in winzigsten Sekundenbruchteilen und werden dabei nicht einmal sehr heiß.
Commander oder Master
Mit »entfesseltem« oder »drahtlosem« Blitzen lassen sich hervorragende Naturfotos machen. Der Blitz sitzt dann nicht auf der Kamera und ist auch nicht per Kabel verbunden. Setups mit mehreren Blitzen lassen sich so leichter einrichten. Außerdem vermeiden Sie Stolpergefahren und allgemeines Chaos durch herumliegende Kabel. Die Kamera steuert die entfesselten Blitze über ein »Commander«- oder »Master«-Gerät.
Die zwei großen Hersteller drücken sich hier wieder einmal unterschiedlich aus. Sie brauchen eine Steuerungseinheit, die optische oder Funksignale an drahtlose, entfesselte Blitze schickt. Im Englischen bezeichnet Nikon in die Kamera eingebaute wie auch externe Blitzsteuerungsgeräte als »Commander«, im Deutschen als »Fernsteuerungseinheit«. Canon redet dagegen von »Master« oder »Transmitter«. Die empfangenden, ferngesteuerten Blitzgeräte heißen bei Nikon »Remote-Blitz« und bei Canon »Slave-Blitz«.
Im alltäglichen Gespräch unter Fotografen ist gleichermaßen von »Steuerungseinheit«, »Master-Gerät« oder »Commander« die Rede, ebenso wie sich die Begriffe »Slave« und »Remote« austauschen ließen. Ich rede in diesem Buch durchgängig von »Master« und »Slave«. Nur wenn es speziell um Nikon geht, sage ich »Remote-Blitz«, um nicht von der Terminologie Ihres Nikon-Handbuchs abzuweichen.
Eine Lichtquelle, die wir kontrollieren
Mit jeder Auslösung liefern unsere Blitzgeräte einen kräftigen Lichtstoß. Sie arbeiten enorm sicher und zuverlässig.
Mit seiner Farbtemperatur von 5500 Kelvin (abgekürzt 5500 K) ähnelt Blitzlicht der Mittagssonne. Und tatsächlich ist das Blitzgerät wie eine kleine Sonne, dessen Licht wir mit Farbfolien nach Bedarf einfärben (etwa wenn die Farbtemperatur bei Sonnenuntergang sinkt oder bei künstlichem Licht mit höherem Blauanteil steigt).
Auf Unbekanntes reagieren wir meist mit Unbehagen: Wir merken das schon, wenn unsere Kursteilnehmer erstmalig ihren Blitz auspacken sollen. Empfehlen wir dann noch, den Blitz als Gegenlicht hinter einer Blüte zu platzieren, wächst die Anspannung zusätzlich. Nach etwas gutem Zureden holen unsere Teilnehmer ein Blitzkabel heraus, um den Blitz von der Kamera trennen zu können. Meist stellt sich dann heraus, dass die Kamera auch einen kleinen eingebauten Blitz besitzt – und der eignet sich auch als Blitzsteuergerät. Wir legen den Teilnehmern dann das schon eingebaute, drahtlose Blitzsteuerungs-system ans Herz, von dem sie bisher kaum etwas ahnten. Doch sie sträuben sich wieder! Aber mit ein bisschen Nachdruck und Anleitung bringen sie den eingebauten Klappblitz doch in den Master-Modus und richten den externen Blitz als Slave ein (und wundern sich, wie leicht das geht). Und schon nach einer Stunde nutzen sie ihr drahtloses Blitzsystem ganz routiniert und beginnen mit fortgeschrittenen Techniken.
Naturfotografen greifen viel zu selten zum Blitz; sie erkennen einfach nicht, wie das Blitzgerät zu viel attraktiveren Aufnahmen verhilft. Hier ein paar Beispiele: An einem bewölkten Tag fotografierte ich die Thermalquelle Grand Prismatic Spring im Yellowstone-Nationalpark (siehe die nächste Seite). Dort tummelten sich etwa 20 Fotografen, doch nur ich allein arbeitete mit Blitz – ein Fotograf fragte sogar verwirrt, was ich mit dem Blitz anstelle. Ich zeigte ihm mein Ergebnis auf dem Kameramonitor und er war begeistert. Er selbst konnte jedoch kein ähnliches Bild aufnehmen: Er hatte kein externes Blitzgerät dabei und sein eingebauter Kamerablitz war zu schwach.
Wasserfälle sind ein besonders beliebtes Motiv. Aber wird dort jemals geblitzt? Manche Fotografen fürchten sich fast schon vor der Dunkelheit, denn bald nach Sonnenuntergang packen sie alles zusammen und verschwinden. Ich aber bringe meine Blitzgeräte zum Einsatz. Tatsächlich entstehen 35 Prozent meiner Landschaftsbilder mit Blitz. Stellen Sie sich einen Schmetterling vor, der an einem kalten Morgen auf einer Blüte sitzt. Die meisten Fotografen verwenden hier Umgebungslicht, ein Makroobjektiv und ein Stativ, das beim Bildaufbau und gegen Verwacklung hilft. All das habe ich auch dabei, aber fast immer mische ich das Sonnenlicht auch mit Blitzlicht, speziell bei Nahaufnahmen.
Sicher fragen Sie sich, warum ich in diesen Situationen so oft zum Blitz greife. Der bedeckte Himmel am Grand Prismatic Spring lieferte nur flaches, langweiliges Licht. Ich hatte zwar die Wasserspiegelungen im Vordergrund bereits mit einem Polfilter entfernt, aber der weiße Himmel blieb reizlos. Ein dunkelgrauer Himmel, durchbrochen nur von einem einzelnen warmen Sonnenstrahl in Richtung Abflussbereich – das wäre eine tolle Beleuchtung. Ich arbeitete ja mit einem Weitwinkelobjektiv und der Vordergrund war nur ein paar Meter entfernt, also konnte ich die gewünschte Lichtstimmung per Blitz simulieren. Das Tageslicht habe ich zwei Blenden unterbelichtet, so wurde der Himmel dunkelgrau. Per Blitz entstand dann der kräftige Sonnenstrahl für den Vordergrund. Der Blitz kehrte also das Lichtverhältnis um: Statt eines dunklen Vordergrunds vor weißem Himmel erhielt ich einen hellen Vordergrund mit dunklem Hintergrund!
Stellen Sie sich vor, Sie fotografieren einen Wasserfall per Langzeitbelichtung mit einer Mischung aus natürlichem Licht und Blitzlicht. Die lange Belichtung verwischt das Wasser, während der Blitz einige Tropfen im Flug einfriert; insgesamt wirkt Ihr Bild damit »nasser«. Oder denken Sie an einen Nachthimmel voller Sterne. Belichten Sie auf die Sterne und machen Sie den Vordergrund mit dem Blitz sichtbar. Und was unseren Schmetterling angeht: Das Umgebungslicht ist gar nicht übel. Aber belichten Sie einmal leicht unter und betonen Sie die Struktur des Flügels durch ein geblitztes Streiflicht – das ist viel besser. Manchmal positioniere ich den Blitz auch als Gegenlicht hinter dem Schmetterling und arbeite so die Konturen heraus. In beiden Fällen wirkt das Insekt plastischer, dreidimensionaler.
a) Die Strukturen am Grand Prismatic Spring bilden einen reizvollen Vordergrund. Doch an einem kalten und bedeckten Tag bleiben sie unscheinbar. (Canon 5D Mark III, 28 mm, ISO 500, f/11, 1/60 Sek., Weißabgleich »Bewölkter Himmel«, manuelle Belichtung.)
b) John wartete vergeblich auf einen Sonnenstrahl, der den Vordergrund aufhellt. Also erzeugte er eine Doppelbelichtung mit seinem Canon-Blitz 600EX-RT und einem 1/2-CTO-Orangefilter. Er zoomte den Blitzkopf erst auf etwa 50 mm, um den allernächsten Vordergrund aufzuhellen. Bei der zweiten Belichtung zoomte er auf 200 mm für die etwas weiter entfernten Bodenstrukturen. Die Landschaft selbst wurde unterbelichtet, sodass der Himmel dunkel und bedrohlich erscheint. (Canon 600EX-RT ausgelöst mit Zoompositionen 50 und 200 mm und manueller Einstellung, damit sich die volle Blitzkraft entfaltet. Master: die Funkfernsteuerung Canon ST-E3-RT.)
a) Der Zweischwänzige Tigerschwalbenschwanz zählt zu Amerikas größten Schmetterlingen, hier von vorn geblitzt mit einem Nikon SB-800. (Nikon D4, 200-mm-Microobjektiv, ISO 200, f/22, 1/6 Sek., Weißabgleich »Bewölkter Himmel«, manuell belichtet auf Umgebungslicht, TTL-Blitzsteuerung.)
b) Drahtlos geblitzt, liefert der SB-800 hier ein Streiflicht, das die Struktur der Schmetterlingsflügel herausarbeitet.
c) Von der Rückseite geblitzt, entsteht ein attraktives Gegenlicht.
Der Blitz ist in der Naturfotografie so wertvoll, weil er so viele Beleuchtungsprobleme löst. Vor allem erzeugt der Blitz eine attraktive Beleuchtung, wenn das Umgebungslicht sonst eher banal wirkt. Hier sind acht gute Gründe, warum Sie auch draußen bei Tageslicht blitzen sollten:
Gesteigerte Helligkeit, um tiefe Schatten zu vermeiden – der typische Aufhellblitz
Haupt-Lichtquelle für das Hauptmotiv, das Umgebungslicht unterstützt nur
Einzige Lichtquelle für das Hauptmotiv – ohne Umgebungslicht
Eine sonst zu dunkle Bildregion aufhellen für insgesamt ausgewogene Belichtung aller Bildteile
Die Farben von Hauptmotiv oder Hintergrund verbessern
Schärfere Aufnahme erzeugen
Hauptmotiv in Gegenlicht oder Streiflicht zeigen
Schnelle Bewegungen einfrieren, etwa den Flügelschlag eines Kolibris
Effektiver Blitzeinsatz
Fast immer sollten Sie Blitzlicht und Umgebungslicht mischen. So vermeiden Sie das harte, kontrastreiche Licht eines entfesselten Blitzes oder das flache Licht eines Blitzgeräts an der Kamera. Man sieht allerdings zu viele schlechte Blitzfotos – kein Wunder also, dass viele Fotografen die Blitzfunktion ganz meiden. Manche mühen sich mit der Belichtung auf die Umgebung ab, andere ringen mit der Blitzbelichtung. Beide Lichtquellen in einem Bild, das klingt dann noch komplizierter – aber so ist es nicht, wenn Sie zwei Dinge beachten:
1. Fotografieren Sie ohne Blitz und belichten Sie korrekt auf die Umgebung. Wenn nötig, wiederholen Sie die Aufnahme mit korrigierten Werten.
2. Jetzt nehmen Sie den Blitz dazu. Wiederholen Sie auch diese Aufnahme nach Bedarf mit angepassten Werten.
Blitzlicht-Einsteiger fotografieren oft auf Anhieb mit Blitz. Doch wenn schon die erste Aufnahme Umgebungslicht und Blitzlicht mischt, lässt sie sich nur schwer gezielt korrigieren. Vielleicht sehen Sie nach Bild 1 die gefürchteten Alarmfarben für Überbelichtung – doch welche Lichtquelle ist dafür verantwortlich, wie muss man Kamera oder Blitz nachregeln? Wahre Blitzprofis folgen darum der Zwei-Schritt-Regel: Sie fotografieren erst ohne Blitz nur mit Umgebungslicht und prüfen, ob hier nicht vielleicht schon Überbelichtung entsteht.
Manuelle Belichtung für das Umgebungslicht
Die meisten Kameras bieten verschiedene Modi für die Belichtung von Umgebungslicht an, zum Beispiel Blendenvorwahl (A bzw. Av), Belichtungszeitvorwahl (S bzw. Tv), Programmautomatik (P) und Manuelle Einstellung (M). Besonders die Blendenvorwahl (Verschlusszeitautomatik) ist bei Einsteigern und Fortgeschrittenen beliebt, denn die Blende steuert die Schärfentiefe. Bei Landschaftsaufnahmen erhalten Sie mit Blende f/16 (bei Vollformat – bei APS-C bzw. Crop f/11) meist reichlich Schärfentiefe – also zufriedenstellende Bildschärfe über das gesamte Motiv. Viele Fotografen stellen darum f/16 bzw. f/11 per Blendenvorwahl ein, vor allem wenn sie ein Stativ nutzen, denn dann sind lange Belichtungszeiten weniger kritisch.
Die Blendenvorwahl gilt als automatischer Modus; ich würde aber von Halbautomatik reden, denn der Fotograf legt den gewünschten Blendenwert von Hand fest. f/16 bzw. f/11 sind oft ideal für höchste Schärfentiefe in der Landschaft (wenn Sie einen Geparden im vollen Lauf scharf abbilden wollen, werden Sie wegen der kürzeren Belichtungszeit eher zu f/4 greifen). Je nach eingestelltem ISO-Wert wählt die Kamera dann die zur Blende passende Belichtungszeit. Irritiert die Szene den Belichtungsmesser Ihrer Kamera mit ungewöhnlichen Kontrasten oder