Just Daylight!: People- und Porträtfotografie mit natürlichem Licht
Von Tilo Gockel
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Über dieses E-Book
Im ersten Teil des Buches finden Sie die Grundlagen zum Licht, zur Technik und zur People-Fotografie im Allgemeinen. Der zweite, umfangreichste Teil zeigt viele Praxisbeispiele aus den Bereichen Business, Beauty, Black & White und Boudoir & Akt, ergänzt durch Infoboxen und Exkurse zu schönem Bokeh, zur Bildbearbeitung, zu Looks und Styles und zum Beschnitt. Den dritten Teil bilden die Anhänge zu juristischen Details, zu Begriffe & Symbole und zu besuchenswerten Portfolios zur Inspiration.
Tilo Gockel
Tilo Gockel is a photographer and expert in the field of flash lighting. He has published countless articles on photography and image processing in popular magazines (DOCMA, DigitalPHOTO) and has written numerous books. His blog, fotopraxis.net, offers numerous tips and tricks learned from his extensive experience with photography.
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Buchvorschau
Just Daylight! - Tilo Gockel
Dr. Tilo Gockel hat auf dem Gebiet der Bildverarbeitung promoviert und unterrichtet mittlerweile an der Hochschule Aschaffenburg die Fächer Signalverarbeitung und Technische Fotografie I und II.
Er fotografiert und schreibt seit Jahren regelmäßig für die Zeitschriften digit!, FotoMAGAZIN, Photographie, DOCMA und DigitalPhoto und hat bereits mehrere Fachbücher veröffentlicht.
Auf seinem Blog www.fotopraxis.net informiert er rund um die Themen Fotografie und Photoshop, gibt viele Tricks weiter und schneidet auch immer wieder gerne einmal alte Zöpfe ab.
Tilo Gockel
Just Daylight!
People- und Porträtfotografie mit natürlichem Licht
Tilo Gockel
kontakt@fotopraxis.net
Lektorat: Gerhard Rossbach
Lektoratsassistenz/Projektkoordinierung: Anja Weimer
Copy-Editing: Friederike Daenecke, Zülpich
Layout, Satz: Anke Dievernich, Bonn, www.ad-creation.de
Herstellung: Birgit Bäuerlein
Cover: Modell walktothesunrise
Umschlaggestaltung: Anke Dievernich, Bonn, www.ankedievernich.com
1. Auflage 2019
Copyright © 2019 dpunkt.verlag GmbH
Wieblinger Weg 17
69123 Heidelberg
Hinweis:
Der Umwelt zuliebe verzichten wir auf die Einschweißfolie.
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Die Fotos zu den Produkten sind ohne Beauftragung durch den Markeninhaber entstanden. Es handelt sich nicht um Werbeaufnahmen. Die Fotos dienen ausschließlich der Veranschaulichung fotografischer Techniken.
Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.
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»You’ve gotta taste the light, like my friend and fellow shooter Chip Maury says. And when you see light like this, trust me, it’s like a strawberry sundae with sprinkles.«
Joe McNally
VORWORT
Wenig Make-up, kaum Retusche und … nur das Licht vor Ort! Nicht erst seit Lindberghs letztem Pirelli-Kalender geht der Trend in der People-Fotografie hin zu mehr Natürlichkeit. Studiobilder, aufwendig mit Zangen- und Kantenlicht aufgenommen, wirken zwar interessant, oft auch ästhetisch, aber nicht wirklich natürlich oder authentisch. Szenen unter Available Light wirken auf den Betrachter unbewusst stimmiger, weil er die Lichtsituation kennt. Als Fotograf muss man bei diesem Ansatz allerdings mit höherem Lernaufwand und mit eingeschränkter Flexibilität bezahlen.
Als ich vor rund sieben Jahren begonnen habe, Menschen zu fotografieren, ist meine Wahl auf Aufsteckblitze gefallen. Das enorme Potenzial dieser kleinen Geräte, verbunden mit der sofortigen Ergebniskontrolle am Display, hat mir einen raschen Einstieg in die Welt des Porträtlichts ermöglicht. Heute würde ich vielleicht eher mit einer starken LED-Lichtquelle anfangen, aber damals steckte diese Technik noch in den Kinderschuhen. Dann, nach und nach, habe ich festgestellt, dass mir Bilder unter natürlichem Licht häufig besser gefallen. Man könnte sagen, sie wirken authentischer.
Und dann, nach den ersten zaghaften Versuchen mit dem Licht vor Ort, habe ich wider Erwarten rasch erfahren müssen, dass das Fotografieren mit natürlichem Licht nicht wie erhofft einfacher, sondern schwieriger ist als das gezielte Setzen von Blitz- oder Dauerlicht. Hier konnte ich das Licht nicht mehr einfach im Abstand, Winkel, Spektrum und in der Diffusität nach Wunsch verändern, sondern musste mit dem arbeiten, was ich vorgefunden habe. So musste ich auch lernen (und lerne noch), die Orte gezielt nach dem Licht auszuwählen und jenes Licht dann mit den wenigen übrig bleibenden Möglichkeiten zu variieren und optimal zu nutzen. Das ist gar nicht so einfach, gerade auch, wenn man doch als Fotograf von Haus aus eher auf der Suche nach schönen Hintergründen und Kulissen ist.
Mittlerweile fotografiere ich seit fast zwei Jahren wann immer möglich mit Available Light und habe viel Spaß dabei. Weniger Gepäck und Technik bedeutet mehr Zeit, sich auf den Menschen gegenüber einzulassen, und mehr Ruhe fürs Fotografieren. Meine Erfahrungen in dieser Zeit habe ich für Sie in diesem Buch zusammengetragen.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil finden Sie die Grundlagen zum Licht, zur Technik und zur People-Fotografie im Allgemeinen. Im zweiten, umfangreichsten Teil folgen die Praxisbeispiele aus den Bereichen Business, Beauty, Black & White und Boudoir & Akt, ergänzt durch Infoboxen und Exkurse. Im dritten Teil finden Sie die Anhänge: juristische Details zur People-Fotografie, Begriffe und Symbole sowie den Index.
Ich weiß, dass viele Bereiche der Fotografie auf Blitzlicht angewiesen sind. Hochzeiten, Reportagen, Promis auf dem roten Teppich, Food- und Produktfotografie im Studio – das ist alles ohne künstliches Licht nicht denkbar. Aber wer seinem Licht-Werkzeugkasten noch die Facette Available Light hinzufügt, hat ganz klar einen Vorsprung und kann ganz neue und besonders natürliche Looks und Stimmungen einfangen.
Immer »Gut Licht« für alle Ihre Fotos wünscht Ihnen
IhrTilo »Gallo« Gockel
Aschaffenburg, den 1. Mai 2019
Bei Fehlermeldungen, Fragen, Kritik oder Lob freue ich mich über Feedback an kontakt@fotopraxis.net oder im Blog www.fotopraxis.net.
INHALTSVERZEICHNIS
I. GRUNDLAGEN
1Wie man Licht liest und nutzt
1.1Gutes Porträtlicht erkennen
1.2Gutes Porträtlicht finden
1.3Gutes Porträtlicht selbst erzeugen
1.4Den Sonnenstand herausfinden
1.5Die goldene Stunde und die blaue Stunde nutzen
2Wie eine sinnvolle Ausrüstung aussehen kann
2.1Die Kamera
2.2Die Objektive
2.3Zwei Kits
2.4Zubehör
3Welches Technik-Know-how notwendig ist
3.1Warum und wie man flott im manuellen Modus eine Belichtung einstellt
3.2Wie man den Weißabgleich einstellt
3.3Wie man eine Kamera profiliert
3.4Wie man perfekt fokussiert
4Wie man Menschen gut aussehen lässt
4.1Posing-Sammlungen
4.2Posing-Sünden
4.3Ungestellte Natürlichkeit
4.4Schnitte setzen
5Wie man Modelle findet
5.1Der Einstieg
5.2Die Kommunikation
5.3Alternativen zur Model-Kartei
5.4Fallbeispiel
II. PRAXIS
6Business
6.1Klassische Business-Porträts
6.2Business-Porträts für eine Stockagentur
6.3Momentaufnahmen im Medienlabor
6.4Ein flottes Gruppenbild vom Team
6.5Der Jazzchor Aschaffenburg
7Beauty
7.1Solnyshko im Park Rosenhöhe
7.2Linda Lena als wilde Amazone
7.3Mit Olga im Palmengarten
7.4Lelo im Osthafen Frankfurt
7.5Cata im Künstlerhaus Kurus
7.6Vicky im Atelier LYKE
8Lingerie und Akt
8.1Miri im Penthouse Loft
8.2Miri »Parisienne«
8.3Juli im Konventchen
8.4Velvet im Studio Sjöberg
8.5Velvet chez LYKE
8.6Elanor
9Schwarz und Weiß
9.1Mia in München
9.2Linda Lena in Heidelberg
9.3Robert und Tony
9.4Miri in der Zeche Ewald
9.5Juli im Frankfurter Milieu
III. ANHÄNGE
ARechtliches
A.1Panoramafreiheit
A.2Das Recht am eigenen Bild
BWeiterführendes
B.1Online-Communities, Magazine, Blogs, Tutorials
B.2Interessante Portfolios
CBegriffe und Symbole
Index
I. GRUNDLAGEN
1
WIE MAN LICHT LIEST UND NUTZT
Gutes Licht ist die wichtigste Zutat in der Porträtfotografie. Aber wie erkennt man überhaupt gutes Licht und wie kann man Einfluss nehmen, um aus weniger geeignetem Licht besseres Licht zu machen? Hier finden Sie die Grundlagen und ein paar daraus abgeleitete, praxisnahe Regeln dazu.
1.1GUTES PORTRÄTLICHT ERKENNEN
Vorteilhaftes Porträtlicht kann man einfach beschreiben: Es ist vorteilhaft, wenn die Augen hell sind und wenn die Nase einen weichen Schatten wirft, der nach unten fällt. Daraus kann man vier Grundregeln ableiten und gleichzeitig auch die ebenso darauf basierenden klassischen Schattierungsformen einführen.
1. Achten Sie darauf, dass die Augenhöhlen erhellt werden und dass die Augen idealerweise auch eine Reflexion der Lichtquelle, ein sogenanntes Catchlight, einfangen.
2. Sorgen Sie dafür, dass mehr Licht von oben einfällt als von unten. Licht von unten (das sogenannte Grusellicht) kommt in der Natur kaum vor und erscheint uns daher merkwürdig. Eine Aufhellung von unten kann nützlich sein, aber der Hauptanteil des Lichts sollte stets von über der Augenlinie einfallen. Licht, das mittig von oben kommt, wird auch Butterfly Light oder Beauty-Licht genannt. Es bewirkt eine schmeichelnde, vorteilhafte Schattierung, ganz ähnlich dem Contouring der Makeup Artists.
Butterfly Light oder Beauty-Licht
3. Man sollte darauf achten, dass die Nase einen ansprechenden Schatten wirft. Weniger ansprechend ist ein Nasenschatten, der die Lippe durchschneidet, ein zu harter Schatten oder auch ein Schatten, der seitlich oder nach oben fällt – Nasenschatten sollten stets nach unten fallen. Beim harmonischen, unkomplizierten Open-Loop Light oder schlicht Loop Light (auf rund 30 Grad zur Seite, Richtung Ohr) entsteht nur ein kleiner, gefälliger Nasenschatten.
Loop Light
Beim markanteren Rembrandt-Licht (auf rund 45 Grad) wird der Nasenschatten größer und wächst mit dem Kinnschatten zusammen. Daher nennt man Rembrandt-Licht auch Closed-Loop Light.
Rembrandt-Licht
Eine noch ausgeprägtere Schattierung liefert das Split Light, das eine Seite des Gesichts hell zeigt, eine komplett dunkel. Es taugt am besten für dramatische Herrenporträts.
Split Light
4. Wenn die Nase des Modells nicht genau in Richtung Kamera zeigt, so sieht man eine zugewandte und eine abgewandte Gesichtshälfte. Die der Kamera zugewandte Seite wirkt breiter als die abgewandte Seite. Je nachdem, welche Seite mehr Licht empfängt, spricht man von Broad Light oder von Short Light. Aufnahmen, bei denen die kurze, abgewandte Seite mehr Licht empfängt (also Short Light vorliegt), sind meist interessanter, da diese Art der Lichtsetzung mehr Schattierung erzeugt und die Form des Gesichts damit besser erkennbar wird.
Broad Light
Short Light
Illustrationen (Ausgangsbilder): © ColorValley@Fotolia, Essl@123RF.
Auf der folgenden Doppelseite sehen Sie die angesprochenen Schattenformen in die Praxis umgesetzt. Meist hat man Erfolg mit zentrischem Licht (Butterfly Light) oder mit Licht aus einem Winkel von 30 bis 45 Grad zur Seite und 30 bis 45 Grad von oben.
Aber auch wenn Sie das Licht sorgfältig eingestellt haben, sollten Sie stets die Ergebnisse auf dem Kameradisplay kontrollieren und die vier Punkte checken, denn manches Mal liegen die Augen sehr tief oder die Haare oder ein Hut blocken das Licht störend ab. Die Kür ist dann die Verwendung eines Reflektors zur Aufhellung, eines zweiten Lichts von hinten als Kantenlicht, von oben als Haarlicht, von seitlich-hinten als Kicker Light oder auch als Hintergrund-Spot.
Abb. 1 | Die klassischen Lichtsetzungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine vorteilhafte Schattierung auf dem Gesicht erzeugen (Modell: Lisa Riedel).
Abb. 2 | Wenn die Nase des Modells nicht genau in Richtung Kamera zeigt, sieht man eine zugewandte und eine abgewandte Gesichtshälfte. Die der Kamera zugewandte Seite wirkt breiter als die abgewandte Seite. Je nachdem, welche Seite mehr Licht empfängt, spricht man von Broad Light oder von Short Light.
1.2GUTES PORTRÄTLICHT FINDEN
Abb. 3 »Schau mir in die Augen, während du dich im Kreis drehst und ich beobachte, wie sich die Catchlights in deinen Augen und die Schattierung auf deinem Gesicht verhalten.« So kann man sich vor Ort rasch einen Eindruck vom Licht verschaffen.
In unserer Umgebung gibt es Stellen, die für Porträtfotos besonders geeignet sind. Sie bieten Schatten, blocken durch die baulichen Gegebenheiten das Licht von oben ab, und es herrscht vorteilhaftes frontales Licht vor. Der Angelsachse spricht von Open Shade und von Porch Light (Verandalicht, gemeint ist Licht unter einem Vorsprung) – Begriffe, die keine gute Entsprechung im Deutschen haben. Häufig wird man in Häuserschluchten fündig, in Durchgängen, Tunnelanfängen, unter Dächern oder Vorsprüngen oder in Hauseingängen. Selbstredend funktionieren auch Innenräume, denn auch an einem Fenster oder an einer Balkontür findet man zuverlässig frontales Licht. Im Praxisteil sehen Sie Beispiele hierzu.
Oft ist das Licht vor Ort aber erstaunlich komplex. Dann ist es wichtig, als Messinstrument das Gesicht des Modells zu nutzen, einmal um es herum zu gehen und die Catchlights und die entstehenden Schatten genau zu beobachten. Häufig kann man auch Erfolg haben, wenn man das Modell im Schatten platziert und es bittet, in die Richtung der hellsten Stelle der Umgebung zu blicken.
Direktem Sonnenlicht in der Mittagszeit sollte man ausweichen. Es kommt fast senkrecht von oben und ist schwer so zu manipulieren, dass vorteilhafte Bilder entstehen. Gegen Abend hin aber, wenn die Sonne tiefer steht, kann man sie als Gegenlichtquelle einsetzen. Von vorne nutzt man die natürliche Aufhellung durch die Reflexion der Umgebung oder hellt mit einem mitgebrachten Reflektor auf.
Man kann die tiefstehende Sonne aber auch als Hauptlicht nutzen, indem man das Modell in Richtung der Sonne blicken lässt (nur vage in die Richtung, nicht genau in die Sonne, das kann die Augen schädigen). Wenn die leicht zugekniffenen Augen stören, hilft eine Sonnenbrille. Auch kann man das Modell bitten, vor dem Foto die Augen zu schließen. Dann zählt man »1, 2, 3«, sagt dann »Augen auf!« und löst aus.
Abb. 4 | Hartes Licht von oben, in der Mittagszeit – so bitte nicht. Die Mädchen sind fotogen,