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Und eiskalt ist die Stille: Nathan Codys dritter Fall: Der Thriller-Bestseller aus England
Und eiskalt ist die Stille: Nathan Codys dritter Fall: Der Thriller-Bestseller aus England
Und eiskalt ist die Stille: Nathan Codys dritter Fall: Der Thriller-Bestseller aus England
eBook479 Seiten5 Stunden

Und eiskalt ist die Stille: Nathan Codys dritter Fall: Der Thriller-Bestseller aus England

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Über dieses E-Book

Der dritte Band der aufregenden Thriller-Serie um den Liverpooler Ermittler DS Nathan Cody!

„Erinnert an Harlan Coben, obwohl meiner Meinung nach Jackson der bessere Autor ist.“ — The Guardian

Es heißt, man kann sich seine Familie nicht aussuchen. Aber stimmt das wirklich?

Darf ich vorstellen: die Bensons. Ein wirklich nettes Paar. Sie waschen ihr Auto, mähen ihren Rasen und plauschen mit ihren Nachbarn. Und sie haben ein wunderschönes kleines Mädchen namens Daisy.

Es gibt da nur ein Problem. Daisy ist gar nicht die Tochter der Bensons. Sie haben sie gestohlen. Und jetzt haben sie beschlossen, dass Daisy einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester braucht ...

DS Nathan Cody steht vor seinem bisher dunkelsten und schrecklichsten Fall ...

 

SpracheDeutsch
HerausgeberATG books
Erscheinungsdatum16. Jan. 2022
ISBN9783965190481
Und eiskalt ist die Stille: Nathan Codys dritter Fall: Der Thriller-Bestseller aus England

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    Buchvorschau

    Und eiskalt ist die Stille - David Jackson

    Über dieses Buch

    Der dritte Band der aufregenden Thriller-Serie um den Liverpooler Ermittler DS Nathan Cody

    Es heißt, man kann sich seine Familie nicht aussuchen. Aber stimmt das wirklich?

    Darf ich vorstellen: die Bensons. Ein wirklich nettes Paar. Sie waschen ihr Auto, mähen ihren Rasen und plauschen mit ihren Nachbarn. Und sie haben ein wunderschönes kleines Mädchen namens Daisy.

    Es gibt da nur ein Problem. Daisy ist gar nicht die Tochter der Bensons. Sie haben sie gestohlen. Und jetzt haben sie beschlossen, dass Daisy einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester braucht…

    DS Nathan Cody steht vor seinem bisher dunkelsten und schrecklichsten Fall....

    „Erinnert an Harlan Coben, obwohl meiner Meinung nach Jackson der bessere Autor ist." — The Guardian

    Über den Autor:

    David Jackson kam erst spät zum Schreiben von Krimis und Thrillern, nachdem er einen Großteil seines Lebens damit verbracht hatte, akademische Arbeiten und Berichte zu verfassen. Nach einigen begrenzten Erfolgen bei Kurzgeschichtenwettbewerben reichte er die ersten Kapitel eines Romans bei der Crime Writers Association für die Debut Dagger Awards ein. Zu Jacksons großer Überraschung kam das Buch nicht nur in die engere Auswahl, sondern erhielt die Auszeichnung Highly Commended, was schließlich mehrere Verlage auf ihn aufmerksam machte und zur Veröffentlichung des Thrillers „PARIAH" führte.

    Seitdem hat der Brite zahlreiche weitere Krimis und Thriller geschrieben, darunter zwei Serien sowie den Bestseller „Cry Baby". Jackson arbeitet in Liverpool an der Universität und lebt mit seiner Frau, zwei Töchtern und einer Kurzhaar-Katze namens Mr. Tumnus auf der Halbinsel Wirral.

    http://davidjacksonbooks.com/

    ATG books

    Band 048

    Für die englische Originalausgabe: Copyright © 2018 by David Jackson

    Titel der Originalausgabe: „Don’t Make a Sound"

    Für die deutschsprachige Ausgabe: Copyright © 2022 by ATG Books, ein Imprint von Audio-To-Go Publishing Ltd., Headford, Irland

    Übersetzung: Michael Krug

    Lektorat: Ulrike Gerster

    Umschlaggestaltung: Audio-To-Go unter Verwendung eines Motivs von Tama66/ pixabay

    ISBN 978-3-96519-048-1

    Sie finden uns im Internet unter www.audio-to-go.de

    Für Lisa, Bethany und Eden

    TEIL EINS

    1

    »Was hast du vor?«

    Die Worte erschrecken ihn. Dann jedoch schnappt Malcolm Benson das mentale Echo des leisen Lachens auf, das er sich nicht verkneifen konnte. Mit nach wie vor belustigter Miene dreht er sich an der Spüle um.

    Harriet sitzt mit einem Becher Tee in den kleinen Händen am Tisch. Ihr Lieblingsbecher – der mit Snoopy drauf. Er hat darauf geachtet, ihn ihr an diesem besonderen Morgen zu schenken. Sie hat die Augenbrauen auf ihre bezaubernde Weise hochgezogen. Eine der Eigenschaften, durch die er sich vor dreißig Jahren ursprünglich zu ihr hingezogen gefühlt hat.

    Er schnippt Seifenschaum weg, dann tippt er sich mit dem Finger seitlich an die Nase.

    »Das würdest du wohl gern wissen, was?«, sagt er.

    Damit hat Harriet ihren Verdacht bestätigt und stellt den Becher auf dem Bastuntersetzer ab.

    »Du planst irgendwas.«

    »Ich plane immer irgendwas«, erwidert er. »Das weißt du. Ich plane und plane.«

    Mit leuchtenden Augen sieht sie ihn an. »Und was?«

    »Du wirst warten müssen.« Er dreht sich wieder dem Spülbecken zu, taucht die behandschuhten Finger in die Seifenlauge. Malcolm weiß, dass sie ihm gerade ein Loch in den Hinterkopf starrt und seine Gedanken zu lesen versucht.

    »Mein Geburtstag ist erst in einem Monat«, lässt sie beiläufig fallen.

    Er erwidert nichts.

    »Geht’s darum? Hat es was mit meinem Geburtstag zu tun?«

    Er sieht sie über die Schulter an. Über fünfzig, und immer noch so voll von kindlicher Unschuld und Begeisterung.

    »Es ist ein Geschenk. Aber nicht zu deinem Geburtstag. So lange kann es nicht warten.«

    »Malcolm, jetzt spannst du mich auf die Folter. Sag’s mir. Bitte!«

    Eigentlich hat er gehofft, es noch ein wenig länger hinauszuzögern, aber das wäre ihr gegenüber nicht fair. Außerdem freut er sich genauso so sehr wie sie darauf, es zu enthüllen. Er hat es viel zu lange für sich behalten.

    »Na schön«, sagt er. »Warte hier.«

    Er schält sich die Handschuhe von den Fingern und nimmt die Schürze ab. Als er auf die Küchentür zugeht, sieht er, wie Harriet erwartungsvoll in die Hände klatscht.

    Malcolm lächelt den gesamten Weg zu dem winzigen Raum, der ihm als Arbeitszimmer dient, und den gesamten Weg zurück. Es ist für sie beide ein großer Moment. Die Krönung erheblicher Mühen und einer Menge Geduld.

    Malcolm hält inne, bevor er in die Küche zurückkehrt. »Mach die Augen zu. Und nicht schummeln.«

    »Okay«, antwortet sie. »Ich schaue nicht. Versprochen.«

    Er schreitet durch die Tür und streckt sein Geschenk vor sich. Harriet hält die Hände fest über die Augen. Ihre Finger zittern merklich.

    »Also gut«, sagt er. »Jetzt darfst du schauen.«

    Sie teilt die Finger, lässt sie langsam nach unten über die Wangen gleiten. Beim Anblick des großen, ledergebundenen Buchs tritt erst Verwirrung in ihre Züge, dann Ungläubigkeit.

    »Das ... das ist das Album.«

    Er nickt. Malcolm ahnt, dass sie gleich losweinen wird. Auch in seinen Augen bilden sich bereits Tränen.

    Sie schaut auf, begegnet seinem Blick. »Das hast du nicht, oder?«

    »Doch, habe ich.«

    »Du hast eine gefunden?« Er lächelt.

    »Oh mein Gott«, entfährt es ihr. »Oh mein Gott. Zeig’s mir, zeig’s mir, zeig’s mir!«

    Sie beugt sich zur Seite und zieht einen der Stühle so herum, dass er direkt neben ihrem steht. Malcolm setzt sich und legt das Album auf den Tisch zwischen ihnen.

    »Bist du bereit?«, fragt er.

    »Malcolm, du weißt, wie sehr ich das gewollt habe. Schlag das Buch schon endlich auf.«

    Er sucht nach dem in der Mitte des Albums eingelegten Seidenbändchen und öffnet das Buch an der Stelle.

    Das von der Seite reflektierte Licht erhellt Harriets Gesicht. Unwillkürlich reißt sie die Hand an den Mund. Tränen lösen sich aus ihren Augen und kullern ihr über den Handrücken.

    »Ich hoffe, das sind Freudentränen«, sagt Malcolm.

    Sie kann nur nicken, während sie den Inhalt dieser Schatztruhe bestaunt. Das ist besser als jeder Geburtstag.

    Sie streckt die Hand aus und blättert um. Ein Japsen entringt sich ihr. Malcolm beobachtet aufmerksam, wie sie in ihrem Traum versinkt, sieht ihr zu, während sie Seite um Seite umblättert und dabei weint und lächelt und lacht. Er wünschte, er könnte das jeden Tag für sie tun.

    Dann setzen die Fragen ein. Harriet will so viel wie möglich wissen, will jede Einzelheit erfahren. Manchmal ist beinah um eine Antwort verlegen, aber er gibt sein Bestes.

    Kaum hat Harriet die letzte Seite erreicht, blättert sie zurück zur ersten. Sanft berührt ihr Finger das dort eingeklebte Foto. Malcolm hat geahnt, dass es ihr am besten von allen gefallen würde.

    Dann scheint ein Anflug von Zweifeln über ihre Züge zu huschen.

    »Du machst mir doch nicht nur wieder lange Zähne, Malcolm, oder? Ich meine, das ist definitiv, richtig?«

    »Oh ja. Du siehst ja, wie fleißig ich gewesen bin. Schau dir nur die Fotos an. Es ist alles bereit.«

    »Alles bereit? Wann? Schon bald?«

    Malcolm streicht sich übers Kinn. »Tja, das ist der schwierige Teil. So etwas braucht Zeit. Weißt du, es ist eine Frage der Logistik.«

    Ihre Züge fallen in sich zusammen. »Oh.«

    »Also dachte ich mir ... Ich dachte mir, vielleicht heute Nacht. Wäre das bald genug für dich?«

    Ihre Augen werden riesig. Und strahlen voll ekstatischer Ungläubigkeit.

    »Malcolm!« Sie wirft die Arme um ihn und zieht ihn an ihre Wärme. »Malcolm, du bist unglaublich. Ich liebe dich.«

    Nach einer Weile lässt sie ihn los. »Es wird doch nicht gefährlich, oder? Ich meine, bist du sicher, dass du es schaffst?«

    Er ergreift ihre Hände. »Einfach wird es nicht. Ich bin nicht mehr so jung, wie ich mal war. Aber ja, ich schaffe es.«

    Wieder umarmt sie ihn. Ihr Blick kehrt zurück zum Album. Dann kommt ihr ein Gedanke, und sie schaut zur Decke auf.

    »Können wir es ihr sagen? Können wir es Daisy sagen?«

    »Ich wüsste nicht, was dagegenspricht. Du etwa?«

    *****

    Daisy hört, wie sie die Treppe heraufkommen. Also legt sie den Stift weg und setzt sich aufrecht hin. Denn sie weiß, wie sehr sie es mögen, wenn sie stramm dasitzt.

    Sie hat gerade eine Geschichte über eine Maus geschrieben. Da sie noch nie gut darin war, Geschichten zu schreiben, und wenig über Mäuse weiß, war es eine ziemliche Herausforderung. Sie hofft, dass ihnen gefällt, was sie zustande gebracht hat. Später wird sie ein paar Bruchrechnungen lösen und anschließend lesen. Sie hat einen äußerst ausgefüllten Tag vor sich.

    Schließlich öffnet sich die Tür, und als die Erwachsenen eintreten, versteift sich die Haltung zusätzlich.

    Ihr fällt auf, wie sehr sie an diesem Morgen lächeln. Tatsächlich hat sie die beiden wahrscheinlich überhaupt noch nie so glücklich gesehen. Unwillkürlich fragt sie sich, was das bedeuten könnte.

    »Hallo Daisy«, grüßt Malcolm.

    »Hallo Papi«, erwidert sie.

    Malcolm und Harriet setzen sich ihr gegenüber an den kleinen Arbeitstisch. Beide lächeln ungebrochen.

    »Wir haben Neuigkeiten für dich«, verkündet Malcolm. »Etwas, worüber wir uns sehr freuen.«

    Daisy erwidert nichts. Sie ist sich nicht sicher, was sie darauf antworten soll. Also wartet sie nur geduldig.

    »Willst du nicht wissen, worum es geht?«, fragt Harriet.

    Daisy nickt, obwohl sie nicht sicher ist, ob sie es wirklich wissen will.

    Harriet sieht Malcolm an und bedeutet ihm mit einer Kopfbewegung, die Nachricht zu überbringen. Malcolm beugt sich über den Tisch. Er kommt Daisy so nah, dass sie die Mitesser auf seiner Nase erkennen kann.

    »Du bekommst ...« – er legt eine dramaturgische Pause ein, um die Spannung zu steigern – »eine kleine Schwester!«

    Harriet hopst regelrecht auf dem Stuhl und klatscht freudig in die Hände.

    Daisy hingegen ist immer noch unschlüssig, wie sie reagieren soll. Vermutlich wollen die beiden sie genauso euphorisch erleben, doch irgendwie kann sie sich nicht dazu aufraffen. Sie spürt die auf sie gerichteten Blicke und öffnet den Mund, nur dringt nichts heraus.

    »Was hältst du davon?«, fragt Malcolm. »Ist das nicht wundervoll? Stell dir nur vor, was ihr alles miteinander teilen könnt.«

    »Du kannst ihr deine Spielsachen zeigen«, sagt Harriet. »Und ihr vorlesen und erklären, wie alles funktioniert. Und das Beste daran: Du wirst nicht mehr allein sein. Du musst nie wieder einsam sein. Ist das nicht fantastisch?«

    Um keinen Aufruhr zu verursachen, zermartert sich Daisy krampfhaft das Hirn für eine sinnvolle Erwiderung.

    »Wie heißt sie?«, platzt sie heraus.

    Malcolm sieht Harriet an. Harriet sieht Malcolm an. »Gute Frage«, sagen sie zueinander.

    »Ihr Name ist Poppy«, verkündet Harriet. »Der Name einer Blume, genau wie deiner. Und sie ist blond wie du. Und erst sechs Jahre alt. Sie ist bezaubernd. Ich bin sicher, du wirst sie lieben.« Sie wendet sich wieder an Malcolm. »Nicht wahr, Papi?«

    Da sich die beiden wieder gegenseitig tief in die Augen blicken, erhält Daisy die Gelegenheit, ihre nächste Frage zu formulieren.

    »Wann? Wann kommt sie?«

    »Noch eine ausgezeichnete Frage«, lobt Malcolm. »Halt dich fest, Daisy – es ist ziemlich schnell! Wie hört sich heute Nacht an?«

    Etwas in Daisy zieht sich zusammen, und sie hat Mühe, es sich nicht anmerken zu lassen. »Heute Nacht?«

    Zu spät bemerkt sie den negativen Unterton in ihrer Stimme. Malcolms Lippen zittern leicht, als sie versuchen, ihr Lächeln aufrechtzuerhalten.

    »Ja, Daisy. Heute Nacht. Das ist doch in Ordnung für dich, oder?«

    »Ja, Papi«, antwortet sie schnell. »Ich meine ... Ich hab mich nur gefragt, wo sie schlafen wird.«

    Malcolm schaut zum Bett hinüber. Er legt die Stirn in Falten, als wäre ihm das Problem bisher nicht in den Sinn gekommen.

    »Na ja, ich fürchte, vorübergehend wirst du das Bett mit ihr teilen müssen. Dann finden wir schon eine Lösung.«

    »Details, Details«, wirft Harriet ein. »Über solche Kleinigkeiten zerbrechen wir uns in diesem Haus nicht den Kopf. Es wird alles gut. Besser als gut. Das Beste aller Zeiten!«

    Daisy hat den Eindruck, dass Harriet vor Freude platzen könnte. Sie könnte einfach plötzlich explodieren und an die Wände und die Decke spritzen.

    Rasch verdrängt sie das Bild. Sie starrt auf ihre Geschichte, um sich abzulenken.

    »Also«, sagt Malcolm. »Das sind unsere fantastischen Neuigkeiten. Ich wusste, dass du dich freuen würdest, Daisy.«

    Daisy kennt das Wort »Sarkasmus« nicht, doch etwas in Malcolms Stimme verrät ihr, dass sie nicht so reagiert, wie er es gern hätte.

    »Keine Sorge«, sagt sie. »Ich bin ein großes Mädchen. Ich kümmere mich um Poppy.«

    Etwas Positiveres und Wahreres fällt ihr beim besten Willen nicht ein. Und es scheint den Zweck zu erfüllen.

    »Tja, dann lassen wir dich jetzt deine Schularbeiten machen«, meint Harriet. »Ich schaue später vorbei, wie du vorankommst.« Warnend wedelte sie mit dem Zeigefinger. »Aber rechne nicht damit, dass ich dir heute eine große Hilfe bin. Ich weiß gerade ehrlich nicht, wo mir der Kopf steht.«

    Dann verlassen sie den Raum beinah so, als würden sie auf der von ihnen geschaffenen Wolke schweben. Daisy sieht ihnen nach. Wartet darauf, dass sich die Tür schließt. Wartet auf das vertraute Geräusch, das danach immer folgt. Das Schrammen, das sich anfühlt, als würde es durch ihre Brust vibrieren.

    Das Geräusch der Riegel, die zugezogen werden.

    Sie ist wieder allein. So verbringt sie den Großteil ihrer Zeit. Deshalb denkt ein Teil von ihr, dass es wirklich wunderbar sein wird, ein anderes Kind hier zu haben.

    Nur würde sie dieses Schicksal niemandem wünschen.

    Sie lässt den Blick durch ihr Zimmer wandern. Manchmal fragt sie sich, wie lange ein Besucher ohne die Riegel und Schlösser draußen brauchen würde, um den wahren Zweck dieses Raums zu erkennen. Er würde das Bett in der Nische gegenüber der Eingangstür sehen. Links der Tür das Regal mit Büchern, Spielzeug und einem Flachbildfernseher. Daneben die Kommode mit dem Puppenhaus und weiterem Spielzeug darauf. In der Mitte des Zimmers sind der Klapptisch und die stapelbaren Plastikstühle.

    Nichts besonders Ungewöhnliches.

    Aber man könnte sich die Frage stellen, warum es keine großvolumigen Schränke gab. Man könnte sich fragen, warum sie statt Stauraum ein kleines Waschbecken in einer Ecke und einen Duschvorhang in einer anderen hat. Und bei einem Blick hinter diesen Vorhang wäre man vermutlich überrascht, dass er nicht etwa eine Dusche, sondern eine schäbige alte Toilette verbirgt.

    Und um etwas natürliches Licht auf die rätselhaften Eigenarten dieses düsteren Raums zu werfen, würde man vielleicht die Fenstervorhänge zurückziehen und die dahinter verschraubten Bretter aus Holz entdecken.

    An der Stelle würde man vielleicht letztlich erkennen, dass es sich nicht nur um ein Zimmer zum Schlafen handelt, sondern ein Zimmer für alles.

    Eine Gefängniszelle.

    Daisy hat gelernt, sich bei den Erwachsenen nicht über ihre Lage zu beschweren. Bei den Leuten, die sie  und  nennt, obwohl sie nicht wirklich ihre Eltern sind.

    An diesen Ort sollte kein weiteres Kind gebracht werden, denkt sie.

    Selbst dieses Kind sollte nicht hier sein.

    Sie weiß nicht genau, wie lange sie schon hier lebt, aber sie hat eine ungefähre Vorstellung. Unlängst war sie gezwungen, ihren zehnten Geburtstag zu feiern. Und sie weiß, dass sie sieben war, als sie entführt worden ist.

    Daraus ergibt sich, dass sie seit etwa drei Jahren in diesem Raum gefangen ist.

    2

    »Ist er das?«

    Detective Sergeant Nathan Codys Blick folgt der Richtung von Detective Constable Megan Webleys ausgestrecktem Finger. Durch die schmutzige Windschutzscheibe sieht er eine Gestalt, die auf dem Bürgersteig auf sie zukommt, die Hände tief in den Taschen, den Kragen gegen die Kälte hochgeschlagen.

    »Nein. Sieht ihm nicht mal ähnlich.«

    Im Radio läuft Ed Sheeran. Cody klopft mit den Fingern den Takt aufs Lenkrad. Er richtet den Blick auf das Schaufenster neben dem Auto. Es strotzt vor knappen Dessous. Hätte er nur ein Stück weiter hinten geparkt.

    »Was ist mit dem da?«, kommt von Webley.

    Cody seufzt. »Nein. Sag mal, fragst du mich jetzt bei jedem Kerl, der vorbeikommt?«

    »Falls ja, bist du schuld.«

    »Wieso bin ich schuld?«

    »Weil’s deine Idee war, oder? Außerdem hast du gesagt, er würde um Punkt fünf Uhr aufkreuzen, und wir haben schon drei Minuten nach.«

    »Er kommt schon noch. Hab Geduld.«

    Wie viel Geduld sie hat, demonstriert Webley, indem sie trotzig die Arme vor der Brust verschränkt.

    »Mir ist kalt, ich bin müde, und ich hab Hunger. Ich hatte heute kein Mittagessen.«

    »Damit stehst du nicht allein da. War eine ziemliche Hetze zum Gericht, was?«

    »Du warst übrigens sehr gut. Vor Gericht.«

    »Findest du?«

    »Ja. Der Anwalt dort hat in dir seinen Meister gefunden. Ich konnte sehen, wie dem arroganten Trottel der Schweiß aus der Perücke gelaufen ist.« Sie deutet auf ihn und zieht die Augenbrauen hoch. »Mir ist aufgefallen, dass du zu dem Anlass eine neue Krawatte getragen hast.«

    Lächelnd setzt sich Cody aufrechter hin und streicht die Krawatte glatt. »Stimmt. Gefällt sie dir?«

    »Nein.«

    »Oh.«

    Nach einer kurzen Pause fragt sie: »Vermisst du manchmal die alten Zeiten?«

    Cody spürt, wie sich ein Hitzeschwall anbahnt. Er ahnt, dass sie gleich die Zeit erwähnen wird, als sie ein Paar gewesen sind. Damals hatte sie noch ein Mitspracherecht dabei, welche Krawatten er getragen hat.

    »Welche alten Zeiten?«

    »Als du verdeckter Ermittler warst. Vermisst du das?«

    Puh, denkt Cody. »Ja, manchmal schon. Aber die Arbeit jetzt ist auch gut.«

    »Hast du je dran gedacht, zurückzuwechseln?«

    »Wie kommst du darauf? Hast du die Schnauze voll von mir?«

    »Nein. Nur so ein Gedanke. War ja immerhin mal ein wichtiger Teil deines Lebens.«

    Er schüttelt den Kopf. »Nein, eher nicht. Ich springe zwar immer noch gern bei kleineren Einsätzen ein, aber ich glaub nicht, dass ich es wieder Vollzeit machen könnte.«

    »Wegen dem, was passiert ist?«

    Cody denkt sorgfältig nach, bevor er antwortet. Die Frage ist nur natürlich. Die meisten Menschen würden nach der Erfahrung, wie ihnen vier Männer in Clownsmasken gewaltsam Körperteile entfernt und anschließend ihren Partner auf grausige Weise ermordet haben, wohl auf einen anderen Broterwerb umsatteln.

    »Ja, aber nicht nur aus den offensichtlichen Gründen. Ehrlich gesagt dachte ich, die Versetzung zum MIT würde nur vorübergehend sein, aber dann sind mir die Augen aufgegangen. Am Anfang hab ich befürchtet, mir würde der Nervenkitzel der verdeckten Arbeit fehlen. Ist aber nicht so. Ich mag unser Team, und mir gefällt unsere Arbeit.«

    »Aber es wär nicht dasselbe, wenn ich nicht dabei wäre, oder?« Als sie lächelt, sieht er, wie ihre Grübchen erscheinen.

    Bevor er antworten kann, klingelt Webleys Telefon. Sie blickt auf das Display. »Anakonda«, verrät sie und geht ran.

    Cody schaut im Innenspiegel zu dem einige Meter hinter ihnen geparkten zivilen Polizeiwagen. Er kann das Gesicht von DC Neil »Anakonda« Ferguson erkennen, das der Schein vom Display seines Handys erhellt. Neben ihm sitzt ein weiterer DC der Truppe, Jason Oxburgh.

    Webley lauscht, dann dreht sie sich Cody zu. »Er will wissen, wie lang wir voraussichtlich noch hier rumhocken müssen. Und ob dein CHIS für die Operation zuverlässig ist.«

    CHIS steht im britischen Polizeijargon für »Covert Human Intelligence Source«, also eine geheime menschliche Auskunftsquelle. Oder schlichter ausgedrückt: Informant.

    »Sag ihm, dass meine Informationen tadellos sind«, raunt Cody, »und dass er ein bisschen mehr Vertrauen haben muss.«

    Webley gibt die Nachricht weiter und lauscht noch ein paar Sekunden, bevor sie das Telefonat beendet.

    »Was hat er gesagt?«, fragt Cody.

    »Nichts.«

    »Raus damit, was?«

    »Er wollte wissen, ob du dich wohl bemühst, mich hier drin warm zu halten.«

    Cody wendet sich ab und schüttelt genervt den Kopf. Gleichzeitig geht ihm durch den Kopf, dass die Hitze, die ihm in die Wangen schießt, mehr als ausreichen sollte, um sie beide zu wärmen.

    Als er durchs Autofenster draußen eine Bewegung wahrnimmt, ist er froh über die Ablenkung.

    »Aye, aye«, sagt er.

    »Was?«, fragt Webley. »Ist er es?«

    Cody beobachtet weiter. Er sieht eine Frau am Geldautomaten. Ihr Portemonnaie hat sie in der Hand, aber die Tasche ist weit offen. Ein junger Mann in dunklem Trainingsanzug pirscht sich von hinten an sie an.

    Cody lässt sein Fenster runter. »Fitzy, komm hier rüber!«

    Erschrocken horcht der junge Mann auf. Dann schlendert er mit den Händen in den Taschen zum Auto.

    »Hallo, Mr. Cody. Wie läuft’s denn so?« Er beugt sich vor und späht zur Beifahrerin. »Hallo, Süße.«

    Cody muss sich ein Lächeln verkneifen. Webley wird innerlich darüber schäumen, »Süße« genannt worden zu sein.

    »Was hast du vor, Fitzy?«

    Fitzy zuckt mit den Schultern. »Nichts.«

    »Hat nicht nach nichts ausgesehen. Hat für mich eher so ausgesehen, als wärst du plötzlich unheimlich interessiert an der Frau am Geldautomaten gewesen.«

    »Ach, die! Ne, ich wollte bloß ein Auge auf sie haben, verstehen Sie, was ich meine? Meine Bürgerpflicht erfüllen. Ich glaub, ihr ist gar nicht bewusst, dass es Typen gibt, die so eine Situation ausnutzen könnten. Verstehen Sie, was ich meine?«

    »Schon klar, Fitzy. Freut mich zu hören. Ich werd dich für die ›Pride of Britain Awards‹ vorschlagen. Jetzt mach dich mal vom Acker. Dich durch die Straßen zu jagen, ist gerade das Letzte, was ich will.«

    Fitzy rührt sich nicht. »Was läuft denn hier eigentlich?«

    »Nichts, was dich betrifft«, sagt Cody.

    Fitzy grinst und entblößt eine Lücke, wo einer seiner Vorderzähne fehlt. »Warten Sie, dass die Luft rein wird, damit Sie mit Ihrer Lady da reingehen können?« Er zeigt hinter sich auf den Dessous-Laden. »Wissen Sie, das ist total in Ordnung. Wir haben ja moderne Zeiten. Muss Ihnen nicht peinlich sein. Verstehen Sie, was ich meine?«

    Webley lehnt sich zu Codys offenem Fenster. »Ich bin nicht seine Lady. Jetzt zieh Leine, bevor wir dich einbuchten.«

    Fitzy hebt kapitulierend die Hände. »Schon gut, Süße. Wollte nur freundlich sein.«

    In dem Moment scheinen sich die Rädchen in Fitzys Kopf zu drehen. Er späht auf die Straße zum anderen ungekennzeichneten Polizeiwagen.

    »Die gehören zu Ihnen, stimmt’s? Was geht hier ab? Haben Sie ’ne Razzia in dem Laden mit den Rüschenslips geplant?«

    »So ähnlich«, erwidert Cody. »Jetzt geh und fall jemand anderem auf den Wecker, Fitzy. Und bleib sauber.«

    Fitzy zuckt mit den Schultern und schlendert davon. Als er an Anakondas Auto vorbeikommt, winkt er den Insassen zu.

    Cody schließt sein Fenster.

    »Gott«, sagt Webley, »nach dem Einsatz könnte ich echt ’nen Drink vertragen. Auch Lust?«

    »Nein.«

    »Warum nicht?«

    »Wir haben Februar. Im Februar trinke ich nicht.«

    »Du trinkst in keinem verdammten Monat. Ich wette, nicht mal zu Weihnachten.«

    »Ich bin sicher, da hast du genug für uns beide gebechert«, kontert er. Aber sie hat recht: Er hat zu Weihnachten nichts getrunken. Tatsächlich hat er Weihnachten allein in seiner Wohnung verbracht. Während allerorts Truthähne tranchiert, Knallbonbons geöffnet und feuchtfröhlich gefeiert wurde, hat er sich Curry aus der Mikrowelle reingezogen und seinen im Dienst verstauchten Knöchel geschont. Natürlich hat er Webley das nicht gesagt. Ihr hat er aufgetischt, er wäre bei seinen Eltern und bei seiner Ex-Verlobten gewesen. Tatsächlich war man weder da noch dort besonders interessiert daran, festliche Stimmung in seine Richtung zu verbreiten.

    »Komm schon«, drängt Webley. »Das wird lustig.«

    »Ne, ich bin geschlaucht. Will nur noch die Füße hochlegen.«

    »Herrgott noch mal, Cody. Du klingst wie meine Oma. Und selbst sie schafft’s jede Woche zum Tai Chi und zum Bingo. Bist du sicher, dass du unter dem jugendlichen Äußeren nicht sechsundneunzig bist?«

    »Ein andermal, Megs. Okay?«

    Webley lächelt ihn an.

    »Was ist?«, fragt er.

    »Megs. So hast du mich früher immer genannt, als wir zusammen waren.«

    »Tut mir leid.«

    »Muss es nicht. Finde ich nett.«

    Wieder wird ihm heiß. Cody ist dankbar, als Webleys Handy erneut zum Leben erwacht.

    Sie nimmt den Anruf entgegen, lauscht. Schließlich verkündet sie: »Wieder Anakonda. Seiner Meinung nach sollten wir’s gut sein lassen. Er schlägt vor ...«

    »Er ist hier«, sagt Cody.

    »Was?«

    Cody zeigt hin. »Er geht gerade rein.«

    Er beobachtet, wie ein dunkelhaariger Mann einen Schlüssel in die Tür einer Ladenfront steckt, sie öffnet und nach drinnen verschwindet. Cody setzt dazu an, aus dem Auto zu steigen.

    »Es geht los!«, sagt Webley ins Handy.

    Die vier Ermittler versammeln sich auf dem Bürgersteig, bevor sie zügig auf den Laden zusteuern.

    Cody schiebt die Tür auf. Drinnen dreht sich der Mann um, auf den er gewartet hat. Er starrt die Neuankömmlinge an.

    »Was kann ich für Sie tun?«, erkundigt sich der Mann.

    Cody lauscht auf das Geschehen im Hinterzimmer, atmet die Gerüche ein.

    Ihm läuft vor lauter Vorfreude das Wasser im Mund zusammen.

    »Viermal Bratfisch mit Pommes bitte. Und können Sie meine Panade extra knusprig machen?«

    *****

    Cody macht seinen höheren Dienstgrad geltend und besteht darauf, dass sie in Anakondas Auto essen. Es schmeckt vorzüglich, die Gesellschaft ist noch besser, aber als erneut angesprochen wird, nach der Arbeit ein paar Bierchen zu , lehnt Cody ab. Er fährt allein zurück zu seiner Wohnung.

    Sie befindet sich im obersten Stockwerk eines georgianischen Gebäudes in der Rodney Street über einer Zahnarztpraxis. Da die Praxis inzwischen geschlossen ist, hat Cody das Gebäude für sich allein. Er hätte seine Kollegen zu sich einladen und vorschlagen können, unterwegs Alkohol zu kaufen. Sie hätten Musik auflegen können.

    Er hat nichts davon getan.

    In der Küche wirft er den Wasserkocher an, leert die Taschen, legt Jackett und Krawatte ab. Nachdem er sich seinen Tee gebrüht hat, setzt er sich an die kleine Frühstückstheke.

    Er denkt an Webley. In den letzten Wochen hat sie mehrfach vorgeschlagen, zusammen etwas trinken zu gehen. Manchmal fragt er sich, ob dahinter eine tiefere Absicht steckt. Dann wieder sorgt er sich, dass er arrogant ist. Wahrscheinlich will sie nur freundlich sein.

    Abgesehen davon gibt es Hürden. Zu viel steht im Weg. Zum einen der Job. Cody und Webley müssen zusammenarbeiten und sich aufeinander verlassen können.

    Dann sind da noch die Partner. Na schön, Ex-Partner. Cody sieht zwar keine großen Chancen, dass seine ehemalige Verlobte ihn zurücknehmen könnte, aber er rechnet fest damit, dass Webley wieder mit ihrem Mann zusammenkommen wird. Sie sind erst seit Weihnachten getrennt. Noch ist Zeit für eine Versöhnung.

    Und dann ist da natürlich diese andere Sache. Die, über die Cody nicht reden kann.

    Webley hat das Thema vorhin gestreift. Das Ereignis, das ihn dazu veranlasst hat, die Arbeit als verdeckter Ermittler aufzugeben. Sie weiß, wie traumatisch es für ihn war. Und dass es zu schrecklichen Albträumen, Halluzinationen und Kontrollverlust geführt hat.

    Allerdings weiß sie nicht, dass sie zurück in seinem Leben sind.

    Die Clowns.

    Sie haben Kontakt aufgenommen. Übermitteln ihm schräge Botschaften. Sind sogar hier gewesen, in seiner Wohnung.

    Seit Weihnachten verhalten sie sich ruhig, aber er weiß, dass sie wieder auftauchen werden. Und wenn es so weit ist, wird es unschön werden.

    Das ist der eigentliche Grund, warum er weder Webley noch sonst jemanden zu nah an sich heranlassen kann.

    3

    Malcolm sieht auf die Armbanduhr. Nur noch ein paar Minuten. Bald ist es vier Uhr, und er hat beschlossen, dann hineinzugehen.

    Vier Uhr morgens hält er für eine gute Zeit. Die meisten Menschen befinden sich dann im Tiefschlaf. Niemand hört etwas. Und falls doch, dreht man sich einfach um und schläft weiter.

    Aber Harriet wird noch wach sein. Sie wird zu aufgeregt zum Schlafen sein. Vielmehr wird sie in diesem Moment am Schlafzimmerfenster hocken und bang auf seine Rückkehr warten.

    Die Straße, in der er sich befindet, ist ruhig. Eine begrünte Sackgasse mit Reihenhäusern in der Nähe der Otterspool Promenade. Um die Zeit ist in der Gegend kaum mit Verkehr zu rechnen.

    Er hat schon öfter hier geparkt, zu verschiedenen Tageszeiten. Hat das Kommen und Gehen beobachtet, unzählige Fotos und Videos angefertigt. Hat dem Geplauder der Anwohner gelauscht, die an seinem Wagen vorbeigeschlendert sind, ohne den Mann zu bemerken, der im Fond hinter dunkel getönten Scheiben gesessen hat.

    Ja, er hat seine Hausaufgaben gemacht. Gründlich. So etwas überstürzt man nicht. Jedenfalls nicht, wenn man will, dass es reibungslos abläuft.

    Er weiß, dass sie nur zu dritt in dem Haus sind. Poppy und ihre Eltern Craig und Maria. Gegen acht Uhr morgens wird Craig das Haus verlassen, in den Mondeo steigen und zur Arbeit fahren. Maria und Poppy werden ein paar Minuten später folgen und mit dem anderen Auto wegfahren, einem roten Polo. Den Großteil des Tages steht das Haus leer, bis Maria gegen vier mit Poppy zurückkommt.

    Aber ein leeres Haus nützt Malcolm nichts. Er braucht etwas aus dem Haus. Er braucht Poppy.

    Auch andere Möglichkeiten hat er in Betracht gezogen. Er weiß zum Beispiel, welche Grundschule Poppy besucht. Mehrmals hat er vor jener Schule ausgeharrt und Ausschau nach Schwachstellen, nach Gelegenheiten gehalten.

    Aber das wäre zu riskant. Maria trifft immer pünktlich vor dem Läuten der Schulglocke ein. Und das Lehrpersonal wacht auf dem Spielplatz mit Argusaugen über die Kleinen. Gehen dürfen sie erst, wenn ein Elternteil auf der anderen Seite des Tors deutlich erkennbar ist.

    Malcolm hat auch versucht, ihnen zu Geschäften zu folgen. Maria lässt ihre Tochter nie aus den Augen. Die meiste Zeit halten sie sich an den Händen. Unter diesen Umständen wäre es unmöglich, sich Poppy zu schnappen.

    Also verbleibt das hier als einzige Chance. Natürlich begleitet von offensichtlichen Gefahren, die er jedoch für Harriet heruntergespielt hat. Sie sollte sich über derlei Dinge nicht den Kopf zerbrechen müssen. Ist nicht nötig, ihre Vorfreude zu trüben.

    Und die Auswahl ist nicht groß. Ja, es gibt reichlich Kinder, die man sich wesentlich leichter holen könnte – ihn verblüfft immer wieder, wie unbekümmert und unaufmerksam manche Eltern sind. Aber keines davon erfüllt die Anforderungen. Auf Anwärterinnen wie Poppy stößt man sehr selten. Es muss sie sein, und zwar sofort.

    Mittlerweile ist es vier Uhr.

    Malcolm steigt aus dem Wagen und nimmt die schwarze Sporttasche vom Beifahrersitz mit. Er schließt die Tür so behutsam wie möglich und verriegelt das Fahrzeug nicht. Dann geht er zum Haus und biegt in die Einfahrt.

    Er hält nicht inne, trödelt nicht. Je weniger Zeit er hier draußen verbringt, desto besser. Stattdessen steuert er geradewegs auf das Tor aus Holz zu, das den Weg zur Rückseite des Grundstücks versperrt. Das Tor ist geschlossen und verriegelt, doch es ist ein Kinderspiel, über den Zaun zu klettern und sich auf der anderen Seite fallen zu lassen. Malcolm mag über fünfzig sein, aber er hält sich in Form.

    Bevor er weitergeht, schiebt er den Riegel des Tors zurück, um die Flucht zu erleichtern. Dann wartet er und lauscht, um sich zu vergewissern, dass seine Ankunft unbemerkt geblieben ist.

    Als er sich davon überzeugt hat, rückt

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