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Stummer Schrei in Weiß: Fuerte-Krimi No 3
Stummer Schrei in Weiß: Fuerte-Krimi No 3
Stummer Schrei in Weiß: Fuerte-Krimi No 3
eBook227 Seiten3 Stunden

Stummer Schrei in Weiß: Fuerte-Krimi No 3

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Über dieses E-Book

Als Kommissar Franz-Josef Grillmayr und sein Assistent José zu einem Mordfall in die Insel-Hauptstadt Puerto del Rosario gerufen werden, finden sie keine Leiche vor.Kurz darauf werden die beiden Ermittler jedoch mit dem gewaltsamen Tod eines deutschen Unternehmers konfrontiert. Im Umfeld des nach Fuerteventura ausgewanderten Inhabers einer Baufirma stoßen Grillmayr und José auf einen zwielichtigen Angestellten sowie einen höchst unseriösen Mitarbeiter eines Geschäftspartners.Während die Ermittlungen auf Hochtouren laufen, macht sich Grillmayrs Freund, der Pathologe Georg Sanchez, unvermittelt auf den Weg nach Deutschland, um einer Familien-angelegenheit auf den Grund zu gehen. Ohne seine Unterstützung müssen sich der Kommissar und José mühsam den Weg zur Lösung des Falles bahnen.Die Seebestattung des Mordopfers läuft völlig unerwartet aus dem Ruder. Rätselhafte Ereignisse lösen bei den Trauergästen Entsetzen aus, während die Witwe einen Nervenzusammenbruch erleidet.
SpracheDeutsch
HerausgeberOliver Hamann
Erscheinungsdatum14. Feb. 2023
ISBN9783988652935
Stummer Schrei in Weiß: Fuerte-Krimi No 3
Autor

Oliver Hamann

Oliver Hamann lernte Fuerteventura im Jahr 2004 kennen und lieben. Ausführliche und intensive Recherchen vor Ort bilden die Grundlagen für seine Fuerte-Krimis. Der gebürtige Münchner bezeichnet sich selber als 'Mondscheinautor', denn die Kriminalromane des inzwischen in Schweden lebenden Autors entstehen ausschließlich nebenberuflich in seiner Freizeit - und somit manchmal auch bei Mondschein.

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    Buchvorschau

    Stummer Schrei in Weiß - Oliver Hamann

    Montag, 6. September

    Klimawandel

    Heftiger Regen peitschte seit Tagen über Fuerteventura. Nachdenklich stand Peter Berner an der Fensterfront seines Bungalows. Wegen des Sturmes hatte er schlecht geschlafen und mit Sorge beobachtete er, wie der stürmische Wind große Wasserwolken vom Meer über den Strand in Richtung seines Hauses trieb. In den fast 30 Jahren, die er hier auf der Insel lebte, waren noch nie im Frühherbst solch heftige Schauer niedergegangen. Immer wieder zerstäubten heftige Windböen die herab prasselnden Tropfen zu einem feinen Spray, das sich durch Türritzen und Fensterdichtungen des Hauses drängte. Im Wohnzimmer entstanden nahe den Terrassentüren immer neue kleine Pfützen auf dem weißen Fliesenboden.

    »Ich muss in die Garage und nach meinen Autos sehen!«, rief er abwesend über die Schulter. Er erwartete keine Antwort; seine Frau lebte nicht mehr. Trotzdem konnte er es sich nicht abgewöhnen, seine Überlegungen und Gedanken laut mitzuteilen. Als er eine weibliche Stimme aus der Küche vernahm, war er überrascht.

    »Ja, ist ok, mach das. Nicht, dass deinem Roadster etwas passiert. Der ist ja so empfindlich.«

    Manchmal vergaß Peter Berner, dass Julia seit kurzem bei ihm wohnte. Er hatte sie nach dem Tod seiner Frau bei einem Besuch der Spielbank von Puerto del Rosario kennengelernt und sozusagen vom Fleck weg geheiratet. Julia war Anfang vierzig, sah aber wesentlich jünger aus. Sie war gebildet, gutaussehend, und trotz des großen Altersunterschiedes von nahezu 25 Jahren verstanden sich die beiden bestens, auch im Bett. So wurde sie die neue Frau an seiner Seite.

    Wegen des Altersunterschieds hielt man die beiden zwar öfter für Vater und Tochter, Berner gefiel das aber. Er schmückte sich gerne mit Julia. »Das gibt mir ein gutes Gefühl«, sagte er häufig zu seinen Freunden. Geschmückt hatte er sich auch mit seiner ersten Frau, Antonia, die er durch einen tragischen Autounfall verloren hatte.

    »Deine Schätzchen musst du hüten wie deinen Augapfel!«, rief sie aus der Küche, »und davon stehen ja einige in der Garage. Also geh schon!«

    Er schmunzelte und dachte daran, wie er mit ihr vor ein paar Monaten im offenen 1963er Mercedes 300 SL Roadster über die Insel gefahren war. Während der Spritztour hatte ihm Julia permanent in den Ohren gelegen.

    »Vorsicht, Vorsicht, der nimmt dir die Vorfahrt! Pass auf, der wechselt die Spur. Fahr nicht so dicht auf!«, mahnte sie alle paar Meter etwas anderes an. Einem anderen Verkehrsteilnehmer machte sie mit eindeutigen Gesten klar, was sie davon hielt, dass er mit Tempo aus einer Seitenstraße kommend sehr spät gebremst hatte.

    »Ist doch nur Blech, mach dir nicht ins Hemd, Liebste«, lachte Berner.

    »Na ich weiß nicht. 1,6 Millionen Euro sind ein teures Blech. Da darf ich mir doch wohl berechtigte Sorgen machen. Wenn dir jemand reinfährt, kannst du das Ding komplett abschreiben. Geld wirst du von einer spanischen Versicherung für diese Rarität hier doch niemals sehen.«

    Beruhigend legte er den rechten Arm um sie und steuerte das Auto lässig mit der anderen Hand. Während ihre langen, blonden Haare wild im Fahrtwind wehten, blickte er sie stolz von der Seite an. Nach dem letzten Kreisverkehr, am Ortsausgang von Puerto del Rosario, gab er kräftig Gas. Röhrend inhalierte der Vergaser die Luft und gab sie an den Sechszylinder weiter, der das Auto daraufhin energisch vorwärts schob.

    Als er an die Fahrt zurückdachte, musste Berner unwillkürlich lächeln. Er drehte sich noch einmal in Richtung Küche und rief: »Mein liebster Schatz bist außerdem du! Ich komme gleich wieder«.

    Er ging in den Flur und überlegte, was er bei dem Wetter am besten anziehen könnte.

    Wenn ich mal wieder in Deutschland bin, muss ich mir wohl Gummistiefel kaufen, stellte er fest und schlüpfte in die ältesten italienischen Slipper, die er in seinem Schuhschrank finden konnte. Und bei diesem Wetter im Jackett nach draußen zu gehen, ist wohl auch Quatsch.

    Kurzentschlossen holte er sich einen großen blauen Müllsack, riss oben und an den Seiten ein Loch hinein und streifte ihn sich einfach über.

    Unten Dandy, oben Strolch, dachte er grinsend und trat vor die Tür. Wie mit einem Faustschlag wurde er von prasselndem Regen und orkanartigem Wind getroffen. Er lief den kurzen Kiesweg hinunter zu seiner Garage.

    Als er mit der Fernbedienung das Garagentor in Bewegung setzte, öffnete sich beinahe zeitgleich das Einfahrtstor zu seinem Grundstück. Verblüfft schaute Berner seine Fernbedienung an, als im nächsten Augenblick ein alter Renault-Kastenwagen in das Grundstück einbog. Das klapprige Auto gehörte Benjamin, seinem Sohn. Peter Berner stellte sich schutzsuchend in die Garage, während Benjamin den Motor durch Abwürgen abstellte, aus dem Fahrzeug sprang und zur Garage gerannt kam.

    »Benschi! Was machst du …«, weiter kam Peter Berner nicht.

    »Ich brauche deine Hilfe, bitte!«

    »Komm rein«, antwortete Peter Berner und ging ein Stück in die Garage. Lässig lehnte er sich an einen in Racing Green lackierten Jaguar E-Type.

    »Na, mal wieder in Schwierigkeiten, Benschi?«

    Benjamin zuckte mit den Schultern, musterte seinen Vater von oben bis unten und schüttelte verständnislos den Kopf. »Wie läufst du denn rum? Millionenteure Autos in der Garage, aber kein Geld für eine Regenjacke?«

    »Wenn du gekommen bist, um mir meinen Lebensstil vorzuhalten, kannst du auch gleich wieder gehen«, antwortete Peter Berner ärgerlich, »aber das wäre wenigstens mal was Neues. Sonst kommst du ja nur, wenn du was brauchst.«

    Benjamin Berner sah seinen Vater selbstgefällig an: »Mein Genie wird notorisch verkannt und du machst mir Vorwürfe, aber das ist ja auch nichts Neues. Jedenfalls wollte ich nur Bescheid sagen, dass ich von hier weg muss. Im Orchester werde ich gemobbt, die wollen mich loswerden. Ich habe seit sechs Wochen kein Gehalt bekommen. Du kannst mir bestimmt ein wenig unter die Arme greifen.«

    Durchdringend sah Peter Berner seinen Sohn an. Er hatte immer gehofft, Benjamin würde in seine Fußstapfen treten und das Baugeschäft übernehmen. Aber früh hatte sich herauskristallisiert, dass sein Sohn musisch höchst begabt war. Schon im Schulorchester hatte er am Kontrabass mit seiner herausfordernd dynamischen Spielweise Aufsehen erregt und seine Lehrer legten dem Vater nahe, Benjamin unbedingt auf ein Konservatorium zu schicken.

    Nach langem Drängen hatte Peter Berner schließlich nachgegeben. Benjamin war überglücklich, als er an der Königlichen Musik-Hochschule, dem Real Conservatorio Superior de Música in Madrid, angenommen wurde. Mit 15 Jahren war er einer der jüngsten Schüler, die dort jemals einen Platz bekommen hatten. Insider hatten ihm eine große Karriere vorhergesagt und als er mit 18 Jahren von Daniel Barenboim ein Engagement im West-East Divan Orchestra erhielt, schien Benjamins Zukunft golden und gesichert. Stattdessen aber war sein Lebensweg nach dem Konservatoriums- Abschluss gepflastert von Problemen und Schwierigkeiten, die er sich durch seine Überheblichkeit selber zuzuschreiben hatte.

    »Aha«, murmelte Peter Berner, »hat es sich mein feiner Sohn mal wieder mit allem und jedem verscherzt. Und jetzt darf ich wieder herhalten.«

    Benjamin verzog das Gesicht: »Ich sag dir doch, die mobben mich. Der Dirigent macht mich in jeder Probe zum Gespött. Er hat doch tatsächlich zu mir gesagt, ich solle mal das spielen, was auf dem Notenblatt steht. Ich wäre so hölzern, dass sogar Pinocchio neidisch würde. Mein Gagliano-Bass müsste vor Scham ja auseinanderspringen, so wie ich ihn malträtiere. Dabei ist doch der Dirigent das Problem. Hat nur ’ne große Klappe, aber keine Ahnung von dem, was er da tut.«

    Peter Berner kannte die Tiraden seines Sohnes in- und auswendig. Oft schon hatte es Ärger mit seinen Engagements gegeben. Und immer wies Benjamin die Schuld dem Konzertmeister, dem Dirigenten oder auch dem Ensemble zu. Und jedes Mal hatte es damit geendet, dass er das Orchester Hals über Kopf verließ oder verlassen musste. Und meistens hatte Peter Berner finanziell ausgeholfen, obwohl Benjamin keine Gelegenheit ausließ, großmundig zu verkünden, dass er es alleine schaffen würde und auf den Mammon seines Vaters nicht angewiesen sei.

    Mit der Bekanntgabe vor knapp zwei Monaten, dass er einen Vertrag als Stimmführer am Orquesta Filarmónica de Gran Canaria in Las Palmas unterschrieben hatte, ließ Benjamin auch gleich verlauten, dass er dem Orchester ›neues Leben einhauchen‹ werde. Peter Berner hatte ihn daraufhin einmal mehr ins Gebet genommen und gefordert, endlich auf den Boden der Tatsachen zu kommen und sich zusammenzureißen. Dass es jetzt schon wieder Ärger gab, war für den Geschäftsmann und Realisten zu viel.

    »Ich habe dich gewarnt! Du bist doch nur borniert und überheblich, willst immer alle anderen umkrempeln, anstatt dir mal was sagen zu lassen. Von mir kannst du jedenfalls keine Unterstützung mehr erwarten. Von deinen verdammten Allüren habe ich endgültig genug.«

    Benjamin Berner kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und giftete: »Ich bin ein Genie mit überragender schöpferischer Kraft. Während du nur Steine mit Beton zusammenkleisterst, bewege ich Menschen, schaffe Emotionen und schenke der Welt den Kuss der Muse. Und jetzt bitte ich einmal um Hilfe und du lässt mich abblitzen wie, wie … einen verdammten Straßengeiger.«

    Peter Berner grinste. Seine Antwort kam trocken: »Genie ist ein Prozent Inspiration und neunundneunzig Prozent Transpiration.«

    Wutentbrannt riss Benjamin einen herumliegenden großen Schraubenschlüssel an sich und schleuderte ihn krachend in die Fahrertüre des 1973er Ferrari Dino seines Vaters. Mit einem dumpfen Knall zersprang die Seitenscheibe in tausend Stücke. Die Glasbrösel vermischten sich auf dem Garagenboden mit roten Lacksplittern, die von dem stark deformierten Blech herabfielen. Peter Berner schluckte. Nach einigen Sekunden fing er sich: »Die Reparaturkosten dürften sich auf etwa 12.000 Euro belaufen. Ich denke, soeben hast du deine letzte Chance auf Unterstützung im wahrsten Sinne des Wortes weggeworfen.«

    »Scheiß drauf!«, schrie Benjamin, verließ schäumend vor Wut die Garage und setzte sich grimmig in sein Auto. Beim dritten Versuch sprang der altersschwache Motor endlich an. Mit durchdrehenden Reifen fuhr Benjamin Berner vom Grundstück.

    Estragon Salazar, der Reviervorstand der Polizeistation in Antigua, rief Kommissar Grillmayr zu sich.

    »Grillo, du musst sofort nach Puerto del Rosario fahren. In der Nähe des Hafens gab es wohl so etwas wie, nun ja, der Anrufer sagte etwas von einem Arbeitsunfall. Jedenfalls gibt es einen Toten.«

    »Estragon, du weißt doch, dass so etwas nicht in meinen Verantwortungsbereich fällt«, antwortete der Kommissar abweisend und fügte schnaubend hinzu: »Arbeitsunfall.«

    Aber Grillmayr wusste schon, was Salazar gleich antworten würde, deswegen drehte er sich kurz vor dem Verlassen des Dienstzimmers noch einmal um. Der Reviervorstand hatte den Zeigefinger schon gehoben und setzte an, etwas zu sagen: »Dienst ist Dienst und du bist …«.

    Grillmayr ergänzte schnell: »Ich weiß, ich weiß, der einzige Kommissar auf der Insel.«

    Salazar nickte zufrieden und machte eine wedelnde Handbewegung, als wollte er Grillmayr aus dem Raum scheuchen.

    »Auf geht’s, Schoßé!«, rief der Kommissar laut durch den Flur.

    Sein Assistent kam aus dem gemeinsamen Büro geschossen, lief am Kommissar vorbei, zögerte an der Eingangstür des Reviers kurz und sprintete dann durch den strömenden Regen zum Auto. Bei dem heftigen Wolkenbruch reichten die wenigen Meter zum Streifenwagen, um den Kommissar und seinen Assistenten José völlig zu durchnässen.

    »Na sauber, das hat mir noch gefehlt«, maulte Grillmayr und trocknete sich mit seinem Stofftaschentuch Gesicht und Hals ab. José zog kurzerhand sein Hemd aus, nachdem er sich hinter das Lenkrad geklemmt hatte.

    »Das muss wohl dieser Klimawandel sein, den wir hier zu spüren bekommen, Schoßé.«

    »Kann sein, Chef. Und meine Tante in Kastilien ist schon seit Tagen eingeschneit. Der Dorfälteste hat gesagt, so früh im Jahr hätten sie noch nie so viel Schnee gehabt. Da soll sich einer auskennen, mit diesem Klimawandel.«

    Während die beiden nach Puerto del Rosario fuhren, rief Grillmayr seinen Freund an, den Pathologen Georg Sanchez. Die letzten Tage hatte Georg mal wieder eine Espression gehabt. Die Wortkreation aus España und Depression hatte sich der gebürtige Gelsenkirchener und Sohn eines Spaniers für seine melancholischen Phasen zurechtgelegt, die von dem Heimweh nach dem Ruhrpott und besonders nach seiner Geburtsstadt Gelsenkirchen ausgelöst wurden. Meist – eigentlich immer, sprach er dann kräftig dem Alkohol zu. Wenn er nicht zum Dienst im Krankenhaus von Morro Jable erschien, ahnte man schon, warum. Aber heute war Georg aufgeräumt, seine schlechte Stimmung verflogen und er arbeitete wieder.

    »Im Dienst«, beantwortete er geschäftig Grillmayrs Anruf.

    »Hola, Georg. Na, bist du ausgelastet, oder kannst du Zeit für einen neuen Fall erübrigen?«

    »Also Grillo, für dich habe ich doch immer Zeit. Aber langsam könntest du mal einen Antrag bei deinen Vorgesetzten stellen, dass sie mich in den Stand eines Gerichtsmediziners erheben. Der Begriff Pathologe entspricht ja nicht mehr exakt meiner Stellenbeschreibung.«

    In der Tat hatte der Kommissar seinen Freund Georg bei seinem ersten Fall um Hilfe gebeten, da damals von Gran Canaria kein Gerichtsmediziner verfügbar war. Georg hatte mehrmals darauf hingewiesen, dass seine Untersuchungs- ergebnisse als Pathologe möglicherweise nicht gerichtsfest wären, aber der Kommissar hatte sich einfach darüber hinweggesetzt. Und bisher hatte es auch keine Schwierigkeiten deswegen gegeben.

    »Titel sind doch nur Schall und Rauch, Georg. Für mich zählen ausschließlich Ergebnisse. Und damit hast du bisher immer richtig gelegen, besonders seitdem du diese neue Kollegin …«

    »Illumina«, rief Georg dazwischen.

    »Genau«, fuhr Grillmayr fort, »seitdem du dieses Wundergerät namens Illumina als Kollegin hast. Diese DNA-Analysen sind jedenfalls eine wertvolle Hilfe in unserem letzten Fall gewesen.«

    Georg war still geworden. Er kaute immer noch schwer daran, dass ein zufällig vorgenommener Abgleich seiner DNA mit der Probe einer kurzzeitig festgenommenen deutschen Touristin namens Hilde Bach einen Verwandtschaftsgrad von 25% ergeben hatte. Er hatte also eine Halbschwester, von der er bis dahin keine Ahnung gehabt hatte. Den Mut, das Thema bei seinen Eltern anzusprechen, hatte er bislang nicht aufgebracht. So lebte er mehr oder weniger gut mit dieser Ungewissheit und führte seine häufigen Espressionen auch darauf zurück. Grillmayr wusste davon, wollte das Thema aber auch nicht weiter breittreten und seinen Freund nicht in Verlegenheit bringen.

    »Schoßé und ich sind auf dem Weg nach Puerto del Rosario in die … wie hieß das nochmal, Schoßé?«

    »Calle Hermanos Machado 9«, antwortete José wie aus der Pistole geschossen.

    »Hast du gehört, Georg? Am besten, du kommst gleich dazu. Es gibt einen Toten und die Umstände sind unklar.«

    »Ah, unklar sagst du. Das hört sich doch nach einer Herausforderung an. Das ist genau das, was ich jetzt brauche. Bin schon unterwegs.«

    Grillmayr wollte noch etwas antworten, aber Georg hatte schon aufgelegt.

    Nachdenklich sah der Kommissar seinen Assistenten an, der mit nacktem Oberkörper am Steuer saß.

    Unkompliziert war er von Beginn an, der Schoßé. Andere würden jetzt jammern, dass sie in nassen Klamotten nicht arbeiten können und sich erst umziehen müssen. Mei, die Generation Ypsilon halt. Die haben ganz andere Prioritäten als wir, und aushalten tun’s auch nix, wirken immer leicht überfordert und achten dauernd auf ihre Life-Balance. Aber der Schoßé, der hat Qualitäten, überlegte Grillmayr in seinem typischen Münchner Zungenschlag. Dieser kam immer durch, wenn der Kommissar nachdachte oder auch laut über etwas grübelte.

    Er erinnerte sich daran, wie José, frisch von der Polizeischule in Madrid, eines Tages in der Tür stand.

    »José Esparagio, ich trete heute hier meinen Dienst an. Wo ist mein Schreibtisch?«, hatte er sich kurz und knapp vorgestellt.

    Das war jetzt etwas mehr als ein Jahr her und inzwischen hatten sie zusammen zwei höchst komplizierte Fälle gelöst. Völlig unerwartet kam vor knapp zwei Monaten, während sie mitten in ihrem zweiten gemeinsamen Fall steckten, eine Versetzungsanweisung für José. Nur unter Zuhilfenahme seiner Beziehungen hatte der Kommissar das aber gerade noch abwenden können. So stand ihnen wenigstens noch ein weiteres gemeinsames Jahr bevor.

    Wobei – davon sind ja auch schon wieder drei Monate rum, sinnierte Grillmayr.

    »Na, Schoßé, was macht deine Freundin Arantxa? Kommt sie damit klar, dass du auf Fuerte bleiben musst, oder wäre sie dich lieber losgeworden?«

    José lachte und zuckte mit den Schultern.

    »Danke, Chef, dass Sie sich für mich eingesetzt haben. Ich habe mich ja gerade mal eingelebt, da wollte ich nicht wirklich schon wieder

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