Innere Qualität: Theoretische Konzeption, Management und Politik
Von Kuno Rechkemmer
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Buchvorschau
Innere Qualität - Kuno Rechkemmer
IINNERE QUALITÄT
Gute Innere Qualität ist nicht alles.
Aber ohne gute Innere Qualität ist alles nichts.
frei nach Arthur Schopenhauer
Innere Qualität ist ein intuitiver Begriff. Praktiker wissen in aller Regel sofort, worum es geht. Doch was ist Innere Qualität genau? Dieser Frage gehen wir im Rahmen der IQ-Theorie nach, die wir in diesem ersten Teil des Buchs vorstellen. Der Analyse gehen folgende Praxiserfahrungen voraus:
1.Die Güte der Inneren Qualität ist ein kritischer Qualitäts- und Erfolgsfaktor einer Organisation, und dies im Hinblick auf die sich verändernden Arbeitswelten mehr denn je. Auch Veränderungsprozesse, wie die Digitalisierung, brauchen gute IQ, um erfolgreich zu sein. Wird die Systemdurchdringung immer umfassender, macht der Mensch – und damit die Innere Qualität – mehr denn je den Unterschied aus.
2.Komplexe Organisationen haben im Bereich der Inneren Qualität allgemein kritische Defizite. In manchen Bereichen ein und derselben Organisation ist die IQ gut, in anderen schlecht. Die Einbußen an Qualität und Erfolg sind teils signifikant.
3.Für eine gute Innere Qualität zu sorgen, gehört zu den Hauptaufgaben der Geschäftsführung komplexer Organisationen. Die hierfür erforderlichen Instrumente stehen ihr jedoch nicht zur Verfügung.
4.Ursächlich für die Defizite ist nicht die Praxis, sondern die Managementtheorie und deren bisherigen Schwerpunktsetzungen.
Vor diesem Hintergrund gehen wir im Rahmen der IQ-Theorie insbesondere den folgenden Fragen nach: Was sind die typischen Merkmale der Inneren Qualität aus der Perspektive der Geschäftsführung komplexer Organisationen (der Begriff wird im Weiteren erläutert)? Warum kann die Innere Qualität schlecht sein, was sind die Bestimmungsfaktoren? Welche Aufgaben hat die Geschäftsführung einer komplexen Organisation in Bezug auf die Innere Qualität und wie nimmt sie diese bislang wahr? Welche Probleme zeigen sich hierbei? Wie sind diese zu lösen?
Erkenntnisgegenstand der IQ-Theorie ist die Innere Qualität von Organisationen im Allgemeinen. Erkenntnisperspektive ist die Innere Qualität komplexer Organisationen aus dem spezifischen Blickwinkel von deren Geschäftsführung. Erkenntnisziel ist die Bestimmung der Merkmale und Probleme des Managements der IQ sowie der Ansatzpunkte zu deren Lösung aus dieser Perspektive, was zu Teil II des Buchs überführt.
Seitens der Managementforschung ist die IQ-Theorie durch die ganzheitlich-systemische Managementschule geprägt, wie sie durch das mit den Namen von Ulrich, Probst und Bleicher verbundene St. Galler Management-Konzept (Ulrich, 1985; Ulrich u. Probst, 1990; Bleicher, 1992) bekannt ist. Erkenntnisse moderner Ökonomik, wie etwa der modernen Institutionenökonomik (vgl. u. a. Jensen, Meckling, 1976; Hart u. Moore, 1988; Hart u. Holmström, 1989), des Organizational Behavior, der ökonomischen Verhaltensforschung und der Wirtschaftsethik (vgl. u. a. Coase, 1937; Parsons, 1937; Skinner, 1953; Argyris, 1958; Cyert u. March, 1963; McGregor, 1960; Herzberg, 1968; Katz u. Kahn, 1978; Kotter u. Heskett, 1992; Simon, 1947; Schein, 1979; Schein, 1985; Tversky u. Kahneman, 1974; von Rosenstiel u. Nerdinger, 2011; Kahneman, Tversky, 1984; Kahneman, 2000; Burns, 1961/62; Thaler u. Sunstein, 1994. Weber, 1904/1985; Homann u. Blome-Drees, 1992. Hurwicz u. Reiter, 2006) fließen in die Konzeption ein.
Generelle Bezugspunkte darüber hinaus sind die Entwicklungslinien der Managementtheorie im Allgemeinen, wie Scientific Management, Human Relations, Human Resources, Qualitätsmanagement, Strategisches Management, Topmanagement (vgl. u. a. Machiavelli, 1513; Taylor, 1911; Mayo, 1933; Maslow, 1954; McGregor, 1960; McGregor, 1966; Ouchi, 1981; Chandler, 1962; Ansoff, 1965; Porter, 1980; Porter, 1986; Barnard, 1938; Drucker, 1967; Mintzberg, 1973; Bleicher, 1989) sowie spezifische Konzeptionen und Methoden im Besonderen, wie Balanced Scorecard, Business Process Engineering, Lean Management, Learning Organization, strategische Unternehmensmodelle, Corporate/Public Governance (vgl. u. a. Kaplan u. Norton, 1996; Deming, 1986; Toyota Motor Corporation, 1998; Champy u. Hammer, 2001; Womack, Jones u. Roos, 1990; Prahalad u. Hamel, 1990; Senge, 1990; Peters u. Waterman, 1982; Deutscher Corporate Governance Kodex (www.dcgk.de).
Gang der Analyse
Die IQ-Theorie ist modular aufgebaut. Das Phänomen der Inneren Qualität wird gemäß den Erkenntniszielen aus unterschiedlichen Blickwinkeln abgebildet und analysiert. Die nachstehende Graphik zeigt die Modelle im Überblick. Sie bildet das ganzheitliche Bezugssystem der IQ-Theorie.
IQ-Theorie – Modelle im Überblick
Orientiert an diesem System ist die Theorieentwicklung in folgende Abschnitte gegliedert:
1.Aufgabenmodell, Qualitätsmodell, Organisationsmodell, Verhaltensartenmodell. Wir führen die grundlegenden Begriffe und Axiome unserer Analyse ein und leiten aus diesen allgemeine Merkmale des IQ-Phänomens ab.
2.Strukturmodell, Prozessmodell. Wir analysieren die strukturellen und prozessualen Spezifika der Inneren Qualität komplexer Organisationen aus dem Blickwinkel von deren Geschäftsführung.
3.Konfigurationsmodell, Kognitionsmodell, Reaktionsmodell, Kulturmodell, Dynamikmodell. Wir listen aus dem Blickwinkel der Geschäftsführung Merkmale komplexer Organisationen auf, welche nach unserer Erfahrung über die strukturellen und prozessualen Eigenschaften hinaus dazu beitragen, dass die Innere Qualität dieser Organisationen trotz guter Äußerer Qualität schlecht sein kann.
4.Governancemodell, Geschäftsführungsmodell. Wir wechseln die Perspektive von den Merkmalen der Inneren Qualität hin zu den Aufgaben der Geschäftsführung komplexer Organisationen hinsichtlich der IQ. Wir stellen das bisherige Vorgehen nach unseren Erfahrungen dar und zeigen das Kernproblem auf, nämlich die Lücke im bislang gängigen Managementsystem komplexer Organisation in Bezug auf die IQ.
5.Prognosemodell: Wir leiten aus dem theoretischen Befund Prognosen zur allgemeinen IQ-Lage in der Praxis und der Relevanz der MIQ-Lösung auf einzel- und gesamtwirtschaftlicher Ebene ab.
Die modelltheoretische Entwicklung erfolgt vom Allgemeinen zum Speziellen. Begriffe und Axiome werden schrittweise fortentwickelt und vermehrt differenziert.
1Aufgabenmodell – Äußere und Innere Qualität
Mit dem Aufgabenmodell führen wir die grundlegenden Begriffe und Axiome der IQ-Theorie ein. Als Erstes stellen wir unser Modell der Aufgabenwahrnehmung vor. Anschließend definieren wir die Begriffe Innere und Äußere Qualität in erster Annäherung.
Modell der Aufgabenwahrnehmung
Das Modell basiert auf folgenden Prämissen: Organisationen haben einen Zweck. Zu dessen Erfüllung sind Aufgaben wahrzunehmen. Zur ordnungsgemäßen und sorgfältigen Wahrnehmung dieser Aufgaben ist zweierlei notwendig:
1.gute Strukturen und Prozesse,
2.gutes werteorientiertes Verhalten der Beschäftigten.¹ Modell der Aufgabenwahrnehmung
Organisationen
Organisationen sind zweckgerichtete, produktive und soziale Systeme. Im Rahmen der IQ-Theorie verwenden wir den Begriff zunächst in allgemeiner Form. Im Weiteren engen wir den Bezug auf komplexe Organisationen ein, wie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen, Forschungseinrichtungen, Krankenhäuser (vgl. Organisationsmodell).
Beschäftigte
Beschäftigte sind als Arbeitnehmer in einer Organisation tätig. Sie können Mitarbeiter oder auch Führungskräfte sein. Beschäftigte stehen in einem Vertragsverhältnis zur Organisation und haben aus diesem Rechte und Pflichten bzw. Aufgaben. Details sind durch die Arbeitsverträge, das geltende Arbeitsrecht, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen geregelt. Zu den Pflichten der Beschäftigten gehört, dass sie ihre Aufgaben weisungsgemäß erfüllen und sich in die Organisationsprozesse konstruktiv und zum Wohl der Organisation einbringen. Ihre Rechte manifestieren sich in Ansprüchen wie Arbeitsentgelt, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaub.
Strukturen und Prozesse
Mit dem Begriff Strukturen und Prozesse bezeichnen wir in erster Annäherung Faktoren wie Gebäude, Ausstattungen, Stellenpläne, Abläufe, Methoden, Programme. Sie sind eine zentrale Kontextgröße der Aufgaben der Organisation und deren Wahrnehmung durch die Beschäftigten.
Aufgaben
Die Aufgaben leiten sich aus dem Zweck und Kontext einer Organisation ab. Sie variieren je nach Branche und Faktoren, wie Wirtschaftslage oder Geschäftsmodell. Beispiele allgemeiner Dimensionen sind
–Gesamtaufgaben: Existenzsicherung, sozial-ökologische Verantwortung, Nachhaltigkeit;
–Ressortaufgaben: Personal, Finanzen, Vertrieb;
–Metaaufgaben: Planung, Entscheidung, Umsetzung;
–Managementdimensionen: Ethik, Politik, Strategie, Operative;
–Hierarchie: Geschäftsführung, Topmanagement, mittleres Management, Operative.
Kennzeichnend für das Modell der Aufgabenwahrnehmung ist die Gliederung der Aufgaben einer Organisation in eine methodisch-technische und eine werteorientierte Komponente.
–Mit dem Begriff