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Fürchte Dich Nicht
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eBook217 Seiten3 Stunden

Fürchte Dich Nicht

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Über dieses E-Book

Jessica ist alles andere als glücklich. Sie findet weder Sinn noch Sicherheit in ihrem Leben, obwohl sie sich viele marternde Gedanken um sich und die Welt um sie herum macht.

Eines Tages trifft sie auf die freundliche Charlotte, eine gläubige Christin, und kommt mit ihr ins Gespräch. Jessica fragt Charlotte Löcher in den Bauch und gemütlich beisammensitzend durchstreifen sie zusammen den christlichen Glauben.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum10. Dez. 2023
ISBN9783755463368
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    Buchvorschau

    Fürchte Dich Nicht - Nero Kalypso

    Kapitel 1

    Was Jessica störte, also, so richtig störte, war, dass die Welt es einfach nicht hinbekam, ihr ein besseres Lebensgefühl zu geben. Manchmal empfand sie es beinahe als ungerecht. Eigentlich war die Welt doch schön. Manchmal.

    Es war Freitag. Sie machte einen Spaziergang durch das Neubaugebiet. Im Vergleich zu der Gegend, in der sie vorher gewohnt hatten, war es hier angenehm ruhig. Gut, hier und da gab es noch Baustellen, aber wenn man sich vor Augen hielt, dass sie vorher unmittelbar an einer vierspurigen Straße gewohnt hatten, die eine der meistbefahrenen Verbindungen in Richtung Innenstadt darstellte, dann war das hier ganz sicher eine Verbesserung. Und es war nicht nur ruhiger hier, sondern auch objektiv betrachtet schöner. Es gab so etwas wie Grünflächen. Auf diesen Teilen, die man links und rechts auf die Straßen gepackt hatte, zur Verkehrsberuhigung. Oder um den Kinderspielplatz herum. Und auch um das Haus herum, in welchem ihre Familie nun wohnte, gab es ein wenig Grün: Sie hatten jetzt einen Garten, was ganz besonders Mama freute. Also nicht nur einen Balkon mit ein paar Gewächsen in Blumenkübeln, sondern einen echten Garten, in dem man auch mehr als drei Schritte in die gleiche Richtung gehen konnte, ohne irgendwo anzustoßen.

    Und sie wohnten nicht mehr im siebten Stock.

    Ja, objektiv war alles irgendwie besser. Objektiv. Und genau da lag auch schon das Problem. Es ärgerte Jessica, dass nicht auch subjektiv alles besser war – oder zumindest gut. Auf der einen Seite wusste sie, dass Dinge gut waren – dass sie umgezogen waren, zum Beispiel, oder dass die Sonne schien. Dass sie gesund war, dass es ihrer Familie gutging. Dass sie genug Geld hatten, um sich alles zu kaufen, was sie brauchten. Diese ganzen Sachen. Natürlich war das alles gut. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie ihr Leben aussähe, wenn die Umstände ganz andere wären. Letzten Endes konnte, ja, musste sie sich eingestehen, dass sie objektiv auf der Sonnenseite des Lebens aufwuchs. Es ging so vielen Menschen so viel schlechter als ihr.

    Und dann kam dieser Ja-und-wenn-schon-Gedanke. Ja, und wenn schon, was nützte ihr das alles? Sollte sie sich jetzt glücklich fühlen? Wahrscheinlich war das die Erwartung an sie. Es war mit Sicherheit eine Hoffnung, und zwar die ihrer Eltern. Jessica war nie ein äußerst extrovertierter Mensch gewesen. Es hatte sich einfach nie ergeben. Sie war oft gedrückter Stimmung, fühlte sich mies und kraftlos. Sie wusste, dass ihre Eltern sich deswegen Sorgen um sie machen, und nichts wäre Jessica lieber, als dass sie es irgendwie zustande brächte, ihren Eltern diese Sorgen zu nehmen. Es gab da nur ein paar Hindernisse.

    Zum Beispiel wusste sie eben nicht, was sie tun sollte, um ihrer gedrückten Stimmung entgegenzuwirken. Sie wusste sie ja nicht einmal richtig zu beschreiben, zu benennen, in Worte zu fassen. Was sollte sie ihrer Mutter sagen, wenn diese sie das nächste Mal darauf ansprach? Mama fragte oft so etwas wie ‚Wie geht es dir heute?‘ oder ‚Meinst du, du könntest etwas tun, was dir guttut? Damit du dich besser fühlst?‘

    Jessica vertrat aber inzwischen die Ansicht, es ging ihr nicht mal gut und mal schlecht, sondern ihre Lebensstimmung, die Art und Weise, mit der sie dem Leben begegnete, war schlicht festgefahren. Sie konnte ihre Stimmung nicht wechseln wie ihre Kleidung. Sicher, auch sie lachte ab und zu. Ja, natürlich, das kam vor. Ihr kleiner Bruder Florian schaffte es doch tatsächlich hin und wieder, sie zum Lachen zu bringen, und allein dafür müsste man ihm schon ein Abzeichen verleihen. Denn das war gar nicht so einfach.

    Um die Frage beantworten zu können, was man denn gegen ihre gedrückte Stimmung tun konnte, wäre es gut zu wissen, was diese Stimmung denn überhaupt auslöste. Nur wusste sie das nicht. Es war irgendwie alles, die ganze Welt, überhaupt und sowieso. Wenn sie es kurz und knapp formulieren müsste, dann würde sie sagen:

    Es erschien ihr einfach alles so unglaublich sinnlos.

    Ja, sie waren umgezogen – na und? Sie hätten ihretwegen auch dort weiter wohnen können, wo sie bisher gelebt hatten. An ihrem Lebensgefühl hatte das nichts geändert.

    Mama wollte schon länger endlich aus der Etagenwohnung raus. Jessica freute sich auch für sie, jedenfalls versuchte sie, dieses Gefühl wirklich zu empfinden. Aber wie sie das eben gewohnt war, wollte es nicht so recht. Gefühle waren schon vom Prinzip her scheiße. Was sollte man da auch erwarten?

    Hier, inmitten des Neubaugebiets am Rand der Stadt, auf dieser breiten, verkehrsberuhigten Straße, war im Moment nicht nur der Verkehr beruhigt. Es war alles ruhig. Ein leichter Wind zog über den Asphalt und sorgte dafür, dass man erst am Abend bemerkte, dass es eigentlich Sonnenbrandwetter war. Hell und sommerlich schien das Zentrum ihres Sonnensystems auf Jessica hinunter. Ja, es war eine gute Idee, nicht das schwarze T-Shirt anzuziehen. Es war zwar erst Frühling, aber diesen Tag hätte man auch so nehmen und ausschneiden können, um ihn in den beginnenden Hochsommer einzufügen.

    Sie hatte auf dem bisherigen Abschnitt ihres Spaziergangs kaum andere Menschen getroffen. So war es ihr auch am liebsten. Sie wusste manchmal selbst nicht recht, was in ihrem Kopf vorging. Manchmal bekam sie den Eindruck, andere Leute interessierten sich prinzipiell nicht für sie, übersahen sie, und sie meinte, sie sei einfach nicht wahrnehmbar. Als wäre sie nicht wirklich anwesend, als wäre sie nie hier entlanggelaufen. Und dann gab es wieder Tage, Zeiten, ja, manchmal auch nur Momente, in denen sie dachte, alle schauten sie an. Betrachteten sie. Und dachten sich: ‚Was ist denn mit der los?‘

    Oder: ‚Was genau hat die eigentlich für ein Problem?‘

    Aber Jessica wusste, dass diese Fragen nicht die Leute hatten, denen sie auf der Straße begegnete. Sondern sie selbst. Nur Antworten standen nicht in Aussicht.

    Sie war zumindest nicht untätig gewesen. Natürlich fühlte sie sich oft danach, einfach alles sein zu lassen und gar nicht erst aufzustehen, aber sie wusste, das konnte nicht die Lösung für ihre Probleme sein. Es war eigentlich eine Lösung für gar nichts. Es war einfach nur ein Hinauszögern der Probleme. Und der Traurigkeit. Um beides erst dann zu erleben, wenn man es gar nicht mehr vor sich wegschieben konnte, weil sich einfach ein zu großer Berg an Kram angesammelt hatte.

    Sie hatte sich schon einmal eine Liste geschrieben und darauf gesammelt, was sie denn nicht losließ, was sie herunterzog. Die Idee damals: einen Punkt nach dem anderen anzugehen und so nach und nach alles abzufrühstücken, was ihr auf der Seele lag. Wirklich gefruchtet hatte das nicht. Da hatten dann Punkte gestanden wie ‚Warum schaffe ich es nicht, mich wirklich über etwas zu freuen?‘, ‚Ich schaffe es nicht, in meinem Leben angekommen zu sein‘, ‚Ich weiß nicht, wer ich wirklich bin oder wer ich sein will‘. All das klang nicht nur ziemlich hochtrabend und als ob sie mit Diogenes, Sokrates und seinen Kumpels gerne mal zusammen abhing, sondern warf für sie, sobald sie sich damit ernsthaft befasste, bloß noch mehr Fragen auf.

    Und all diese Fragen hatten etwas gemeinsam: Sie alle waren verbunden mit einem unsagbaren Gefühl von Angst und einer mindestens ebenso großen Portion Unsicherheit.

    Und beides, Angst und Unsicherheit, waren für Jessica Dinge, mit denen sie einfach nicht umgehen konnte. Für sie waren die Dinge, die nicht geklärt wurden, Fragen, die sie nicht beantworten konnte, extrem anstrengend. Sie hatte nun wirklich keine Ambitionen, irgendwelche philosophischen Diskurse zu durchdenken oder sich in abenteuerliche Gedankenwelten vorzuwagen, nur um für sich Antworten auf Fragen zu finden, die sie im unbeantworteten Zustand herunterzogen. Wahrscheinlich war sie für diese Art von Überlegungen auch nicht hell genug in der Birne. Das kam noch erschwerend hinzu. Nein, sie wollte so ein belastendes Herumgedenke auf keinen Fall machen, wenn irgend möglich, tat es aber trotzdem viel zu oft, weil ihr Gehirn ihr keine Ruhe ließ.

    Was sie wollte: endlich von der Traurigkeit wegkommen, die sie empfand. Vom Öffnen der Augen am frühen Morgen bis zum Zubettgehen nahm sie die Rollen von mindestens hundert verschiedenen Personen ein, aber all diese Persönlichkeiten, all die Gefühle und Gedanken, die sich in ihr breitmachten und die ihr Lebensgefühl beeinflussten, hatten stets einen negativen Touch.

    Warum stehst du überhaupt auf, Jessica? Was willst du heute erreichen? In der Hochschule – du verstehst doch eh nur die Hälfte von dem, was man dir da beibringen will.

    Warum andere Menschen ansprechen? Was sollte das bringen? Ja, es war ein scheiß Gefühl, in der Mensa allein an einem Tisch für vier zu sitzen und speziell dann, wenn man sich noch über sich selbst ärgerte. Warum ging sie überhaupt zur Hochschule? Um was zu lernen, um einen guten Job zu bekommen? Sicher, sie brauchte irgendwann selber Geld, es störte sie jetzt schon, dass sie Mama und Papa auf der Tasche lag. Für die war das okay, sie studierte ja, aber irgendwann musste sie dann auf eigenen Beinen stehen. Ein eigenes Leben führen. Da brauchte sie halt Geld. Und dann würde sie jeden Tag aufstehen, arbeiten, Geld verdienen, nach Hause kommen, fernsehen, zu Bett gehen. Jeden Tag auf ein Neues. Eine tägliche Routine. Wieder ein Tag vorbei. Wieder einer, wieder einer, wie herabfallende Blätter eines Baumes. Und am Ende? War der Baum doch bloß kahl, mehr nicht.

    Es war jetzt schon ätzend und jetzt lebte sie doch in der besten Zeit ihres Lebens, oder? So sagte man doch. In der Schule bekam man gesagt, man solle die Zeit genießen, später würde es bloß noch anstrengender. An der Hochschule bekam man den Eindruck vermittelt, jetzt habe man die allergrößte Freiheit und sollte diese nutzen, später müsse man sich dann festlegen, einschränken, zurücknehmen. Und dann arbeitete man, hoffentlich bei einer Firma, die einem nicht spontan einen Brechreiz bescherte.

    Also effektiv befand sie sich jetzt in der allerbesten Zeit. Sie war Studentin. Sie bekam sogar, wenn ihre traurigen, dämpfenden Gedanken und Gefühle sie mal kurz machen ließen, das mit dem Studium halbwegs hin. Sie war jung. Vielleicht sogar einigermaßen ansehnlich, keine Ahnung, das mussten schon die Leute einstufen, die sie ansahen. Wenn es überhaupt welche gab. Sie takelte sich nicht auf und nahm sich stets das, was oben auf ihrem Wäschestapel lag. Es passte alles irgendwie zusammen, die Farben waren nicht sonderlich knallig, da konnte man ihres Erachtens einfach alles mit allem kombinieren. Nichts Mega-Umwerfendes. Normales Zeug eben.

    Also, sie war jung, ansehnlich, bekam sogar das eine oder andere in ihrem Leben hin. Eigentlich müsste sie vor Glück überlaufen.

    Jessica glaubte nicht, dass sie so was wie Depressionen hatte. Depressionen waren eine Krankheit. Etwas, das jemand einfach bekam und das die eigene Stimmung runterzog. Aber ihre Stimmung war ja nicht unten, weil eine Depression sie ihr vermieste, sondern weil sie das Leben sinnlos fand. Weil sie sich selbst nicht verstand, weil sie nicht wusste, warum sie überhaupt lebte, warum sie hier war. Weil sie kein Lebensziel hatte und sich immer und immer wieder davor ängstigte, ihr Leben falsch zu leben, nicht das Richtige zu tun, etwas zu übersehen oder einfach die Kurve nicht zu kriegen, was Glücklichsein anging. Um aus diesen Gründen unglücklich zu sein, brauchte es nun wirklich keine Depression, ihrer Meinung nach. Es war also nicht so, dass sie ein Opfer einer Stimmungsschwankung war, die einfach vergessen hatte, sie wieder in Ruhe zu lassen. Jessica blieb dabei: Alles, was sie runterzog, zog sie leider berechtigterweise herunter. Und das war noch viel schlimmer und ätzender, als wenn ihr Tief einer Krankheit geschuldet wäre, oder? Denn gegen Krankheiten konnte man wenigstens Medikamente nehmen.

    Was aber sollte sie denn bitte machen? Sich selbst weniger Gedanken? Können vor Lachen. Schön wär’s. Nein, sie konnte ihrem Gehirn nicht vorschreiben, was es zu denken hatte und was nicht, leider – ihr wäre es lieber, wenn sie es könnte. Und sie hatte es sich auch nicht ausgesucht, mit ihrem Leben zu hadern. Es war einfach so. Sie war einfach so. Ihr wäre es lieber, sie wäre kein Problemkind. Es wäre ihr lieber, wenn sie normal wäre.

    Normal – ja, das hätte schon was. Wenn sie einfach wie alle anderen herumlief, ohne sich immer in tiefgreifende Sinnfragen zu stürzen. Dann müsste sie nicht so viel nachdenken, was eine Entlastung wäre, und sie würde sich weniger Sorgen machen, was eine mindestens genau so große Last von ihr wegnähme. Es gäbe weniger, was sie bedrückte. Das wäre super. So jemand wäre sie lieber. Jemand, der sich eben nicht immer die großen Fragen des Lebens stellte, auf die es keine eindeutigen Antworten gab, jemand, der einfach draufloslebte.

    Jessica teilte häufig ein in ‚normal‘ und ‚weniger normal‘. Sie fragte sich so etwas wie ‚Wie würde denn ein normaler Mensch mit dieser Situation umgehen?‘ oder ‚Was würde ich jetzt tun, wenn ich normal wäre?‘

    Ihr Vater hatte dazu mal gesagt, wenn sie normal wäre, dann müsste sie sich davor in Acht nehmen, von jemandem mitgenommen und ausgestellt zu werden, da normale Menschen äußerst selten waren. Klar, Papa hatte Recht. Es gab keine normalen Menschen, jeder war auf seine Weise speziell. Jessica fielen eben nur auf Anhieb mehrere Händevoll Arten ein, auf die sie lieber speziell gewesen wäre als auf die, die sie nun an der Backe hatte.

    Sie musste irgendwie mit sich selbst auskommen und das fiel ihr schwer. Es gab immer wieder Reiberein mit ihr selbst. Manchmal hasste sie das Mädchen im Spiegel, schon morgens, wenn sie sich noch mit halb verschlossenen Augen und müden Gesichtszügen im Bad selbst ansah. Ja, manchmal würde sie am liebsten den Spiegel einschlagen. Toll, dachte sie dann oft, warum muss gerade ich so eine ungesunde Mischung aus Zweifeln, Herumgrübeln und Sorgenmachen mit mir herumtragen? Warum hatte sie dieses Bündel mit sich herumzuschleppen? Konnte sie nicht einfach all das sein lassen, es ablegen, wie einen alten, vermotteten Mantel, und einfach so durch den Tag gehen, ja, vielleicht sogar tanzen?

    Hatte das echte, normale, ganz bodenständige Leben nicht schon genug Schwierigkeiten? Gab es nicht schon genug Dinge, mit denen man sich beschäftigen und mit denen man erst mal klarkommen musste? So Sachen wie: die Hochschule, Freunde finden oder auch nicht finden, Regelschmerzen, die Trotzanfälle ihres kleinen Bruders, ihre Allergie gegen Edelmetalle, so Kram halt.

    Diese Sammlung könnte Jessica beliebig fortsetzen und es war nicht leicht zu sagen, was davon am meisten nervte.

    Und auch wenn es lieb gemeint war: Ja, es könnte immer deutlich schlimmer kommen. Aber es hatte ihres Wissens noch niemandem geholfen, das gesagt zu bekommen, auch wenn die Absicht eine gute war. Sicher hatte Jessica sich das schon das eine oder andere Mal klar gemacht. Ja, aber was hatte sie denn von diesem Wissen? Es befreite sie nicht, es half ihr nicht weiter, nicht einmal für einen kurzen Moment. Und manchmal fürchtete sie sich davor, dass es nur durch die Vorstellung, dass es ‚noch schlimmer‘ kommen könnte, dass es allein dadurch noch schlimmer wurde. Dass sie noch tiefer in ihre Gedanken abrutschte.

    Manchmal überkam sie das Gefühl, in der Zeit des Herumdenkens gar nicht gelebt zu haben. Jessica schaute sich verwundert um und musste feststellen, dass sie die Straße deutlich weiter heruntergelaufen war, als eigentlich geplant. Sie hatte nur einen kleinen Spaziergang machen wollen, einmal frische Luft schnappen. Es hatte das eine oder andere Mal schon geholfen, den Kopf etwas freier zu bekommen und dem eigenen Tief zumindest ein bisschen Sonnenlicht entgegenzusetzen. Jessica hatte sich vorgenommen, einmal ihr typisches Straßenrechteck abzugehen, aber nun war sie an einer Seite dieses Rechtecks übers Ziel hinausgeschossen. Sie war in ihre Gedanken abgetaucht und jetzt erst am Beckenrand angekommen, um aus dem Wasser hinaus auf die Welt um sie herum zu schauen.

    Jenseits des Beckenrands sah alles in etwa so aus wie in der unmittelbaren Nachbarschaft ihres neuen Zuhauses. Klar, war ja immer noch Neubaugebiet. Auch hier lagen noch ein paar Grundstücke brach und dienten bisher nur als Ablageplätze für Kies, Erde und was eben sonst noch so anfiel bei Baustellen. Ja, gut, dass sie umgezogen waren. Hier war es ruhiger und man fühlte sich nicht so sehr am

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