Jäger der Seelen - Collin
Von Loreletta Nox
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Über dieses E-Book
Collins Leben besteht aus genau drei Abläufen: Essen, Schlafen, Arbeiten.
Vor allem Letzteres tut er mit einer - meist nicht als solcher erkennbaren - Begeisterung.
Denn sein Beruf ist kein gewöhnlicher. Collin sammelt Seelen.
Ob gerade frisch verstorben, vergessen worden oder davongelaufen, landet der Name in seinen Händen, ist es meist zu spät.
Als jedoch eines Tages die aufgeweckte Satine seine Wege kreuzt und damit beginnt seine liebgewonnenen Strukturen durcheinanderzuwirbeln, droht die Welt des sonst so ruhigen Mannes aus den Fugen zu geraten.
Und letztlich steht er vor der schwersten Wahl seines Lebens: weitermachen wie bisher oder aus dem Trott ausbrechen?
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Buchvorschau
Jäger der Seelen - Collin - Loreletta Nox
Jäger der Seelen - Collin
von
Loreletta Nox
Kleines Vorwort
Liebe Rollenspieler
- und natürlich auch alle anderen Fantasy-liebenden Leute -
habt ihr euch schon einmal gefragt, was mit den geliebten Charakteren passiert, wenn sie ihre Abenteuer nicht mit heiler Haut überstehen und nicht einmal mehr eine Göttliche Intervention ihnen mehr helfen kann?
Ja?
Dann haltet ihr hier die Antwort in den Händen!
Entstanden aus einer alten Rollenspielrunde, die sich dieselbe Frage gestellt hatte, zeigt die Geschichte um Collin und seine Freunde, wie das mögliche Leben der gefallenen Helden aussehen könnte.
Eine nicht ganz ernst gemeinte Reise durch das chaotische Leben nach dem Leben diverser Rollenspielcharaktere - und jenen, die das noch vor sich haben.
Kurzbeschreibung
Collins Leben besteht aus genau drei Abläufen: Essen, Schlafen, Arbeiten.
Vor allem Letzteres tut er mit einer - meist nicht als solcher erkennbaren - Begeisterung.
Denn sein Beruf ist kein gewöhnlicher: Collin sammelt Seelen.
Ob gerade frisch verstorben, vergessen worden oder davongelaufen, landet der Name in seinen Händen, ist es meist zu spät.
Als jedoch eines Tages die aufgeweckte Satine seine Wege kreuzt und damit beginnt seine liebgewonnenen Strukturen durcheinanderzuwirbeln, droht die Welt des sonst so ruhigen Mannes aus den Fugen zu geraten.
Und letztlich steht er vor der schwersten Wahl seines Lebens: weitermachen wie bisher oder aus dem Trott ausbrechen?
Prolog
Der Himmel war mit dunklen Wolken verhangen, die ihre Schleusen über der Welt geöffnet hatten und gemeinsam mit einem unberechenbar brausenden Wind ihr Bestes taten, um Schmutz, Unrat und den Abschaum der sich ihre Bewohner nannte, zu ersäufen.
Als würde Mutter Natur versuchen ihre Parasiten elendig krepieren zu lassen, um frisch und befreit in einen neuen Lebensabschnitt starten zu können. Zumindest konnte es einem so vorkommen.
Nur das die meisten Menschen gar nicht die Absicht hegten dem hehren Ziel ihres Heimatplaneten Folge zu leisten.
Sie würden ihre Lungen nicht mit Wasser füllen, würden sich nicht von herunterfallenden Ästen, gar ganzen Bäumen, erschlagen lassen und ganz bestimmt würden sie sich generell nicht so einfach entfernen lassen.
Zumindest jene, die es bis dato geschafft hatten, dem tödlichen Sturm aus Magie und Vernichtung zu entgehen, der vor unbestimmter Zeit über die Welt gefegt war und Chaos, Tod und Zerstörung hinterlassen hatte.
Denn wenn das Wetter ‚schlecht‘ war, verkrochen sie sich in ihren Häusern, Autos oder sonstigen Unterschlüpfen, um abzuwarten und später erneut wie eine Heuschreckenplage über die kränkelnden Überreste ihrer Umwelt herzufallen.
Nur wenige Hartgesottene, denen trotz der kräftigen Regengüsse und der heftigen Windböen nichts Anderes übrigblieb als im Freien ihre Wege hinter sich zu bringen, harrten stur unter den verbliebenen Glasdächern von Bushaltestellen aus oder manövrierten sich mit eiligen Schritten durch die beständig größer werdenden Pfützen auf den recht leeren Straßen.
Und von diesen wenigen blieb nur einer, der nicht in übertriebener Hektik unterwegs war. Dem es egal war, ob er und seine Habseligkeiten nass wurden oder nicht. Der in aller Seelenruhe über den nassen Gehweg schlenderte, ohne Schirm, Mütze oder Zeitung als Behelfsmittel. Der nur kurz an einem der letzten nicht geborstenen Schaufenster inne hielt und sein Spiegelbild anstarrte, ohne es wirklich wahr zu nehmen.
Kurze blauschwarze Haare ohne erkennbare Frisur, die vom Regen schwer und nass an seinem Kopf klebten. Das Gesicht eindeutig männlich, aber nicht übertrieben markant geschnitten. Eine Nase, ein neutral verzogener Mund und zwei blaue Augen, die nur zwei Zustände zu kennen schienen: eiskalt starrend oder zum Schlafen geschlossen. Ein weißes Hemd, Ledermantel, lose gebundene Krawatte, Hose und Schuhe hingegen in schwarz und alles triefend nass.
Versunken in die Betrachtung dessen, was sich in der langsam matt werdenden Scheibe des ehemaligen Kaufhauses spiegelte, ließ er die Zeit verstreichen. Ließ aus Minuten Stunden werden, bis sich der Sturm beruhigte und die Wolken sich verzogen, um einer brennend heiß scheinenden Sonne Platz zu machen. Seinen Blick wandte er jedoch erst ab, als das Glitzern seiner Umwelt in der Spiegelung zu stark für ihn wurde und ihn zu blenden begann.
Mit einem unwilligen Schnauben wandte er sich ab und setzte seinen Weg fort. Einen Weg ohne bestimmtes Ziel wie man meinen könnte, schlenderte er doch kreuz und quer durch die aufgerissenen, teils überfluteten Straßen. Sein Blick blieb dabei stur nach vorne gerichtet, glitt kein einziges Mal nach links oder rechts, geschweige denn nach unten oder oben.
Und doch schien er einem vorgegebenen Pfad zu folgen, fand er sich doch nach zwei weiteren Stunden Marsch unter brüllender Sonne an einem gewaltigen Schutthaufen wieder, der einst zwei Gebäude gewesen sein musste. Scherben aus Glas und Plastik, Steine, Metallstücke vermischt mit den zerfledderten oder zerdrückten Überresten von menschlichen Habseligkeiten türmten sich vor ihm auf. Aber er hatte keinen weiteren Blick für das Mahnmal menschlicher Schicksale, geschweige denn für die davon aufsteigenden Staubwolken. Er war nicht hier, um die Menschen zu bedauern. Er war hier, um zu arbeiten.
Ruhig wandte er seinen Kopf zu beiden Seiten, um seinen weiteren Weg betrachten zu können. Links boten ihm bröckelige Ruinen mehrere mögliche Durchgänge, um zu seinem Ziel zu gelangen, rechts fand er eine noch relativ stabil aussehende Backsteinmauer. Die Wahl fiel ihm leicht, sodass er sich tonlos nach links umwandte und durch eines der vielen Löcher in der bröckeligen Wand stieg. Mehrere Schuhabdrücke auf dem Boden bestärkten ihn in der Vermutung, dass der Weg nicht nur von ihm genutzt wurde. Die Frage war lediglich: wie lange würde dem noch so sein?
Ein falscher Windhauch, ein leichtes Beben, alles Mögliche würde ausreichen, um das gesamte Konstrukt in sich zusammen fallen zu lassen wie ein instabiles Kartenhaus.
Eventuell würde dabei auch jemand sterben, mindestens jedoch verletzt werden, wenn das Gestein ihn oder sie unter sich begraben würde. Wenn es so weit war würde er zurückkehren, aber jetzt war dies nicht seine vorrangigste Sorge.
Von Vorsicht konnte keine Rede sein, als er mit gleichbleibenden Schritten zielstrebig über den unebenen Boden stapfte, feuchte Schuhabdrücke dabei in dem abgelaufenen Staub hinterlassend. Anstatt jedoch dem Weg weiter zu folgen und dadurch hinter den Schutthaufen zu gelangen, bog er auf der ungefähren Mitte des Weges an einem maroden Treppenhaus ab und stieg die teils abgebrochenen Stufen hinauf. Es bedurfte dreier Stockwerke, ehe er ein halbwegs stabil wirkendes Teilstück eines Bodens fand, auf welchem er gefahrlos stehen konnte.
Nicht, dass es ihn gekümmert hätte, wenn er abgestürzt wäre. Oder vielleicht doch, ein wenig zumindest. Immerhin hätte ihm weiterer Schutt seine Suche erschwert und er hasste es, wenn dies geschah. Ab diesem Moment bewegte er sich vorsichtiger, wählte seine Schritte mit Bedacht und riskierte mehrere Blicke, bevor er sich weiter voran bewegte.
So bestritt er seinen Weg vom Treppenhaus bis zu der Bruchkante, die ihn nahe genug an den angepeilten Schutthaufen brachte.
Hier musste es sein. Hier war der Zug am Stärksten. Prüfend richtete er den kalten Blick nach unten, überflog Steinbrocken und Metallstangen, bis er entdeckte wonach er gesucht hatte.
Ein junger Mann, dessen halber Körper teils unter den schweren Betonbruchstücken verschwand, während die andere Hälfte von Metallbruchstücken durchlöchert worden war. Blut und Staub hatten eine schmutzige Deckschicht auf dem Gesicht des armen Tropfs gebildet und seine Identität verschleiert.
Kein Mensch hätte mehr sagen können, wer dieser zermalmte Klumpen aus Fleisch, Knochen und Kleidung einst gewesen war. Für den Schwarzhaarigen bestand jedoch keinerlei Zweifel an der Identität dieses unglücklichen Haufens. Er wusste, dass es derjenige war, wegen dem er überhaupt erst hier gelandet war. Der, der ihn gerufen hatte.
Sein Ziel mit den Augen fixierend bewegte er sich weiter voran, überwand mit sicheren Schritten die kleineren Abgründe, welche den Boden unter ihm aufgerissen hatten und sprang mit einem letzten und gut gezielten Satz neben den Verblichenen. Nun kam der unangenehme Teil seiner Arbeit. Er musste ihn aus seinem Totenschlaf erwecken und ihn irgendwie aus seiner alles zermalmenden Zwangsjacke befreien. Ersteres war der leichtere Part dabei, wie er nach einem kurzen Blick feststellte.
Der Aufprall seiner schweren Stiefel musste für genügend Erschütterung gesorgt haben, dass der Mann aufgewacht war und nun irritiert um sich blinzelte, während er hustend und gurgelnd um Atem rang. Krächzend drang schließlich sogar die dünne, gebrochene Stimme an sein Ohr, die ihn um Hilfe anflehte. Nicht ganz das, was er eigentlich tun würde, aber, wenn er mitspielte würde es dafür sorgen, dass der Mann etwas ruhiger wurde – was ihm wiederum die Arbeit drastisch erleichtern würde.
Geschmeidig ließ er sich daher in eine hockende Position sinken und seine Hand prüfend über den nahen Schutt gleiten.
Demzufolge was er ertasten konnte würde er nur einen kräftigen Ruck brauchen, um ihm zu helfen. Und dieser Ruck müsste exakt… Ohne Vorwarnung packte er den Eingeklemmten unter der Achsel und zog ihn mit unerwarteter Kraft ins Freie. Die ihres Halts beraubten Bruchstücke aus Beton und Metall verschoben sich und ließen die beiden Männer ein gutes Stück absacken, bevor das System der chaotischen Ordnung wieder griff und sich alles erneut verkeilte.
„Danke, Mann. Du hast mir das Leben gerettet, krächzte der Mann an seiner Seite, nachdem der Lärm der in sich zusammensackenden Bruchstücke verstummt war und einer neuen Staubwolke Platz gemacht hatte, „Lass uns von hier verschwinden, bevor wir beide drunter landen.
Nur kurz wandte er seinen Blick zu dem zerdrückten Fleischsack, der noch immer von ihm unter der Achsel gehalten wurde. Eigentlich hielt er nicht allzu viel davon Nettigkeiten mit seinen ‚Kunden‘ auszutauschen, aber die Aussicht sich selbst aus diesen Hinterlassenschaften einer einstmals angeblich so zivilisierten Welt heraus wühlen zu müssen behagte ihm noch weniger. Und so schritt er tonlos auf jene Seite des Haufens zu, an der er zuvor gestanden und sich den geeignetsten Weg ausgesucht hatte.
Wo er jedoch schwieg, füllte sein zeitweiliger Begleiter die entstandene Pause mit belanglosem Geschwätz. Wie es dazu gekommen war, dass er eingeklemmt worden war. Warum er überhaupt auf dem Haufen herumgeturnt war. Und was er generell in dieser Gegend verloren hatte. Selbst das missmutige Schnaufen seines schwarzhaarigen Retters brachte ihn einfach nicht dazu zu schweigen.
Er wusste das alles doch bereits! Himmel und Hölle, warum hielten seine ‚Kunden‘ nur nie ihre Klappen? Ganz selten hatte er mal eine schweigsame Person an seiner Seite, zu denen er dann auch tatsächlich einmal nett war – immerhin hielt sie dann ja die Klappe und belästigte ihn nicht mit nutzlosen Trivialitäten, wie dem Umstand ihres Ablebens.
Zum Glück war der Abstieg schneller bewältigt als der Aufstieg, sodass die beiden Männer sich recht bald wieder auf dem wesentlich stabileren Grund und Boden der blockierten Straße wiederfanden. Prüfend ließ der Schwarzhaarige seinen Blick von einer Seite zur anderen gleiten. Potenzielle Beobachter waren immer ein Ärgernis und bedeuteten eine Unmenge an Papierkram, den er würde erledigen müssen – nachdem er selbiges zuvor mit besagtem Beobachter getan hätte.
Der Gedanke an ein eventuelles Aufeinandertreffen hatte seinen rechten Mundwinkel dazu veranlasst sich zu einem nicht allzu freundlichen Grinsen anzuheben. Es wäre immerhin ein angenehmer Ausgleich zu der quatschenden Fleischmasse an seiner Seite... Die inzwischen allerdings verstummt war und skeptisch ihren Retter und dessen diabolisches Grinsen betrachtete. „Ist alles in Ordnung, Kumpel?"
Angst – oder war es doch eher Unsicherheit? - färbte die Stimme des Mannes und brachte den Schwarzhaarigen dazu seinen Blick an seine Seite zu richten. Er sollte sich besser beeilen, wenn er nicht doch noch weitere Komplikationen provozieren wollte. Ein unbestimmtes Brummen war daher seine Antwort, bevor er seine Hand hob.
Mit einer geübten Bewegung ließ er eine Unterarmklinge aus seinem Ärmel hervorschnellen. Jene zog er ruckartig durch die Luft, als würde er diese zerschneiden wollen. Die Bewegung war so geübt, so in Fleisch und Blut übergegangen, dass man meinen könnte, er würde mit bloßer Hand für das sorgen, was danach geschah.
Das vertraute Zischen des sich dadurch öffnenden Portals ließ ihn genießend die Augen für einen kurzen Moment schließen. Bald wäre er sein Anhängsel los und dann... Ja, was dann? Dann würde er dasselbe tun, was er immer tat: Essen, Schlafen, erneut auf die Jagd gehen. Alles, worum sein Leben seit Jahren beständig kreiste und dessen er niemals leid wurde.
„Scheiße Mann, was...?!" Der nicht allzu unerwartete Ausruf an seiner Seite zwang ihn dazu seine Augen wieder zu öffnen und seinen Blick auf den Sprechenden zu richten. Kalt starrten die blauen Augen auf den Toten in seinem Griff, bevor er sich dazu herabließ einen Mundwinkel zu einer perversen Andeutung eines Schmunzelns in die Höhe zu ziehen.
Wie so viele zuvor konnte der Mann sein Schaudern nicht verstecken. Die Miene seines vermeintlichen Retters, seine gesamte Erscheinung in diesem unglückseligen Moment, schrie geradezu: Dämon! Passend zu dem diabolischen Grinsen – anders konnte man diese Folter eines Lächelns nicht bezeichnen – verstärkte sich auch der haltende Griff, sodass es aus diesem kein Entkommen mehr gab.
Prüfend wandte er seinen Blick wieder nach vorne. Vor den beiden Männern flirrte ein qualmender Strudel und wartete scheinbar nur noch darauf durchschritten zu werden. Und eben jenes hatte der Schwarzhaarige auch im Sinn. Mit einem einzigen großen Schritt brachte er sich nach vorne, sein Anhängsel hinter sich herzerrend, bis auch dieses durch den Strudel trat.
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Ein starker Sog ergriff die beiden, riss sie nach vorne und katapultierte sie durch einen wilden Wirbel aus Bildern, Gerüchen und Geräuschen. Ungerührt ließ der Schwarzhaarige die rasante Reise über sich ergehen, verstärkte nur noch einmal seinen Griff, als sich das Ende des Durchganges vor ihm zeigte. In Erwartung des Auswurfs spannte er seine Muskeln an und zählte im Geist die Sekunden herunter, bis es geschehen würde.
Mit aller Kraft wurden sie ins Freie geschleudert. Seine Erfahrung machte sich hierbei auch für sein Anhängsel bezahlt, denn mit einer geschickten Drehung seines Körpers verhalf er beiden zu einer Landung auf den Füßen, während sich das Portal mit einem wütenden Fauchen hinter ihnen wieder schloss. Der Staub, den er mit seiner Landung aufgewirbelt hatte, entlockte seinem Begleiter einige unwillige Hustenlaute, die er jedoch nicht weiter beachtete.
„Willst du mich eigentlich verarschen?!" Zumindest reimte er sich die Frage zusammen, die von mehreren schweren Hustenattacken zerstückelt wurde und die sich definitiv an ihn richtete. Doch auch dieses Mal ging er nicht weiter darauf ein, sondern setzte sich einfach nur mit weit ausgreifenden Schritten in Bewegung. Warum sollte er auch jemanden verarschen? Und selbst wenn er es würde, wäre er keineswegs so dumm und würde es auch noch zugeben. Andererseits...
Nein, er war definitiv nicht der Typ für solche Spielereien. Jenen war er schon lange entwachsen und hatte auch nicht vor wieder zu ihnen zurückzukehren.
Stur zerrte er sein inzwischen zeterndes Anhängsel hinter sich her, quer durch den sich allmählich legenden Staub. Weit hatten sie es nicht, es vergingen höchstens zwei Minuten, bis sie sich an einem großen Platz wiederfanden, an dem bereits andere zu warten schienen.
Viel gab der Platz selbst nicht her: ein großer, geebneter Sandplatz, an dessen hinterem Ende zwei gewaltige Flügeltüren standen und davor ein großer Schreibtisch, der unter Tonnen von Papieren zu verschwinden drohte. Mehr oder minder geordnet tummelten sich Leute auf dem Platz herum, immer in Paaren aus mindestens zwei Personen, die zu warten schienen bis sie aufgerufen wurden.
Beinahe hatte der Mann erwartet, dass sein schwarzhaariger Begleiter sich ebenso mit ihm einordnen würde, wie all die anderen vor ihm, um eine endlos lang wirkende Wartezeit abzuwarten.
Dass dieser allerdings stur weitermarschierte und sich nicht an die Reihenfolge hielt, ließ ihn daran zweifeln, dass er noch heil aus dieser Nummer herauskommen könnte. Seine letzte Hoffnung galt den anderen Leuten. Diese würden es sich doch bestimmt nicht bieten lassen, dass ausgerechnet der Neuankömmling sich vordrängelte, oder?
Doch auch dieses Mal wurden seine Hoffnungen enttäuscht. Anstatt lautstark zu protestieren, wichen die meisten eilig zur Seite, wenn der Schwarzhaarige sie passierte. Einige senkten die Köpfe, andere starrten ihn bewundernd an und gedämpft konnte er sogar einige von ihnen aufgeregt miteinander tuscheln hören. Was sie jedoch sagten, drang nicht mehr an seine Ohren, wurde er doch einfach weiter nach vorne gezerrt.
Erst vor dem großen Schreibtisch hielt der Schwarzhaarige wieder an und schob in einer groben Geste zwei der riesigen Papierstapel auseinander, sodass diverse Blätter raschelnd davon flatterten. Zuerst verstand er gar nicht, warum er das tat, aber als sich ein hochroter Kopf zeigte, dämmerte es ihm.
Kühlen Blickes betrachtete der Schwarzhaarige den dicken Mann hinter dem Schreibtisch, dessen kahler Schädel in dunklem Rot zu glühen schien. „Wer wagt es?! Ihr räudiges Madenfutter wisst ganz genau, dass ihr euch gefälligst anzustellen habt! Der Letzte, der so dreist war meine Arbeit zu torpedieren, durfte danach Schätzchens Stall ausmisten und...!"
Der wütende Redefluss verstummte abrupt, als sein Blick auf den dreisten Störenfried fiel. Gebannt verfolgten die Anwesenden, wie der Schwarzhaarige seinen Kopf etwas anhob, wohl um zu einer Erwiderung anzusetzen.
„Lieferung für dich, Dicker", ließ er seine Stimme vernehmen. Rau, abweisend, gelangweilt. Ein seltener Moment, in dem er sich dazu herabließ überhaupt mit jemandem hier zu sprechen. Was ihn dazu gebracht hatte heute eine Ausnahme zu machen? Wer wusste das schon.
Seine Worte halfen jedoch keineswegs dabei, den Rotköpfigen zu beruhigen. Vielmehr nährten diese dessen Zorn sogar noch, bellte er doch direkt zurück: „Hätte ich mir doch denken können! Du schon wieder! So leicht kommst du mir dieses Mal nicht davon! Warte nur ab, bis...!"
Das Geschrei schien einfach an ihm abzuperlen, zerrte er doch sein Anhängsel nach vorne und lenkte damit die Aufmerksamkeit des Brüllenden auf diesen um. Skeptisch wurden Augenbrauen zusammengezogen, bevor der Blick fragend wieder nach oben glitt. „Du weißt aber, dass du sie in einem Stück abliefern sollst, oder?"
Jeder andere hätte wohl schuldbewusst geschaut. Er jedoch nicht. „Tod durch zerquetschende Trümmerteile", war seine etwas zu trockene Antwort, ehe er in Richtung der Papierstapel nickte. Sein dezenter Hinweis wurde allerdings nicht zur Kenntnis genommen. Stattdessen gab es einen ungeheuer lauten Knall, als der dicke Mann mitsamt seinem Stuhl aufsprang und tobend um den Schreibtisch stampfte.
„Weiß schon ganz genau, wo ich dich hinstecke, wenn du selbst als Kunde hier aufkreuzt. Wirst schon sehen, was du von deinen Frechheiten dann noch hast, knurrte ihm der wesentlich kleinere Mann entgegen, während er sich daran machte mit einem Maßband grob den Toten zu vermessen. „Der geht nach oben
, lautete irgendwann das Urteil, sodass der haltende Griff erst gelockert und dann gänzlich entfernt wurde. Seine einzige Bemerkung dazu war ein ruhiges: „Schade."
Aber mit diesen vier Worten war seine Arbeit beendet. Er hatte ihn geholt, ihn abgeliefert und damit hatte er seine Schuldigkeit getan. Dementsprechend entzog er dem zermatschten Mann seinen haltenden Griff und versenkte beide Hände in seinen Hosentaschen.
Sein ruhiger Blick richtete sich ein letztes Mal auf den dicken Mann, der sich nun