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Castermann Chronik I: Zeitreise zum Ursprung der Menschheit
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Castermann Chronik I: Zeitreise zum Ursprung der Menschheit
eBook360 Seiten4 Stunden

Castermann Chronik I: Zeitreise zum Ursprung der Menschheit

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Über dieses E-Book

Nicht alles in dieser Welt ist so, wie es in den Geschichtsbüchern und Mythen steht.

Eigentlich wollte der Archäologiestudent Michael Castermann nur nach Ägypten zu einem Praktikum reisen, allerdings gerät er unterwegs in die Fänge eines Geheimdienstes. Aber nicht nur dort muss er sich beweisen, sondern auch bei einer Ausgrabung, als er doch noch sein Ziel erreicht. Im Sande Ägyptens finden sie etwas, was sicherlich nicht von Menschenhand geschaffen wurde. Diese sensationelle Entdeckung in Ägypten führt ihn und eine Gruppe von Forschern schließlich zum Ursprung der Menschheit. Einem Ursprung, wie er in keinem Naturkundebuch steht.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum7. Jan. 2019
ISBN9783736894778
Castermann Chronik I: Zeitreise zum Ursprung der Menschheit

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    Buchvorschau

    Castermann Chronik I - Lupus Malus

    Eine Einführung

    Wenn Menschen diese Sprache lesen und verstehen können, bin ich bereits tot. Ich fühle, wie mein Ende immer näher rückt und das Schreiben mir schwerer fällt. Ich bin alt geworden. Aber ich greife wahrscheinlich viel zu weit der Zeit voraus, in der alles begann.

    Der Beginn dieser unglaublichen Reise ist aus meiner Sicht nun schon Ewigkeiten her. Dabei könntest du ebendiese Zeilen noch vor dem Start meiner Reise lesen. Immer, wenn ich darüber nachdenke, verwirrt es mich, wie relativ die Zeit ist. Relativer, als die meisten ahnen oder je erleben werden.

    Ich schreibe meine Geschichte nieder, um meine Gedanken zu ordnen, aber auch, damit jemand erfährt, woher die Menschheit wirklich kommt. Es existieren zahlreiche Bücher, bloß keines davon gibt die unglaubliche Wahrheit preis. Vieles erlebte ich selbst, einiges bekam ich berichtet oder schloss es aus den mir bekannten Informationen. Es ist also durchaus möglich, dass mich meine Erinnerung an der einen oder anderen Stelle im Stich lässt. Aber wer meinen Bericht liest, der wird verstehen, dass ich alles im Gedächtnis behalten musste, denn technische Hilfsmittel, wie Computer, stehen mir keine zur Verfügung.

    Ich verlange keinesfalls, dass derjenige, dem diese Zeilen in die Hände fallen, glaubt, was er hier liest. Ich war immer ein Verfechter einer eigenen Meinung. Jeder sollte sie sich selber bilden.

    Dabei bin ich eh unsicher, ob diese Informationen überleben. Der Gedanke deprimiert mich, dass meine Aufzeichnungen vielleicht schon zerstört sind, wenn jemand sie verstehen könnte. Dann wird allerdings ohnehin niemand das Geringste von mir erfahren. Ich werde es so oder so bestimmt nicht mehr miterleben.

    Alles, was ich schreibe, unterliegt wohl der höchsten Geheimhaltung, trotzdem kann mir auch das egal sein. Kein Gericht wird mich je zur Rechenschaft ziehen können. Wenigstens ein kleiner Triumph nach all den Entbehrungen in meines Lebens.

    Aber ich greife nun wirklich schon etwas zu weit vor. Vielleicht sollte ich nicht beim Ende anfangen, sondern damit wie meine Reise begann. Ich versuche, diese Geschichte chronologisch niederzuschreiben. Chronologisch natürlich nur aus rein subjektiver Sicht.

    Abreise aus Köln

    Es fing wohl an einem Samstagnachmittag auf dem Campus der Kölner Universität an.

    In einem klimatisierten Arbeitsraum, an dessen Türschild die Aufschrift 'Ägyptische Abteilung der Archäologischen Fakultät' prangte. Darunter stand auch mein Name 'Michael Castermann'. Es erfüllte mich damals mit ein wenig Stolz, es bis hierhin geschafft zu haben und das mit 26 Jahren.

    Als Student genoss ich noch die Freiheiten der universitären Welt. Trug eine schmale Brille mit durchsichtigem Gestell, meine Haare reichten im Nacken bereits bis an die Schultern. Glatt rasierte ich mich nur selten und mein Kleidungsstil war zudem überaus leger. Halt wie man es von einem Studenten erwartete.

    Der Raum war überfüllt mit archäologischen Fundstücken, die meine Vorgänger und ich in den Jahren angesammelt hatten. Die vergleichsweise unempfindlichen Artefakte lagen verstaut in großen Regalen und Schubladenschränken. Wie oft hatte ich mir die wandbedeckenden Fotografien, unter anderem von Howard Carters Expedition und der Entdeckung des Grabes von Tutanchamun und die Kunstdrucke angesehen? Ich wusste es nicht, aber an meine Tagträume, wie es wohl gewesen wäre, erinnerte ich mich nur zu gut. Jedes Mal, wenn ich mir die fast echt wirkenden Totenmasken ansah, dachte ich daran, wie ich diese noch vor Beginn des Studiums angefertigt hatte.

    Immer wieder denke ich an meinen letzten Tag in diesen Raum zurück. Den Tag, als ich an meinem unordentlichen Schreibtisch, auf den das Licht durch ein vergittertes Fenster fiel, meine Sachen zusammen in einen Karton packte. Ein Kollege ging mir dabei zur Hand.

    Er sah ein wenig gelangweilt von einer der Mappen auf und sagte: Michael, was hast du denn bis zum Beginn deines Praktikums in Ägypten vor?

    So oft, wie ich meine Reiseplanung durchgegangen war, brauchte ich nicht zu überlegen. Ich werde mich noch ein bisschen erholen. Als Erstes mach ich eine Nostalgiereise mit dem wiederbelebten Orientexpress und anschließend sehe ich mir ein paar Ausgrabungsstätten in Griechenland und der Türkei an. Das wird etwas mehr als einen Monat dauern.

    Mein Gesicht verzerrte sich, als ich an den schmerzlichen Verlust meiner Freundin dachte, den ich zu vergessen hoffte. Mit aller Kraft hielt ich die Tränen zurück und versuchte, mich zu beruhigen.

    Er schien meine Mimik zu übersehen oder zu ignorieren. Das klingt ja toll. Ich beneide dich um dein Glück, dieses Praktikum zu kommen.

    Wir packten noch ein paar Kartons, adressierten sie und brachten sie dann zum Postausgangsraum unseres Fachbereichs. Losgeschickt würden sie so, dass sie etwa zeitgleich mit mir bei der Ausgrabung ankämen.

    Später an diesem Abend fand eine Abschiedsfeier in dem gut gefüllten kleinen Versammlungsraum für mich statt. Mitarbeiter der Abteilung bereiteten alles vor, während ich noch packte. Ich sah mich etwas um und erblickte an dem Buffet sogar Tiramisu. Nicht ohne Vorfreude nahm ich mir ein Stück und schnappte mir zudem ein Glas mit Orangensaft und Sekt.

    Es erklang leise Musik von Bach und seinen Zeitgenossen, Rock und altägyptische Tempelgesänge. Letztere hatten wir erst vor Kurzem in Zusammenarbeit mit der archäomusikalischen Abteilung einer anderen Universität erstellt. Die dortige Arbeitsgruppe war auf die Umsetzung von ägyptischer Musik spezialisiert. Diese Klänge gaben uns das Gefühl, als würde die Geschichte wieder lebendig.

    Wie es auf solchen Veranstaltungen normalerweise immer geschah, kristallisierten sich auch hier schnell einzelne Grüppchen heraus, die miteinander über die unmöglichsten Dinge sprachen.

    Ich verstrickte mich in eine Diskussion hinsichtlich des Wahrheitsgehalts von Überlieferungen. Man durfte schließlich nicht alles glauben, auch wenn es manchmal noch so plausibel erschien. Mythen wurden von den Überliefernden mitgestaltet und waren so durch Fehler oder Absicht einer Wandlung unterworfen. Im Laufe von Jahrhunderten konnte es so zu großen Abweichungen kommen. Zudem gab es die Neigung zum Beschönigen bzw. zum Verschlechtern, je nachdem wer siegte. Vor einem Gericht hätten manche dieser 'Indizien' nicht standgehalten. Vielleicht war meine Wissenschaft etwas wie eine unendliche Gerichtsverhandlung, bei der es immer neue Hinweise und Beweise ohne abschließendes Urteil gab.

    Aus der Menge löste sich eine Kollegin, die hier als Akademische Rätin tätig war. Man sah Frau Kulmuk die Mitte vierzig kaum an, obwohl gelockte Haare eine Frau häufig älter wirken ließen. Ihr stand es dagegen ausgezeichnet.

    Während sie auf mich zu kam, sah sie mir in die Augen an und ich meinte, eine Spur Mitleid in ihrer Mimik zu erkennen.

    Hallo Michael! Wie geht es dir?

    Sie wusste von meinem schmerzlichen Verlust. Alles nur, weil dieser Kerl auf der Straße ins Schleudern geriet. Trotzdem kam es mir nach dem Unfall so vor, als nähme den anderen Fahrer Lindas Verletzung noch mehr mit als mich selber.

    Bevor dieser Gedankenstrudel mich gänzlich mitriss, durchbrach ich die Stille.

    Mir geht’s sehr gut. Ich freue mich schon richtig auf mein Praktikum, sagte ich zwar, aber zweifelte daran, dass mein Gesicht diesen Eindruck vermittelte. Es zeigte sich wahrscheinlich eher leicht genervt, durch die fortgesetzte Fragerei, wie es mir ginge. Ein gewisser Anteil an Erschöpfung war natürlich genauso dabei, wie ein wenig Trauer, die noch immer aus meinen Augen schimmerte. Verbergen konnte ich meine Gefühle nur schlecht. Jedenfalls kam es mir morgens im Badezimmer so vor. Ich wollte einfach vergessen und nicht ständig daran erinnert werden, was war und was hätte sein können. Mir überlebte und Linda starb.

    Frau Kulmuk unterbrach mich in meinen zermürbenden Grübeleien. Du hattest ja auch ein großes Glück mit deiner Zuteilung für das Praktikum. Ob es wirklich am Glück lag? Eventuell hatte der Unfall damit zu tun. Die Fakultät hoffte vielleicht, ich käme so auf andere Gedanken, nachdem ich in letzter Zeit wohl weniger Geselligkeit zeigte.

    Ich hoffte, Frau Kulmuk finge jetzt nicht wieder mit Geschichten über ihre Praktika an. Manchmal hörte sie sich an, als wäre sie schon bei Carter mit dabei gewesen. Ich räusperte mich, als sie gerade zu einer längeren Erzählung ausholen wollte.

    Würden Sie mich bitte entschuldigen, da drüben sehe ich meinen Betreuer. Ich muss mit ihm unbedingt noch ein paar Sachen vor der Abreise besprechen.

    Aber sicher doch, geh nur, sagte sie mit einem liebenswürdigen Lächeln. Mir war klar, dass sie sich wohl wirklich Sorgen um mich machte.

    Ich hatte noch einmal Glück gehabt. Wenn sie erst mal in Fahrt kam, stoppte Frau Kulmuk selbst das Ende der Welt nicht mehr.

    Die Abschiedsfeier dauerte bis in die späte Nacht. Ich beantwortete freundlich die sich wiederholenden Fragen nach meinem Wohlbefinden und was ich in nächster Zeit machen würde.

    Es war etwa Mitternacht, da machten sich die Letzten auf den Weg. Ein Kommilitone und ich begannen anschließend aufzuräumen.

    Michael, geh besser nach Hause, sagte er. Du musst morgen früh raus. Den Rest schaff ich schon noch.

    Ich verabschiedete mich, ging dann durch die leeren Hallen der Universität und schließlich durch die sternenklare Nacht zu meinem Domizil. Mit eilendem Schritt betrat ich endlich meine Wohnung. Als ich mich auf mein Bett schmiss, fiel ich fast sofort in einen albtraumhaltigen, unruhigen Schlaf.

    Es fünf Uhr morgens, als bereits ein schepperndes Klingeln ertönte. Mein Wecker riss mich viel zu früh an diesem Sonntag aus meinen unsanften Träumen.

    Ich unterwarf mich im Halbschlaf meinen allmorgendlichen Ritualen und zog mich anschließend an.

    In erzwungener Ruhe packte ich meinen Rucksack mit den restlichen noch verbliebenen Dingen aus dem Kühlschrank. Nachdem alles sicher verstaut war, holte ich eine Liste hervor und ging sie schnell ein letztes Mal Punkt für Punkt durch. Die Kampfsportschule war abgemeldet. Die Miete samt Nebenkosten für einen Monat war bezahlt, der Friedhofsgärtner hatte sein Geld erhalten, ebenso hatte ich den Semesterbeitrag überwiesen.

    Ich dachte bei mir: 'Dann ist ja alles erledigt.' Natürlich in der Hoffnung, nichts vergessen zu haben. Um die Unterlagen kümmerte sich glücklicherweise die Uni. Das notwendige Gepäck würde auch rechtzeitig auf dem Weg ins Ausgrabungscamp gehen. Jedenfalls die Dinge, welche ich erst dort benötigte.

    Gerade, als ich mit alledem fertig war, klingelte es an der Tür. Ich öffnete und vor mir stand eine junge Frau. Sie trug, passend zu ihren kurzen Haaren, elegante aber nicht versnobte Kleidung.

    Hallo Schwesterchen, begrüßte ich sie. Anschließend führte ich sie noch einmal durch die Wohnung und erklärte ihr, worauf zu achten war.

    Ich übergab ihr den Wohnungsschlüssel und sagte schmunzelnd: Dann pass mal gut auf meine Bude auf, während ich weg bin, und denk dran: keine Partys. Ich hänge nämlich an meiner Einrichtung.

    Das schaff ich schon, Michael. Mach dir da mal keine Sorgen. Ich vertraute ihr. Sie übernahm schließlich auch die Miete für einige Monate. So konnte sie bereits üben, wie es war, sich um eine eigene Wohnung zu kümmern.

    Schöne Grüße an die Familie. Dort hatte ich mich natürlich schon vorher verabschiedet. Am letzten Tag wäre dies einfach zu stressig geworden. Wir umarmten uns noch mal zum Abschied. Dann nahm ich meinen Trecking-Rucksack und brach auf.

    Während ich durch den Flur runter zur Bushaltestelle ging, dachte ich nochmals darüber nach, ob ich auch wirklich nichts vergessen hatte. Mir fiel nichts ein, aber wahrscheinlich stellte ich vor Ort fest, was fehlte.

    ***

    Zu der Zeit, als ich mich auf den Weg zu meinem vermeintlich größten Abenteuer machte, geschah wohl Folgendes in einem Fabrikviertel nahe dem Kölner Hauptbahnhof. Jedenfalls stelle ich es mir so vor. Ich hatte leider keinen Einblick in alle Informationen, aber meine lebhafte Fantasie dürfte dies mehr als ausgleichen.

    Ein Mann von ungefähr dreißig Jahren rannte in feinem Anzug durch die am frühen Sonntagmorgen noch unbelebten Straßen. Ein Stück zurück in der Richtung, aus der er kam, stand ein Sportwagen mit platten Reifen und zerschrammten Felgen sowie einem leeren Tank. Ein Einschussloch in der Beifahrerseite offenbarte auch deutlich, warum.

    Eine Waffe wurde abgefeuert. Der Schuss zischte an seinem Ohr vorbei. Ein Knall war wegen des Schalldämpfers nicht zu hören. Lediglich ein Ton wie das Ploppen eines Sektkorkens.

    Die Kugel schlug in eine Hauswand ein, was klarer zu hören gewesen sein müsste. Sichtbar zurück blieb nur ein rund ausgefranstes Loch.

    Er ging hinter einer kleinen Mauer, in einem für diese Gegend ungewöhnlich gepflegten Vorgarten einer Gartenbaufirma, in Deckung. Wahrscheinlich fragte er sich, was da wohl schief gegangen war. Schließlich sollte niemand von seiner Anwesenheit in Köln wissen. Der vermeintlich einfache Auftrag hatte sich zu etwas Tödlichem entwickelt.

    Hinter der Wand zog er vermutlich seine Waffe aus dem Holster. Es handelt sich um eine halbautomatische Pistole mit Schalldämpfer. Bei einem Revolver wäre ein Schalldämpfer auch ohnehin sinnlos gewesen und das Nachladen zu umständlich. Die Schusswaffe war aus speziellen Kunststoffen und Porzellan gedruckt worden. Selbst an Flughäfen hätte der Metalldetektor nicht angeschlagen.

    In die verbergende Mauer schlug eine weitere Kugel ein. Wieder hatte er nur ein dumpfes Plopp und das Splittern des Steins beim Aufschlag gehört. Er legte seine Waffe auf den Rasen.

    Mit professioneller Sorgfalt zog er ein Etui aus der Tasche, was so gar nicht zu seinem inzwischen durch die Schießerei sehr gebraucht aussehenden Anzug passte. Er klappte es mit einem leisen Klick auf und holte eine dunkle Sonnenbrille heraus, die sich oberflächlich betrachtet nicht im Geringsten von einer normalen unterschied.

    Er setzte sie auf. Fasste an den Bügel. Die Umgebung wurde grün vor seinen Augen. Das eingearbeitete Nachtsichtgerät erschloss ihm den vormals fast stockfinsteren Straßenzug. Nun ließ sich die Position des Schützens ausmachen.

    Der Schusswinkel passte nicht. Der Mann schlich hinter einen Müllcontainer aus Plastik. Diese Entscheidung erwies sich sofort als idiotisch. Sein Angreifer hatte wohl ebenfalls einen Restlichtverstärker und ihn bereits zuvor ausgemacht. So ein Container bot nur Sichtschutz. Die abgefeuerte Kugel durchschlug den Kunststoff des Müllbehälters mühelos. Praktisch ungebremst bohrte das Projektil sich in sein Bein. Er unterdrückte den Schmerz. Kämpfte darum, bei Besinnung zu bleiben. Mit zitternder Hand legte er an und drückte ab. Sein Gegner ging tödlich getroffen zu Boden. Dann wurde dem Mann schwarz vor Augen.

    Als er sie wieder öffnete, war er vermutlich erst mal orientierungslos, wie es nach einer Ohnmacht ganz normal war. Ein leichter Schwindel war bestimmt immer noch in seinem Bewusstsein.

    Er stemmte sich mühsam hoch und ließ die nun zerstörte Brille liegen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht humpelte er zurück zur Hauptstraße.

    Die nahenden Sirenen trieben ihn zur Eile an.

    Auf der Straße kämpfte er darum, sein Gleichgewicht zu halten. Eine leichte Übelkeit versuchte, ihn zu überwältigen, als er ein Straßenschild sah, das ihm den Weg wies. Groß und breit stand dort ein dicker Pfeil, der ihn in Richtung Hauptbahnhof leitete. Mühsam, aber zielstrebig ging er in diese Strecke, welche ihn über eine Brücke führte.

    Auf einer Toilette im besagten Bahnhof geschah zu etwa gleicher Zeit ebenso Schicksalhaftes. Ich erfuhr später vom gesamten Hergang aus dem sehr detaillierten Report des für diese Operation verantwortlichen Geheimdienstes. Als mir der Einblick in den Bericht gewährt wurde, sah ich vom Ablauf sogar ein paar Fotos. Ich nahm mir allerdings die Freiheit, es so niederzuschreiben, wie ich es mir vorstellte.

    Die Toiletten des Bahnhofs waren, trotz der Tatsachen, dass keine unverschämten Gebühren verlangt wurden, sehr sauber. Es gab keine Graffiti oder Ähnliches. Was wohl auch der Kameraüberwachung im Eingangsbereich der Sanitäranlagen und überall im Umfeld zu verdanken war.

    Ein Herr, englisch elegant gekleidet, etwa Mitte dreißig, wusch sich gerade die Hände.

    Draußen lief ein anderer Mann herum. Er war ebenfalls gut gewandet und scheinbar vergleichenbaren Alters. Seine Gesichtsstruktur und die Haarfarbe sprachen für eine osteuropäische Abstammung. Aus seiner Jacketttasche zog er immer wieder ein Bild heraus. Der wachsame Blick fiel auf die Toilettentür. Ihm schien ein Licht aufzugehen, weswegen er kurz darauf die sanitären Räumlichkeiten betrat. Dort sah er den Kerl vom Foto und ging auf ihn zu.

    Im Flüsterton fragte der Osteuropäer mit leichtem Akzent: Sind Sie Michael Castermann?

    Sie sollten mich doch am Schalter treffen, antwortete der Agent Michael Castermann, der sich unvorsichtigerweise dem falschen Kontaktmann gegenüber identifizierte.

    Wäre das nicht ziemlich dumm gewesen, Sie vor all den Leuten zu abzuknallen, erwiderte der Osteuropäer in einem sarkastischen Tonfall. Seine rechte Hand zog da bereits die Automatik mit Schalldämpfer aus dem Schulterholster. Die Kamera des Vorraums entging ihm dabei vollkommen oder war ihm egal.

    Den noch jungen, sich in der Ausbildung befindliche, Agent Michael Castermann überforderte die unerwartete Situation völlig. In blinder Panik versuchte er unter sein Jackett zu fassen und aus der Schusslinie zu springen. Der Gegner war aber schneller und drückte ungerührt ab. Viel Deckung bot der Raum allerdings ohnehin nicht.

    Die Kugel raste aus dem Lauf der Waffe. Die Hohlräume des Schalldämpfers schluckten den Knall nahezu komplett. Das tödliche Projektil durchschlug eine Stofflage nach der anderen. Dann erreicht es das Fleisch. Widerstand, gegen die Energie des Geschosses leistete es nicht. Das Gewebe wurde mitgerissen und zurück blieb ein ausgefranstes Loch.

    Der Agent sank verwundet zu Boden. Durch die Wunde entwich sein Blut und damit sein Leben. Die entstehende Lache auf dem Fliesenboden vergrößerte sich zusehends. Seinen Vorgesetzten war bei der Situationseinschätzung ein fataler Fehler unterlaufen.

    ***

    In diesem Moment stieg ich, der Student Michael Castermann bepackt aus einem Linienbus.

    Ich ging vom Seiteneingang am Busbahnhof in Richtung Bahnhofshalle. An einem Verbindungsgang befand sich der Servicebereich der Bahn. Die automatischen Türen öffneten und ich wandte mich dem um die Uhrzeit einzigen besetzten Schalter zu. Nach der Fahrplanübersicht war sogar noch ein wenig Zeit, da aber niemand vor mir wartete, kam ich sofort an die Reihe. Ganz im Gegenteil zu Situationen, wo man es deutlicher eiliger hatte.

    Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?, fragte mich die junge, attraktive Bahnmitarbeiterin.

    Tag. Ich habe eine Fahrkarte für den ICE nach Paris hinterlegen lassen. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Köln eine Probeaktion der Bahn. Den Hinterlegeservice, wo man per Telefon oder Internet den Fahrschein orderte und entweder per Kreditkarte oder am Schalter bezahlte. Zur Einführung kostete die Fahrt in der 1. Klasse weniger als die Hälfte des normalen 2. Klassepreises, was ich natürlich nutzte. Schließlich zahlte ich die Reise selber. Nur der Aufenthalt in Ägypten unterstützte der Deutsche Akademische Austauschdienst.

    Auf welchem Namen bitte.

    Castermann. Michael Castermann. Meinen mir etwas peinlichen zweiten Vornamen ließ ich wie immer weg. Wie meine Eltern auf diesen Namen kamen, wollten sie einfach nicht verraten.

    Sicherheitshalber buchstabierte ich noch einmal, was die Frau sofort in ihren Computer eintippte.

    Im Laufe der Zeit hatte ich die Erfahrung gemacht, dass es entweder Leute gab, die gern Namen falsch schrieben. Anderseits mochte meine Fähigkeit mich verständlich auszudrücken vielleicht auch unterdurchschnittlich ausgeprägt sein.

    Meine Hand griff während dieses Gedankenganges in die Hosentasche, wo sich die Geldbörse befand. Ich zog sie heraus und öffnete bereits das Geldfach.

    Können Sie mir bitte ihren Ausweis zeigen.

    Leicht überrascht holte ich meinen Reisepass hervor und hielt ihn ihr vor die Nase.

    Die Frau drückte eine Taste und der Drucker spuckte eine Fahrkarte aus.

    Hier ist Ihr Fahrschein.

    Danke. Was bin ich Ihnen schuldig?

    Die Karte war schon bezahlt, deshalb brauchte ich ja auch den Ausweis, erklärte sie mir etwas irritiert.

    Ich wunderte mich damals darüber, ob dies eine Überraschung meiner Kollegen oder ein Fehler im System war. Danke und ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Es erfreute mich ein wenig mehr Geld zu haben. Vielleicht fand ich ja für die Ersparnis ein paar ansehnliche Souvenirs. Vor dem Herausgehen wandte ich mich zurück zum Schalter.

    Ich hätte da noch eine Frage. Zu welchem Gleis muss ich?

    Der Zug steht auf Gleis 8 und fährt bald ab, sagte sie offensichtlich verwundert, dass ich so ruhig blieb.

    Ich beeilte mich, zu Gleis 8 zu kommen. Bei der Herfahrt hatte ich mir wohl doch zu viel Zeit gelassen. Ein Blick auf meinen Plan zeigte mir aber, dass die Fahrkarte für einen anderen Zug war. 'Solange ich nichts zahlen muss, tut mir ein wenig Rennen nicht weh', dachte ich und ging schneller. Ich wusste, ich müsste nur noch den Gang runter und links um die Ecke.

    Hinter einer Informationstafel für Fahrpläne vor dem Fahrkartenverkaufsbereich verbarg sich ein Mann, welcher die ganze Szene mitbekam. Es war der im Fabrikviertel angeschossene Agent. Er sah bleich aus und man erkannte Schweißperlen auf seinem Gesicht.

    Humpelnd bewegte er sich auf mich zu, während ich in Gedanken schon im Zug saß und mich beeilte, die Fahrkarte im Rucksack zu verstauen. Er rempelte mich an, zu diesem Zeitpunkt hielt ich das für ein Missgeschick. Später stellte ich fest, dass er mir offenbar eine Musik-CD zugesteckt hatte.

    Mit zittriger Stimme wünschte er mir mit osteuropäischen Akzent viel Glück.

    Verwundert verließ ich die Fahrkartenausgabe. Ich fragte mich, was der Mann geschluckt hatte? Auf jeden Fall war es wohl zu viel davon gewesen, auch wenn er freundlich blieb. Sicherheitshalber checkte ich das Vorhandensein meiner Brieftasche, die sich glücklicherweise in der Tasche befand und sprintete dann endlich los. Am Gleis angekommen, stieg ich durch die nächstbeste Tür ein und schaute anschließend auf die Platzreservierung. Zufällig erwischte ich genau den richtigen Wagen und saß noch, bevor der Zug anfuhr, an meinem Platz.

    Nur ein paar Minuten, nachdem ich die Fahrkartenausgabe verlassen hatte, betrat sie der Killer, der sein Werk in der Toilette beendet hatte.

    Ich würde gerne die reservierte Fahrkarte für Michael Castermann abholen. Er hat mich angerufen und mir gesagt, ich sollte die Karte schon mal holen, falls er es nicht mehr rechtzeitig schafft.

    Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Er hat es noch geschafft. Sie haben Ihn nur um wenige Minuten verpasst.

    Die Mimik des Killers zeigte für einen Augenblick den empfundenen Ärger, aber er war zu gut, um unüberlegt zu handeln.

    Man sah ihm an, dass er überlegte und dann wirkte sein Gesicht wieder freundlich.

    Von welchem Gleis fährt der Zug denn ab? Ich würde mich gerne von Ihm verabschieden und fragen, ob Ihn das Abschiedsgeschenk noch erreicht hat.

    Der Zug fährt in einer Minute von Gleis 8 ab.

    Er stürmte aus der Fahrkartenausgabe. Weiter vorbei an Gleis 1, 2 und 3. Sprang über mehrere Koffer. Umkurvte wartende Passanten. Sprintete die Treppe zu Gleis 8 hinauf und hörte er einen Pfiff. Kurz danach sah er die letzte Tür des ICE zuklappen, welche sich hinter dem Schaffner schloss.

    Der ICE nahm bereits Fahrt auf als er endlich die oberste Stufe erreichte und ließ einen verdrossenen auf dem Bahnsteig stehenden Killer zurück. Er schien sich wohl zu fragen, warum er so ein Pech hatte. Wieso dieser Zug denn ausgerechnet heute pünktlich abfuhr. Ich sah von meinem Platz aus sein wütendes Gesicht und erfuhr erst später, wer er war. Bei meiner Abfahrt damals tat er mir einfach nur leid, weil ich dachte, er hätte seinen Zug verpasst.

    ***

    Der Killer drehte sich um und stürmte in Richtung der Treppe. Dort suchte er hektisch ein öffentliches Telefon. Der Ortungsmöglichkeit wegen verwendete er kein Handy. Gehetzt wählte er eine internationale Nummer. Nach dem zweiten Klingeln nahm jemand ab.

    Ich höre.

    Unsere Freunde schickten anscheinend zwei Gäste. Den einen habe ich beschenkt, aber der Andere hat es abgelehnt.

    Ich werde mich darum kümmern.

    Glücklicherweise hatte das Telefonnetzüberwachungssystem Echelon alles mit aufgezeichnet. Den Rest ergänzten die Profiler der WSO und meine Phantasie.

    Bei der Abfahrt des Zuges hatte ich das unbestimmte Gefühl, beobachtet zu werden. Vielleicht bildete ich mir das im Nachhinein auch nur ein. Aber mir war so, als hätte mich ein älteres Pärchen vom Bahnsteig aus angeschaut und mir sogar zugewunken.

    Zu mir selbst sagte ich in dem Moment im Zug sitzend: Und so beginnt es. Ich würde endlich bei einer Ausgrabung in Ägypten dabei sein. Schon damals, als mir ein Buch über Ägyptologie auf einem Trödelmarkt in die Hände fiel, wurde dieser Augenblick zu meinem Schicksal. Bereits nach den ersten Seiten hatte ich von diesem Zeitpunkt geträumt. Eignete mir in meiner Freizeit mehr und mehr Wissen übers ägyptische Altertum an. Gab in der Schule mein Bestes, um zum Studium zugelassen zu werden. Wie konnte ich ahnen, wie dieses Buch das Schicksal der Menschheit bestimmte, wäre ich wohl damals auf dem Trödelmarkt erschaudert.

    Auf meinem Platz im Zug hoffte ich einfach nur, ich würde das Abenteuer meines Lebens erleben. Mit zur Enträtselung der Menschheitsgeschichte beitragen.

    ***

    Etwa zur gleichen Zeit unter der Erde von Paris. In einem Büro saß ein Mann mit dunklen Haaren und von kleiner Statur hinter seinem Schreibtisch. Vor ihm stand eine Agentin von der Nachrichtenabteilung und berichtete. Dabei machte sie auffällig lange Pausen.

    Es kam gerade eine Mitteilung. Am Kölner Hauptbahnhof hat es einen Zwischenfall gegeben. Es gab einen Toten. Unser Agent mit dem Codenamen Michael Castermann. Außerdem wurde ein Osteuropäer mit einer Schussverletzung von der deutschen Polizei aufgegriffen, er entkam aber. Wir vermuten, dass er entweder unser Kontakt oder ein feindlicher Spion war. Die Fahrkarte wurde von einem Studenten gleichen Namens abgeholt. Unsere Recherche hat anscheinend geschlampt bei der Decknamenswahl. Möglicherweise befindet sich auch die CD nun in seinem Besitz. Eine Kopie der Kameraaufnahmen aus der Überwachung ist bereits in der Videoabteilung zur Sichtung.

    Nachdem sie geendet hatte, überlegte der Mann hinter dem Schreibtisch ein paar Augenblicke.

    Kontaktieren Sie Agent Bird. Anscheinend wurde die Situation falsch eingeschätzt. Nur sie kann es jetzt noch richten.

    ***

    Derweilen saß ich in meinem 1. Klasse-Abteil im ICE. Die Beinfreiheit und die breiten Sitze größer als jene, welche ich aus der 2. Klasse kannte. Ich las in einem Buch des Autors Erich von Däniken und amüsierte mich köstlich darüber, dass er alle Legenden von Göttern, auf Außerirdische zurückführte. Als wenn die Menschen nicht ausreichend Fantasie besaßen, um Großartiges zu schaffen. Oh Mann, was hatte ich damals wenig

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