Endstation Outback
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Über dieses E-Book
Bettina Lippenberger
Bettina Lippenberger is born in Ravensburg, she lives now in Stuttgart and discovered early her love for books. She started to write 15 years ago. Today, she looks back to a number of publications in which she was involved as a co-author. 2013, her first book was published. “Krümelchen und seine Freunde entdecken die Welt!" ("Crumby and his friends discover the world!") has found its place at "Traumstunden Verlag Essen". 2014, she published “Die Reise der Bücher” ("The journey of the books") with Ruth M. Fuchs and Karin Pfolz at Karina-Verlag. "Crumby and his friends in Vienna" is a unique special edition, whose entire author's fee is used to support the “children victims of violence aid”.
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Buchvorschau
Endstation Outback - Bettina Lippenberger
Impressum
Bettina Lippenberger
Endstation
Outback
Australien-Roman
Für meine Mami,
eine unglaublich starke Frau.
Kapitel 1
Um drei Uhr nachmittags bestieg ich den Zug nach Perth. Natürlich hätte ich auch mit dem Auto oder Bus fahren können, doch diese Reise sollte mich meinem alten und zugleich neuen Zuhause auf ganz besondere Weise näherbringen. Viel zu lang war ich fern von den Menschen, die mich aufgenommen hatten, als mir nichts geblieben war. Dem Ort, an dem ich mich geborgen, ja heimisch fühlte.
Mit glänzenden Augen betrachtete ich voller Vorfreude die Natur, die draußen am Fenster vorüberzog. Wie sehr genoss ich es, den australischen Himmel in seinen schönsten Farben zu bewundern. Das Spinifexgras beim Wiegen im Wind zu beobachten, und das eine oder andere Känguru. Für meinen Geschmack wurde es leider viel zu schnell dunkel. Was hier draußen im Outback nichts Ungewöhnliches war. Ein Emu rannte aufgeschreckt neben dem Zug her, bevor ihn die Dunkelheit gänzlich verschluckte. Ich wandte mich erschöpft ab. Mir steckten noch die schlaflosen Nächte in den Knochen. Das Ausräumen der Wohnung und die Suche nach einem Nachmieter hatten sich schwieriger gestaltet, als gedacht. Wer wollte schon im Mief von Imbissen leben. Aber zwei Studenten nahmen das nicht so genau. Dem Besitzer war es recht und ich war erleichtert. Ich seufzte leise. Sydney hatte ich für lange Zeit den Rücken gekehrt. Wenn nicht sogar für immer. Meine Lider wurden schwerer. Lange konnte und wollte ich mich auch gar nicht mehr gegen den mehr als willkommenen Schlaf wehren.
Ich legte meinen Mantel über mich und schlief nach wenigen Momenten zufrieden ein.
Am nächsten Morgen, die Sonne war gerade über dem Horizont aufgetaucht, hielten wir in Broken Hill.
Nachdem ich geduscht und ein kleines Frühstück eingenommen hatte, lief ich durch den Zug. Das dauernde Sitzen hielt auch mein junger Körper nicht tagelang durch. In dem nächsten Wagon voller gemütlicher Sitzecken und Sesseln saß eine nette ältere Dame. Einige Postkarten lagen vor ihr. Ich vermutete, für die Lieben daheim. Sie schien sichtlich Probleme damit zu haben, denn sie grübelte. Der Kugelschreiber wippte währenddessen in ihrer Hand auf und ab. Vielleicht versuchte sie, nicht diesen immer wiederkehrenden Blödsinn auf die Karten zu schreiben, wovon sie wohl auch schon eine Menge bekommen hatte. Aber das kannte man ja: Essen gut, Wetter spitze, Hotel ist großartig. Manche ließen sich dann noch herab und schrieben, was man gerade so tat: Wir sind gerade am Pool oder liegen am Strand.
Aber mal ehrlich, mehr Platz gab eine Postkarte auch nicht her, außer man hatte eine Bonsaischrift. Neben ihr lag eine Zeitschrift, in der sie wohl kurz vorher noch gelesen hatte, einige kleine Zettel ragten daraus hervor. Wahrscheinlich handelte es sich um interessante Artikel oder Reisetipps hier in Down Under.
Ein Wombat zierte das Titelbild. Er stapfte tollpatschig durchs grüne Gras. Ich mochte das Tier sehr. Neben Koalas, Kängurus und Kukaburra. Weil ich kurz innegehalten hatte, lächelte mich die ältere Dame an. »Wollen sie sich nicht zu mir setzen, Kindchen?«
»Nur zu gerne.«
»Mein Name ist Margaret Walter«, stellte sie sich vor.
»Ich heiße Sally Mayfield.«
»Was verschlägt sie in diese Ödnis, meine Liebe?«, begierig wartete sie auf meine Antwort.
»Ich bin hier zu Hause.«
»Wirklich? Oh, das tut mir leid.«
»Warum? Ich bin froh, endlich wieder auf der Farm meines Onkels leben zu können.«
»Dann ist es gut. Jeder sollte seinen Platz im Leben finden. Ich dachte, weil sie so jung sind, ist es sicher nicht leicht, hier zu leben.«
»Wo geht ihre Reise hin?«, fragte ich sie im Gegenzug.
»Mein Ziel ist Perth. Ich hörte von den schönen Galerien und Museen dort. Schon seit meiner Jugend liebe ich die Maler des Impressionismus. Vor allem Edgar Degas und Claude Monet. Viele Orte haben mein Mann und ich gemeinsam besucht. Als er starb, habe ich mein Elternhaus verkauft. Unsere zwei Kinder sind erwachsen und so entschloss ich mich, auf eine letzte große Reise zu gehen.«
»Es wird sicher nicht ihre Letzte sein«, entgegnete ich.
»Das ist lieb von ihnen. Aber langsam macht sich das Alter doch bemerkbar.«
»Welches Alter? Sie sind doch noch nicht alt. Außerdem wüsste ich nicht, ob ich so ganz allein in der Weltgeschichte herumreisen würde, egal in welchem Alter«, gab ich offen zu.
»In der ersten Zeit ist es gewöhnungsbedürftig. Mit niemandem kann man die Eindrücke teilen.« Ihre Hand ruhte nun auf einem schwarzen Notizbuch. »In diesem Buch halte ich alles fest. Vielleicht werden meine Kinder, später darin lesen.«
Margaret verstummte. Ihr Blick wanderte weit weg, als ich mich räusperte. Mein Hals fühlte sich wie die Wüste Gobi an, total trocken.
»Darf ich ihnen vielleicht etwas zu trinken holen?«
»Das ist sehr lieb Kindchen. Einen Earl Grey Tee bitte, wenn es ihnen keine Umstände macht.«
»Natürlich nicht.«
Den Tee in der einen und eine Flasche Wasser in der anderen Hand kehrte ich zurück. Wir unterhielten uns noch lange, tauschten Adressen aus und als sie mich später verließ, um sich auszuruhen, ging ich zu meinem Platz zurück.
Während unseres Gesprächs war der Zug wieder angefahren. Ratternd glitt er über die Schienen. In knapp sechs Stunden würden wir Adelaide erreichen. Die Sonne hatte an Kraft gewonnen. Gleißendes Sonnenlicht verfing sich nun in der silbernen Außenhaut der Wagons hinter uns. Nur in Kurven konnte man das Schauspiel betrachten. Wunderschön und so friedlich, wie ich fand. Die anderen Passagiere im Zug achteten komischerweise nur wenig auf die Landschaft. Ich wunderte mich, denn wie oft machte man eine solche Reise? Es konnte aber sein, dass sie auch nach längerem Hinausstarren nichts Aufregendes entdeckt hatten. Die Jüngeren ließen sich sicher vom Fernsehprogramm berieseln, denn es war ziemlich ruhig im Wagen. Keine Streitereien, kein Herumrennen in den Gängen. Gegenüber spielte ein älteres Paar Karten und diskutierte gerade über die richtige Strategie. Lust zu lesen hatte ich nicht. Aber etwas von meiner Lieblingsmusik, gepaart mit dem Blick nach draußen, machte das Reisen sehr angenehm. Mein Mobiltelefon hatte ich schon vor der Reise ausgemacht. Hier draußen war der Empfang mehr als dürftig, auf der Farm meines Onkels fast unmöglich. Außerdem war ich glücklich ein paar ungestörte Stunden, ohne den Trubel und Tratsch der Außenwelt verbringen zu können. Das Leben in der Stadt war purer Lärm. Wie oft hatte ich mir diese Ruhe herbeigesehnt.
Der Halt in Adelaide rückte langsam näher. Die Aufregung der Passagiere steigerte sich, bis sie fast zum Greifen war. Sechs Stunden Aufenthalt und tolle Ausflüge warteten auf sie. Für mich allerdings war das viel zu teuer. Mir graute davor ganz allein, hier im Zug, sechs Stunden auszuharren, während mich draußen der Sonnenschein lockte und die frische Luft. Der Gedanke, was ich die ganze Zeit tun sollte, beschäftigte mich sehr. Adelaide war wirklich schön, der Elder Park ein Traum. Ich hatte ihn schon früher besucht. Dorthin zog es mich. Der Park befand sich nicht unweit vom Bahnhof. Auf dem Fluss, der sich durch den Elder Park zog, tummelten sich Pelikane, schwarze Schwäne und Enten. Es war wirklich schön. Ich bewunderte den Pavillon mit seinen Schnörkeln und Farben. Das Gold glänzte in der Sonne, blau und grün sahen aus wie frisch aufgemalt. Eine Augenweide. Im Schatten der Rotunde unterhielten sich Menschen, auf den Stufen sitzend. Wie gut konnte ich mir vorstellen, dass manche Abendveranstaltung hier stattfand. Ein Mann packte gerade ein Saxophon aus, und spielte kurz darauf mit einer Hingabe, die seinesgleichen suchte. Jazz mochte ich schon immer und erkannte das Stück Footprints.
Dem Weg folgend, spazierte ich in den hinteren Teil, wo ich mich auf einer Bank niederließ. Einige Besucher hatten sich ein Tretboot ausgeliehen und drehten auf dem Wasser ihre Runden. Lachen drang an mein Ohr. Zwei der Boote lieferten sich ein erbittertes Rennen. Ich öffnete meinen Rucksack, zog Skizzenblock, Stifte und Wasserflasche heraus. Ein Motiv auszuwählen war leicht.
Mit leichten Strichen zeichnete ich erst die Umrisse der Szene, dann das Ufer, die herrliche Wasserfontäne im Hintergrund und noch ein paar der Wasservögel. Ein Tretboot durfte auch nicht fehlen. Die Hitze des Tages erreichte schnell ihren Höhepunkt. Mein Glück, das ein Baum nun Schatten auf die Bank und mich warf. Nachdem ich ein paar Sandwiches gegessen hatte, skizzierte ich noch eine kleine Szene, im Mittelpunkt ein Eukalyptusbaum, darunter eine Picknickgesellschaft. Ein Hund sprang um die Familie herum. Der Kleinste rannte ihm hinterher und plumpste immer wieder hin. Anstatt zu weinen, lachte er haltlos, denn der Hund kam zurück, um zu schauen, ob alles in Ordnung war. Gerade schleckte er ihm das Gesicht ab. Ich musste einfach mitlachen, wie schön war es doch, Kind zu sein. Mein Lachen wich schon bald Traurigkeit. War doch meine frühe Kindheit auch so wunderbar gewesen. Mit diesem Gefühl des Verlustes sah ich ihnen noch eine Weile zu. Dann wurde es für mich Zeit, zusammenzupacken. Den Strohhut behielt ich auf, das schützte wenigstens etwas meinen Nacken und das Gesicht. Ich tauchte mein Halstuch ins Wasser und befeuchtete damit meine Handgelenke. Ein letztes Mal ließ ich den Blick schweifen. Diese Stunden hatten mir so viel mehr gegeben, als zwei Skizzen. Die Eindrücke, die Ruhe und auch die Erinnerung. All das würde ich mit mir nehmen. Ich machte noch einen kurzen Abstecher in einen nahegelegenen Supermarkt. Mir war nach neuem Lesestoff und ein paar Keksen. Die Zeitschriften würden mich sicher bis zum nächsten Tag gut beschäftigen. Kreuzworträtsel und ein paar Rezepte, die ich aufmerksam studieren konnte.
Am Bahnhof angekommen sah ich, dass Mitreisende sich in die Wartehäuschen zurückgezogen hatten. Sie unterhielten sich angeregt über das gemeinsam Erlebte. Manche schritten auch einfach auf und ab. Ich stieg ein. Hoffentlich hatte Joe meine Nachricht erhalten. Ansonsten müsste ich mir was ausdenken. Die Farm lag ja nicht gerade zentral, sondern weit draußen.
Während ich gedankenverloren durch den Zug lief, die neugierigen Blicke der anderen ignorierend, fragte ich mich zum wiederholten Mal, ob es richtig war, was ich hier tat. Auch wenn ich selbst davon überzeugt war, nagten die Fragen der anderen doch an mir. Überstürzt, zum Erstaunen aller, hatte ich alles hinter mir gelassen. Freunde, Arbeit und die kleine Wohnung, deren Miete ich mir jeden Monat aufs Neue gerade noch so leisten konnte. Für mich war es pures Glück, dass mir zu diesem Zeitpunkt mein Onkel schrieb. Schon lange war ich unglücklich mit der Situation. Indes beschränkte sich mein Freundeskreis auf zwei ganz liebe, aber etwas durchgeknallte Mitkolleginnen. Die Arbeit war knochentrocken und an manchen Tagen träumte ich auch noch nachts von Zahlen und Bilanzen. In der Wohnung roch es immer öfter nach den fettgeschwängerten Gerüchen der Schnellimbisse unter den Fenstern. Mal dominierte das Asiatische, dann wieder kroch der Pommes- und Burger-Duft durch die Ritzen der zugigen Fenster.
Ich kehrte gedankenversunken zu meinem Platz zurück. Von irgendwo drang ein erfrischender Wind ins Abteil. Ich schloss kurz die Augen.
Bald, auf der Nullarbor Plain, die wir durchquerten, strebten die Schienen, hier mitten im Niemandsland, dem Horizont entgegen.
Die Aussicht, täglich frische Luft zu atmen, die Freiheit auf der Farm meines Onkels zu erleben, zogen mich nach dem Lesen der Zeilen des Briefes immer mehr in ihren Bann. Er hatte keine eigenen Kinder, wirtschaftete mehr schlecht als