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SHOCKER: Der Roman zum Film
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eBook296 Seiten3 Stunden

SHOCKER: Der Roman zum Film

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Über dieses E-Book

In einer amerikanischen Kleinstadt geht der Tod um: Kinder und Frauen fallen einem Wahnsinnigen zum Opfer, die Leichen bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Die Polizei schaut hilflos zu, und die Berichterstattung der Medien scheint als einzigen Zweck zu verfolgen, das lähmende Entsetzen in Routine zu verwandeln.

Für den Studenten Jonathan Parker gibt es keinen Grund, sich um diesen Aufruhr Gedanken zu machen. Schließlich ist der Sonnyboy die größte Sportskanone im ganzen College: jung, stark, unverletzlich – und bis über beide Ohren verliebt. Aber ein Alptraum verändert sein Leben: Der wahnsinnige Killer, so träumt Jonathan eines Nachts, hat seine Stiefeltern brutal abgeschlachtet.

Und schon am Morgen danach ist der Alptraum blutige Realität geworden...

Shocker von Randall Boyll ist der Roman zu Wes Cravens (Scream, Nightmare on Elm Street) gleichnamigem Horror-Klassiker aus dem Jahr 1989. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe des Romans in seiner Reihe APEX HORROR.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum16. Sept. 2019
ISBN9783748715566
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    Buchvorschau

    SHOCKER - Randall Boyll

    Das Buch

    In einer amerikanischen Kleinstadt geht der Tod um: Kinder und Frauen fallen einem Wahnsinnigen zum Opfer, die Leichen bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Die Polizei schaut hilflos zu, und die Berichterstattung der Medien scheint als einzigen Zweck zu verfolgen, das lähmende Entsetzen in Routine zu verwandeln.

    Für den Studenten Jonathan Parker gibt es keinen Grund, sich um diesen Aufruhr Gedanken zu machen. Schließlich ist der Sonnyboy die größte Sportskanone im ganzen College: jung, stark, unverletzlich – und bis über beide Ohren verliebt. Aber ein Alptraum verändert sein Leben: Der wahnsinnige Killer, so träumt Jonathan eines Nachts, hat seine Stiefeltern brutal abgeschlachtet.

    Und schon am Morgen danach ist der Alptraum blutige Realität geworden...

    Shocker von Randall Boyll ist der Roman zu Wes Cravens (Scream, Nightmare on Elm Street) gleichnamigem Horror-Klassiker aus dem Jahr 1989. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe des Romans in seiner Reihe APEX HORROR.

    SHOCKER

      Prolog

    Es war das neunte Mal während seiner Karriere als Fernsehreporter, dass Walker Stevens - gutaussehender Sprecher und Lokalreporter der Nachrichten auf Kanal 8, berühmt als Schürzenjäger und berüchtigt als Träger schlechtsitzender Toupets - sich in dem spärlichen Schutz einer Hecke übergab.

    In dieser nasskalten, windigen Nacht in Maryville, Ohio, hatte der Killer wieder zugeschlagen - und zwar betont nachdrücklich.

    Eine neugierige Frau hatte bemerkt, dass ihr ständig missgelaunter Nachbar Todd Jenkins das Licht auf seiner Veranda angelassen hatte. Das war um Mitternacht, wie sie Walker Stevens erzählte, nachdem er sich übergeben hatte und sich daran machte, Leute zu interviewen, und sie wusste einfach, dass da etwas nicht in Ordnung war. Sie gab zu, dass sie Geräusche aus Mr. Jenkins Haus gehört hatte, die wie Schreie klangen, aber es war spät und windig, und so hätte es genauso gut der Wind sein können, der um die Häuserecken pfiff und in den Sielen vor dem Haus heulte. Außerdem, so erklärte sie dem wagemutigen Reporter mit dem schwachen Magen, brauche es sie ja überhaupt nicht zu interessieren, was da drüben vor sich gehe.

    Aber schließlich war sie doch noch in ihrem flatternden Nachthemd und mit zerzausten Haaren zum Haus ihrer Nachbarn hinübergestampft. Vielleicht waren die Jenkins einfach ins Bett gegangen, ohne zu bemerken, dass ihre minderjährige Tochter nicht wie befohlen um elf nach Hause gekommen war. Sie sei ja nicht eine von denen, die schlecht über ihre Nachbarn redet, aber schließlich wusste doch jeder in der Gegend hier, dass die kleine Jenkins eine Schlampe war.

    Wie sich herausstellte, wäre es für die Tochter besser gewesen, wenn sie etwas später nach Hause gekommen wäre.

    Walker Stevens richtete sich auf. In seinen Mundwinkeln hingen noch die letzten Tropfen des Erbrochenen, in seinem Magen rumorte es, und in seinem Mund lag schon wieder der pelzige Vorgeschmack der nächsten Übelkeitswelle. Sein Kameramann hatte gnädiger weise darauf verzichtet, die neunte Runde von Stevens aussichtslosem Kampf mit dem Magen auf Band festzuhalten; er war viel zu sehr damit beschäftigt, das Chaos zu filmen, das auf dem Grundstück der Familie Jenkins ausgebrochen war, nachdem die neugierige Nachbarin vollkommen hysterisch bei der Polizei angerufen hatte, um zu melden, dass alle Bewohner des Hauses abgeschlachtet worden waren.

    Abgeschlachtet?, überlegte Walker Stevens, während er sich wieder für seinen publikumswirksamen Augenzeugenbericht vor der Kamera sammelte, der in den Morgennachrichten gesendet werden würde. Sein Toupet hing schief auf der glänzenden Kuppel seines Kopfes, und er rückte es hastig wieder zurecht. Ja, dachte er bei sich, abgeschlachtet beschreibt ziemlich gut, was man in dem Haus gefunden hatte. Oder niedergemetzelt. Geopfert? Was für ein Mann musste das sein, der Frauen und Kindern im Dunkel der Nacht solche... Dinge... antun konnte? Und warum, in Gottes Namen, tat er so etwas? Neunmal in neun Monaten. Der Leiche-des-Monats-Club! Schicken Sie einfach einen Penny ein, und Sie bekommen zwölf Schallplatten gratis, sorgsam einzeln in Schubern verpackt, jede mit dem Todesgeschrei der Abgeschlachteten...

    Walker hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt, um diese Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben. Mit einem schuldbewussten Blick sah er sich um, wie er es immer zu tun pflegte, nachdem er sich auf diese Weise seines Abendessens entledigt hatte, während ungefähr ein Dutzend Cops und etliche Sanitäter mit grimmigen Gesichtern um ihn herummarschierten. Sie mussten sich nicht übergeben. Warum er dann?

    Er wischte sich mit der Hand über das Kinn und versuchte blinzelnd, in dem rotblauen Stroboskoplicht der Polizeiwagen etwas zu erkennen. In all der Aufregung und dem ständigen Hin und Her wurde ihm fast schwindelig. Der Kanal-8-Transporter war als zweites Fahrzeug am Ort des Geschehens eingetroffen, sogar noch vor den meisten Cops, denn Kanal 8 hatte im Zuge der sich häufenden Mordfälle einen Radioempfänger mit Polizeifrequenz erstanden. Walker war schon halb auf dem Weg nach Hause gewesen, als der Nachrichtenchef in sein Büro hineinstürmte und fast schon hysterisch den Satz herausbrüllte, der in der letzten Zeit etwas zu häufig in Maryville zu hören war: »Er hat wieder zugeschlagen«.

    Irgendwie makaber, irgendwie ein Klischee, aber leider so wahr.

    »Also los«, sagte Walker jetzt zu seinem Kameramann, der gerade mit einem Kameraschwenk das Haus abfilmte, während die letzte Leiche, eingewickelt in blutige Tücher, auf einer stählernen Bahre herausgerollt wurde, um sich zum Rest ihrer Familie zu gesellen. »Ich will hier so schnell wie möglich wieder verschwinden. Ich muss einfach weg. Hey, Dave, hörst du mir überhaupt zu?«

    »Nur noch diese Einstellung«, murmelte Dave.

    »Himmel, das sind mittlerweile doch immer dieselben Bilder. Wie oft willst du denn noch die Leiche filmen?«

    »So ungefähr dreißigmal, würde ich sagen, wenn man diese vier mitzählt. Welchen Hintergrund brauchst du?«

    »Einfach das Haus. Keine Leichen, bitte. Um Himmels willen, keine Leichen mehr.«

    »Kein Problem. Fertig?«

    »Glaub' schon.« Walker richtete noch einmal den Knoten an seiner Krawatte und sah dabei zum Himmel hinauf. Vertraute Sternbilder, so fern und sicher, sicher vor diesen Gräueltaten und diesem Horror. Walker war der dritte gewesen, der das Haus nach der Tat betreten hatte. Das Licht war angeschaltet gewesen. Die Überreste der eingeschlagenen Vordertür schwangen in den Angeln hin und her. Eine Frau im Nachthemd stand neben der Veranda, und selbst unter einer dicken Schicht aus Nachtcreme sah sie noch ziemlich grün im Gesicht aus. Ohne sich weiter um sie zu kümmern, war Walker die Stufen hinaufgestiegen, während Dave die Kamera bereit machte. Für einen Augenblick hatte er sich in der verrückten Hoffnung gewogen, dass es sich um eine andere, neue Art von Mord handeln würde, vielleicht einen simplen Erschossenen oder eine einfache Messerstecherei. Alles, solange es nur die Monotonie dieser Hack- und Schlitzorgien durchbrechen würde, mit denen sie nun schon seit Monaten konfrontiert wurden. Einen Augenblick lang hatte er diese irre Hoffnung immerhin aufrechterhalten können.

    Am härtesten hatte ihn der Anblick des jungen Mädchens auf der Couch getroffen. Sie saß in einer recht natürlichen Haltung da - ein junges Mädchen, das für ihr High-School-Foto posiert, den Kopf leicht zurückgelegt und an die Oberkante des Sofas gelehnt. Aber es gab da eine kleine Unstimmigkeit: Ihr Mund stand offen; sie sah aus, als hätte die Kamera sie mitten in einem Wort überrascht, vielleicht sogar bei einem Gähnen. Ihre Augen waren ebenfalls geöffnet. Das war ja nichts Schlimmes. Aber es gab noch eine andere Unstimmigkeit, eine sehr beunruhigende sogar. Sie war oben ohne. Ihre Brustwarzen waren abgeschnitten worden. Ihr Bauch schien merkwürdig flach, beinahe ausgehöhlt. Ein vertikaler Schnitt führte von ihrem Bauchnabel zur Brust hinauf.

    Ihre Gedärme waren herausgerissen und am anderen Ende der Couch abgelegt worden. Irgendein graues Ding baumelte von diesem matschigen Haufen herunter, eine dicke, ekelerregende Darmschlinge.

    Walker hörte, wie sich die beiden Cops in der Küche zu schaffen machten - zweifellos fanden sie gerade weitere grässliche Trophäen, die der unbekannte Schützer zurückgelassen hatte. Er hatte schon jetzt genug, ihm war schlecht, und er hasste den Geruch frischen Blutes, der das Haus wie fauliges Sumpfgas erfüllte. Er wandte sich ab und wollte gerade gehen, als etwas aus dem Mund des Mädchens fiel und auf einer breiten, erstaunlich roten Blutspur an ihrer Brust herunterschlidderte.

    Es war eine ihrer Brustwarzen.

    Das gab Walker endgültig den Rest. Er stürmte die Stufen hinunter und prallte in die Hecken. Mit erschreckender Deutlichkeit erinnerte er sich an sein Abendessen: Schweinekoteletts, Kartoffelpüree, Erbsen, ein Stück Käsekuchen. Ohne sich lange mit Förmlichkeiten aufzuhalten, kamen sie alle wieder hervor - jetzt nur noch eine einzige säuerlich schmeckende Pampe - und ergossen sich über die Büsche.

    »Ich hab' dich klar im Bild«, sagte Dave.

    Walker zuckte zusammen. Er hatte für eine volle Minute an seiner Krawatte herumgespielt, hatte noch einmal den Anblick des Mädchens durchlebt, den warmen Geruch des Blutes, die Art, wie das ganze Haus Tod und Verwüstung herauszuschreien schien. Wie muss es wohl darin zugegangen sein?

    Wie lange hatte der Schützer gebraucht, um sein schreckliches Werk zu vollenden?

    Dave reichte ihm das Mikrofon. Er schluckte, um den Kloß in seinem Hals loszuwerden. Der Scheinwerfer hinter Daves Kamera war viel zu grell; Walker fand es peinlich, mit verkniffenen Augen in die Kamera zu blinzeln, aber er hatte zu lange in die dunklen Büsche gestarrt, und seine Augen mussten sich erst wieder an die Helligkeit gewöhnen.

    »Kamera läuft«, sagte Dave, und ein leises Summen bestätigte seine Angabe. »Die können das später noch zurechtschneiden. Weißt du schon, was du sagen willst?«

    Walker zuckte mit den Schultern. Natürlich wusste er, was er sagen wollte. Er wollte sagen, dass das, was er in dem Haus gesehen hatte, so grauenhaft war, dass er mit seiner letzten Mahlzeit - und sicher noch einigen vorherigen - eine Hecke begossen hatte. Er wollte sagen, dass er etwas gesehen hatte, das niemand jemals sehen dürfte; dass er Dinge gerochen hatte, die niemand jemals riechen sollte. Aber er war ein professioneller Nachrichtenreporter - und das jetzt schon vierzehn Jahre lang -, und er würde die Arbeit nicht hinschmeißen, indem er durchdrehte, während er gerade die heißeste Meldung des Tages aufzeichnete.

    »Also los«, sagte er. »Ich werde es schon irgendwie hinkriegen.«

    »Hey, Walker?« Dave hatte seine Augen vom Sucher seiner tragbaren Kamera abgewandt.

    »Ja? Was ist jetzt schon wieder?«

    »Du hast dir auf den Schlips gekotzt.«

    Er schnitt eine Grimasse in die Kamera und nahm die Krawatte ab. Was machte es schon, wenn er in dieser Nacht mal etwas legerer vor der Kamera auftrat? Morgen früh werde ich vielleicht sowieso schon vollständig durchgedreht sein, dachte Walker.

    »Kamera läuft noch«, sagte Dave. »Erster Versuch.«

    Walker nickte und machte sich daran, wieder einmal sein Bestes zu geben, zumindest, soweit die Umstände es ihm erlaubten. Nur mit großer Mühe gelang es ihm, seinem Gesicht einen ruhigen und gesetzten Ausdruck zu verleihen. Sobald diese Sache überstanden war, das schwor er sich, würde er nach Hause fahren und sich heillos besaufen.

    »Es sollte ein schöner Samstagmorgen für unsere friedliche Stadt werden, doch stattdessen erwacht ganz Maryville heute, um erneut einem Bild des Grauens gegenüberzutreten. Der Augenzeugenbericht auf Kanal 8 ist für Sie an Ort und Stelle, um über das neueste Kapitel einer schrecklichen Mordserie zu berichten. Meine Damen und Herren, der Schützer hat wieder zugeschlagen...«

      Erstes Kapitel

    »...in den frühen Morgenstunden hat der Killer ein weiteres Mal zugeschlagen. Wieder tötete er eine ganze Familie. Wieder konnte er ungesehen entkommen. Resignation und Schrecken sinken immer tiefer in das Herz dieser Stadt...«

    »Himmel, kannst du diesen Scheiß nicht mal abstellen? Ich hasse schlechte Nachrichten. Und diesen Kerl mit dem Toupet kann ich schon gar nicht ertragen. Wie heißt der Typ überhaupt?«

    Der Junge hinter dem Tresen zuckte mit den Schultern. »Yul Brunner mit Haaren, was weiß ich. Und was darf's sein?«

    »'ne Cola, aber mit viel Eis. Ich schwitze wie ein Schwein.«

    »Cola kommt sofort.« Der Junge verschwand hinter dem Tresen, um einen Becher herauszuholen.

    Jonathan Parker stützte sich schwer auf den wackeligen Sperrholztresen des Imbissstands und versuchte mit den Fingern an die Knöpfe des Minifernsehers zu kommen, der in der Ecke verschanzt stand und solch schlechte Meldungen verbreitete. Sein Blick blieb einen Augenblick am Bildschirm hängen, und er bemerkte, dass der Reporter aussah, als ob er zu nahe am Einschlagsort einer Granate gestanden hätte. Sein Haar war vollkommen zerzaust. Mit verkniffenen Augen blinzelte er in die Kamera. Er hatte sogar seine Krawatte verloren. Jonathan zuckte mit den Schultern. Schreckensmeldungen zu verbreiten war wohl kein sonderlich einträgliches Geschäft. Vielleicht sollte sich der Bursche lieber eine andere Beschäftigung suchen.

    Während der Junge den Becher füllte, schaltete Jonathan von einem Programm zum anderen, bis er auf Kanal 11 endlich die Übertragung eines Footballspiels fand. Die Seahawks gegen die Browns. Nicht schlecht.

    Der Junge schob den rot-weißen Cola-Becher über den Tresen, und Jonathan leerte ihn in drei großen Zügen bis zur Hälfte. Hinter ihm hüpften unter einer strahlenden Sonne drei Dutzend Spieler auf dem Sportplatz, die eine Hälfte in roten Trikots, die andere in blauen. Einige Arschkriecher versuchten mit übertriebenen Sprüngen und schnellen Fußwechseln bei ihrem Trainer Eindruck zu schinden. Jonathan schnaubte verächtlich und zerknackte einen Eiswürfel zwischen den Zähnen. Nette Jungs, aber nur als Reservisten zu gebrauchen. Ein paar Hopser in der Pause machten noch lange keinen guten Footballspieler.

    Er selbst hatte sich noch nie ein Spiel von der Bank aus ansehen müssen und wollte damit auch gar nicht erst anfangen. Zwanzig Jahre alt, ein Junior an der State University, der respektable Noten mit nach Hause brachte, der beste Flügelmann, den das College in den letzten sechs Jahren hervorgebracht hatte, von vielen als toller Hecht bewundert, von anderen beneidet, weil er nun einmal von Natur aus gut aussah - wenn man ihn drängte, musste Jonathan Parker selbst zugeben, dass ihm die Welt zu Füßen lag.

    Das würde sich bald genug ändern.

    Er trank seine Cola aus und griff mit einer kraftvollen Bewegung nach seinem Helm, der auf dem Boden lag. Sein Blick schweifte über das kleine Grüppchen von Fans und Schaulustigen, die sich auf den Rängen versammelt hatten, um sich von der Sonne bräunen zu lassen und gleichzeitig kostenlos einen sportlichen Wettkampf zu verfolgen. Einige der Gesichter kannte er, andere nicht. Jonathan wusste allerdings sehr genau, dass ihn alle kannten, ein Umstand, den er mit einer Mischung aus Stolz und Verwunderung hinnahm. Warum mochten sie ihn alle so sehr? Warum überschütteten sie ihn mit Lob und Beifall? Er versuchte doch nur, sein Bestes zu geben.

    »Noch was zu trinken, bevor sie dich da draußen in Stücke reißen?«, fragte der Junge hinter dem Tresen und grinste.

    »Ich erklär's dir mal, Junge«, erwiderte Jonathan und grinste zurück. »Du hast deinen Spaß, wenn du dir die Morde im Fernsehen anguckst, ich habe meinen, wenn elf Kerle versuchen, mich zu zermalmen.«

    Der Junge trat einen Schritt zurück und schaltete auf einen anderen Sender um. »Mittlerweile sind's schon dreißig Leichen«, sagte er, und sein Grinsen erstarb. »Es scheint so, als ob sie alle zehn Minuten denselben Bericht zeigen. Dank dieses Verrückten habe ich den ganzen letzten Monat kaum eine Nacht ruhig schlafen können.«

    Jonathan zwängte seinen Kopf in den Helm. Von den Rängen her ertönte halbherziges Klatschen. Er bedankte sich mit einer Verbeugung im japanischen Stil. Irgendjemand pfiff. Der Coach brüllte Befehle.

    »Ich geh' wohl besser mal wieder rüber«, sagte Jonathan. »Hier ist noch ein bescheidenes Trinkgeld für die vorzügliche Bedienung. Übrigens, wenn dir die Nachrichten nicht gefallen, schau sie dir nicht an. Ganz einfach, oder?«

    »Geradezu umwerfend. Ich hoffe nur, dass du auf dem Footballfeld anders bist als im täglichen Leben.«

    Jonathan blinzelte ihm zu, nicht ganz sicher, was der Junge damit gemeint haben könnte, aber eigentlich war ihm das auch gleichgültig. Mittlerweile hatten sich die Teams an der Abschlaglinie versammelt. Er musste unwillkürlich wieder grinsen. Ein paar Fans in dem winzigen Häufchen der Zuschauer begrüßten seine Rückkehr auf das Feld mit aufgeregten Zurufen. Irgendein Clown stieß einen Buhruf aus, aber er wurde schnell von den Mädchen übertönt und zum Schweigen gebracht. Als Jonathan sich der Vierzig-Yards-Linie näherte, an der die Spieler Aufstellung nahmen, fiel ihm ein besonders hübsches Mädchen auf, das still und ganz für sich allein in der vierten Reihe saß. Sie kam ihm irgendwie bekannt vor; er nahm sich vor, sie nach dem Training anzusprechen. Aber bis fünf Uhr kam es erst einmal nur auf zwei Dinge an: das Leder zu packen und Freunde niederzuwalzen.

    Er lachte leise in sich hinein. Es war ein wunderbarer Tag, die Luft war klar und frisch, der Himmel unendlich blau, und er hatte seinen Spaß. Niemand konnte ihm einen Tag wie diesen verderben; solche Tage gab es viel zu selten in Ohio, wo die Luftfeuchtigkeit normalerweise achtzig Prozent beträgt, so dass man ins Schwitzen gerät, ohne auch nur einen Muskel zu bewegen. Er breitete die Arme aus, als wollte er die ganze Welt umarmen, drehte sich einmal um die eigene Achse, doch dann kam er sich plötzlich ziemlich albern vor und beschloss, sich lieber auf die Aufgabe zu konzentrieren, die vor ihm lag. Seine Gymnastikübungen konnte er später immer noch machen, falls er mit heiler Haut davonkommen sollte.

    Cooper, der Coach, schien der gleichen Ansicht zu sein. Er stieß einen wütenden Pfiff mit seiner Trillerpfeife aus, zeigte auf Jonathan und bedeutete ihm gestenreich, dass er sich gefälligst beeilen solle. Jonathan bequemte sich zu einem leichten Trab. Auf dem Weg zu seinem Team versuchte er sich seelisch auf die nun kommenden Zusammenstöße und Rangeleien vorzubereiten und sich an die Spielzüge zu erinnern, die der Coach ihnen den ganzen Tag über eingehämmert hatte. Jonathan erreichte die anderen Spieler gerade in dem Augenblick, als sie einen Kreis bildeten und letzte Absprachen trafen.

    »Keine Änderungen nach der Pause, soweit ich feststellen kann«, rief der Abwehrspieler. »Alles klar? Dann macht sie nieder!«

    Ein Schrei der Zustimmung, wie aus einer Kehle. Nur Jonathan blieb still. Wie, zum Teufel, war das Spiel vor der Pause abgelaufen? Welche Spielvariante hatten sie versucht? Blau 21? Oder Grün 9? Wie auch immer. Er hatte es früher geschafft, Durchblick vorzutäuschen, und er würde es auch heute wieder schaffen. Er nahm seine Position ein.

    Der Abwehrspieler, der Quarterback, machte das übliche Hin und Her, der Ball wurde gepackt, und Jonathan marschierte an dem Linebacker der gegnerischen Mannschaft vorbei, bevor dieser noch eine Chance hatte, sich mit den Händen vom Boden hochzustoßen. Er hörte ein befriedigendes Uff, als der Linebacker mit dem Gesicht zuerst auf dem Gras aufschlug, und dann lief er auch schon, lief voran, glitt durch die zweite Verteidigungslinie wie ein Messer durch weiche Butter, mit jenen ebenso gewandten wie dampfwalzenartigen Ausweichmanövern, für die er berühmt war. An der Zwanzig-Yards-Linie drehte er sich um und sah, wie der Football auf ihn zu gesaust kam und mit ihm Bruno Parmridge, der es offensichtlich auf seine Knie abgesehen hatte. Jonathan tänzelte zur Seite, um diese nervtötende Deckung abzuschütteln, und dann klatschte der Ball in seine Hände, und er war auf dem Weg in die Endzone, grinsend, den Siegesschrei schon auf den Lippen. Er schaute kurz zur Tribüne hinüber, wo er sofort das hübsche Mädchen entdeckte. Er warf ihr ein breites Lächeln zu und lief vorsichtshalber etwas langsamer, damit sie es auch sicher sehen konnte, felsenfest davon überzeugt, dass sie ein Fan von ihm, dem Wunderknaben, war und nach diesem Touchdown, der sechs Punkte bringen würde, ein Autogramm von ihm verlangen würde.

    Gerade an diesem Punkt seiner Betrachtungen angekommen, rammte ihn von hinten ein Kerl wie eine Planierraupe, riss ihm die Füße unter dem Körper weg und ließ ihn in einem der atemberaubendsten Doppelsaltos durch die Luft segeln, die die Welt je gesehen hatte. Jonathan landete hart auf dem Rücken, und der Ball glitt aus seinen Fingern, als wäre er eingeölt worden. Er sah, wie sich die Spieler grunzend und knurrend übereinanderwarfen, um den Ball wieder in ihren Besitz zu bringen. Dann flog der Ball in hohem Bogen durch

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