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DAS GESETZ DER WÜSTE: Erzählungen
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eBook490 Seiten6 Stunden

DAS GESETZ DER WÜSTE: Erzählungen

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Über dieses E-Book

Die Sammlung Das Gesetz der Wüste von Louis L'Amour ist ein literarischer Hybrid: Neben zehn herausragenden Western-Storys – jenes Genre also, für das der Autor bekannt und berühmt ist – enthält das Buch vier Krimi- und Action-Erzählungen, geschrieben im harten Stil der amerikanischen Schule: Erzählungen, die Louis L'Amour ganz und gar auf Augenhöhe mit Dashiell Hammett, Raymond Chandler und Cornell Woolrich zeigen.

Der Apex-Verlag veröffentlicht Das Gesetz der Wüste in seiner Reihe APEX WESTERN, ergänzt um ein Essay von Dr. Karl Jürgen Roth.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum12. Dez. 2018
ISBN9783743890244
DAS GESETZ DER WÜSTE: Erzählungen

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    Buchvorschau

    DAS GESETZ DER WÜSTE - Louis L' Amour

    Das Buch

    Die Sammlung Das Gesetz der Wüste von Louis L'Amour ist ein literarischer Hybrid: Neben zehn herausragenden Western-Storys – jenes Genre also, für das der Autor bekannt und berühmt ist – enthält das Buch vier Krimi- und Action-Erzählungen, geschrieben im harten Stil der amerikanischen Schule: Erzählungen, die Louis L'Amour ganz und gar auf Augenhöhe mit Dashiell Hammett, Raymond Chandler und Cornell Woolrich zeigen.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht Das Gesetz der Wüste in seiner Reihe APEX WESTERN, ergänzt um ein Essay von Dr. Karl Jürgen Roth.

    DAS GESETZ DER WÜSTE (Law Of The Desert Born)

    Shad Marone kroch fluchend aus dem Wasser und glitt ins Mesquitegestrüpp. Plötzlich und zum ersten Mal, seit die Verfolgungsjagd begonnen hatte, wurde er wütend. Er war durch und durch wütend.

    »Zum Teufel damit!«

    Er kam auf die Beine, und seine Augen funkelten.

    »Jetzt bin ich aber weit genug gerannt!«, knirschte er. »Wenn sie den Black River überqueren, haben sie sich die Folgen selbst zuzuschreiben!«

    Seit drei Tagen war er auf der Flucht und benutzte jede Strategie, die den Männern der Wüste bekannt war. Aber sie hatten sich wie Blutegel an seine Fersen geheftet. Das kam davon, wenn man den Bruder eines Sheriffs getötet hatte, und die Tatsache, dass es Notwehr gewesen war, half da kein bisschen. Und schon gar nicht, wenn der Killer Shad Marone war.

    Das konnte man wohl auch kaum anders erwarten, wenn man der letzte Mann auf der Verliererseite in einem Weidekrieg war. Alle seine Freunde bis auf Madge waren tot.

    Die besten Leute von Puerto de Luna waren bei dieser Auseinandersetzung nicht gerade die härtesten und zähesten gewesen - und sie hatten verloren.

    Und Shad Marone, der immerhin einer der rauesten Männer gewesen war, hatte zusammen mit ihnen verloren. Seine Waffen hatten nicht ausgereicht, um denen der anderen Seite überlegen zu sein.

    Natürlich gestand er sich ehrlicherweise ein, dass die Männer auf seiner Seite nicht gerade Engel gewesen waren. Er selbst hatte ab und zu ein paar Kälber gebrandmarkt, und wenn Bargeld knapp gewesen war, hatte er oft auch ein paar Stiere über die Grenze getrieben. Aber hatten das nicht alle getan?

    Truman und Dykes waren gute Männer gewesen, aber Dykes war schon am Anfang getötet worden, und Truman hatte gekämpft wie ein Gentleman, aber auf diese Weise konnte man im Black River Country keinen Kampf gewinnen.

    Seitdem hatte es für Shad Marone nur noch sehr wenige friedliche Tage gegeben.

    Nachdem man Clyde Bowman zum Sheriff gewählt hatte, war sich Shad Marone im Klaren gewesen, dass man auch ihn noch erledigen wollte.

    Bowman hasste ihn, und er war einer der Schlimmsten im Weidekrieg gewesen.

    Das Dumme war eben nur, dass Shad Marone ein Gunfighter war, und das wussten alle.

    Bowman war schnell mit einem Schießeisen und konnte sich bei einem Kampf auch recht gut behaupten und durchsetzen. Er war auch klug genug gewesen, Shad Marone strikt in Ruhe zu lassen. Also wartete man einfach, beobachtete und plante.

    Dass man Shad Marone nicht leiden konnte, hatte er als Lauf der Dinge hingenommen. Es brauchte raue Männer, um ein raues Land zu besiedeln, und wenn man erst mal zu schießen anfing, wurde eben jemand verletzt. Nun, Shad Marone dachte gar nicht daran, zu denen zu gehören, die verletzt wurden. Für seinen Geschmack war schon viel zu viel geschossen worden.

    Er wollte Puerto de Luna verlassen, aber Madge lebte immer noch auf dem alten Anwesen. Er wollte sie nicht allein hier zurücklassen. Also war auch er geblieben, obwohl er gewusst hatte, dass es nicht von langer Dauer sein konnte.

    Dann war Jud Bowman in die Stadt geritten.

    Shad war sehr nachdenklich geworden, als er dies gehört hatte.

    Jud war dafür berüchtigt, streitlustig zu sein. Wie man sagte, sollte er bereits zwölf Kerben in seinem Revolverkolben haben.

    Shad hatte das Gefühl, dass Jud keineswegs rein zufällig in die Stadt gekommen war.

    Jud war erst zwei Tage in der Stadt, als der Klatsch bereits zu blühen begann. Sehr schnell verbreitete sich die Geschichte, dass Jud im Gegensatz zu Clyde und Lopez keine Angst davor habe, Marone aus der Stadt zu jagen.

    Das hätte Jud Bowman auch gelingen können, wenn Tips nicht gewesen wäre.

    Tips Hogan bediente schon sehr lange hinter der Bar von Puerto de Luna. Er war als Wagenboss für Shads Old Man über den Trail gekommen. Mit Ausnahme von Shad und Tips selbst hatte das inzwischen jedermann vergessen.

    Tips sah die Waffe in Bowmans Schoß und warnte Marone. Es war nur ein einziges Wort. Tips bewegte dabei nicht einmal die Lippen, während er mit einem Lappen den Tresen abwischte.

    Nach einem Moment drehte sich Shad um. Er hielt sein Glas in der linken Hand und sah, wie Bowman dasaß, so dass die Tischplatte die Waffe im Schoß verbarg. Doch selbst dann, als Shad gewusst hatte, dass man ihn töten wollte, hatte er noch keinen Ärger haben wollen. Er beschloss, das Lokal zu verlassen, solange er dazu noch Gelegenheit hatte.

    Doch dann sah er Slade neben der Tür und Henderson auf der anderen Seite des Raumes.

    Shad Marone saß in der Klemme.

    Diesmal wollte man offenbar keinerlei Risiko eingehen.

    Tips Hogan wusste, was wahrscheinlich passieren würde, und deshalb arbeitete er sich möglichst unauffällig an der Theke entlang.

    Marone nahm die Sache leicht. Er wusste, was kommen würde, und es war für ihn keine neue Sache. Das war - so dachte er - sein größter Vorteil. Er hatte schon mehr Kämpfe hinter sich als einer der drei anderen. Zwar wollte er keinen Ärger, aber wenn er mit heiler Haut aus dieser Sache herauskommen wollte, dann nur direkt hinter einem Sechsschüsser. Die Hintertür war versperrt, und das Fenster war geschlossen.

    Jud Bowman blickte plötzlich auf. Er hatte einen dichten, blonden, derben Haarschopf, und die Augen unter den buschigen Brauen glitzerten.

    »Was habe ich da gehört, Marone?«, sagte er. »Sie haben gedroht, mich zu töten?«

    Das also war ihr Vorwand!

    Shad hatte Jud Bowman überhaupt nicht gedroht; er kannte ihn ja kaum. Aber so wollte man ihn ins Unrecht setzen, um dann auf Notwehr plädieren zu können.

    Shad ließ den Blick zu Bowman wandern und sah, wie gespannt und verkrampft das Gesicht des Mannes war. Widerspruch würde garantiert zu einer Schießerei führen. Juds Fingerspitzen lagen an der Tischkante. Er brauchte also nur eine Hand sinken zu lassen und zu feuern.

    »Häh...?«, sagte Shad stupide, als wäre er soeben aus einem Tagtraum aufgeschreckt. Er machte einen Schritt auf den Tisch zu, und sein Gesicht zeigte einen verwunderten Ausdruck. »Was haben Sie da eben gesagt? Ich hab's nicht richtig mitbekommen.«

    Sie hatten alles sehr sorgfältig geplant. Marone würde abstreiten; Bowman würde behaupten, dass Marone ihn einen Lügner genannt hatte. Dann würde es zu einer Schießerei mit tödlichem Ausgang kommen. Alle drei waren aufs äußerste angespannt und darauf vorbereitet, blitzschnell den Revolver zu ziehen.

    »Häh...?«, wiederholte Shad perplex.

    Das brachte die drei aus dem Konzept. Schließlich konnte man ja nicht kaltblütig einen Mann erschießen. Man konnte nicht auf einen Mann schießen, der einen verschlafenen Eindruck machte. Die meisten Männer im Saloon waren zwar gegen Marone, aber einen Mord würde man nicht hinnehmen.

    Die drei waren handlungsbereit, aber nichts geschah.

    Shad blinzelte sie wie benommen an.

    »Tut mir leid«, sagte er. »Ich muss wohl geträumt haben. Ich hab' Sie nicht gehört.«

    Bowman schaute sich unsicher um und befeuchtete mit der Zunge die Lippen.

    »Was ich gesagt habe? Ich hab' gehört, dass Sie gedroht haben, mich zu töten!«, wiederholte er. Es hörte sich sehr lahm an, und das wusste er auch. Aber Shads Reaktion war zu unerwartet gekommen. Doch was dann geschah, war noch unerwarteter.

    Marones linke Hand zuckte nach vorn, und bevor sich jemand auch nur bewegen konnte, wurde der Tisch vor Bowman weggefegt. Jetzt sah jedermann die nackte Waffe in Bowmans Schoß liegen.

    Jedermann im Saloon wusste, dass Jud Bowman trotz seines Rufes Angst gehabt hatte, es ehrlich und offen mit Shad Marone auszuschießen. Was er vorgehabt hatte, wäre glatter Mord gewesen.

    Bowman wurde total überrascht und blinzelte dumm. Doch dann kehrte seine Geistesgegenwart zurück. Das Blut schoss ihm jäh ins Gesicht. Er packte seine Waffe.

    »Also, du - du...«

    Danach schoss Marone auf ihn. Er jagte ihm eine Kugel in den Bauch. Bevor die beiden anderen reagieren konnten, wirbelte er herum, aber nicht in Richtung Tür, sondern zum geschlossenen Fenster. Mit einer Schulter zertrümmerte er das Fenster und segelte hindurch ins Freie. Draußen landete er auf beiden Händen, kam aber sofort hoch und rannte los. Dann saß er auch schon im Sattel und war unterwegs.

    Im Saloon waren Männer, die die Wahrheit gesagt hätten; mindestens zwei, wenngleich beide nicht allzu viel von Marone hielten. Aber Marone wusste, dass er niemals bis vor Gericht gekommen wäre. Dafür hätte Clyde Bowman als Sheriff schon gesorgt. Marone wäre mit dem Hinweis, sich einer Verhaftung widersetzt zu haben, getötet worden.

    Drei Tage lang war er auf der Flucht. Während dieser Zeit waren seine Verfolger nie mehr als eine Stunde hinter ihm. Bei Forked Tree waren sie sehr nahe herangekommen. Marone konnte zwar entkommen, aber man hatte sein Pferd angeschossen. Der Rotschimmel blieb auf den Beinen und gab alles, was er hatte, wie es Pferde stets für Marone getan hatten. Doch am Flussufer war es dann gestorben, nachdem es bis zum letzten Atemzug gekämpft hatte.

    Marone nahm sich nur noch die Zeit, Sattel und Zaumzeug zu verstecken, dann setzte er seinen Fluchtweg zu Fuß fort. Er schaffte es bis zum Fluss, und seine Verfolger hofften, dass ihn der Fluss stoppen würde, denn Marone konnte nicht schwimmen. Aber er fand einen im Wasser treibenden Baumstamm, setzte sich darauf, hielt seine Waffen hoch und stieß ab. Er benutzte die Strömung und half mit kräftigem Beinstrampeln nach. So gelangte er ans gegenüberliegende Ufer, und zwar ein gutes Stück stromabwärts.

    Was ihn am meisten beunruhigte, war die Art, wie man sich an seine Fersen geheftet hatte. Bowman war eigentlich nicht der Mann, der einem so schwachen Trail folgte, wie Marone ihn zurückließ. Doch der Mann folgte ihm beharrlich wie ein Apache.

    Apache!

    Warum hatte er daran noch nicht gedacht? Lopez würde diesem Trail folgen, nicht Bowman. Bowman war eine Bulldogge, aber Lopez war listig wie ein Fuchs und blutdürstig wie ein Wiesel!

    Shad kam auf die Beine und schüttelte wie ein Hund das Wasser von sich ab. Er war ein großer, derbknochiger, sonnengebräunter Mann. Sein Hemd war halb zerfetzt und weggerissen. Ein Patronengurt war über eine Schulter und über die Brust geschlungen. Der Sechsschüsser befand sich an der Hüfte. Das Gewehr hielt er in der Hand.

    Er schüttete das Wasser aus den Stiefeln. Nun, jetzt war Schluss mit der Herumspielerei! Wenn man einen Trail haben wollte, dann würde er dafür sorgen, dass sie auch einen bekamen.

    Lopez bereitete ihm die größten Sorgen. Alle anderen könnte Shad abschütteln, aber Lopez war einer der Männer, die dieses Land aufgebaut hatten. Er war hässlich, tötete gern und oft und war absolut erbarmungslos, aber er hatte Nerv. Das musste man ihm lassen. Der Mann war nicht ehrlich und anständig. Er tötete auch viel zu schnell. Aber Männer wie er waren notwendig gewesen, um dieses wilde, einsame Land zu zähmen. Es war ein Land, das sich nicht so leicht zähmen ließ.

    Nun, jetzt würde es nur noch ein Ende für sie alle geben, nämlich den Tod. Sogar für Lopez. Das hatte sich Shad Marone bisher aufgespart.

    Grimmig wandte er sich dem steilen, wenig benutzten Pfad zu, der vom Fluss aus nach oben führte.

    Sie hatten gedacht, ihn am Fluss gestellt zu haben, und nun würden sie glauben, ihn bei den Lavabetten erneut zu haben.

    In den Lavabetten gab es weder Wasser noch Bäume. Es war eine verlassene, trostlose Gegend. Man glaubte allgemein, dass dort keinerlei Leben existierte. Es gab nur Sand, zackige Felsen, die wie Flammen geformt waren - grotesk, unwegsam, schrecklich. Diese Gegend war mehr als siebzig Meilen lang und nie weniger als dreißig Meilen breit. Das Gelände war derartig rau, dass ein Paar Schuhe nicht einmal fünf Meilen aushielten. Für Pferde war ein Überqueren so gut wie unmöglich.

    Am Rande der Lava setzte sich Marone hin und zog seine Stiefel aus. Er band sie an den Schlaufen zusammen und hängte sie an seinen Gurt. Dann holte er ein Paar Mokassins hervor, die er ständig bei sich trug, und streifte sie über die Füße. Die Mokassins waren leicht und nachgiebig. Sie würden sich dem rauen Gestein gut anpassen und auf diesem Terrain viel länger halten als Stiefel. Dann stand er auf und ging in die Lava hinein.

    Die nackte Lava strahlte die enorme Hitze zurück, die Marone nun wie ein Gluthauch ins Gesicht wehte. Schweiß begann an seinen Wangen hinabzulaufen.

    Er kannte die Wüste und wusste, wie man in großer Hitze leben konnte. Deshalb versuchte er erst gar nicht, sich irgendwie zu beeilen. Das wäre verhängnisvoll gewesen. Weit vor ihm ragte ein Felsmassiv wie ein Kirchturm empor. Marone schlug diese Richtung ein und behielt eine gleichmäßige Gangart bei. Er unternahm keinerlei Versuch, seinen Trail zu vertuschen, um seine Verfolger abzuschütteln. Er wusste, wohin er ging.

    Eine Stunde verstrich, dann noch eine. Marone kam nur langsam voran. Er hatte den turmartigen Felsen erreicht und hinter sich gelassen. Einmal sah er eine Spur einer winzigen Kreatur, vielleicht einer Krötenechse.

    Als er einmal einen Steilhang erklommen hatte, hielt er an und schaute zurück.

    Die Verfolger kamen immer noch; sie hatten noch nicht aufgegeben.

    Lopez. Natürlich. Er würde niemals aufgeben.

    Da lächelte Shad, aber seine Augen verrieten dabei keinen Humor.

    Okay! Sie waren so scharf darauf, ihn zu töten, dass sie nicht einmal vor den Lavabetten zurückschreckten. Sie würden auf die harte Tour lernen müssen, ohne allerdings jemals von dieser Lektion profitieren zu können.

    Shad Marone arbeitete sich ständig weiter nach Norden vor und benutzte sorgfältig jeden sich bietenden Schatten. Davon gab es wenig genug, allenfalls einmal hinter einem Felsen. Aber Shad hielt jedes Mal an, um sich ein bisschen abzukühlen. Bisher hatte er noch keinen Schluck getrunken.

    Nach der dritten Stunde befeuchtete er die Lippen und spülte sich den Mund aus. Danach nahm er zweimal nur einen Löffel Wasser und spülte sich jedes Mal den Mund gründlich aus, bevor er schluckte.

    Gelegentlich hielt er an und schaute sich um, um sich zu orientieren. Wenn er dabei an Bowman dachte, lächelte er grimmig. Der Sheriff war ein schwerer, untersetzter Mann. Davis würde bei ihm sein. Lopez war schlank und drahtig. Er würde durchhalten und nicht so leicht umzubringen sein.

    Als Shad zum letztenmal gezählt hatte, waren noch acht Männer übriggeblieben. Vier hatten bei den Lavabetten kehrtgemacht. Das war ein kleiner Vorteil für Shad Marone.

    Gegen drei Uhr nachmittags hielt er schließlich an. Es war ein schöner, schattiger Platz, und bald würde es hier noch kühler und angenehmer werden. Das Gelände war flach. In einer Ecke gab es so etwas wie eine Nische. Hier grub Shad mit beiden Händen, bis er auf feuchtes Erdreich stieß. Dann legte er sich auf den Sand zurück, um zu schlafen.

    Er machte sich keine Sorgen. Seit vielen Jahren war er stets zur gewünschten Zeit aufgewacht. Seine Sinne waren geschärft und warnten ihn rechtzeitig vor Gefahr.

    Er hatte mindestens eine Stunde Vorsprung vor seinen Verfolgern. Diese Ruhepause würde er dringend brauchen. Was ihm noch bevorstand, würde ihm alles abverlangen, was er hatte. Das wusste er.

    Seine Verfolger würden durch ihre wundgelaufenen Füße jetzt grausam bestraft werden. Drei von ihnen hatten immer noch ihre Pferde bei sich und führten sie am Zügel.

    Er ruhte sich eine volle Stunde aus und stand dann wieder auf. Er hatte die Zeit sehr knapp bemessen. Durch eine Lücke in den Felsen konnte er die Verfolger sehen, keine dreihundert Meter entfernt.

    Wie er es ganz richtig vermutet hatte, war Lopez an der Spitze.

    Wie leicht wäre es doch jetzt für Shad Marone gewesen, einen nach dem anderen mit einem wohlgezielten Schuss zur Strecke zu bringen!

    Aber nein, er wollte und würde nicht wieder töten. Sollten sich seine Verfolger doch von ihrem Drang, ihn zu töten, umbringen lassen.

    In einer Entfernung von hundert Metern hatte er zwei Haufen Felsbrocken zwischen sich und seinen Verfolgern aufgeschichtet. Dann ging er ein Stück weiter und hielt an.

    Vor ihm befand sich eine steile Geröllhalde dicht am Rande einer großen Mulde.

    Von seinem Standort aus konnte er in weiter Ferne einen purpurnen Dunst über den Bergen sehen. Dazwischen gab es weiter nichts als eine immense, weiße Fläche und darüber in der Hitze flirrende Luft.

    Er glitt die Halde hinab und richtete sich unten auf. Er wusste, dass er sich jetzt zwanzig Meter unter dem Meeresspiegel befand. Als er weiterging, stiebte bei jedem Schritt eine kleine, trockene, pulvrige Staubwolke auf. Dieser feine Staub verklebte die Nasenlöcher und die Wimpern. Die Kleidung wurde von weißlichem Alkalistaub überzogen. Weit hinter der Mulde mit der Bezeichnung Sink befand sich Window in the Rock, vom Bergkamm hinter Marone kaum zu erkennen. Er ging in gleichmäßiger Gangart darauf zu. Wenn man geradeaus ging, betrug die Entfernung etwa zehn Meilen.

    »Bisher hat dieser Navajo recht behalten«, sagte sich Shad. »Und er hat auch gesagt, dass man's bis zur Dunkelheit schaffen muss, andernfalls...«

    Shad Marones Lippen waren trocken und rissig. Nach einer Meile hielt er an und kippte die Wasserflasche so, dass er mit einem Finger ins Wasser langen konnte. Dann befeuchtete er sorgfältig die Lippen und träufelte sich anschließend nur ein, zwei Tropfen in den Mund.

    Alle diese Männer kannten sich in der Wüste aus, aber keiner von ihnen - vielleicht mit Ausnahme von Lopez - würde etwas von Sink wissen. Sie würden Wasser brauchen. Sie würden wissen müssen, wo Wasser zu finden war. Bei Tage konnten sie seinem Trail folgen, aber wenn die Dunkelheit hereinbrach?

    Und dann, so hatte der Navajo weiter gesagt, würde der Wind zu wehen beginnen.

    Shad betrachtete den weißen Pulverstaub unter seinen Füßen. Nur allzu lebhaft konnte er sich vorstellen, welch grauenvolle, erstickende Wolke der Wind dann aufwirbeln würde. Das könnte kein Mann überleben!

    Hitzewellen zeichneten bizarre, groteske Muster an den Horizont. Gluthitze stieg aus dem weißen Staub unter Marones Füßen auf und peitschte sein Gesicht. Dieser Staub war meistens fast knöcheltief, mitunter sogar beinahe knietief.

    Weit entfernt waren die Berge wie eine purpurne Linie zu sehen, die vage in der Nachmittagssonne zu zittern schien.

    Marone ging weiter auf Window zu; er ließ sich mehr vom Instinkt als von Blicken leiten.

    Staub quoll in einer dichten, erstickenden Wolke auf, ausgelöst von den Schritten des Mannes. Er stolperte, bekam die Füße wieder unter Kontrolle und ging weiter. Das Gehen in diesem tiefen, weichen Staub war wie ein mühsames Dahinschleppen durch zähen Schlamm. Bei jedem Schritt schien der Staub die Füße einzusaugen. Marone kam nur langsam voran.

    Seine Kehle brannte vor Durst, und der Mund schien wie mit Watte gefüllt. Die Zunge war stark angeschwollen, die Lippen waren aufgeplatzt und ebenfalls dick geschwollen. Er schien überhaupt nicht mehr schlucken zu können.

    Er konnte nicht drei Meilen in einer Stunde schaffen. Die Dunkelheit würde hereinbrechen, bevor er die andere Seite erreichen würde. Aber er würde nahe genug herankommen. Glücklicherweise blieb der Himmel zu dieser Jahreszeit sehr lange hell.

    Nach langer Zeit blieb er stehen und schaute zurück.

    Ja, sie kamen immer noch. Aber es gab nicht nur eine einzige, zusammenhängende Staubwolke. Es gab mehrere.

    Aus rotgeränderten und gegen die Sonne blinzelnden Augen beobachtete Shad Marone seine Verfolger.

    Die Männer bewegten sich weit auseinandergezogen. Jeder Mann, der zurückblieb, würde sterben. Das wusste Marone. Nun, sie hatten es sich selbst zuzuschreiben!

    Staub bedeckte Marones Kleidung. Nur seine Waffen hielt er sauber. Jede halbe Stunde blieb er stehen und wischte die Waffen so gut wie möglich ab. Zweimal zog er eine verknotete Schnur durch den Lauf.

    Schließlich verbrauchte er den letzten Rest seines Wassers. Alle halbe Stunden hatte er seine Lippen befeuchtet. Er warf die leere Wasserflasche jedoch nicht weg, sondern nahm sie weiter mit. Er würde sie später noch brauchen - später, wenn er zum Nest gelangte.

    Seine Füße waren bleischwer, und die Beine schienen einem Automaten zu gehören.

    Shad Marone hielt den Kopf gesenkt und trottete stur weiter. Trotz seiner Müdigkeit schaffte er zwei Meilen in einer Stunde.

    Es gibt Zeiten, da scheint die menschliche Natur nicht mehr imstande zu sein, etwas auszuhalten. Es gibt eine Zeit, da scheint die Kraft bis zum letzten Jota weggebrannt zu sein.

    Dies war jetzt schon der vierte Tag der erbarmungslosen Verfolgungsjagd. Vier Tage ohne warme Mahlzeit. Vier Tage lang war man geritten, gegangen und gerannt.

    Und nun dies. Shad Marone brauchte nur anzuhalten. Dann würde man ihn einholen, und alles wäre vorbei.

    Ihm kam auch der Gedanke, wie leicht es sein würde, jetzt einfach aufzugeben. Er zog diesen Gedanken in Betracht. Aber er dachte nicht daran, jetzt schon aufzugeben. Er hätte genauso wenig aufgeben können, wie eine Biene aufgeben kann, Honig zu sammeln. Voraus lag Leben, und er musste leben. Jetzt war es nur noch eine Frage des Überlebens. Der Mann mit dem größten Lebensdrang würde als einziger überleben.

    Diese Männer hinter ihm würden sterben. Sie würden aus drei Gründen sterben. Erstens wusste nur er allein, wo es Wasser gab, und zum richtigen Zeitpunkt würde er seine Verfolger abschütteln.

    Und zweitens hatte er einen Vorsprung. Nach Einbruch der Dunkelheit würden die Verfolger keine Fährte mehr haben, der sie folgen könnten. Falls sie die Nacht überlebten, würde es morgen früh überhaupt keinen Trail mehr geben.

    Drittens wehte zu dieser Jahreszeit nachts der Wind. Das war immer so. Jeder Verfolger würde diesen weichen, weißen Staub in Augen und Mund bekommen. Ihre Ohren würden verstopft werden. Falls sie sich hinlegten, würden sie unter der aufgewirbelten Staubwolke begraben werden.

    Dann würden sie sterben. Jeder einzelne von ihnen.

    Sie hatten sich diese Suppe selbst eingebrockt. Bowman verdiente es, desgleichen Davis und Gardner, vor allem aber

    Lopez. Sie waren alle dort hinten. Er hatte sie gesehen. Lopez war ein Killer. Der Vater des Mannes war von spanisch-irischer Abstammung gewesen, seine Mutter eine Apachin.

    Wäre Lopez nicht gewesen, hätte Shad Marone die anderen längst abgeschüttelt.

    Shad Marone versuchte zu lachen, aber es wurde nur ein heiserer, halberstickter Laut.

    Nun, sie waren Lopez bis zu ihrem Tod gefolgt, alle von ihnen. Außer Lopez waren alle schwache Schwestern!

    Er schaute noch einmal zurück. Sein Vorsprung hatte sich vergrößert. Die erste Staubwolke war jetzt weiter hinten, und der Abstand zwischen den anderen wurde immer größer. Eigentlich war es eine Schande, dass Lopez ebenfalls sterben musste. Der Mann war zäh und besaß viel Trail-Verstand.

    Shad Marone ging weiter. Irgendwie schaffte er es, noch einmal innere Kraftreserven zu mobilisieren. Er beobachtete die Sonne. Solange es hell war, hatten die anderen eine Chance.

    Was würde man wohl in Puerto de Luna denken, wenn acht Männer nicht zurückkamen?

    Wieder schaute Marone nach der Sonne. Sie stand jetzt schon sehr tief, fast direkt über den purpurnen Bergen, die näher zu sein schienen.

    Noch einmal verlängerte Shad Marone seine Schritte.

    Der Navajo hatte ihm erzählt, wie der Stamm einmal von Apachen verfolgt worden war; der Indianer hatte den gesamten Kriegstrupp der Apachen zur Sink geführt. Dort waren sie von der Dunkelheit überrascht worden. Man hatte keinen von ihnen jemals wiedergesehen. So jedenfalls hatte die Story des Indianers gelautet.

    Shad geriet ins Stolpern und fiel hin. Sofort wurde er von einer dichten Staubwolke eingehüllt und bekam kaum noch Luft. Langsam, wie ein angeschlagener Boxer, zog er die Knie an, benutzte sein Gewehr als Stütze und zog sich wieder auf die Beine.

    Er ging weiter, angetrieben von irgendeinem blinden, brutalen Verlangen, unbedingt am Leben zu bleiben. Als er erneut hinstürzte, konnte er Gestein unter seinen Händen spüren. Noch einmal rappelte er sich mühsam auf.

    Er erklomm den steilen, gewundenen Pfad zum Window in the Rock. Unterhalb der hinteren Ecke vom Window war das Nest. Und im Nest gab es Wasser. So jedenfalls hatte es der Navajo erzählt.

    Auf halbem Wege nach oben drehte er sich um und schaute zurück über die Sink. Er konnte die weit entfernten Staubwolken sehen. Insgesamt vier. Eine war größer als die anderen. Wahrscheinlich waren dort zwei Männer zusammen.

    »Kommen also immer noch!«, murmelte er grimmig. »Und Lopez führt sie an!«

    Lopez! Der Teufel sollte seine rabenschwarze Seele holen!

    Aber Mumm hatte der kleine Teufel, das musste man ihm lassen.

    Plötzlich wünschte sich Marone, dass Lopez es schaffen würde. Der Mann war wie ein Wolf. Ein Killer-Wolf. Aber er hatte Mumm. Und es waren nicht gerade die ehrenhaften und anständigen Leute gewesen, die aus diesem Land das gemacht hatten, was es heute war.

    Wären Killer, Viehdiebe und Banditen nicht gewesen, hätte man den Westen vielleicht nicht so schnell gewonnen. Shad erinnerte sich an einige von ihnen. Wilde, gefährliche Männer, die sich in ein Land gewagt hatten, das niemand sonst zu betreten riskiert hatte. Sie hatten geraubt und getötet, um sich am Leben zu erhalten, aber sie waren dort geblieben.

    Das hatte schon eisenharte Männer erfordert: Männer wie Lopez, der ein Bastard vom Santa Fé Trail war. Lopez hatte viele Male Wasser aus einer Büffelfährte getrunken. Nun, das habe ich auch! sagte sich Shad Marone.

    Er nahm seinen Sechsschüsser heraus und wischte sorgfältig den Staub ab. Erst dann setzte er seinen Weg fort.

    Shad Marone fand das Nest, eine Höhlung zwischen den

    Felsen, gut vor dem Wind geschützt. Das Window befand sich jetzt immens und gigantisch oberhalb von Marone.

    Shad stolperte und rannte ins Nest. Er ließ das Gewehr fallen und warf sich beim Wasserloch auf den Boden, um zu trinken.

    Doch dann starrte er ungläubig.

    Leer!

    Der Erdboden war trocken. Die Stelle, wo sich Wasser befunden hatte, war hart verdorrt. Jetzt gab es dort nur noch rissiges Erdreich.

    Shad Marone konnte es nicht glauben. Das konnte doch nicht sein! Das durfte doch nicht sein!

    Marone kam auf die Beine und schaute sich wild um. Seine Augen waren entzündet und rotgerändert. Das Gesicht glühte von der Sonnenhitze, und der schwarze Bart war von einer weißlichen Pulverschicht wie grau gefärbt.

    Marone versuchte zu lachen.

    Irgendwo da unten würde Lopez sterben - und hier oben würde er selbst - Shad Marone - den Tod finden! Die harten Männer des Westens, diese rauen, zähen Männer! Er verspottete sich selbst. Jetzt würden beide hier sterben. Er an diesem vertrockneten Wasserloch, Lopez da unten im dicken, tiefen Alkalistaub!

    Shad Marone schüttelte den Kopf. In sein von der Hitze entflammtes Gehirn kehrte allmählich der gesunde Menschenverstand zurück.

    Hier hatte es Wasser gegeben. Der Indianer hatte Recht gehabt. Das zeigte der rissige Erdboden. Aber wo?

    Vielleicht eine trockene Jahreszeit? Aber, nein - es war keine trockene Jahreszeit gewesen. Gewiss nicht trockener als in anderen Jahren um diese Zeit.

    Shad Marone starrte über die Stelle hinweg, wo der Wassertümpel gewesen war. Felsbrocken, ein paar verkrüppelte Bergkiefern und ein Haufen Steine nach einem offenbar kleinen Bergrutsch.

    Marone stolperte hinüber und machte sich am aufgehäuften Geröll zu schaffen. Er riss Steine los und warf sie beiseite.

    Da, ganz plötzlich - Wasser quoll aus einigen Ritzen!

    Shad Marone packte einen großen Felsbrocken und riss ihn unter Aufbietung aller Kraft los.

    Ganz plötzlich schoss ein Wasserstrahl hervor!

    Shad Marone bekam noch einen sehr großen Felsbrocken zu fassen, strengte sich aufs äußerste an und riss ihn heraus. Dann strömte das Wasser so plötzlich und heftig heraus, dass Shad davon umgerissen wurde und auf die Knie sank.

    Er kroch aus der Bodenvertiefung heraus und plätscherte im Wasser. Dann legte er sich mit dem Gesicht nach unten hin und trank lange und gierig.

    Schließlich wälzte er sich herum und lag keuchend ganz still da. Nur sehr vage wurde er sich bewusst, dass der Wind zu wehen begann.

    Shad kroch abermals zum Wasser und wusch sich das Gesicht, um Schmutz und Dreck zu entfernen. Sorgfältig wie immer füllte er anschließend seine Flasche mit dem frischen Wasser, das aus der Quelle hervorsprudelte.

    Wenn er jetzt doch bloß etwas Kaffee hätte! Aber er hatte seinen gesamten Lebensmittelvorrat in den Satteltaschen zurückgelassen.

    Nun, mit Madge wäre fortan alles in Ordnung. Er konnte zu ihr zurückgehen. Nach dieser Sache hier würde man ihn nicht mehr belästigen. Er würde mit Madge fortgehen. Sie würden zu den Blue Mountains in Oregon ziehen. Diese Gegend hatte ihm schon immer sehr gut gefallen.

    Der Wind wehte jetzt schon wesentlich kräftiger. Shad konnte deutlich genug Staub riechen.

    Dieser Navajo hatte nicht gelogen. Unten im Sink würde die Hölle los sein. Shad aber befand sich jetzt etwa eine Meile entfernt ziemlich weit oberhalb.

    Er starrte in die Dunkelheit hinab und überlegte, wie weit Lopez es wohl noch geschafft haben würde. Die anderen zählten gar nicht mehr; sie waren Schwächlinge, die stets nur von der Kraft besserer Männer zehrten. Sollten sie nicht dort unten sterben, würden sie eben irgendwo anders sterben. Der Westen konnte gut und gerne auf sie verzichten und ohne sie auskommen.

    Shad Marone kam auf die Beine.

    Lopez würde nur höchst ungern sterben wollen. Seine Ranch, die er so sorgfältig in einem der wildesten, rauesten Teile dieses Landes aufgebaut hatte, ging zu gut. Es brauchte schon einen Mann mit viel Mumm, um sich an dieser Stelle niederzulassen und die Sache lohnenswert zu machen.

    Shad Marone rieb sich das stoppelige Kinn.

    »Jene letzten dreißig Rinder, die ich für ihn gestohlen hatte, brachten den besten Preis, den ich jemals bekommen habe!«, erinnerte er sich nachdenklich. »Zu schade, dass es nicht mehr Männer wie ihn gibt!«

    Nun, nach dieser Nacht würde es einen weniger geben. Lopez konnte jetzt dort unten keinerlei Anhaltspunkte mehr finden, die ihn irgendwie leiten könnten. Für einen Mann, der sich in einer dichten, undurchdringlichen Staubwolke befand, gab es keinerlei Landschaftsmerkmale mehr. Allenfalls bloßer Instinkt könnte ihn noch einmal aus dieser lebensbedrohenden Situation befreien.

    Die Navajos waren damals sehr clever gewesen, als sie die Apachen in diese Todesfälle geführt hatten. Merkwürdig, dass Lopez' Mutter ebenfalls eine Apachin gewesen war.

    Aber Lopez hatte ganz entschieden sehr viel Mumm, sagte sich Shad Marone. Der Mann hatte sich von ganz unten heraufgearbeitet, bis er eine der besten Ranches hatte.

    Shad Marone beschäftigte sich damit, dürres Zedernholz zu sammeln. Nach wenigen Minuten hatte er ein kleines Feuer brennen.

    Marone trank noch einmal. Irgendwie fühlte er sich ruhelos. Er stand auf und ging zum Rand des Nestes.

    Wie weit war Lopez gekommen? Angenommen...

    Marone packte seinen Revolver und ging plötzlich den Berg hinab.

    »Zum Teufel damit!«, knurrte er vor sich hin.

    Ein Stein klapperte.

    Marone erstarrte und hielt den Revolver schussbereit in der rechten Faust.

    Lopez tauchte wie ein grauer Schatten im vagen Licht von der Klippe auf; auch er hatte eine Waffe in der Hand.

    Eine volle Minute lang starrten sich die beiden Männer wortlos an.

    Marone sprach zuerst.

    »Ist 'ne mörderische Hitze«, sagte er.

    Lopez sagte: »Wieso hast du etwas von diesem Wasserloch gewusst?«

    »Ein Navajo hat's mir erzählt«, erwiderte Marone. Er beobachtete Lopez wie eine Raubkatze auf der Lauer. »Du siehst noch gar nicht mal so schlimm aus«, fügte er hinzu. »Hast du 'ne volle Wasserflasche?«

    »Nein. Ich wäre erledigt gewesen. Aber meine Mutter war eine Apachin. Eine Schar von ihnen wurde mal im Sink erwischt. Das passiert einem Apachen kein zweites Mal. Dann fanden sie diese Wasserstelle hier sowie eine andere weiter unten. Ich schaffte es zu der Wasserstelle da unten. Danach war ich allerdings so gut wie erledigt. Das Wasserloch war ausgetrocknet. Doch dann begann Wasser aus einer Felsspalte zu rieseln.«

    »Yeah?« Marone schaute ihn wieder an. »Hast du Kaffee?«

    »Klar.«

    Shad Marone schob seinen Revolver ins Holster und sagte: »Na, und ich hab' ein Feuer.«

      DIE VIEHDIEBE (Riding On)

    Die Reiter bewegten sich gemeinsam nach vorn.

    »Reiß' mal 'n Zündholz an, Reb!«

    Nathan Embrees Stimme zitterte vor Triumph.

    »Endlich haben wir einen erwischt! Ich hab' ihn fallen hören!«

    Reb Farrell glitt aus dem Sattel.

    »Ich sehe ihn! Ist direkt da drüben!«

    Er riss ein Zündholz an seinen Jeans an; das Flämmchen flackerte auf.

    Alle verdrehten sich den Hals und starrten nach vorn.

    Der Mann auf dem Boden hatte ein Kugelloch im Kopf, aber sein Gesicht zeigte einen ganz ruhigen Ausdruck. Es war ein Gesicht, das von Jahren gezeichnet war, die nicht gerade freundlich gewesen waren. Das Gesicht eines Mannes, der vom Kampf ums Leben müde geworden war.

    Es war das Gesicht von Reb Farrells Vater.

    Reb war vor Entsetzen wie benommen, als er auf den Mann hinabstarrte, den er getötet hatte; auf den Mann, der sich solche Mühe gegeben hatte, dem Sohn ein wenig Bildung und Ehrgefühl beizubringen. Dieser Mann hatte so hart gekämpft und verloren. Jetzt war er tot - getötet vom Sohn, den er so geliebt hatte.

    »Mein Gott!«, rief Dave Barbot leise. »Doch nicht Jim Farell! Das kann doch nicht sein!«

    Nathan Embrees Schock verwandelte sich plötzlich in bittere Wut.

    »So war das also? Deshalb konntest du für mich keine Viehdiebe finden, Reb? Vielleicht erklärt das, warum sie immer wussten, wann und wo wir zuschlagen würden! Vielleicht erklärt das, warum sie uns immer um eine Nasenlänge voraus waren!«

    Reb Farrell starrte ungläubig auf den Toten. Für Reb war es ein doppelter Schock. Einmal die Anwesenheit seines Vaters, zum anderen das Gefühl, ihn erschossen zu haben. Er hörte gar nicht, was Nathan Embree sagte. Er hörte auch nicht Dave Barbots ungläubigen Ausruf, mit dem er heftig widersprach.

    »Das glaubst du doch selbst nicht, Nathan!« Jetzt klang Daves Stimme sehr scharf. »Reb ist härter gegen sie vorgegangen als sonst jemand. Immerhin hat er zwei Herden für dich zurückgeholt.«

    »Hmhm...« Nathans Stimme verriet kalte Sicherheit. »Und wieso hat er sie gefunden, während niemand sonst sie gefunden hat, he? Vielleicht, weil er gewusst hat, wo er nach ihnen suchen sollte? Wann haben denn diese Viehdiebstähle begonnen? Nachdem ich Reb zum Vormann gemacht hatte, nicht wahr? Unmittelbar danach!«

    Reb Farrell blickte auf.

    »Was war das? Was hast du da eben gesagt, Nathan?«

    Nathan Embree war ein gerechter Mann, aber er war auch hart und erbarmungslos.

    Der Mond war hinter einer Wolke hervorgekommen, so dass Embree das Gesicht seines jungen Vormannes sehen konnte.

    »Du bist gefeuert, Reb! Gefeuert! Pack deine Sachen und verschwinde von der Ranch! Ich kann dir zwar nichts beweisen, aber wenn du nach vierundzwanzig Stunden immer noch in dieser Gegend bist, werden wir dich jagen und aufknüpfen!«

    Reb war eine volle Minute lang vor Staunen sprachlos. Erst als die Reiter sich anschickten,

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