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Gothic-Disco: Ein Dark Wave-Roman
Gothic-Disco: Ein Dark Wave-Roman
Gothic-Disco: Ein Dark Wave-Roman
eBook243 Seiten2 Stunden

Gothic-Disco: Ein Dark Wave-Roman

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Über dieses E-Book

Eine junge Gothic-Clique trifft sich regelmäßig in der Gothic-Disco. Sie hören bevorzugt Dark Wave oder Post-Punk, unternehmen an den Wochenenden viel zusammen: Mittelaltermarkt, London-Trip, Dark Wave-Konzerte, SM-Partys mit viel Sex und nächtliche Friedhofsbesuche. Als sie eine Séance mit Ouija-Board bei "Gothic-Grrl" abhalten, kommt es zur Zerreißprobe. Drogen-erlebnisse machen der Clique einen Strich durch die Rechnung. Das Ganze endet schließlich im Desaster für die kleine Goth-Clique.

      QUOD ERAT DEMONSTRANDUM

 

 

Da hob Mascha das kleine Plastiktütli mit dem restlichen Ecstasy auf und fragte:

    „Was soll ich jetzt damit machen?“

    „Am besten gleich ins Pipi-Klo damit!“,

entgegnete Petra reflexartig.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum29. Mai 2014
ISBN9783730977255
Gothic-Disco: Ein Dark Wave-Roman

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    Buchvorschau

    Gothic-Disco - Roland Scheller

    Gothic-Disco

    Gothic-Disco 

    Ein Dark Wave-Roman

    Roland Scheller

    (2. überarbeitete Auflage)

    Die Handlungen und alle Personen in diesem Roman sind frei erfunden.

    Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Copyright © 2019 Roland Scheller

    All rights reserved.

    Soldier lies bleeding where a church once stood

    Alien Sex Fiend (1983) – Ignore the Machine

    Post-Punk traf genau ihren Nerv, speziell Dark Wave, Gothic und was sie anfangs „Depri-Mucke" nannten. Die junge Frau besaß eine ganze Sammlung kreuzförmiger Kettenanhänger, ein kleines Christenkreuz aus Gold, das sie damals aus dem Schmuckkästli ihrer Mutter stibitzt hatte, mehrere wertlose Kreuzli und eine silberne Kette mit einem umgedrehten Kreuz, dem Zeichen der Grufties. Dazu hatte sie mehrere Keltenkreuze und verschiedenen Krimskrams in Kreuzform wie Kerzenständer, Ringe und Ohrringe.

    Als sie sich zum ersten Mal die Haare schwarz färbte, gab es arge Probleme mit der Mutter. Doch das war der Weg, den sie gehen wollte. Über kurz oder lang würde sie sich über die Mutter hinwegsetzen. Sie wurde von ihrem Freundeskreis schon zu Schulzeiten nur Gothic-Grrl genannt, ein Name, den sie schnell weghatte, als sie die ersten Male ganz in Schwarz herumlief. Gothic-Grrl hatte anfangs Angst, dass ihre Haarsubstanz unter den Wirkstoffen der Färbemittel auf Dauer leiden könnte. Aber andere in der Gothic-Szene färbten sich die Haare schon seit Jahren regelmäßig schwarz. Wäre es möglich gewesen, hätte ihre Mutter ihr die Haare sofort zurückfärben lassen. Doch nach ein paar Tagen hatte auch sie sich daran gewöhnt. Beim ersten Nachfärben fiel es der Mutter schon gar nicht mehr auf. Gothic-Grrl machte dabei alles selbst, nahm dafür das preiswerteste Haarfärbemittel und stellte sich vor den Spiegel. Nur mit der Frisur war sie sich häufig unsicher. Sollte sie sich an den Seiten etwas wegrasieren?

    Sie orientierte sich, was Frisuren betraf, an anderen aus der lokalen Gothic-Szene und an alten Plattencovern aus den 80ern. Manchmal blätterte sie in einer Gothic-Zeitschrift, sofern sie eine in die Hände bekam. Sie wurde mit der Zeit immer mutiger, was Frisur und Kleidung anbetraf. Schwarz war bei Kleidung Pflicht. Sie wollte ein richtiger Blickfang sein. Sie liebte ihre schwarzen Stiefel und war generell schwarzem Leder nicht abgeneigt. Je nach Jahreszeit musste sie ihre Kleidung anpassen – natürlich in Schwarz.

    Als sie nach der Schulzeit endlich von zu Hause auszog und ihre erste eigene Wohnung anmietete, fühlte sie sich zum ersten Mal frei und unabhängig. Bald hingen in ihrem Zimmer mehrere Spiegel. Kerzenständer standen an verschiedenen Stellen. Und es hingen ein paar Halsketten mit Kreuzanhängern an verschiedenen Haken und Vorsprüngen, eine an einem der Spiegel, eine an einem Kandelaber und eine an einem schwarz bemalten Schrank.

    Wenn sie zu den Gothic-Veranstaltungen in die lokale Diskothek ging, war sie inklusive Unterwäsche ganz in Schwarz gekleidet. Das war ein absolutes Muss in der Szene. Alles spielte sich am Wochenende nach dem gleichen Muster ab: In Schale werfen, frisieren, schminken, in die Gothic-Disco, betrinken, tanzen, abhängen, reden, die Nacht durchmachen und bei Morgengrauen wieder nach Hause, alleine oder zu zweit. Das lief jetzt schon seit Jahren so, und sie fühlte sich der Sache immer noch nicht überdrüssig. Von einer positiven Lebenseinstellung war sie meilenweit entfernt, ihre Gedanken waren recht düster. Ihre Stimmung wirkte melancholisch. Aber sie konnte auch makaber sein. Wurde sie von Fremden angesprochen, reagierte sie meist störrisch, aber humorvoll. Sie war voll von Plattitüden wie:

          „Das kommt davon",

    oder

          „Je öfter, desto besser."

    Das gab ihr eine gewisse Spontanität in Gesprächen. Dennoch hatte sie eine gefestigte Meinung zu bestimmten politischen Themen wie Atomkraft, Sterbehilfe oder Auslandseinsätze der Bundeswehr. Gerade beim Thema Sterbehilfe tat sie sich in Diskussionen besonders hervor. Wenn ein alter Mensch zum Weiterleben zu schwach sei, und die Gedanken schon wirr seien, so sei es durchaus zulässig, diesen Menschen beim Sterben aktiv zu unterstützen.

          „Was soll das lange Leiden?",

    monierte sie. Und sie sagte das mit einem guten Schuss Sarkasmus. Außerdem war es sehr typisch für diese Goth-Frau, dass sie liebend gerne Redewendungen und Sprichwörter verwendete, die mit dem Teufel und der Hölle zu tun hatten:

          „Fahr zur Hölle!",

    oder

          „Ich werde den Teufel tun!"

    oder

          „Jetzt ist Sense!"

    gehörten wie viele andere Sprüche zu ihrem eingefleischten Sprachrepertoire. Machte jemand in ihrer Gegenwart etwas verkehrt, so fragte sie:

          „Bist du des Teufels?"

    Ärgerte sie etwas bis aufs Blut, ächzte sie

          „Ich werde fuchsteufelswild."

    Von ihr konnte man ebenso Sprichwörter hören wie

          „den Teufel mit dem Beelzebub austreiben"

    oder

          „in der Not frisst der Teufel Fliegen."

    Sie freute sich über jeden, der ihren Sprachschatz in dieser Richtung erweitern konnte. Manchmal notierte sie sich neue Sprichwörter, um sie besser behalten und in einer geeigneten Situation anwenden zu können.

    Gothic-Grrl hatte ständig gerötete, fast entzündete Lippen. Diese waren häufig dermaßen spröde, dass sie Labello auftragen musste. Das war eine Folge ihrer Nervosität. Sie kaute auf den Lippen, leckte sie bei innerer Unruhe und besonders den linken Mundwinkel, der wieder und wieder entzündet war. Das sah bei ihrer hellen Haut ziemlich abgefuckt aus. 

    Ihre schwarzen Plateaustiefel trug sie nur selten. Es musste schon etwas ganz Besonderes anstehen, dass sie diese anzog, ein Gothic-Festival oder ein Konzert vor Ort. Manchmal toupierte sie ihre halblangen Haare. Der Kajalstift hingegen war obligatorisch, wenn sie am Wochenende loszog. Der Lidstrich sollte aussehen wie bei Kleopatra. Der schwarze Lippenstift wurde meistens für die ganz besonderen Tage aufbewahrt. Sie liebte die Bondage-Mode, auch wenn sie sich diese Aufmachung nicht leisten konnte und stattdessen auf ihre schwarzen Schranktextilien angewiesen war. Die junge Frau lebte ihre Sexualität ganz auf ihre Art und ging bisher keine längeren Beziehungen ein. Dreh- und Angelpunkt ihres Wirkens war die lokale Gothic-Szene, die sie fast jedes Wochenende traf. Ein potenzieller Partner musste dem Dress-Code der Szene entsprechen. Und getratscht wurde in ihrer Clique was das Zeug hielt. Tauchte ein neuer Typ auf Dark Wave gestylt in der Disco auf, wurde er so offensichtlich gemustert, dass es ihm nicht verborgen bleiben konnte.

    Einige der jungen Gothic- und EBM-Fans waren sehr narzisstisch veranlagt. Von außen betrachtet wirkten sie dazu manchmal wie eine sektenähnliche Verbindung. Ihre Arroganz wirkte auf andere abweisend. Wenn bei den Männern zur schwarzen Ausgehkluft mit schwarzem Hemd und schwarzer Krawatte mit schweren schwarzen Stiefeln zusätzlich Seitenscheitel und ausrasierter Nacken dazu kamen, hättest du einige auf den ersten Blick für Nazis halten können. Doch das waren sie angeblich nicht. Leider waren einige deutlich im HJ-Style gekleidet, was ekelhaft wirkte. In der EBM-Szene herrschten Symbole wie Hämmer, Zahnräder, Pfeile, Maulschlüssel und Sterne vor. Doch einige Zeichen waren provokativ doppeldeutig, so auch das Symbol auf der Maxi-Single einer britischen EBM-Band, das fast identisch mit dem Symbol der ungarischen Faschisten war, dem Symbol der Pfeilkreuzler. Auf der Maxi waren es rote Pfeile auf grauem Hintergrund. Was sollte das? Wer mag zweifelsfrei definieren, ob böse Absichten oder Zufall vorlagen? Aber warum sollte für Pfeilkreuzderivate anderes gelten als für Hakenkreuzderivate?

    Weitere Grauzonen lagen vor, wenn selbstkreierte Fantasie-Runen auf T-Shirts auftauchten oder Bandnamen in Frakturschrift zu sehen waren. Sogar das Album Cover Art bei Cybergoth- oder Aggrotech-Bands war von dieser Misere frühzeitig betroffen. Einige Bands besangen Kriegssituationen wie Stuka-Angriffe und richteten ihre Musikvideos entsprechend aus, sodass sogar die ANTIFA alarmiert war – völlig zu Recht. Das sorgte nicht nur auf der Tanzfläche für Verunsicherung. Diese symbolischen Zeichen, im Prinzip Neologismen faschistischer Symbolik, waren verwerflich und nicht wirklich mit diktaturkritischen Fotomontagen wie die von John Heartfields zu vergleichen, die eine slowenischen Industrial-Band auf eines ihrer Cover übernommen hatte. Trug dies Gehabe zu einem schleichenden Etablieren von Nazi-Symbolik in den Discos bei? Eine lokale Szenegröße sagte mal:

          „Besser du trägst Narzissmus, Nazismus und Fetischismus auf der Tanzfläche aus, als dass Uniformierte sich wieder auf der Straße gegenseitig die Köpfe einhauen."

    Über diese Äußerung gab es diametral entgegengesetzte Meinungen. Böse Zungen könnten sogar behaupten, dass Arbeitersymbolik umkodiert werden sollte und dass die Gothic-Szene von der EBM-Szene unterwandert war. Was in anderen Subkulturen – speziell im Spannungsfeld zwischen Punk- und Skinheadszene – konsequent geahndet würde, war in der Gothic-Disco längst salonfähig und blieb intern straffrei.

    Andere Gothic-Fans erschienen in der Disco ganz im Piraten-Look, trugen schwarze Hemden mit Well-Kragen und Manschetten und dazu lange Haare. Wieder andere kleideten und verhielten sich im Stile der New Romantics. Kurios waren zudem die Cybergoths, die sich immer wieder unter die Gothic-Szene mischten. Dieses lustige Völkchen sorgte mit futuristischen Gasmasken, Glowsticks, Leuchthandschuhen, Neon-Extensions und schriller schwarzer Kleidung immer wieder für Aufsehen. Hinzu kam ein brutaler Tanzstil mit kampfsportähnlichen Bewegungen.

    Doch in der Gothic-Szene gab es nicht nur modebegeisterte Freaks, sondern auch gescheiterte und kaputte Typen. Bei einigen spielten Drogen eine entscheidende Rolle. Handel und Konsum verliefen heimlich und im Verborgenen. Einmal wurde eine Heroinspritze auf der Herrentoilette der Gothic-Disco gefunden. Jemand rief das Personal. Sie wurde ohne größeres Aufsehen entsorgt. Gothic-Grrl hatte eine gespaltene Einstellung zum Thema Rauschmittel, da sie keine besonders stabile Persönlichkeit besaß. Sie hatte bisher Haschisch und Marihuana probiert und kein weiteres Interesse daran gefunden. Sie sagte, sie würde dafür kein Geld ausgeben wollen. Härtere Drogen wurden ihr zum Glück nie angeboten. Wer weiß, wie sie darauf reagiert hätte. Sie deutete einmal an, dass Speed für sie die Grenze sei. Es kam jedenfalls nicht dazu.

    Ihr Geld gab sie lieber für Kleidung und Discobesuche aus, für Longdrinks und Rotwein, für Konzerte und natürlich für Gothic-Devotionalien, Dark Wave-CDs, für Schmuck und alte, knisternde Platten aus den 80ern. Sie trug bereits ein kleines tätowiertes keltisches Kreuz mit einem Totenkopf in der Mitte auf dem rechten Oberarm. Gothic-Grrl wollte sich bald mindestens ein weiteres Tattoo stechen lassen, vielleicht eine kleine Fledermaus oder ein Spinnennetz, vielleicht aufs Schulterblatt.

    Sie hatte bisher nicht besonders viele Liebhaber. Es waren mehrere One-Night-Stands dabei. Sie verstand anfangs nicht sehr viel von Erotik. Ihr war wichtig, dass ihre Liaison ganz in Schwarz gekleidet war. Dazu zählte auch Unterwäsche. Für sie gehörte sogar ein schwarzes Kondom dazu. Safer Sex spielte eine wichtige Rolle, denn sie hatte Angst vor Aids. Schon das Gespräch über Safer Sex erregte sie stark. Gothic-Grrl entwickelte immer größeres Interesse an SM-Bondage, denn sie hatte schon eine Menge darüber gelesen. Doch auch hier waren ihr Kleidung und Ausrüstung zu teuer. Deshalb entschloss sie sich, ihre Sexualität nicht allzu extrem zu leben. Sex bei Kerzenschein mit düsterer Musik und schwarzer Reizwäsche taten es auch. Es musste nicht immer die ganz harte Welle sein. Sie empfand sich mit ihrer blassweißen Haut als besonders sexy. Ihre Haut war deshalb sehr hell, da sie weitestgehend das Sonnenlicht scheute. Während andere im Sommer am Strand, im Freibad, im Park oder am See lagen, zog sie es vor, zu Hause zu bleiben und Dark Wave zu hören, zu lesen oder im Internet zu surfen. Es entsprach ihrem Schönheitsideal, blasse oder fast weiße Haut zu haben. Am Wochenende hellte sie ihr Gesicht sogar mit Puder weiter auf.

    Sie war nicht zuletzt deshalb so lichtscheu, da sie zu viel Zeit vor dem Notebook verbachte. Sie beschäftigte sich mit Gothic-Newsgroups, chattete für ihr Leben gern und tauschte mit Freunden und Bekannten Fotos aus. Ihre neuesten Fotos von Gothic-Partys, Konzerten und Festivals stellte sie ins Netz. Und außerdem nahm sie als Online-Spielerin an einem Gothic Fantasy-Spiel teil. Das beschäftigt sie manchmal bis tief in die Nacht hinein. Beim Chatten verhielt sie sich weitestgehend korrekt, hatte stets einen makaberen Spruch parat und reagierte empfindlich, wenn jemand sie näher kennenlernen wollte. Das hatte bisher niemand bei ihr geschafft. Sogar im Internet galt ihr Gothic-Ideal, und Fotos spielten dabei eine besondere Rolle. Der Chat-Partner, sofern er auf einem Foto sichtbar war, musste schwarz gekleidet sein und am besten schwarze Haare haben. Auch wenn es bisher nicht zu realen Kontakten kam, so wurden dennoch in einigen Fällen Fotos ausgetauscht. Sie besaß mehrere Digitalaufnahmen, die sie in leicht erotischen Posen zeigten, entblößt und von hinten aufgenommen, sodass ihre Brüste nicht zu sehen waren, bei denen bei entblößter Schulter der Blick auf ihr Tattoo gerichtet wurde. Es waren wirklich einfache, aber typische Erotikaufnahmen. Mal versteckte sie sich hinter einem großen schwarzen Fächer, mal fasernackt unter einem langen Ledermantel.

    Ihre Pseudonyme und Emailadresse ließen sofort darauf schließen, dass sie aus der Gothic-Szene stammt. Beim Chatten hieß sie Vampirella und im schwarzen Forum Black-Devil-Girl. Sogar in ihrer Emailadresse kam das Wort Gothic vor.

    Sie galt als eine sehr vorsichtige Frau, hatte nachts auf dem Nachhauseweg Angst, vergewaltigt oder sogar ermordet zu werden.

    Sie achtete fast wahnhaft darauf, dass ihr in der Disco niemand K.o.-Tropfen, Prohypnol, in den Drink träufelte. Sie legte stets einen Bierdeckel aufs Glas, wenn sie ihr Getränk abstellte.

    Auf dem Rückweg nahm sie zumeist mit ihrer Freundin Mascha ein Taxi. Leider war das nächtliche Frauentaxi in dieser Stadt schon vor vielen Jahren abgeschafft worden. Doch von den Taxifahrern mussten sie sich regelmäßig dumme Fragen gefallen lassen wie:

          „Lauft ihr sogar unter der Woche die ganze Zeit in Schwarz herum?"

          „Die Woche über verlassen wir die Wohnung nicht",

    antwortete Gothic-Grrl keck.

    Und fragte ein Taxifahrer:

          „Kommt ihr gerade von einer Beerdigung?",

    konterte sie:

          „Nein, von einer Trauerfeier."

    Was den Alltag anbetraf, war sie ein ganz normaler Mensch, nur dass sie eben einen ziemlich extremen Modegeschmack besaß. Selbst sie musste mal einkaufen gehen oder zur Arbeit, zum Arzt oder wohin auch immer. Sie arbeitete in einem Callcenter. Den Leuten, die sie damals eingestellt hatten, war ihr Äußeres egal. Entscheidend war, dass sie den Einstellungstest bestanden hatte und Quote brachte. Doch viel Geld verdiente sie nicht. Sie musste meistens ganz präzise einen Text vom Bildschirm ablesen und dem Gesprächspartner am anderen Ende Fragen stellen. Es war leicht verdientes Geld. Sie machte sich nicht tot, abgesehen von den kollektiven Augenschäden. Von ihren Arbeitskollegen wurde sie akzeptiert. Ein Arbeitskollege war ebenfalls in der Gothic-Szene. Doch der wirkte eher zurückhaltend, und sie bekam mit ihm nichts weiter zu tun.

    Sie sah recht gut aus und wurde wieder und wieder von Männern angebaggert. Doch sie ließ sie alle abblitzen, sofern sie nichts mit Gothic zu tun hatten. Es passierte mehrmals, dass sie von besoffenen Normalos, Faschos oder von Acern beleidigt und sogar verfolgt wurde. Deshalb war sie schon ganz paranoid. Meistens reagierte sie gar nicht darauf, wenn sie auf offener Straße angesprochen wurde. Stattdessen ging sie zügig weiter, ohne sich umzudrehen. Sie hatte schon mehrmals etwas in der Zeitung gelesen, von Vergewaltigungen in der Tiefgarage oder im Park. In den letzten Jahren wurden hier sogar zwei Frauen ermordet, was von der Presse kleingeredet wurde, wahrscheinlich um den Tourismusstandort nicht zu gefährden oder den Ruf der Waffenlobby zu schützen. Sie wollte stets auf Nummer sicher gehen, indem sie sich ein Taxi bestellte. Die Morde an den Frauen wurden niemals aufgeklärt. Die Presse baute einfach keinen Druck auf um Zeugen zu mobilisieren oder die Täter zu Fehlern zu zwingen. Es sorgte jedes Mal für eine Schrecksekunde, wenn sie Fotos im Zusammenhang mit Gewaltverbrechen in der Zeitung sah oder einen Artikel über eine Vergewaltigung las. Über Stalking hingegen berichteten die Zeitungen nie. Dabei stand dieses Delikt fast auf der Tagesordnung.

          „Gesteuerte Presse, gesteuerte Polizei."

          „Wem sagst du das? It’s corruption city. It’s rocker city."

          Yeah!

    Heute wollte sie wieder in die Disco. Die Veranstaltung stand unter dem Motto Lost Lives. Da wussten alle, was für Musik zu erwarten sei. Sie war schon den ganzen Nachmittag über unruhig. Das lag an der Vorfreude und der Vorarbeit, die sie zu leisten hatte, um am späten Abend in voller Montur in der Disco aufzukreuzen. Sie hatte schon am späten Nachmittag ein gewisses Kribbeln in der Magengrube. Sie legte privat wieder und wieder ihre Lieblings-CDs auf, ihre ganz persönlichen Kultsongs liefen rauf und runter, und sie fieberte

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