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Zwischen den Welten: Das Tirod 1 - Fantasy-Saga
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eBook327 Seiten4 Stunden

Zwischen den Welten: Das Tirod 1 - Fantasy-Saga

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Über dieses E-Book

Eine Aufgabe.

Eine Entscheidung.

Eine Liebe.

Mein Name ist Evolet, noch bin ich siebzehn Jahre alt. Eigentlich war ich immer der festen Überzeugung, mein Leben sei normal. Doch die Tatsachen liegen anders, denn ich erwache in einem Albtraum wieder.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum3. Juni 2017
ISBN9783736895676
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    Buchvorschau

    Zwischen den Welten - M. Dabjuk

    PROLOG

    Nora

    Ein geräuschvolles Klopfen ließ mich hochschrecken. Meine kleine Tochter Ev und ich waren gerade dabei Weihnachtsplätzchen zu backen.

    Ich säuberte mir meine Hände und wollte zur Tür laufen, als ein lautes durchdringendes Krachen zu mir drang.

    Männerstimmen erfüllten das Haus und näherten sich der Küche. Sofort spürte ich, dass der Tag gekommen war. Verzweifelt schnappte ich meine Tochter und setzte sie in den Schrank unter der Spüle, still schluchzte sie.

    »Ev, Schatz, los, geh da rein und bitte sei ganz leise, du darfst nicht schreien, egal was passiert!«, befahl ich ihr ruhig, um ihr nicht noch mehr Angst einzujagen.

    »Mommy?«, wimmerte sie und die leise Panik in ihrer Stimme war kaum zu überhören.

    »Du musst unbedingt da drinnen bleiben, hörst du? Du darfst nicht schreien, du musst absolut still sein, okay? Versprichst du das Mommy?!« Sie nickte und kauerte sich tief in den Schrank.

    Wieder ein Poltern. Ich musste schnell machen!

    Beruhigend legte ich ihr die Hände auf den Kopf und versuchte sie mit einem Zauber in einen Schlaf zu versetzen. Die Schranktüre schloss ich in der Hoffnung, der Zauber würde funktionieren. Im selben Augenblick packte mich grob eine Hand und riss mich mit aller Wucht nach hinten.

    Entsetzt blickte ich in ein pockennarbiges Gesicht und in den Lauf einer Pistole.

    »Scheiße, Mann! Du hast doch gesagt, das Haus wäre leer!«, hörte ich den anderen Kerl sagen. »Das geht auf deine Rechnung, also beseitige das Problem!«, dirigierte der.

    Und noch bevor ich mich hätte rühren können, lösten sich knapp hintereinander zwei Schüsse und trafen mich in den Rumpf. Schmerz durchzuckte mich und ließ mich aufschreien.

    Der Typ ließ von mir ab und lief ins Wohnzimmer, gedämpft nahm ich wahr, wie sie den Raum durchwühlten.

    Ich presste meine Hand verzweifelt auf die Schusswunde, konnte spüren, wie warme, klebrige Flüssigkeit sich über meinen Fingern ausbreitete.

    Die Luft füllte sich mit dem metallischen Geruch von Blut. Meine Lungen schmerzten bei jedem Atemzug.

    Mit letzter Kraft versuchte ich, meinen Kopf in Richtung Spüle zu drehen.

    Oh mein Gott, kleine angsterfüllte Augen lugten durch einen Spalt aus der leicht geöffneten Schranktür.

    Evs Augen.

    Der Zauber hatte nicht funktioniert. Die Männer verließen trampelnd das Haus. Ev sah mich immer noch mit vor Schreck geweiteten Augen an. Liebevoll lächelte ich sie an, als sie aus dem Schrank krabbelte und sich zu mir legte. Schluchzend.

    »Alles gut, meine Kleine«, wollte ich sie beruhigen, aber ich konnte nicht mehr sprechen.

    Jetzt war ich mir sicher, er hatte sein Versprechen gehalten. Meine Tochter würde überleben. Mein Leben für ihres. Das war ein fairer Tausch.

    KAPITEL 1

    Evolet

    »Hi Dad!«, begrüßte ich ihn, als ich von der Schule nach Hause kam, und gab meinem Vater einen Kuss auf die Wange.

    »Hallo Kleines! Wie war dein Schultag?« wollte er wissen.

    »Ach, ganz in Ordnung wie immer. Wo ist Jaden?« Jaden war mein älterer Bruder, ich liebte ihn sehr. Er und mein Dad waren alles, was ich noch hatte, nach dem Tod meiner Mom.

    »Er ist im Diner«, wir hatten ein kleines Restaurant in der Stadt.

    »Ich werde zu ihm fahren, zieh mich nur um, muss raus aus den Schulsachen«, damit ging ich hoch in mein Zimmer.

    Mein Dad, William, oder wie ihn alle nannten Will, war nach dem Tod meiner Mom nicht mehr der Alte. Er war oft traurig und hing längst vergangenen Erinnerungen nach. Wer konnte es ihm denn verübeln? Dad hatte sie sehr geliebt. Kurz nachdem meine Mutter gestorben war, zogen wir in das kleine verschlafene Städtchen Gartev, das war nun dreizehn Jahre her, aber es kam mir vor, als wäre es erst gestern gewesen. Wir hatten uns hier ein Leben aufgebaut und alles Damalige hinter uns gelassen. Jedenfalls so gut es ging.

    Ich lief zur letzten Tür im Flur und schlüpfte hindurch, das war mein Zimmer. Es war nichts Besonderes, ein großes weißes Bett, das an der Wand stand, weil ich sonst nicht schlafen konnte (ich weiß, seltsam, aber ich brauchte eben eine Wand im Rücken, das gab mir Sicherheit), ein weißer Schreibtisch, auf dem ein schwarzer Laptop lag, und ein dazu passender Stuhl. Auf dem breiten Fenstersims stand eine kleine Orchidee. Von allen Zimmern hatte ich als Einzige einen begehbaren Schrank und ein angrenzendes Badezimmer nur für mich alleine. Mein Bruder und Dad hatten zwar getrennte Zimmer, mussten sich jedoch einen Waschraum teilen.

    Rasch begab ich mich in den begehbaren Schrank, knipste das Licht an und kramte meine Lieblingsjeans heraus. Eine schwarze Röhrenjeans, dazu eine knallrote weite Bluse, die kurz unter meinen Hüften zusammengerafft war, passend noch rote Ballerinas. Ich nahm meine schwarze Tasche und hängte sie seitlich um meinen schlanken Körper. Meine schwarzen, großgelockten Haare reichten mir bis zu den Hüften. Ich besah mich noch einmal kurz im Spiegel und war ganz zufrieden mit meinem Äußeren.

    Als ich gerade gehen wollte, spürte ich ein unangenehmes Kratzen an meinem Bein. Ich schaute nach unten und musste grinsen. »Oh, es tut mir leid, Moon, beinahe hätte ich vergessen, dich zu begrüßen, komm her«, sagte ich liebevoll mit einem Lächeln auf den Lippen zu meinem Kater und hob ihn in meine Arme.

    Vor knapp vier Jahren fand ich Moon auf der Straße und fühlte mich ihm sofort verbunden. Oder hatte er vielleicht doch mich gefunden? Er hatte sich gleich, als ich ihn fand, an mein Bein geschmiegt und mich angeschnurrt. Ich musste ihn damals einfach mitnehmen. Erst zu Hause bemerkte ich seine Augenfarbe. Genau wie meine, dachte ich zu jener Zeit. Ein grünes und ein blaues Auge. Dadurch fühlte ich mich ihm noch enger verbunden. Moon hatte tiefschwarzes, seidig glänzendes Fell. Nach einigen schnellen Streicheleinheiten küsste ich Moon auf den Kopf und verabschiedete mich. Hopsend ging ich die Treppen zur Haustür hinunter, gab meinem Dad einen Kuss auf die Wange und drehte mich Richtung Ausgang.

    »Kommst du mit deinem Bruder nach Hause oder fährst du früher zurück?«, fragte mein Dad, als ich die Tür erreichte.

    »Ich werde wohl nicht so lange bleiben. Ich wollte ihn nur kurz besuchen. Das hier ist zwar auch sein Zuhause, aber irgendwie lebt er mehr im Diner als sonst wo«, erwiderte ich mit ein wenig Bedauern in der Stimme. Er arbeitete viel zu viel, ich sah ihn kaum noch. Gerne würde ich mit ihm mehr Zeit verbringen, schließlich war er mein Bruder und ich hatte jegliches Recht darauf, ihn zu sehen, wenn ich wollte, so ist das nun mal mit Geschwistern.

    Er hatte weiche Gesichtszüge, ein Muttermal unterhalb seines rechten Auges, das ihn attraktiv wirken ließ, natürlich nur auf nicht Blutsverwandte. Blondes Haar wie Mom und bernsteinfarbene Augen. Manchmal fragte ich mich, wieso er nicht einfach Model wurde. Irgendeine Agentur würde ihn bestimmt mit offenen Armen empfangen und es wäre leicht verdientes Geld. Als Model hätte er bestimmt gute Chancen. Er war fast so groß wie Dad, aber nur fast. Obwohl ein Meter und fünfundachtzig Zentimeter nicht gerade wenig waren. Ich war nur so groß wie Mom, kleine ein Meter und fünfundsechzig Zentimeter. Tränen schossen mir in die Augen beim Gedanken an meine Mom. Es war immer noch schwer für mich. Ich vermisste sie so sehr, immer dasselbe Gefühl überkam mich, wenn ich an sie dachte. Würde es jemals aufhören zu schmerzen? Wohl kaum. Dads Stimme riss mich aus meinen trübsinnigen Gedanken.

    »Kleines, du weißt, er arbeitet sehr viel. Sei nicht so streng mit ihm. Fahr vorsichtig!«

    »War ja klar, dass du ihn in Schutz nimmst. Bis dann, Dad!«

    Wieso sah Dad das denn nicht genauso? Wollte er denn nicht auch, dass wir mehr Zeit miteinander verbrachten? Alle drei, als Familie? Ich hatte doch nur noch die beiden. Aber vielleicht klammerte ich mich da nur an etwas fest. Schließlich war Jaden erwachsen und ich irgendwie auch. Es stand nun mal nichts still, alles floss, alles hatte seine Ordnung.

    Ich ging aus der Tür, sprang die drei Stufen der Veranda hinunter und setzte mich in meinen Mini Cooper, steckte mein Handy an die Freisprecheinrichtung des Autos und fuhr los. Ich hätte auch zu Fuß ins Diner gehen können, aber ich wollte nicht, ich mochte mein Auto. Außerdem wollte ich vorher etwas erledigen. Zuerst fuhr ich noch zu meiner besten Freundin Emily. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, Jaden und Emily zu verkuppeln. Die beiden waren schon so lange ineinander verliebt, ich konnte einfach nicht mehr untätig zusehen. Ich hielt vor Ems Haus an und wählte ihre Nummer. Es läutete einmal, zweimal und beim dritten Läuten ging sie ran.

    »Hi, Ev! Was gibt’s?« Alle nannten mich Ev. Wieso, wusste ich nicht.

    »Hey, Ems! Zieh dir was an und dann ab ins Auto! Ich warte vor der Tür auf dich.«

    »Okay, wo geht’s denn hin?«, wollte sie wissen. Das mochte ich so an ihr, man musste sie nie lange überreden.

    »Wir fahren ins Diner.«

    »I-ich … also okay. Ich ziehe mir nur etwas anderes an, bin in zehn Minuten bei dir. Bis gleich«, sagte Emily und legte auf.

    Ich starrte aus dem Fenster. Manchmal beneidete ich Emily. Ich würde mich auch gerne einmal verlieben. Wieso hatte ich nicht dieses Glück, woran lag es? Es war nicht so, dass ich total unbeliebt war, es hatte nur nie bei jemandem Klick gemacht.

    Wie aus dem Nichts überkam mich eine Gänsehaut, meine Nackenhaare stellten sich auf. Es war, als würde sich jemandes Blick in mich bohren wie ein Messer. Ich konnte nur nicht sagen, wer oder was es war, also beschloss ich, aus dem Auto zu steigen. Ich drehte mich einmal um die eigene Achse … Und nichts. Aber ich konnte es eindeutig spüren, jemand beobachtete mich. Noch einmal drehte ich mich. Und da! Eine Gestalt verschwand gerade um die Ecke. Oh Gott, wer ...? Okay, Ev, beruhige dich, das war nur ein lächerlicher Zufall. Alles okay! Das war bestimmt nur ein Luftzug, der mir die Haare aufstellte. Vermutlich war das irgendein Passant, der zufällig in die Straße einbog.

    »Hey!« Bei diesem unerwarteten Laut zuckte ich erschrocken zusammen.

    »Oh, tut mir leid, ich wollte dich nicht ängstigen!«, sagte Ems in einem um Verzeihung bittenden Ton, doch ihr breites Grinsen strafte sie Lügen.

    »Ems!«, tadelte ich gespielt böse, »Tu das nie wieder!«

    Emily war schon so lange meine beste Freundin, wir wussten absolut alles voneinander. Na ja, vielleicht nicht ganz. Meine Albträume und Halluzinationen behielt ich lieber für mich, da ich sie glücklicherweise schon eine ganze Weile nicht mehr hatte. Das erste Jahr nach Moms Tod war es richtig schlimm, dann wurden sie immer weniger, bis sie schließlich gänzlich aufhörten.

    KAPITEL 2

    Emily hatte schulterlanges rotes Haar, graue mandelförmige Augen, eine ovale Gesichtsform und weiche Gesichtszüge. Sie hatte einen sehr hellen Teint. Fast wie Porzellan oder eine Elfe. Zweiteres war einfach passender. Wenn sie lächelte, hatte sie Grübchen in den Wangen. Sie trug schwarze Leggings, dazu eine blaue Tunika, die unter ihrer Brust mit einem schwarzen Band zusammengezogen war. Alles passte perfekt zu ihrem schlanken Körper.

    Wir stiegen beide ins Auto und fuhren los. Zehn Minuten später standen wir am Parkplatz zum Diner. Ich zog den Schlüssel aus dem Zündschloss, warf Ems vorsichtig einen Seitenblick zu, die nervös mit ihren Fingern spielte, und musste grinsen. Hätte ich den Geruchssinn eines Hundes, hätte ich ihre Nervosität vermutlich gerochen. Noch ein paar Schritte und wir waren endlich im Diner. Ich öffnete die Tür und es klingelte, als wir es betraten. Der Boden des Diners war belegt mit schwarzen und weißen Fliesen im Karomuster. Links von mir standen einige Tische am Fenster und eine zweite Reihe von Tischen und Stühlen erstreckte sich durch den Raum. Zu meiner Rechten war es genauso. Die Theke war in einem schönen Rot gehalten, davor waren einige Barhocker aufgereiht. Das Diner war im Fünfzigerjahrestil eingerichtet. Die Wände waren gesäumt mit Postern von Elvis Presley und den Rolling Stones. In der hintersten Ecke neben den Toiletten stand eine Jukebox, aus der leise Musik drang, und von der Decke hingen zur Dekoration einige Schallplatten. Mit einem Lächeln ging ich auf Jaden zu, der gerade hinter dem Tresen stand und frischen Kaffee aufbrühte. Als er uns sah, hielt er sofort inne und kam hinter dem Ladentisch hervor, um Ems und mich zu begrüßen.

    »Hi Kleines!« Jaden und Dad sagten immer ›Kleines‹ zu mir, vermutlich, weil ich die Kleine war, die sie immer beschützen wollten. Jaden sah verstohlen zu Emily und lächelte ihr schüchtern zu.

    »Hi Emily.« Dann blickte er mir wieder entgegen.

    »Was machst du hier?«

    »Was denn? Brauche ich jetzt schon einen Grund, um meinen geliebten Bruder zu besuchen? Ems und ich waren gerade in der Nähe und dachten, wir kommen eben mal vorbei!«

    Ich musste mich zusammenreißen, um nicht theatralisch mit den Augen zu rollen. Manchmal führte Jaden sich mehr wie ein Vater als ein Bruder auf, aber wer konnte es ihm verübeln? Für ihn war es wahrscheinlich auch nicht einfach gewesen nach Moms Tod.

    »Ich löse dich ab, Jaden. Mach eine Pause! Seit wann bist du denn schon hier? So wie ich dich kenne, schon seit sechs Uhr morgens«, beantwortete ich meine Frage selbst.

    Jaden grinste breit. »Was dachtest du denn? Ich habe ja sonst nichts zu tun, also helfe ich, sooft ich kann, hier aus.« Dennoch verstand ich es nicht, immerhin hatten wir ja noch Maggy, die Kellnerin. Er müsste nicht ständig hier sein, … aber trotzdem war er es.

    Ich marschierte hinter den Tresen und band mir eine Schürze um die Hüften. Mein Haar knotete ich rasch zu einem Dutt, mit einem Haargummi, welches ich immer um mein Handgelenk trug. Man konnte ja nie wissen. Jaden und Emily ließen sich auf die Barhocker am Tresen nieder. Ich nahm eine Tasse für meinen Bruder und ein Glas für Ems. In die Tasse goss ich Kaffee für Jaden und im Glas machte ich einen Erdbeershake für Ems.

    »So, Kaffee für dich, Bruderherz, und einen Erdbeershake für dich, Ems, den magst du doch so gern!« Sie strahlte und nahm das Getränk entgegen.

    »Danke«, sagten beide wie aus einem Mund. Schließlich machte ich mich an die Arbeit, bediente den Rest der Gäste und die, die immer wieder ein- und ausgingen. Das Diner war gut besucht. Die Leute kamen gerne her. Es war familiär, aber auch ein Treffpunkt von Jugendlichen in der Gegend und aus der Schule. Als neue Gäste kamen, setzte ich mich in Bewegung.

    »Hi, willkommen im Diner! Was kann ich euch bringen?«, wollte ich höflich wissen. Mit einem Strahlen im Gesicht zückte ich Block und Stift. Der Mann und seine Frau fragten ihre beiden Kinder, was sie wollten. Es versetzte mir einen kleinen Stich in der Brust. Das hätte meine Familie sein können, hätte man mir meine Mutter nicht weggenommen. Schnell blinzelte ich die aufkommenden Tränen weg.

    »Mami, ich möchte bitte ein Rührei mit Speck«, sagte das Mädchen voller Freude. Die Kleine war so niedlich mit ihren Zöpfchen, dass ich einfach breit grinsen musste. Ich schrieb es auf und wandte mich dem Jungen zu. Auch ihm schenkte ich ein breites Grinsen, aber er schien mich nur konzentriert zu mustern.

    »Du hast aber komische Augen! Wieso sind sie denn verschiedenfarbig?«, fragte er. Mein Lächeln gefror auf meinen Lippen und im ersten Moment war ich total erstaunt, denn noch nie hatte mich jemand so direkt auf meinen Makel angesprochen. Andererseits war diese Offenheit auch sehr erfrischend und die Frage des Jungen wirkte auch nicht abwertend, sondern einfach nur wissbegierig. Seine Eltern mussten meine Reaktion falsch gedeutet haben und schalten ihn.

    »Nein, nein! Das ist schon in Ordnung, es scheint ihn wirklich zu interessieren«, versuchte ich die Eltern zu besänftigen. Ich ging in die Hocke, um mit dem Jungen auf Augenhöhe zu sein.

    »Wie ist denn dein Name?«, fragte ich freundlich.

    »Noah. Nach der Arche«, antwortete er stolz und grinste breit. Wie ein Honigkuchenpferd, schoss es mir durch den Kopf.

    »Nun, Noah, ich weiß nicht, wieso ich verschiedenfarbige Augen habe. Und das ist auch nicht schlimm, wir Menschen sind eben nicht gleich, weder in unserem Verhalten noch in unserem Aussehen, und das ist doch gut so, oder? Stell dir vor, wir sähen alle gleich aus und würden uns gleich verhalten. Das wäre doch langweilig.« Es schien, als würde Noah scharf nachdenken. Bis er schließlich nickte.

    »Ich finde deine Augen schön!«, warf das Mädchen voller Elan ein. Ein Kichern konnte ich kaum unterdrücken, als die Kleine das mit ihren großen glänzenden Augen sagte.

    »Wir bekommen einmal das Rührei mit Speck, einen Caesar Salad, Pancakes, ein Roastbeef-Sandwich und dazu für alle einen Milchshake, bitte«, mischte sich nun der Vater der Kinder mit einem entschuldigenden Lächeln ein.

    »Kommt sofort.« In der Küche gab ich unserem langjährigen Koch Steve mit einem freundlichen Schmunzeln auf den Lippen die Bestellung. Er trug ein Papierhütchen auf dem Kopf, war durchschnittlich groß, ziemlich rund um die Mitte herum und hatte vermutlich schon einige gebrochene Nasen in seinem Leben gehabt. Steve wirkte fast ein bisschen furchteinflößend mit seinem ewigen Regenwetterblick, aber das täuschte nur, denn eigentlich war er total nett.

    Nach einigen Stunden guckte ich auf die Uhr, es war bereits kurz vor neun.

    »Hey, Jaden, könntest du Ems nach Hause fahren? Ich schließe ab«, fragte ich an meinen Bruder gewandt.

    »Dad sieht es nicht gerne, wenn ich dich um diese Uhrzeit alleine heimfahren lasse«, entgegnete er, aber ich konnte ihm ansehen, dass er Ems gerne gebracht hätte.

    »Dad ist gerade nicht hier, oder? Wenn du nichts verrätst, tu ich es auch nicht«, erklärte ich mit einem Augenzwinkern.

    »Nein!« Andere Geschütze also. Meine Arme schlang ich meinem Bruder um seine Mitte, schob die Unterlippe ein wenig vor und guckte ihn mit großen Augen von unten herauf an.

    »Bitte«, bettelte ich. Er lachte leise.

    »Wie alt bist du? Der Blick hat das letzte Mal funktioniert, da warst du zwölf. Keine Chance!«, beharrte er und gab mir trotzdem einen Kuss auf den Scheitel. Jetzt wurde ich sauer, nicht, weil ich meinen Willen nicht bekam, sondern eher wegen der Tatsache, dass ich mich immer mehr in die Ecke gedrängt fühlte.

    »Weißt du, großer Bruder, vielleicht solltet ihr mich einfach irgendwo einsperren, hm? Dann könnt ihr mich ununterbrochen kontrollieren! Ich hab die Schnauze allmählich voll!«, brauste ich auf, dann sah ich seinen zerknirschten Blick.

    »Es wird schon nichts passieren. Fahr Ems bitte nach Hause!«, fügte ich etwas versöhnlicher hinzu. Ich konnte nicht verstehen, was an einer alleinigen Nachhausefahrt so schlimm sein sollte. Dad war zwar schon immer etwas streng gewesen, aber in letzter Zeit schoss er über das Ziel hinaus. Dieses Verhalten machte mich langsam ganz schön kirre, also tat ich es einfach als Überfürsorge ab.

    »Also gut«, gab Jaden sich nun geschlagen.

    »Pass bitte auf dich auf!«, forderte er mich noch nachdrücklich auf.

    »Ja, ist ja gut!«, ich lächelte meinen Bruder an. »Und jetzt fahrt endlich, wir sehen uns!«

    »Bleibt ja anständig, ihr beiden«, rief ich ihnen noch nach, als sie bereits halb aus der Tür waren.

    Abrupt blieben sie stehen und drehten sich nach mir um. Demonstrativ ließ ich meine Brauen anzüglich rauf- und runterhüpfen. Jaden wurde knallrot und Ems warf mir einen Blick zu, der mich hätte töten können. Nein! Zu Tode quälen hätte der Blick mich können. Ich machte eine scheuchende Handbewegung und bedeutete den beiden jetzt endlich abzuhauen.

    Gerade stellte ich den letzten Stuhl verkehrt auf den Tisch, als plötzlich die Glocke der Tür läutete. Ein Zeichen, dass Gäste kamen. Es ist halb zehn, wir haben längst Sperrstunde. Den Menschen fehlte es womöglich am Leseverständnis. An der Tür hing ein Schild mit der Aufschrift Geschlossen.

    »Es tut mir leid, wir haben bereits gesch … «, sagte ich, während ich mich zu dem vermeintlichen Gast umdrehte. Doch es war niemand da. Aufmerksam sah ich mir den Raum noch einmal an. Hinter der Ladentheke, in der Küche und in der Vorratskammer, aber nirgendwo war jemand zu entdecken. Was ist bloß los mit mir? Meine Fantasie spielt mir wohl einen Streich … schon wieder ...

    Ich ging zum Tresen zurück, legte die Schürze ab, schnappte mir meine Tasche und eilte zur Tür. Der Schlüssel steckte schon halb im Schloss, als es mir zum zweiten Mal an diesem Tag die Nackenhaare aufstellte. Schnell und hektisch suchte ich die Umgebung ab.

    Nichts.

    »Hallo? Ist hier jemand? Hallo?«

    Niemand antwortete mir. Wieso auch? Mein Auto war das einzige auf dem Parkplatz. Und dennoch wurde ich das Gefühl nicht los, dass irgendetwas hier absolut nicht stimmte. Aber ich hatte nicht wirklich Angst, es war einfach nur ein eigenartiges Prickeln.

    Die Straßen waren bereits leer, als ich mich auf den Weg zu meinem Flitzer machte. Dies war eine Kleinstadt, um diese Uhrzeit waren die meisten Menschen bereits zu Hause bei ihren Familien. Bäume säumten die Straßen. Es war ein idyllischer kleiner Ort. Ich schloss den Wagen auf und fuhr los.

    KAPITEL 3

    Jaden

    »Bist du denn von allen guten Geistern verlassen!? Wieso hast du sie alleingelassen? Es sind nur mehr acht Wochen!«, fuhr mein Vater mich an.

    »Du weißt doch, wie sie ist, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat! Sie hat mir nicht gerade die Wahl gelassen.«

    »Hast du die Prophezeiung etwa vergessen, sie muss beschützt werden!« Mit einem Ruck ging die Tür auf und wir verstummten augenblicklich.

    »Was ist denn hier los? Weshalb streitet ihr euch? Bei der Lautstärke weckt ihr noch die ganze Nachbarschaft!«

    »Geh in dein Zimmer, du hast Hausarrest!«, befahl unser Dad Ev.

    »Was? Aber wieso denn?«, wollte meine Schwester wissen. Doch als Dad ihr nicht antwortete, sah sie mich an.

    »Sag doch auch mal etwas, Jaden?«, bat Ev mich hilfesuchend. Mit zusammengepresstem Kiefer stierte ich zum Fenster hinaus, ihr in die kummervollen Augen sehen konnte ich jetzt nicht. Was hätte ich schon tun können? Auch wenn ich nur ihr Bruder war und in gewisser Weise Dad recht gab, so fand ich dennoch, dass der Hausarrest überzogen war. Außerdem dachte ich, war es nicht gut, sie so extrem einzuengen, aber Dad würde das nur nicht interessieren. Er war viel zu besessen von der Prophezeiung, schätzte ich. Nur war die mir gerade scheißegal, denn der gekränkte Blick meiner Schwester im Diner vorhin hatte mir fast das Herz gebrochen. Aber dennoch … konnte ich mich meinem Vater nicht widersetzen, weil ihm ein klitzekleiner Teil in mir glaubte. Selbst wenn er die Prophezeiung nicht genau kannte, so hatte ich Angst um Ev. Ein verächtliches Schnauben meiner Schwester zog dann letztlich doch meinen Blick auf sie.

    »Na vielen Dank auch, Jaden! Dad, wieso? Nur weil ich es gewagt habe, alleine nach Hause zu fahren? Das ist doch absolut lächerlich, es sind zehn Minuten! Ich hab doch keine Reise nach Sibirern unternommen«, brüllte sie aufgebracht und ich musste wieder wegsehen, weil ich mich so schlecht fühlte.

    »Das ist mein Haus, und solange du hier lebst, hast du dich an meine Regeln zu halten!«

    »Diese Regeln sind völlig absurd! Ich wünschte, Mom würde noch leben!«, spie sie uns entgegen, und als ich sie bei ihren letzten Worten wieder ansah, sprühten ihre Augen Funken. Wut und Verzweiflung darüber, so jung unsere Mutter verloren zu haben. Betroffenheit machte sich in meinem Magen breit, auch für mich war Moms Verlust nicht einfach.

    Wütend stapfte Ev die Treppe hoch. Betrübt guckte ich meiner Schwester hinterher, bis sie nicht mehr zu sehen war. 3, 2, 1, …und genau jetzt knallte die Tür mit voller Wucht zu. Das machte sie ganz gern, wenn sie sauer war, damit auch ja alle hörten, wie wütend sie auf uns war. Meinem Dad warf ich einen vorwurfsvollen Blick zu.

    »Wenn wir ihr sagen könnten, warum wir so überfürsorglich sind, würde sie es vielleicht verstehen. Ihr einfach irgendwelche albernen Verbote auferlegen, ist vielleicht nicht so schlau. Wir sollten ihr mehr Luft zum Atmen lassen«, versuchte ich ihn zur Vernunft zu bringen. Leider merkte ich schnell, es war sinnlos.

    »Misch dich nicht ein, Jaden, ich weiß, was ich tue!«

    »Welchen Sinn macht es, ihr nichts zu sagen?«, hakte ich nach. Sein Körper spannte sich merklich an, dann entspannte er ihn wieder, als ob er mir etwas sagen wollte und sich dann doch zurückhielt. Dann dämmerte es mir jäh!

    »Du bist dir nicht sicher.« Endlich löste sich

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