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Angovonn: Unter Kontrolle
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Angovonn: Unter Kontrolle
eBook277 Seiten3 Stunden

Angovonn: Unter Kontrolle

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Über dieses E-Book

Als zwei seltsame Polizisten Anisha mitteilen, dass ihre Eltern angeblich verstorben sind, reagiert diese überstürzt und versucht sich sofort ein neues Leben aufzubauen.
Doch nicht nur die Umstände des Todes ihrer Eltern sind seltsam.

Auch ihr selbst passiert etwas Merkwürdiges und sie hat zunehmend das Gefühl, verfolgt zu werden.
Es dauert nicht lange, da zeigen sich ihre Verfolger.

Diese entführen sie nach Angovonn, einer magischen Stadt in einer verborgenen Welt, in der sie die zentrale Rolle in einem wieder aufkeimenden Konflikt einnehmen soll.

 

Band 1 der Angovonn-Trilogie.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum14. Feb. 2021
ISBN9783748774563
Angovonn: Unter Kontrolle

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    Buchvorschau

    Angovonn - Lukas Katzmaier

    »Verschwunden«

    Wasser versickert im Boden,

    trockener Staub wirbelt auf,

    Spuren des Nichts sind am Toben,

    vergessener Nebel im Lauf.

    Steine verschwinden in Tiefen,

    Herzen verstummen im Dunst,

    trübe und eiskalte Schiefen -

    verschwunden in unklarer Kunst.

    Anisha spürte, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Erneut griff sie zu ihrem Smartphone und versuchte erst ihre Mutter, dann ihren Vater zu erreichen. Wieder meldete sich nur die Mailbox. Sie wartete auf den Mailbox-Ton und hinterließ ihren Eltern eine weitere Nachricht:

    »Ruft mal an. Ich mach mir langsam Sorgen. Ich habe euch etwas Wichtiges mitzuteilen.«

    Erst gestern kam nämlich die Nachricht, dass sie an der hiesigen Universität angenommen wurde. Zu gern hätte sie es ihnen gesagt, zu gern hätte sie den verdutzten Blick ihrer Eltern gesehen, die ja nie daran geglaubt hatten, dass sie es noch zu etwas bringen würde. Endlich hätte sie mal etwas zu sagen gehabt, endlich hätte sie mal von ihrem Erfolg berichten können und nicht umgekehrt.

    Erst hatte sie sich nichts dabei gedacht, als sie nichts mehr von ihren Eltern gehört hatte, schließlich hatte sie sowieso vorgehabt, auszuziehen, sich nach einer Wohnung umzusehen, die näher an der Universität lag. Inzwischen war nun aber schon über eine Woche vergangen und normalerweise meldet sich zumindest ihre Mutter einmal am Tag, selbst wenn sie wie so oft mit ihrem Vater zusammen geschäftlich unterwegs war.

    Das Klingeln an der Wohnungstür riss sie aus ihren Gedanken. Sie hastete den langen Flur entlang zur Tür.

    Zu ihrer Enttäuschung standen vor der Haustüre allerdings nicht etwa ihre Eltern. Nein, ein Mann und eine Frau in Polizeiuniform blickten ihr entgegen. Entsetzt schnappte sie nach Luft, als ihr die Tragweite dessen, was nun passieren könnte, bewusst wurde. Sie war schon immer gut darin, sich das Schlimmste auszumalen.

    »Miss Whittemore?«, sagte die große Frau mit sanfter Stimme. Ihre bleiche Haut funkelte seltsam im matten Sonnenlicht.

    »Ja...«, brachte Anisha hervor.

    »Ich bin Officer Claire und das ist mein Partner Officer Lookpas.« Die große Frau hielt ihr einen Ausweis entgegen, der Mann neben ihr – ein dunkelhäutiger Lockenkopf – tat es ihr gleich. »Dürfen wir reinkommen?«

    Anisha nickte verdattert und lies die beiden in die Wohnung.

    Sie setzten sich auf das große, schwarze Ledersofa im noch größeren Wohnzimmer. Anisha ließ sich langsam und zögerlich im bequemen Sessel gegenüber nieder und starrte an den beiden Gestalten vorbei, vermied es sie anzublicken. Sie nahm nur wieder diese Leere wahr, denn ohne ihre Eltern war dieses gigantische Haus immer so leer – so leer wie sie sich selbst nun auch fühlte. Sie wandte ihren Blick nun doch wieder den beiden Polizisten zu, die hier nun saßen und sie mit einer ernsten Miene anstarrten. Das konnte einfach nichts Gutes bedeuten.

    »Miss Whittemore, ich fürchte wir haben keine guten Nachrichten für Sie«, schoss Officer Lookpas auch schon los.

    »Geht es um meine Eltern?«, wisperte Anisha.

    »Ja«, sagte nun Officer Claire und beugte sich vor, näher zu ihr heran, setzte eine mitleidige Miene auf und sagte dann: »Wir müssen ihnen mitteilen, dass Ihre Eltern tödlich verunglückt sind.«

    »Aber … wie … woher?«, stammelte Anisha, fühlte einen gewaltigen, einsetzenden Schrecken, der ihr beinahe das Herz stehen ließ, spürte wie die Leere in ihr weiter zunahm.

    »Offenbar waren sie auf Wanderschaft. Zeugen haben berichtet, wie sie eine Schlucht hinunter gestürzt sind. Wir haben alles abgesucht, aber wir konnten ihre … sterblichen Überreste nicht finden«, sagte Officer Lookpas, wirkte dabei verkrampft. Es schien ihm sichtlich unangenehm, Anisha dies mitzuteilen.

    »Es tut uns wirklich sehr leid, aber die Zeugenaussagen waren sehr glaubwürdig und wir haben absolut keinen Zweifel daran, dass ihre Eltern dort verunglückt sind. Wir haben uns bereits um alles gekümmert, was sonst nun auf sie zugekommen wäre«, sagte Officer Claire, blickte sie mit traurigen Augen an, doch alles was sie tat wirkte so … unecht.

    »Wie meinen Sie das? Ich versteh nicht ...«, brachte Anisha hervor, spürte wie ihr Tränen in die Augen stiegen.

    »Das wirst du schon bald«, sagte Officer Lookpas nur, wollte sich schon auf den Weg zur Türe machen.

    »Aber ...«, stammelte Anisha, blickte die Polizisten nun verwirrt an.

    »Wir haben die nötigen Papiere bereits ausgefüllt, ein Notar wird sich bezüglich ihres Erbes bald melden. Alles weitere wird sich schon bald ergeben. Machen Sie sich keine Sorgen. Lassen Sie das Ganze erst einmal sacken. Sie können sich jederzeit bei mir melden. Unser herzlichstes Beileid«, sagte Officer Claire, reichte ihr eine Visitenkarte und ging dem anderen Polizisten hinterher.

    Als die beiden seltsamen Polizisten schließlich ihr Haus wieder verlassen hatten, kämpfte Anisha mit Verwirrung und Verzweiflung. Was zur Hölle war das gerade? Sind sie … sind sie wirklich tot?, dachte sie, spürte dann wie Tränen ihre Wangen hinabliefen. Nein, nein, dass kann nicht sein. Das war doch alles absurd … Da stimmte doch etwas nicht. Diese Polizisten, dieser angebliche Unfall … und warum hatten sie sich denn dann nicht noch einmal gemeldet, bevor sie zu dieser ... »Wanderung« aufgebrochen waren?

    Sie wollte es nicht glauben, konnte es einfach nicht glauben, saß eine Weile einfach so da. Doch dann klingelte es schon wieder an der Türe.

    Wie in Trance ging Anisha erneut zur Türe, wischte sich ihre Tränen beiseite und öffnete.

    Es war nur der Briefträger. Aber eigentlich hab ich doch gar nichts bestellt, dachte Anisha.

    »Ein Einschreiben für Anisha Whittemore«, sagte der Postbote mit fester Stimme.

    »Ja. Das bin ich«, sagte sie tonlos, zeigte dem Postboten seufzend ihren Ausweis, nahm den Stift, den er ihr reichte, entgegen, unterschrieb, ging in ihre Wohnung und öffnete den Brief sofort. Er enthielt eine Einladung zu einem Termin bei einem Notar und bestätigte die Aussagen der Polizisten, dass ihre Eltern verstorben seien.

    So schnell? Die haben mir das doch eben erst gesagt und jetzt kommt schon dieser Brief? Ich soll gleich morgen dort hin und entscheiden, ob ich mein Erbe antrete. Was wird hier nur gespielt?, dachte sie.

    Die Nacht kam wie im Rausch. Sie versuchte noch ein paar Mal ihre Eltern anzurufen, weil sie das alles immer noch für einen schlechten Scherz hielt, weil sie das alles noch nicht recht glauben konnte. Doch inzwischen ging nicht mal mehr die Mailbox ran, stattdessen kam nur: »Kein Anschluss unter dieser Nummer.«

    Auch der Anschluss war also anscheinend schon gekündigt worden. Mehr und mehr kam es Anisha so vor, als wäre das Ganze inszeniert, als hätte das irgendwer von langer Hand so geplant. Sie lag beinahe die ganze Nacht wach da und grübelte.

    Sie sind gar nicht tot. Sie täuschen ihren Tod nur vor. Ja, so muss es sein, dachte sie, dann jedoch fiel ihr ein noch schlimmeres Szenario ein: Jemand hat sie getötet und tut nun alles, um diesen Mord als Unfall darzustellen und ihn zu vertuschen. Jemand, der meine Eltern kannte, ihre Anschrift kannte, den Mobilfunkvertrag meiner Eltern kündigen konnte und mir sofort diesen Termin beim Notar organisiert hatte. Aber wer stand ihnen denn so nahe und konnte etwas Derartiges hinbekommen haben?

    Sie konnte immer noch nicht begreifen, was am vorherigen Tag passiert war, als sie sich nun auf den Weg Richtung Innenstadt machte, in Richtung des Büros, in dem sich angeblich dieser Notar befand.

    Das Büro befand sich in einem modernen mehrstöckigen Gebäude, in dem sich noch dutzende andere Büros von Rechtsanwälten, Steuerberatern und sonstigen entsprechenden Dienstleistern befanden.

    Nachdem sie nach langem Suchen endlich das entsprechende Büro gefunden hatte, öffnete die Türe sich auch schon, noch bevor sie dort klopfen konnte.

    »Sie müssen Miss Whittemore sein.«

    »Ja«, sagte Anisha, blickte erst zu Boden, dann zu dem Notar. Es handelte sich um einen etwas zerstreut wirkenden Glatzkopf, der sie bat, auf einem Stuhl Platz zu nehmen.

    Kaum hatte sie sich gesetzt, begann der Notar auch schon mit tiefer Stimme, recht langsam, aber deutlich zu sprechen

    »Erst einmal mein herzliches Beileid, Miss Whittemore«, sagte er, blickte sie mit großen Augen an. Sie regte sich nicht, wandte ihren Blick wieder ab, versuchte nicht in Tränen auszubrechen, denn alles Surreale wurde mehr und mehr Realität.

    »Sicherlich sind Sie so überrascht wie ich, über diesen schnellen Termin und die Art und Weise, wie das Ganze hier ablaufen wird, aber ihre Eltern haben in ihrem Testament diesbezüglich klare Anweisungen hinterlassen. So wie es aussieht, sind sie Alleinerbe und erben von ihren Eltern all deren Besitztümer und ihr ganzes Vermögen. Ihre Eltern haben selbst im Testament um einen schnellen und reibungslosen Ablauf des Ganzen gebeten und haben sich schon im Vorhinein um alles Erdenkliche gekümmert, falls es zum Todesfall kommen sollte. Ich habe daher bereits alle notwendigen Papiere und Formulare vorliegen und benötige lediglich noch ein paar Unterschriften, wenn sie das Erbe denn annehmen«, sagte der Notar, atmete einmal tief und langsam durch, wühlte dann auf seinem Schreibtisch, auf dem ein Chaos herrschte, umher und schob ihr etliche Zettel entgegen.

    Als hätten sie gewusst, dass sie bald sterben würden, dachte Anisha und unterschrieb wie mechanisch alles stumm und ohne es sich großartig durchzulesen.

    Auf dem Weg nach Hause konnte sie dann nicht mehr an sich halten und begann bitterlich zu weinen. So langsam begriff sie das Ausmaß dessen, was soeben passiert war. Ihre Eltern waren wirklich tot und das Haus, das ganze Geld, all der Reichtum, den ihre Eltern aus ihren erfolgreichen Immobiliengeschäften abgewickelt hatten und von dem Anisha stets so gut wie nichts abbekommen hatte – all das gehörte nun ihr. Sie hatten ihr ... einfach alles vermacht. Nur freuen konnte sie sich dennoch nicht darüber, schon allein, wenn sie daran dachte, wie alleine sie von nun an sein würde. Noch einsamer als zuvor. Das darf nicht sein, das kann nicht sein, das muss sich ändern, dachte sie.

    Völlig mit den Nerven am Ende bemerkte sie schließlich, dass der Schnürsenkel einer ihrer Turnschuhe aufgegangen war.

    Als sie zitternd nach dem Bändel griff, um ihn zu binden, geschah etwas noch viel Seltsameres und Angsteinflößendes als all das, was sie seit gestern erlebt hatte. Ihre Hand pulsierte seltsam, brannte, pochte. Ihr Kopf fühlte sich auf einmal so matt an und dann knackte es um sie herum. Ein lautes Knallen.

    Ungläubig starrte sie auf ihren Fuß, der nun ohne Schuh auf der Straße stand; der Straße, dessen Asphalt auf einmal ein großer Riss zierte, bei dem sie sich hundertprozentig sicher war, das dieser zuvor noch nicht dagewesen war.

    Verwirrt schaute sie sich um, suchte nach ihrem Schuh, welcher so plötzlich verschwunden war.

    Nur mit einem Schuh humpelte sie die Straße entlang und entdeckte den anderen Schuh tatsächlich ein paar Meter weiter in einem Gebüsch etwas abseits der Straße.

    Ich werde noch irre. Das kann doch einfach nicht sein, dachte sie, schnappte sich den Schuh, zog ihn wieder an und schüttelte nur den Kopf.

    Es war nicht das Einzige, das sie beunruhigte. Irgendwie fühlte sie sich so … beobachtet. Sie blickte sich immer wieder um. Doch da blieb nur diese dunkle Ahnung, dass diese seltsamen Vorkommnisse erst der Anfang gewesen waren.

    »Schnelle Entscheidungen«

    Spalt spaltet Entscheidung,

    hinüber oder bleiben,

    heller Riss, dunkler Asphalt,

    schnell muss entscheiden,

    kleiner Stein, große Begleitung,

    her mit Wärme, sonst zu kalt.

    Sie hielt es zuhause nicht mehr aus. Für immer ganz alleine in diesem riesigen Haus, das konnte sie sich einfach gar nicht vorstellen. So viele Erinnerungen verfolgten sie bei jedem Schritt, den sie fortan dort tat.

    Erinnerungen an ihre Mutter, der sie so ähnlich sah, sah man mal von Mutters trüben, traurigen Augen ab. »Du schaffst das schon. Du musst das schaffen. Enttäusche mich nicht. Ich glaube fest daran, dass du das kannst«, hörte Anisha die Stimme ihrer Mutter in ihrem Kopf, teils klang sie wie die ihres Vaters - so fordernd - teils versuchte sie zu beruhigen und Mut zu zusprechen.

    Mutter war trotz ihrer zierlichen Erscheinung immer auffällig gewesen, Anisha selbst versuchte jedoch immer das Gegenteil zu erreichen. Niemand sollte merken, wie es ihr ging, was in ihr vorging. Sie wollte einfach nicht auffallen und dementsprechend unauffällig sah sie auch aus, mit ihren dünnen, dunkelbraunen Haaren und ihren total durchschnittlichem Kleidungsstil, dessen war sie sich genau bewusst. Ihre Mutter und ihr Vater waren schon genug aufgefallen. Nein, nicht hier in der Stadt, dazu waren sie immer zu oft unterwegs gewesen. Aber überall, wo sie hingegen, hinterließen sie diesen Eindruck der Macht und Eleganz, des Erfolges. Sie würde wohl immer in ihrem Schatten stehen.

    Um all die auf sie zuströmenden Erinnerungen und Gedanken endlich loszuwerden, wusste Anisha nur einen Ausweg: möglichst schnell von hier zu verschwinden. Sie musste es akzeptieren, wie es eben war, musste akzeptieren, dass ihre Eltern nie wieder hier her zurück kommen würden. Zumindest für diesen Moment.

    So beschloss sie sich sofort nach einer neuen Wohnung umzusehen.

    »Ganz langsam, junge Dame. Ich hoffe, du hast dir das genau überlegt. Vermassel das bloß nicht«, hörte sie nun die Stimme ihres Vaters.

    Anisha setzte sich auf das große Sofa, holte ihren Laptop hervor und begann zu recherchieren. Auf die Preise der Wohnungen, die sie fand, achtete sie nicht. Darauf musste sie wohl dank des Erbes nie wieder achten. Doch sie wollte dennoch studieren, wollte nicht nur von ihrem Erbe leben. Deshalb schaute sie hauptsächlich auf die Lage. Sie fand schließlich eine der wenigen freien Wohnungen in der Nähe der Universität. Diese war recht groß und sehr teuer, aber das war ihr egal. Denn für sie stand schon fest: Sie würde dort nicht alleine einziehen.

    Wie im Rausch fühlte sie sich dazu gedrängt eines nach dem anderen zu erledigen. Sie vereinbarte einen Termin mit dem zuständigen Makler, schrieb einen Zettel, den sie ans schwarze Brett der Universität hängen wollte, um Mitbewohner zu suchen. Zudem rief sie ein Umzugsunternehmen an und ließ alles einfach geschehen.

    Nur um zu vergessen, zu verdrängen, was passiert war – der so merkwürdige Tod ihrer Eltern, die ganzen Umstände drum herum und vor allem der so beängstigende Vorfall mit ihrem Schuh, der einfach verschwunden war, nur um ein paar Meter weiter wieder aufzutauchen. Einfach alles. Es funktionierte scheinbar. Zumindest für diesen Augenblick. Jetzt wird alles anders, dachte sie. Auch wenn da diese Angst war, so große Angst, die schon immer ein ständiger Begleiter von ihr war. Das Verdrängen gelang ihr meist gut doch jetzt, wo alles so durcheinander geraten war, kannte sie nur ein Mittel um zu verdrängen und zu vergessen: Schnelle Entscheidungen. Und genau die traf sie.

    Anisha wusste nicht wie viel Zeit verging, spürte nicht ob Tag oder Nacht war, spürte gar nichts mehr, nur diese Leere, bis es endlich so weit war.

    Anisha ging schließlich fort, zog in die neue Wohnung, die sie sich einfach so gekauft hatte und wollte alles nur noch hinter sich lassen. Doch bereits auf dem Weg dorthin, spürte sie es wieder: dieses Gefühl beobachtet zu werden. Als würde sich in jedem Baum, in jeder Wand ein paar Augen befinden. Einmal dachte sie sogar, sie hätte tatsächlich menschliche Augen in einem großem Baum, in einem der stattlichen Gärten gesehen.

    Die Wohnung hatte sie schnell eingerichtet und zwei der Zimmer bereits für ihre Mitbewohner vorgesehen. Sie hatte sogar schon ihren Wohnungsschlüssel dreimal nachmachen lassen (einmal als Ersatzschlüssel für sich, die anderen beiden für ihre Mitbewohner). Nie wieder wollte sie sich so leer und so alleine fühlen, wie zu der Zeit, zu der ihre Eltern noch gelebt hatten und vor allem nicht, wie in den Stunden nach der Nachricht ihres … Todes.

    Anisha hatte auf dem Aushang, den sie ans schwarze Brett der Universität aufgehängt hatte, deutlich geschrieben: »Suche zwei Mitbewohner. Verlange keine Miete, nur Beteiligung an den Nebenkosten. Möglichst um schnelle Rückmeldung gebeten.«

    Darunter hatte sie dann ihre Nummer und ihre neue Adresse angegeben.

    Sie hatte sich hierfür Extra ein Wegwerf-Handy gekauft, da sie ahnte, wie viel Anrufe auf dieser Nummer schon bald womöglich reinkommen würden. Wenn es heißt: »Verlange keine Miete« bei einer Wohnung in dieser Lage …

    Es ging dann noch schneller, als sie zu hoffen gewagt hatte. Kaum eine Stunde, nachdem sie den Aushang ans schwarze Brett der Universität gepinnt hatte, klingelte schon das Telefon:

    »Hallo. Hier ist Phil Collar. Ich rufe wegen dem Aushang an. Wegen der Wohnung. Ist da noch ein Platz frei?«

    Die Stimme klang zu ihrer Freude noch recht jung. Anisha lächelte, antwortet dann so ruhig, wie es ihre eigene Nervosität zuließ:

    »Ja. Komm sofort vorbei, dann bist du einer meiner zwei neuen Mitbewohner.«

    »Im Ernst? Und du willst wirklich keine Miete?«

    Anisha seufzte. Es war ja klar, dass da Nachfragen kommen würden, dachte sie.

    »Ja. Im Ernst. Und nein, es gibt an der Sache kein Haken. Die Wohnung ist völlig in Ordnung. Komm nur möglichst schnell vorbei, sonst vergebe ich den Platz an jemand anderen.«

    Sie hörte, wie der Anrufer schon zu einer weiteren Frage ansetzen wollte, also legte sie schnell auf. Wenn ihn das nun verstörte, sollte er eben nicht kommen. Das ganze Unterfangen bereitete ihr auch so schon genug Unbehagen. Vor allem wenn sie daran dachte, dass sie mit den Menschen, die sich da meldeten, zusammenwohnen würde und dass diese Fragen stellen könnten. Aber vor allem, dass etwas Derartiges, wie diese Sache mit ihrem Schuh, noch einmal passieren könnte – sie wollte erst gar nicht daran denken.

    Aber alleine wollte sie einfach nicht mehr sein. Nie wieder. Das konnte sie nicht, sonst würde sie nicht mit der ganzen Situation fertig werden, da war sie sich sicher.

    Schon ging der zweite Anruf ein. Wieder meldete sich – zu ihrer Freude – eine noch recht jung klingende Stimme.

    »Hey. Ich heiße Rachel Bolton. Bietest du wirklich ein Zimmer in deiner Wohnung an, ohne Miete? Wenn ja, würde ich gerne einziehen.«

    Diese Rachel klang irgendwie seltsam, aber auch das störte Anisha nicht. Sie wollte nicht lange überlegen und aussuchen. Wenn sie zu ihr kommen würde, und sie sie sehen würde, würde sie sich letztendlich entscheiden.

    »Ja. Wenn du dich beeilst und möglichst schnell vorbei kommst, kannst du einziehen.«

    »Echt jetzt? Ok. Ich komme sofort.«

    Anisha lächelte, als Rachel sofort auflegte. Sie stellte anscheinend nicht viele Fragen. Das würde ihr entgegen kommen.

    Anisha beschloss schon einmal die Tür zu ihrer Wohnung zu öffnen, sodass sie das Treppenhaus und die Eingangstüre im Blick hatte. Ihre neue Wohnung lag im ersten Stock, außer ihr wohnte allerdings zum Glück bisher nur der Hausmeister in dem frisch renovierten Gebäude. Dieser bezog die Erdgeschosswohnung. Die Dachgeschosswohnung stand noch leer, sodass sie nicht allzu viele Fragen oder Begegnungen mit neugierigen Nachbarn haben musste. Da sie die Wohnung gekauft und nicht nur gemietet hatte, konnte sie auch hier einziehen lassen, wen sie wollte, da hatte sie sich zuvor auch nochmal extra beim Hauseigentümer diesbezüglich abgesichert.

    Anisha stand eine Weile in der offenen Wohnungstür und wippte nervös hin- und her. Bisher hatte niemand mehr angerufen. Doch noch war auch keiner der beiden Anrufer aufgetaucht.

    Sie wollte sich gerade enttäuscht in ihre Wohnung zurückziehen, um sich dort auf eine noch längere Wartezeit einzustellen, da hörte sie schon die Klingel. Sie betätigte den Öffner der Haustüre und sah wie ein großer, schlanker junger Mann mit grellen bunten Haaren das Haus betrat und ihr sofort überschwänglich entgegen kam und im Eiltempo die Treppen zu ihrer Wohnungstür emporstieg.

    Oh je, dachte sie. Vielleicht sollte ich doch jemand anderen nehmen.

    »Hallo. Ich bin hier wegen der Wohnung. Ich bin hier doch richtig, oder?«, schoss er auch schon los, kaum da er sie erreicht hatte.

    »Ja. Ich bin Anisha. Bist du Phil?«, fragte sie leise.

    »Ja«

    »Gut, dann komm rein.«

    Das musste sie ihn wohl nicht zweimal sagen, denn sofort schoss er an ihr vorbei und betrat ihre Wohnung.

    Was tu ich hier nur?, dachte sie. »Nein. Denk nicht so viel drüber nach«, sagte eine andere Stimme in ihr. Es war definitiv nicht die Stimme ihrer Eltern.

    »Wow!«, stieß

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