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Trauer: Forschung und Praxis verbinden: Zusammenhänge verstehen und nutzen
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eBook160 Seiten1 Stunde

Trauer: Forschung und Praxis verbinden: Zusammenhänge verstehen und nutzen

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Über dieses E-Book

Das Thema Trauer hat auch in Deutschland Konjunktur. Professionelle, die mit Trauernden zu tun haben, informieren über ihre Erfahrungen in den Medien. Vieles von diesem Wissen beeinflusst die gesellschaftlichen Vorstellungen von Trauer. Doch welchen Nutzen hat das Erfahrungswissen? Hilft es wirklich zu verstehen, wie die Mehrheit der Menschen Verluste verarbeitet, oder erfahren wir eher, wie der Einzelne mit seinem Schicksal umgeht? Warum finden zentrale Themen, die international zum Standardrepertoire von Fachkräften gehören, hierzulande kaum Anwendung? Häufig liegt es an der fehlenden Kenntnis über aktuelle Entwicklungen in der internationalen Trauerforschung. Das Buch schließt diese Lücke und stellt zentrale Themen vor, die aktuell von Wissenschaftlern und Praktikern auf der ganzen Welt diskutiert werden. Damit gibt es Antworten auf Fragen wie zum Beispiel: Wieso leiden einige Menschen mehr unter einem Verlust als andere? Unter welchen Bedingungen ist eine fortgesetzte Bindung zum Verstorbenen ungünstig oder hilfreich? Erst wenn Erfahrungswissen und wissenschaftliche Erkenntnisse miteinander verbunden werden, können Menschen realistische Vorstellungen davon entwickeln, wie Betroffene Verluste verarbeiten. Und vor diesem Hintergrund lässt es sich besser entscheiden, wie wir ihnen hilfreich zur Seite stehen können.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum7. März 2016
ISBN9783647997605
Trauer: Forschung und Praxis verbinden: Zusammenhänge verstehen und nutzen
Autor

Heidi Müller

Heidi Müller, Diplom-Politologin, ist Herausgeberin des Newsletters „Trauerforschung im Fokus“ und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Trauerberaterin am Trauerzentrum Frankfurt.

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    Buchvorschau

    Trauer - Heidi Müller

    Vorwort

    Manchmal scheint es so, als würden Praktiker und Wissenschaftler in zwei unterschiedlichen Welten leben. Die einen glauben an theoretische Konstrukte und Analysen, die anderen an lösungsorientiertes Handeln. Doch wie heißt es so schön: Wissen ohne Handeln ist nutzlos – und Handeln ohne Wissen (meist) erfolglos. Wissenschaft und Praxis sind zwei Seiten einer Medaille.

    Vor diesem Hintergrund ist es mein zentrales Anliegen, die Zusammenarbeit von Trauerberatern und Trauerforschern zu stärken. Denn sie können viel voneinander lernen und haben das gleiche Ziel: Die bestmögliche Hilfe für Trauernde. Der Unterschied ist nur, dass Trauerberater und Trauerforscher in diesem Zusammenhang unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Während die Praktiker überwiegend damit beschäftigt sind, Trauernde zu unterstützen, untersuchen die Wissenschaftler unter anderem, wie die Unterstützung aussehen sollte, damit den Betroffenen langfristig daraus der größtmögliche Nutzen entsteht.

    Ich betrachte die Forschung als eine Informationsquelle und ein Mittel zum kritischen Hinterfragen von Annahmen. Ganz besonders, wenn es um Rückschlüsse geht, die jemand nur aufgrund seiner Erfahrung zieht. Dabei stellen die Forschungsergebnisse aber auch kein Evangelium dar. In den Sozialwissenschaften gibt es keine ewig gültigen Wahrheiten. Dennoch ist Forschung wichtig, da wir Menschen dazu neigen, das zu sehen, was wir sehen möchten. Wenn wir davon überzeugt sind, dass unsere Interventionen hilfreich sind, dann werden wir diesen Effekt auch sehen. Dem Klienten geht es besser und wir nehmen einfach an, dass das nur an unserer Hilfe liegen kann. Wir lassen außer Acht, dass es auch eine natürliche Entwicklung im Trauerprozess gibt. Und auch der Klient zeigt sich sehr zufrieden mit der Beratung.

    Aber kann er unterscheiden zwischen dem natürlichen Trauerverlauf und der Wirkung einer Beratung? Ist er frei von allen gesellschaftlichen und situativen Zwängen und könnte uns gegebenenfalls offen sagen, dass er die Beratung miserabel fand?

    Die Forschung ist der Advocatus Diaboli im besten Sinne. Sie bringt dich weiter, wenn sie dir beweist, dass du dich irrst. Und erst wenn du keinen Hinweis dafür finden kannst, dass du dich irrst, dann kannst du zu Recht annehmen, dass du Recht hast, also in unserem Fall, dass Trauerberatung hilft! Das ist doch sehr viel überzeugender als eine gutwillige, unkritische Herangehensweise.

    Um einiges schwieriger ist es natürlich, wenn in einem Land wenig systematisch und dauerhaft Trauerforschung betrieben wird und die Praktiker mehr oder weniger gezwungen sind, internationale Fachartikel zu lesen, um sich zu orientieren. Umso wichtiger ist es, in solchen Ländern den Wissenstransfer zu fördern. Das vorliegende Buch leistet diese wertvolle Transferarbeit und stellt vier Themen der Trauerforschung vor, die momentan die Grundfesten unseres Wissens erschüttern und neue Impulse für die Beratung von Hinterbliebenen setzen. Ich hoffe, dass die Leser diese Erkenntnisse ebenso anregend finden werden wie ich und dass sie daraus wertvolle Informationen für ihre eigene Arbeit gewinnen können.

    Dr. Henk Schut

    Universität Utrecht, Niederlande

    1 Einleitung

    Ich höre gerne Musik. Es muss keine bestimmte Musikrichtung sein. Klassik, Funk, House, Jazz, Rock – ich höre vieles gern. Und wie in alten Zeiten saß ich an einem Wochenende mal wieder zusammen mit meinem Bruder auf der Couch und redete mit ihm über Musik. Dabei erinnerten wir uns an eine Radiosendung, die wir in unserer Jugendzeit sehr gern gehört haben: Die Internationale Hitparade – Musik direkt vom Plattenteller. Die Erkennungsmelodie habe ich noch heute im Ohr. In jeder Sendung wurden neue Musiktitel vorgestellt, die bei uns im Radio sonst kaum oder gar nicht zu hören waren. So lernten wir immer mehr Musikstücke aus allen Teilen der Welt kennen. Und die Erklärungen des Moderators halfen uns dabei, die einzelnen Musikstücke auch einordnen zu können. Wenn ich daran zurückdenke, bin ich heute noch begeistert.

    Diese sehr erfolgreiche Musiksendung gibt es seit den 1990ern nicht mehr. Doch die Idee lebt weiter. Das habe ich (Heidi Müller) gerade erst selbst festgestellt, als ich zusammen mit meiner Kollegin Hildegard Willmann die neuste Ausgabe des Newsletters »Trauerforschung im Fokus« vorbereitet habe. Natürlich wählen wir für den Newsletter keine Musiktitel aus. Wir stellen aktuelle Fachartikel aus dem Bereich der Trauerforschung vor, die uns aus den vielfältigsten Gründen begeistern und unser Wissen beziehungsweise unsere praktische Arbeit sehr bereichert haben. Wie in der Musiksendung liegt auch unser Fokus auf den internationalen Beiträgen, denn in Deutschland wird Trauerforschung wenig dauerhaft und systematisch betrieben. Damit ließe sich kein Blumentopf gewinnen, sagte ein Professor mal scherzhaft.

    In Ländern wie England, den Niederlanden, USA oder auch Australien sieht das ganz anders aus und die Fülle an Erkenntnissen ist kaum zu überblicken. »Grief Matters«, »Death Studies« und »Omega« sind nur einige der Fachzeitschriften, in denen schwerpunktmäßig Artikel zum Thema Trauer zu finden sind. Mittlerweile bemühen sich die Wissenschaftler¹ in ihren Beiträgen auch, den Bezug zur Praxis herzustellen. Das mag möglicherweise daran liegen, dass einige von ihnen selbst als Trauerberater, -begleiter² oder auch als Psychotherapeut arbeiten. Damit sind die Inhalte der Artikel nicht mehr ganz so abstrakt und lassen sich gut in die Praxis übertragen.

    Eine Hürde steht vielen deutschsprachigen Praktikern dabei allerdings oft noch im Weg: die englische Sprache. Es braucht schon ein wenig Übung, Zeit und Geduld, sich englischsprachige Fachtexte zu erschließen, und für Personen, die in ihrer Schulzeit keinen Englischunterricht hatten, ist es verständlicherweise fast unmöglich. Kenneth Doka, ein international anerkannter Experte auf dem Gebiet Trauer, hat einmal sehr über die Vorstellung geschmunzelt, dass er deutschsprachige Fachzeitschriften lesen müsste, um sich auf dem Laufenden zu halten.

    Aus diesem Grund haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, interessante Texte zugänglich zu machen, indem wir die Abstracts ins Deutsche übersetzen – wie im Newsletter »Trauerforschung im Fokus« – oder ganze Zusammenfassungen der Artikel veröffentlichen – wie in der deutschsprachigen Zeitschrift »Leidfaden«, einem Fachmagazin für Krisen, Leid und Trauer, welches wie dieses Buch ebenfalls vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht herausgegeben wird.

    Um Betroffene bestmöglich unterstützen zu können, sind die Erkenntnisse der Wissenschaft unumgänglich. Darin sind sich viele Wissenschaftler und Praktiker einig (zum Beispiel Neimeyer et al., 2011). Nicht ohne Grund sind zum Beispiel Ärzte verpflichtet, sich permanent weiterzubilden, obwohl sie über durchaus umfangreiches Erfahrungswissen verfügen. Erfahrungswissen ist wichtig, keine Frage. Doch woher zum Beispiel soll eine Trauerfachkraft wissen, ob es sich bei dem, was ein Betroffener schildert, um einen Einzelfall handelt oder ob es der Mehrheit der Betroffenen auch so ergeht? Fachkräfte³ sehen meist nur eine gewisse Anzahl von Personen und in der Regel nur solche, die Schwierigkeiten im Umgang mit einem Verlust haben. Wie sollen sie da einschätzen können, was normal ist und von vielen Menschen erlebt wird? An welchen Maßstäben sollen sie sich orientieren, wenn sie sich überlegen, was für eine Person, deren Reaktionen ungewöhnlich ausfallen, hilfreich sein könnte? An diesen Punkten können wissenschaftliche Erkenntnisse sehr aufschlussreich sein und beispielsweise irreführenden Vorstellungen, aber auch unangebrachten Maßnahmen vorbeugen.

    Auch ich freue mich, wenn Klienten zu mir sagen: »Vielen Dank, Frau Müller, Sie haben mir sehr geholfen.« Es scheint zu bestätigen, was ich tue. Doch woher nehme ich die Gewissheit, dass es wirklich meine Unterstützung ist, die ihnen hilft, und nicht einfach die Zeit, im Laufe derer sich der Zustand der Person verbessert hat? Zugegeben, was die Wirksamkeit von vielen Trauerangeboten anbelangt, da trifft die Trauerforschung auch bei mir einen wunden Punkt, weil sich das, was ich als Rückmeldung erhalte, in belastbaren Studien bisher nicht bestätigen lässt.

    Doch wie geht man mit solchen Studienergebnissen um? Wegschauen und ignorieren, als wäre nichts gewesen? Und wenn doch etwas dran ist und die Maßnahmen bei einigen Betroffenen tatsächlich mehr Schaden als Nutzen anrichten? Das wäre wohl nicht im Sinne der Betroffenen. Wie wäre es, wenn wir als Fachkräfte anstatt wegzusehen eher etwas genauer hinschauen und uns eingehender damit beschäftigen, was wir tun? Möglicherweise bietet sich die eigene Einrichtung als Untersuchungsgegenstand an oder uns fällt etwas auf, worauf wir Wissenschaftler hinweisen können. Studienergebnisse stellen keine absoluten Wahrheiten dar und viele Forscher sind sehr dankbar für Anregungen aus der Praxis. Denn letztlich sind Wissenschaft und Praxis keine Gegner, sie haben beide das gleiche Ziel. Sie wollen das Beste für die Betroffenen.

    Die Brücke zwischen Forschung und Praxis zu schlagen, ist uns sehr wichtig, da es in der Konsequenz den Betroffenen zugutekommt. Aus diesem Grund haben wir auch kaum gezögert, als wir gefragt wurden, ob wir in der »Edition Leidfaden« ein Buch veröffentlichen möchten, in dem wir einige Themen vorstellen, die aktuell in der internationalen Trauerforschung diskutiert werden. Und da uns schon öfter beim Lesen deutschsprachiger Beiträge aufgefallen ist, dass einige Themen hierzulande kaum bekannt sind oder teilweise auch auf recht eigene Weise ausgelegt werden, schien uns das eine gute Möglichkeit zu sein, interessierten Menschen einige spannende Themen vorzustellen und dabei auch die eine oder andere irreführende Idee

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