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Überraschungsangriff: Die Ausschaltung des Bundesamtes für ­Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung
Überraschungsangriff: Die Ausschaltung des Bundesamtes für ­Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung
Überraschungsangriff: Die Ausschaltung des Bundesamtes für ­Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung
eBook192 Seiten2 Stunden

Überraschungsangriff: Die Ausschaltung des Bundesamtes für ­Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung

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Über dieses E-Book

Am 28.2.2018 dringt eine Armada von Staatsanwälten und Polizeibeamten in das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung BVT ein. Ein bis dato unerhörtes Ereignis, das der ehemalige Leiter des BVT schildert und damit Antworten auf Fragen liefern könnte, die bis heute offen geblieben sind. In einer Rahmenhandlung kommentiert ein fiktiver Korrespondent das Geschehen aus Sicht des Auslands.
SpracheDeutsch
HerausgeberSeifert Verlag
Erscheinungsdatum16. Okt. 2023
ISBN9783904123839
Überraschungsangriff: Die Ausschaltung des Bundesamtes für ­Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung

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    Buchvorschau

    Überraschungsangriff - Peter Gridling

    1

    ES BEGINNT

    Aus den Aufzeichnungen eines fiktiven Auslandskorrespondenten

    Spät war es geworden, doch es hatte sich gelohnt. Meine Geschichte würde einschlagen. Ich machte mich auf den Weg in die Redaktion. Die Folgen des langen Abends waren aber noch deutlich zu spüren, und so entschloss ich mich, zu Fuß zu gehen. Der Spaziergang durch den Park würde mir guttun und meinen Kopf durchlüften, dachte ich bei mir.

    In der Redaktion angekommen, begrüßte mich unsere Assistentin mit einem »Na, Gott sei Dank! Endlich bist du hier! Der Chef hat schon dreimal nach dir gefragt«, und ihre Miene schien mir nichts allzu Gutes zu verheißen.

    Ich machte mich auf den Weg zum Chefzimmer.

    »Dass du auch schon da bist!«, empfing er mich ungehalten. Noch bevor ich etwas entgegnen konnte, fuhr er fort: »Ich habe einen Job für dich. Wir wollen in Wien eine Korrespondentenstelle einrichten. Die Ösis haben nämlich jetzt den OSZE-Vorsitz und dann im zweiten Halbjahr 2018 die EU-Präsidentschaft. Da wäre es gut, wenn wir jemanden vor Ort hätten. Außerdem ist in Wien ja eine GroKo am Werken. Ich hoffe, dass uns dies nach den nächsten Bundestagswahlen erspart bleibt. Wenn du dann schon in Wien bist, kannst du das direkt verfolgen und über das Funktionieren der Regierung in der Alpenrepublik berichten. Was sagst du dazu?«

    Im ersten Moment war ich sprachlos. Alle möglichen Gedanken schossen mir durch den Kopf.

    »Wow, ein interessantes Angebot!«, hörte ich mich sagen. Ich wusste, dass ich es kaum ablehnen konnte, zumal es ja auch meinem Wunsch nach Veränderung entsprach.

    »Bis wann muss ich mich entscheiden?« Im selben Moment bereute ich diese Frage.

    Dem Chef war mein Zögern egal. Er drehte sich um, nahm etwas von seinem Schreibtisch und drückte es mir in die Hand.

    »Hier ist ein Akkreditierungsschreiben. Das wirst du brauchen in Wien. Und noch ein guter Ratschlag: Pass auf beim Pendeln zwischen Kaffeehauskultur und Heurigengemütlichkeit. Das schlägt aufs Gewicht, die Waage wird dir die Rechnung präsentieren. Und jetzt raus – du wirst noch genug Vorbereitungen zu treffen haben.«

    Die nächsten Tage verbrachte ich mit Recherchen zu meinem neuen Wohnort, aber vor allem mit der Suche nach Österreich-erfahrenen Kollegen und Bekannten. Ich hatte Glück und entdeckte eine Studienkollegin, die in Wien wohnhaft war. Der Kontakt war schnell wiederhergestellt, und ich erhielt wertvolle Tipps im Umgang mit der österreichischen Seele, aber noch bedeutendere Unterstützung auf der Suche nach einer Wohnung.

    2

    UMBRUCHZEITEN

    Es knirschte im Gefüge der Bundesregierung. Immer öfter traten um die Jahreswende 2016/2017 Meinungsverschiedenheiten zwischen SPÖ und ÖVP zu Tage. Gemeinsame Vorhaben wurden vor allem von der ÖVP blockiert oder verzögert. Das ging so weit, dass Kanzler Kern, nachdem er Vorschläge für eine Aktualisierung des Regierungsprogramms präsentiert hatte, der ÖVP ein Ultimatum stellte. Vizekanzler Mitterlehner und Klubobmann Reinhold Lopatka gaben sich demonstrativ gelassen und deuteten Lösungen an, während aus Teilen der ÖVP sofort Widerspruch kam. FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache kommentierte unterdessen lauthals, dass Stillstand und Dauerstreit der Regierungsparteien wohl nahtlos in Neuwahlen übergehen würden!

    Ob das gut geht, dachte ich mir und ließ Momente aus den Verhandlungen mit der Opposition zum polizeilichen Staatsschutzgesetz Revue passieren. Mit diesem Gesetz wurden die Organisation, die Aufgaben, die Befugnisse sowie die Kontrolle des Staatsschutzes völlig neu geregelt. Ziel meiner damaligen Ministerin Johanna Mikl-Leitner war ja ein Gesetz, dem möglichst auch die Opposition zustimmen sollte.

    Aber die Worte des Sicherheitssprechers der SPÖ Otto Pendl klangen mir noch in den Ohren, als er in einer unserer internen Besprechungen zum Gesetzesvorhaben sagte: »Ihr werdet sehen – am Ende beschließen wir das nur mit unseren Stimmen.«

    Und so war es dann auch – trotz Berücksichtigung zahlreicher Vorschläge der Opposition.

    Mit der Abstimmung des Nationalrats über dieses Gesetz am 26. Jänner 2016 und der ablehnenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über den gemeinsamen Antrag von FPÖ und Grünen, das Gesetz für verfassungswidrig zu erklären, hatten wir unser Ziel erreicht, eine eigene Rechtsgrundlage für den Verfassungsschutz zu schaffen.

    Trotz demonstrativer Einigkeit von Kanzler und Vizekanzler im Jänner 2017 verdichteten sich mit der Zeit die Anzeichen für Neuwahlen. Erfahrungsgemäß lösen solche Ereignisse, bei denen ein Regierungsumbruch wahrscheinlich wird, auch Reaktionen in der Beamtenschaft aus. Zwar muss man im öffentlichen Dienst nicht unmittelbar Angst vor Arbeitsplatzverlust oder sozialem Abstieg haben, aber dennoch existieren solche Ängste. Da jedoch in jeder Krise oder Bedrohung auch eine Chance liegt, gibt es auch jene, die sich, ihren Karriereplänen entsprechend, in einer solchen Phase neu zu positionieren versuchen.

    Die Bandbreite reicht von parteipolitischen Ambitionen über Streben nach Versorgungsposten bis hin zu beruflicher Veränderung in scheinbar sichere »politische« Häfen. Offenkundig wird dies vor allem in den oberen Führungsetagen.

    Ich begann mir Gedanken zu machen. Immerhin würde in einem Jahr, im Februar 2018, mein Vertrag als Direktor des BVT auslaufen, und dieses Thema sollte im Mitarbeitergespräch, das im Jänner 2017 geplant war, wohl im Mittelpunkt stehen. Obwohl ich persönlich mit dem Erreichten durchaus zufrieden war, konnte ich die Einflussnahme von außen vor allem auf Personalentscheidungen nicht verhindern. Dieser Umstand störte mich zwar sehr, aber die Fortschritte bei der Organisationsentwicklung wogen das Missbehagen auf.

    Doch wo stand das BVT eigentlich im Jahr 2017, und was wurde bis dahin erreicht?

    Jeder Staat braucht Institutionen, die ihn vor negativen Trends und Entwicklungen sowie Gefahren warnen, diese bekämpfen, die Verantwortungsträger schützen und dafür sorgen, dass jene kritischen Infrastrukturen, auf die unsere Gesellschaft angewiesen ist und die vor allem in Krisenfällen für Staat und Menschen von enormer Bedeutung sind, reibungslos funktionieren. Unsere freie Lebensweise und der demokratische Rechtsstaat, der diese Lebensweise garantiert, dürfen nicht durch gewalttätige Extremisten oder Terroristen bedroht und gefährdet werden, ebenso wenig wie eine negative Einflussnahme durch Sabotage, Spionage, Korruption und Manipulation von öffentlicher Meinung und Politik aus dem In- und Ausland zu erfolgen hat.

    Oft sind die Zuständigkeiten im Amt zersplittert und auf mehrere Institutionen aufgeteilt. Dies ist in Österreich zwar auch der Fall, aber dennoch sind die Aufgaben der konkreten und erweiterten Gefahrenerforschung, der Gefahrenabwehr, des vorbeugenden Schutzes von Rechtsgütern sowie der Verfolgung von Straftaten kompakt gesetzlich geregelt, und ein großer Teil davon wurde dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zugewiesen.

    Anders als das Bundesamt für Verfassungsschutz in Deutschland war das BVT kein reiner Nachrichtendienst. Die Zuständigkeiten des BVT beinhalteten aber gesetzlich zugewiesene nachrichtendienstliche Aufgabenstellungen, die von ihm exklusiv erfüllt wurden. Damit konnte das BVT Sachverhalte sowohl nachrichtendienstlich aufklären, polizeilich abwehren und proaktiv schützen wie auch als spezialisierte Kriminalpolizei oder im Auftrag der Staatsanwaltschaft ermitteln. Dadurch fielen Kompetenzstreitigkeiten, Informationsverluste an behördlichen Schnittstellen sowie Rivalitäten zwischen Organisationen weitgehend weg, und es konnten, mit vergleichsweise geringen Ressourcen, gute Ergebnisse erzielt werden. All dies kann individuelle Fehler und Fehlentscheidungen nicht verhindern, aber es grenzt die Suche nach Verantwortlichen drastisch ein.

    3

    GEDANKEN UND ABWÄGUNGEN

    Bei dem Mitarbeitergespräch mit dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit im Jänner 2017 musste ich mich im Hinblick auf das Auslaufen meines Vertrages im Februar 2018 also festlegen, ob ich eine Verlängerung meines Vertrages anstreben oder eine berufliche Veränderung vornehmen möchte. Der Umstand, dass ich aufgrund meines Alters ab April 2019 in Pension gehen könnte, spielte eine nicht unwesentliche Rolle in diesen Überlegungen.

    In Vorbereitung des Mitarbeitergesprächs begann ich mit der Erstellung einer Bilanz der letzten vier Jahre. Positiv zu bewerten waren aus meiner Sicht:

    Das erfolgreiche Lobbyieren für das Staatsschutzgesetz und die Abwicklung des fordernden zweijährigen Prozesses. Voraussetzung dafür war die politische Verankerung im Regierungsprogramm 2013 und die Unterstützung durch den Generaldirektor, die auch im höchsten Maß gegeben war.

    Das Entwickeln und Festschreiben von neuen Aufgaben, wie den Schutz kritischer Infrastrukturen als polizeiliche Aufgabe, und die Verankerung im Sicherheitspolizeigesetz.

    Die Etablierung der Aufgabe Cybersicherheit sowie ihre funktionelle und organisatorische Absicherung. Dass in diesem Bereich personelle und budgetäre Entwicklungen nicht immer nach unseren Vorstellungen vor sich gingen, war wenig überraschend und auch vorherzusehen. Die ersten Schritte waren aber gemacht und das BVT als wichtiger Player positioniert. Gemeinsam mit dem Bundeskanzleramt und dem Verteidigungsministerium konnte der Bund erfolgreich präsentieren und eine wichtige Rolle in der Cybersicherheitsplattform ¹ einnehmen.

    Gewaltprävention im Bereich Extremismus/Terrorismus. Auch hier konnte sich das Amt erfolgreich positionieren. Dank der Finanzierung über diverse Projekte gelang es, die führende Rolle zu übernehmen und zahlreiche behördliche als auch zivilgesellschaftliche Organisationen an Bord zu holen. Im neuen BNED ² übernahm das Amt die koordinierende Aufgabe, und in der Folge gelang auch die Etablierung eines jährlichen Gipfeltreffens dieses Netzwerkes.

    Diese drei Bereiche, Schutz kritischer Infrastrukturen, Cybersicherheit sowie Gewaltprävention, erfüllten für mich eine Schaufensterfunktion. Damit konnte einerseits hervorragend Öffentlichkeitsarbeit betrieben und andererseits auch gewährleistet werden, dass den operativen Bereichen Extremismus, Terrorismus, Spionageabwehr für Aufklärung, Abwehr, Vorbeugung und Prävention sowie Bekämpfung dieser Gefahren die notwendige Ruhe und der Freiraum verschafft wurden.

    Gerade im Bereich des islamistischen Terrorismus hatte das BVT fast 300 Personen aus Österreich identifiziert, die sich dem gewalttätigen islamistischen Terrorismus angeschlossen hatten. Koordiniertes Vorgehen in- und ausländischer Behörden gegen sunnitisch-islamistische Netzwerke am Balkan führten zur Festnahme von Radikalisierern und Rekrutierern und zur Verurteilung zu hohen Haftstrafen.

    Im sensiblen Bereich der Bekämpfung des Rechtsextremismus war die Entwicklung aus meiner Sicht durchaus positiv. Probleme bereiteten hier die Nähe von FPÖ-Politikern zur neurechten Szene, insbesondere den Identitären. Mangelnde Sensibilität in diesem Bereich gab es auch innerhalb der Polizei, weshalb interne Sensibilisierungs- und Präventionsbemühungen notwendig waren. Dessen war sich Sibylle Geissler, die Leiterin dieses Bereichs, bewusst und setzte mit einem Aktionsplan ein Zeichen.

    Auch der Abschluss eines Verwaltungsübereinkommens über die Zusammenarbeit mit den beiden militärischen Partnerdiensten, dem Heeresnachrichtenamt und dem Abwehramt, stellte einen wichtigen Erfolg dar und widerlegte die permanent vorgebrachten Vorwürfe der mangelnden Zusammenarbeit.

    Allerdings gab es auch negative und unbefriedigende Dinge in meiner Bilanz. Diese bezogen sich nicht unbedingt auf außenwirksame Angelegenheiten. Vielmehr handelte es sich um interne Querelen, Eifersüchteleien und Egoismen, die sich auf die Arbeit auswirkten und auch außerhalb des Amtes bemerkt wurden.

    Die Zusammenarbeit zwischen meinem Stellvertreter Wolfgang Zöhrer und mir war nicht die beste. An und für sich war er ein umgänglicher Typ, aber irgendwie stimmte die Chemie zwischen uns nicht. Vielleicht lag es auch daran, dass hinter seinem Wechsel ins BVT seine Freundschaft mit Michael Kloibmüller, dem langjährigen Kabinettschef im Innenministerium, stand. Dies war allgemein bekannt und brachte Zöhrer hinter vorgehaltener Hand auch den Spitznamen »Politkommissar« ein. Vielleicht war es aber auch nur sein Desinteresse, sein Führungsstil und die vielen direkten Kontakte zum Kabinett, die eine bessere Zusammenarbeit verhinderten.

    Dies blieb auch Generaldirektor Konrad Kogler nicht verborgen, der nach anfänglichen Vermittlungsversuchen mit Konsequenzen drohte. Gleichzeitig begann er damit, direkte informelle Achsen in das BVT aufzubauen. Dies bot einem meiner Abteilungsleiter, Martin Weiss, die Gelegenheit, als informeller Vertrauensmann zu agieren.

    Ich hatte Martin Weiss in seinem Vorankommen gefördert und ihn zunächst zum Referatsleiter und später zum Abteilungsleiter gemacht. Diese Position war jedoch offensichtlich nicht das Endziel seiner Karrierewünsche, und so kündigte er mir 2013 seine »Freundschaft« auf. Dass Freundschaft mitunter sehr einseitig sein konnte, musste ich in dieser Situation zur Kenntnis nehmen. Allerdings war ich auch über seine Flexibilität erstaunt. Er, der sich jahrelang über die Unfähigkeit von Wolfgang Zöhrer erregt

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