Lebensmittelrecht
Von Markus Weck
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Buchvorschau
Lebensmittelrecht - Markus Weck
Kompass Recht
herausgegeben von Dieter Krimphove
Lebensmittelrecht
von
Dr. Markus Weck
Rechtsanwalt,
Hauptgeschäftsführer der Verbände
Kulinaria Deutschland,
Fachverband der Gewürzindustrie und
Deutscher Verband der Hefeindustrie
4., aktualisierte Auflage
Verlag W. Kohlhammer
4. Auflage 2023
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-041951-3
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-041952-0
epub: ISBN 978-3-17-044041-8
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
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Das Werk stellt komprimiert und verständlich die Grundlagen des Lebensmittelrechts dar und gibt für Studenten Klausurtipps und für Praktiker Hinweise zur Lösung von Problemen im Praxisalltag. Neben den allgemeinen Grundsätzen des Lebensmittelrechts behandelt das Buch insbesondere die Kennzeichnung und die amtliche Überwachung von Lebensmitteln sowie den rechtlichen Rahmen für werbliche Aussagen über Lebensmittel. Die 4. Auflage berücksichtigt neben der aktuellen Rechtsprechung auch Auslegungspapiere, Gremienbeschlüsse und die Behördenpraxis. Vertiefende und erweiternde Informationen stehen zum Download zur Verfügung.
RA Dr. Markus Weck ist Hauptgeschäftsführer mehrerer Branchenverbände der Ernährungsindustrie (Hauptgeschäftsführer der Verbände Kulinaria Deutschland, Fachverband der Gewürzindustrie und Deutscher Verband der Hefeindustrie) und Lehrbeauftragter für Lebensmittelrecht an der Dualen Hochschule Heilbronn.
Vorwort zur 4. Auflage
Seit dem Erscheinen der 3. Auflage dieses Werks im Jahr 2017 hat sich das Lebensmittelrecht – wie nicht anders zu erwarten – kontinuierlich weiterentwickelt. Die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel wird nun von einer Durchführungsverordnung begleitet; im Zusatzstoffrecht hat die Verordnung zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften über Lebensmittelzusatzstoffe die Zusatzstoff-Zulassungsverordnung abgelöst und die Praxis wird bestimmt von zahlreichen Gerichtsentscheidungen, Auslegungspapieren und Gremienbeschlüssen, die seither verabschiedet wurden.
Das Lebensmittelrecht bleibt eine komplexe Materie, und so ist es nach wie vor Anspruch dieses Buchs, Studierenden und Praktikern mit Blick auf das Wesentliche eine Orientierung zu bieten, freilich ohne dabei Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. In diesem Sinne habe ich im Zuge der neuerlichen Überarbeitung einige der bislang ausgelagerten Abschnitte gestrafft und so weit wie möglich ins Druckwerk integriert.
Nicht nur das Lebensmittelrecht verändert sich. Bereits im Jahr 2019 verstarb Herr Rechtsanwalt Michael Welsch, ehemaliger Geschäftsführer des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (heute Lebensmittelverband Deutschland). Er war es, der 2009 den Kohlhammer Verlag und mich als Autoren zusammenführte, und so hat auch er einen bleibenden Anteil an der Entstehung dieses Werks. Seinem Andenken widme ich diese 4. Auflage.
Meiner Frau, Dr. Monika Weck, danke ich einmal mehr für ihre guten Ratschläge und ihre Unterstützung.
Über Lob, Tadel und Verbesserungsvorschläge freue ich mich:
weck@foodlaw.eu
Brühl, im April 2023
Markus Weck
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur 4. Auflage
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
1. KapitelEinführung in das Lebensmittelrecht – der europäische Rechtsrahmen
I.Die Entwicklung des Lebensmittelrechts in Deutschland2
II.Die Entwicklung des Lebensmittelrechts auf europäischer Ebene4
2. KapitelGrundlagen des Lebensmittelrechts
I.Lebensmittelrechtliche Grundbegriffe8
1.Der Begriff des Lebensmittels8
2.Lebensmittelunternehmen und Lebensmittelunternehmer12
3.Inverkehrbringen von Lebensmitteln13
II.Allgemeine lebensmittelrechtliche Grundsätze15
1.Risikoanalyse und Vorsorgeprinzip15
2.Lebensmittelsicherheit16
3.Rückverfolgbarkeit22
4.Schutz der Verbraucherinteressen – Irreführungsverbot24
5.Transparenz – Information der Öffentlichkeit25
3. KapitelKennzeichnung von Lebensmitteln
I.Vorverpackte Lebensmittel26
1.Begriff der Fertigpackung27
2.Verantwortlichkeiten28
3.Überblick über die Pflichtkennzeichnungselemente29
4.Formvorschriften29
5.(Verkehrs-) Bezeichnung, Verkehrsauffassung und Verbrauchersicht31
6.Angabe von Ursprungsland oder Herkunftsort34
7.MHD und Verbrauchsdatum37
8.Füllmengenangabe40
9.Kennzeichnung von Zutaten44
10.Angabe des Verantwortlichen59
11.QUID – Die mengenmäßige Kennzeichnung von Zutaten59
12.Los-Kennzeichnung67
13.Besondere Kennzeichnungselemente bei tiefgekühlten Lebensmitteln68
II.Kennzeichnung bei der Abgabe an Weiterverarbeiter68
1.Grundsatz68
2.Regelungen für bestimmte Mischungen von Zusatzstoffen oder Enzymen69
III.Abgabe unverpackter Lebensmittel in Gaststätten/Restaurants/Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung70
1.Grundsatz70
2.Kenntlichmachung von Zusatzstoffen70
3.Allergiehinweise71
IV.Nährwertdeklaration und Referenzmengen71
1.Einführung in die Nährwertdeklaration71
2.Portionsangaben74
3.Referenzmengen für die Tageszufuhr75
4.Form der Darstellung76
5.Ermittlung von Brennwert und Nährstoffgehalten77
V.Spezielle Kennzeichnungsvorgaben für Gentechnik79
4. KapitelWerbliche Aussagen über Lebensmittel
I.Das Verbot der Irreführung nach Art. 7 LMIV82
1.Irreführung83
2.Regelbeispiele84
3.Sanktionsvorschriften90
II.Die Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben91
1.Anwendungsbereich91
2.Allgemeine Anforderungen an Angaben93
3.Besondere Regelungen für nährwertbezogene Aussagen95
4.Besondere Regelungen für gesundheitsbezogene Aussagen97
5.Exkurs: Verbot der krankheitsbezogenen Werbung nach Art. 7 Abs. 3 LMIV99
5. KapitelStoffrecht
I.Lebensmittelzusatzstoffe102
1.Begriffsbestimmungen102
2.Verwendung von Zusatzstoffen – Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt107
3.Funktionsklassen von Zusatzstoffen107
4.Höchstmengen für Zusatzstoffe108
5.Der Migrationsgrundsatz109
6.Kennzeichnungsvorschriften111
II.Lebensmittelenzyme112
1.Allgemeines zur Enzymverordnung112
2.Anwendungsbereich und Definitionen112
3.Zulassung und Gemeinschaftsliste114
4.Kennzeichnung von Lebensmitteln, die Enzyme enthalten115
III.Aromenrecht115
1.Allgemeines zum Inhalt der Aromenverordnung115
2.Anwendungsbereich und Definitionen115
3.Kennzeichnungsbestimmungen117
4.Höchstmengen für bestimmte Stoffe118
6. KapitelLebensmittelüberwachung und behördliche Maßnahmen
I.Die amtliche Lebensmittelüberwachung120
1.Lebensmittelüberwachung als Länderaufgabe120
2.Zuständige Behörden120
3.Maßnahmen der Lebensmittelüberwachung121
II.Rücknahme, Rückruf und Information der Öffentlichkeit127
1.Rücknahme und Rückruf127
2.Information der Öffentlichkeit und Meldepflicht129
Stichwortverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
David/Grube, Rückruf und Rücknahme von Lebensmitteln: Theorie und Praxis, Food & Recht Praxis 01/10, S. 13 ff.
Eggers, Alles Rückstand oder was?? Die Rückstandsdefinition auf dem Prüfstand – Die Anwendbarkeit der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 bei ungeklärter Ursache des Vorhandenseins eines unerwünschten Stoffes, ZLR 2009, S. 549 ff.
Fezer, Lebensmittelimitate, gentechnisch veränderte Produkte und CSR-Standards als Gegenstand des Informationsgebots im Sinne des Art. 7 UGP-RL, WRP 2010, S. 577 ff.
Gehrmann, Lebensmittel-Informationsverordnung – Schwerpunkte und Auslegungsfragen, ZLR 2/2012, S. 161 ff.
Gerstberger, Die Novel-Food-Verordnung vor der Reform, WRP 2005, S. 584 ff.
dies., „Was lange währt, wird endlich gut?" – Zum Vorschlag der Kommission zur Revision der Novel Food Verordnung, ZLR 2008, S. 175 ff.
Gründig, Neue Informationspflicht für Behörden, Food & Recht Praxis 04/2012, S. 1 ff.
Hagenmeyer, LMKV – Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, 2. Auflage, München 2006.
ders., LMIV Kommentar – Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel mit LMIDV und weiteren Durchführungsverordnungen, 4. Auflage, Hamburg 2022.
Hahn/Pichhardt, Lebensmittelsicherheit, Hamburg 2004.
Hartwig/Schulz, Alternativen zu Gesundheits- und Nährwertclaims, 2009.
Holle/Hüttebräuker, Health-Claims-Verordnung: HCVO, München 2018.
Hollinger/Grube, Fertigpackungsverordnung, München 2022.
Kirst, Meilensteine des gesundheitlichen Verbraucherschutzes, Historischer Rückblick auf die Entwicklung des Tierseuchen- und Lebensmittelrechtes, Teil 2 (Lebensmittelrecht), Deutsches Tierärzteblatt 3/2009, S. 336 ff.
Köhler, Die Bedeutung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken und ihre Auswirkungen für Lebensmittelrecht und Lebensmittelwirtschaft, ZLR 2006, S. 3 ff.
Krimphove, Europarecht, 3., aktualisierte Auflage, Stuttgart 2019.
Kulow, Zulassung nach dem neuen EU-Hygienerecht, Hamburg 2007.
Loosen, QUID – Mengenkennzeichnung von Zutaten, ZLR 1998, S. 627 ff.
ders., Die neue Novel-Food-Verordnung – Übersicht und erste Bewertung, ZLR 2016, S. 3 ff.
Meisterernst, Die Bedeutung von Empfehlungen der DGHM, ZLR 2015, S. 324 ff.
Meyer/Streinz (Hrsg.), LFGB/BasisVO/HCVO, Kommentar, 2. Auflage, München 2012.
Preuß, Die QUID-Regelung aus Sicht der Lebensmittelüberwachung, ZLR 2000, S. 301 ff.
Radermacher, QUID – Mengenkennzeichnung von Zutaten, 2. Auflage, Hamburg 2007.
ders., Die Meldepflicht nach § 44 Abs. 4 LFGB, in: Festschrift für Michael Welsch, Hamburg 2010, S. 159 ff.
Sosnitza/Meisterernst (vormals Zipfel/Rathke), Lebensmittelrecht, Werkstand: 183. EL März 2022, München 2022.
Streinz/Kraus, Lebensmittelrechts-Handbuch, Werkstand: 42. EL April 2021, München 2021.
Streinz/Meisterernst, BasisVO/LFGB, München 2021.
Warburg, Anreicherungsverordnung erzielt bislang lediglich partielle Harmonisierung, Food & Recht Praxis 03/09, S. 16 ff.
Weck, Allergene – Spurenkennzeichnung zwischen Verbraucherschutz und Produkthaftung, in: Meyer (Hrsg.), Lebensmittel heute – Qualität und Recht, Hamburg 2010 (zit.: „Weck, Allergene").
Weck/Schigulski/Matthes, Zusatzstoffe und Enzyme, 3. Auflage, Hamburg 2021.
Wehlau, LFGB – Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, Köln, Berlin, München 2010.
Welsch, Zur Ergänzung der Verkehrsbezeichnung der Zutaten bei ihrer Aufführung im Zutatenverzeichnis um zusätzliche Angaben, ZLR 1991, S. 637 ff.
Winter-Gierlich, Fragen und Antworten zu QUID, 2. Auflage, Hamburg 2022.
Übersicht Piktogramme
stift_wPrüfungstipps für Studenten
pin_wTipps für Praktiker
para_wGesetzestext
download_wWeiterführender bzw. ergänzender Text als Download-Datei
DownloadInhalt des Download-Materials:
– Guidance Document General Food Law
– Bekanntmachung der Kommission zu QUID
– Bekanntmachung der Kommission zu Allergenhinweisen
– Guidance der Kommission zu Toleranzen bei der Nährwertkennzeichnung
– Fragen und Antworten der Kommission zur LMIV
– Bekanntmachung der Kommission zu Art. 26 Abs. 3 LMIV
– Guidance der Kommission zu Health and Nutrition Claims
– Multiple-Choice-Test
– Fälle
Download des o. g. Materials unter: https://dl.kohlhammer.de/978-3-17-041951-3
1. KapitelEinführung in das Lebensmittelrecht – der europäische Rechtsrahmen
1 Die reiche Auswahl und die ständige Verfügbarkeit von sicheren und bekömmlichen Lebensmitteln sind – zumindest in unserem Teil der Welt – für viele zu einer Selbstverständlichkeit geworden, die aber tatsächlich das Ergebnis eines jahrzehnte-, ja jahrhundertelangen Prozesses der Optimierung ist. Vor allem das gewachsene Wissen um die Bedeutung der Hygiene bei der Herstellung von Lebensmitteln sowie die vertieften Erkenntnisse über zugesetzte oder natürlicherweise enthaltene Stoffe haben erheblich dazu beigetragen, dass unsere „Mittel zum Leben" aus heutiger Sicht in aller Regel höchsten Sicherheitsanforderungen entsprechen.
2 Das Lebensmittelrecht begleitet diesen Prozess nicht erst seit der Neuzeit. Allgemeine lebensmittelrechtliche und -hygienische Vorschriften finden sich bereits in den Verordnungen Karls des Großen (747–814 n. Chr.):
„Mit Sorgfalt ist darauf zu achten, dass das, was die Leute mit ihren Händen verarbeiten oder verfertigen, wie Speck, getrocknetes Fleisch, Wurst, eingesalzenes Fleisch, Wein, Essig, Käse, Butter, Bier, Honig, Wachs, Mehl, mit der größten Reinlichkeit hergestellt und bereitet werde."
3 Auch das Thema „Verfälschen von Lebensmitteln – noch heute unter dem Stichwort „food fraud
viel diskutiert – wurde vom Gesetzgeber geregelt: Die Constitutio Criminalis Carolina – die „peinliche Halsgerichtsordnung Karls V. – wurde 1532 erlassen, galt bis Ende des 18. Jahrhunderts in fast allen deutschen Staaten als strafrechtliche Grundlage und sah z. T. bereits für geringe Vergehen drastische „peinliche
Strafen vor. Im mittelalterlichen Nürnberg wurden Safranfälscher nicht selten mitsamt der gefälschten Ware verbrannt, in minder schweren Fällen an den Pranger gestellt und mit Ruten ausgepeitscht. Solche Strafen wurden zu Recht aus unserer Rechtskultur verbannt. Allerdings: Moderne „Pranger" – beispielsweise in Form von Negativlisten, Kontrollbarometern und Hygieneampeln – können sich ebenfalls erheblich auf Lebensmittelunternehmen auswirken und diese nachhaltig schädigen, wenn sie nicht mit Augenmaß angewendet und verhältnismäßig ausgestaltet werden.
I.Die Entwicklung des Lebensmittelrechts in Deutschland
4 Die erste umfassende Kodifikation des Lebensmittelrechts in Deutschland erfolgte mit dem Gesetz betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genussmitteln und Gebrauchsgegenständen ( Nahrungsmittelgesetz ) vom 14.5.1879 (RGBl. S. 145). Neben der Einführung einer Lebensmittelüberwachung („Beaufsichtigung") stellte das Gesetz das Nachmachen oder Verfälschen von Lebensmitteln unter (Geld-)Strafe; wer vorsätzlich Nahrungs- und Genussmittel so herstellte, dass ihr Verzehr „die menschliche Gesundheit zu schädigen geeignet" war, wurde mit Gefängnis bestraft (zum Nahrungsmittelgesetz und dessen weiterer Entwicklung vgl. Sosnitza/Meisterernst, B. Einführung, Rn. 35 ff.). Die Lücken des Nahrungsmittelgesetzes wurden in der folgenden Zeit durch Spezialgesetze ergänzt, von denen nachfolgend nur einige genannt werden sollen:
– Gesetz betreffend die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben zur Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 5.7.1887 („Farbengesetz");
– Gesetz betreffend den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatzmitteln vom 15. Juni 1897 („Margarinegesetz");
– Reichsgesetz betreffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vom 3.6.1900; das Gesetz wurde in der Folgezeit vielfach ergänzt und geändert und galt als „Fleischhygienegesetz" weiter, bis es im Wesentlichen durch das Gesetz zur Neuordnung des Lebensmittel- und des Futtermittelrechts vom 1. September 2005 aufgehoben wurde.
5 Das Nahrungsmittelgesetz von 1879 wurde 1927 durch das Lebensmittelgesetz (Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen, LMG) abgelöst. Nach wie vor stand der Schutz des Verbrauchers vor Verfälschungen und Irreführung im Mittelpunkt der Regelungen; die ohnehin kaum praktikable Unterscheidung zwischen Lebens- und Genussmitteln wurde aufgegeben.
6 Für lange Zeit erfolgten im Bereich des Lebensmittelrechts keine grundlegenden Reformen mehr, bis in den 1950er Jahren in der Bevölkerung eine große Verunsicherung über die Verwendung von „fremden Stoffen" in der Nahrung um sich griff; dabei ging es insbesondere um die Verwendung von Farb- und Konservierungsstoffen, die als krebserregend angesehen wurden (und dies teilweise auch waren). Die Diskussion führte zum Erlass des Änderungsgesetzes vom 21.12.1958, mit dem das LMG durch das sog. Fremdstoffverbot ergänzt wurde. Das Fremdstoffverbot führte zu einem Paradigmenwechsel: Während bis dahin das Missbrauchsprinzip galt, wonach alles erlaubt war, was nicht verboten war, galt nunmehr das Verbotsprinzip : Der Zusatz von sog. fremden Stoffen wurde grundsätzlich verboten; es bestand lediglich die Möglichkeit der Zulassung einzelner Stoffe allgemein oder zu bestimmten Zwecken. In der Folge wurden sog. Fremdstoffverordnungen erlassen, wodurch die nach dem damaligen Kenntnisstand gesundheitlich unbedenklichen und technisch notwendigen Stoffe zugelassen wurden. Das Verbotsprinzip gilt noch heute und beherrscht mittlerweile auch das europäische Lebensmittelrecht.
7 Mit dem Gesetz zur Neuordnung und Bereinigung des Rechts im Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen vom 15.8.1974 wurde ein neues Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG ) erlassen, dessen Regelungsbereiche wie folgt umrissen werden können:
– Verbote zum Schutz der Gesundheit
– Ermächtigungen zum Erlass von Gesundheitsschutzbestimmungen
– Verbote zum Schutz vor Täuschung, Werbeverbote
8 Bemerkenswert war die Konkretisierung des Täuschungsschutzes im Bereich der Angaben über gesundheitliche und ernährungsphysiologische Wirkungen von Lebensmitteln, mit der dem Lebensmittelunternehmer schlicht – und ganz ohne den bürokratischen Aufwand einer Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Aussagen (hierzu unten, Rn. 297 ff.) – die Verantwortung und die Beweislast für die Verwendung fachlich umstrittener oder wissenschaftlich nicht gesicherter Behauptungen übertragen wurde. Krankheitsbezogene Werbung (hierzu unten, Rn. 324 ff.) war – und ist es auch heute noch – grundsätzlich verboten, von Ausnahmen im Bereich spezieller Lebensmittel für bestimmte Verbrauchergruppen abgesehen.
9 Neben dem LMBG galt eine Vielzahl von lebensmittelrechtlichen Nebengesetzen , die insbesondere den Hygienebereich, Zusatzstoffe und