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INFLUENCE – Wie man (andere) überzeugt. Nützliche Erkenntnisse der Psychologie: Der weltweite Millionenbestseller | Über die Psychologie des Überzeugens | Praxistipps zur Persönlichkeitsentwicklung
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eBook810 Seiten10 Stunden

INFLUENCE – Wie man (andere) überzeugt. Nützliche Erkenntnisse der Psychologie: Der weltweite Millionenbestseller | Über die Psychologie des Überzeugens | Praxistipps zur Persönlichkeitsentwicklung

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Über dieses E-Book

Kaufen oder gekauft werden? – über die Psychologie des Überzeugens


Sie möchten andere von etwas überzeugen? Oder sich selbst davor schützen, beeinflusst zu werden? Der Sozialpsychologe und Marketingexperte Robert B. Cialdini hat die Verkaufs- und Verhandlungstechnik revolutioniert. Eingängig und unterhaltsam erläutert er in seinem Standardwerk die sieben wesentlichen Prinzipien, die uns in unseren täglichen Entscheidungen beeinflussen – und wie wir diese an anwenden können.

Basierend auf über 40 Jahren Forschung, bietet das Buch alles, was wir brauchen, um erfolgreich zu sein, überzeugend aufzutreten und uns privat und beruflich weiterzuentwickeln. Um zahlreiche neue Studien, praktische Anregungen und aktuelle Fallbeispiele erweitert, liegt der Klassiker endlich in kompletter Neuübersetzung vor.


»Robert B. Cialdini hat das Unmögliche geschafft: Er hat ein Meisterwerk verbessert. Fesselnd und vielschichtig beschreibt er die subtile Macht, die Menschen aufeinander ausüben.«

Daniel Kahneman, Autor des Bestsellers Schnelles Denken, langsames Denken


»Ein phänomenales Buch! Ob Sie Verkäufe ankurbeln, einen besseren Geschäftsdeal abschließen oder Ihre Beziehung verbessern wollen, ›Influence‹ bietet wissenschaftlich gesicherte Prinzipien, die Ihr Leben verändern können.«

Daniel Shapiro, Gründer und Direktor des Harvard International Negotiation Program

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum21. März 2023
ISBN9783749904938
INFLUENCE – Wie man (andere) überzeugt. Nützliche Erkenntnisse der Psychologie: Der weltweite Millionenbestseller | Über die Psychologie des Überzeugens | Praxistipps zur Persönlichkeitsentwicklung
Autor

Robert B. Cialdini

ROBERT B. CIALDINI, geboren 1945 in Milwaukee, ist emeritierter Professor für Psychologie und Marketing der Arizona State University. Sein Buch »Influence«, das 1984 erstmals erschien, gilt als Standardwerk zum Thema Marketing, Verkauf und Beeinflussung. Er hat u.a. Barack Obama im Wahlkampf beraten und ist heute gefragter Redner, zudem Geschäftsführer des Beratungsunternehmens »Influence at Work«. Mit seiner Familie lebt er in Tempe, Arizona.

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    Buchvorschau

    INFLUENCE – Wie man (andere) überzeugt. Nützliche Erkenntnisse der Psychologie - Jürgen Neubauer

    Die amerikanische erweiterte und aktualisierte Neuausgabe

    erschien 2021 unter dem Titel »Influence«

    bei HarperCollinsPublishers, New York

    Die deutsche Ausgabe erschien bisher unter dem Titel

    »Die Psychologie des Überzeugens«.

    Das vorliegende Buch ist die deutsche Erstausgabe der

    amerikanischen erweiterten und aktualisierten Neuausgabe.

    © 1984, 1994, 2007, 2021 by Robert B. Cialdini

    Erweiterte und aktualisierte deutsche Neuausgabe

    © 2023 für die deutschsprachige Ausgabe

    by HarperCollins in der

    Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

    Covergestaltung von Cordula Schmidt Design, Hamburg

    nach einem Entwurf von DPS Design & Prepress Studio, Amsterdam

    E-Book-Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck

    ISBN E-Book 9783749904938

    www.harpercollins.de

    Widmung

    Für Hailey, die mich bei jeder Begegnung mehr verblüfft.

    Für Dawson, der mich bei jeder Begegnung mehr davon überzeugt, dass er Großes vollbringen wird.

    Für Leia, die mich bei jeder Begegnung glücklicher macht.

    Vorwort

    VORWORT

    Influence war von Beginn an für ein breites Publikum gedacht, weshalb ich wissenschaftlichen Jargon um jeden Preis vermieden habe. Allerdings hatte ich anfangs einige Bedenken, dass meine Kollegen mein Buch als »Populärpsychologie« abtun könnten. Meine Sorge war nicht ganz unbegründet, denn wie der Jurist James Boyle so treffend feststellte: »Wenn Sie wissen wollen, wie echte Herablassung klingt, dann sollten Sie einmal hören, wie Akademiker das Wort ›Populärwissenschaft‹ aussprechen.« Seinerzeit fürchteten viele meiner Kollegen aus der Sozialpsychologie, sie könnten ihren professionellen Ruf aufs Spiel setzen, wenn sie für eine nichtakademische Leserschaft schrieben. Die Sozialpsychologie war wie ein Unternehmen mit einer genialen Forschungsabteilung, aber ohne Vertrieb. Wir verkauften nichts und tauschten uns ausschließlich in Fachzeitschriften aus, die außer uns kein Mensch las und schon gar nicht praktisch nutzte.

    Zum Glück bewahrheiteten sich meine Befürchtungen nicht, und trotz seines lockeren Stils landete Influence nicht in der »Pop«-Schublade. ¹ Daher habe ich die Schreibe in allen nachfolgenden Ausgaben beibehalten, so auch in dieser. Allerdings untermauere ich meine Aussagen, Empfehlungen und Schlussfolgerungen durchgängig mit wissenschaftlichen Untersuchungen. Auch wenn ich meine Erkenntnisse durch Interviews, Zitate und systematische persönliche Beobachtungen veranschauliche und erhärte, stützen sie sich stets auf saubere wissenschaftliche Forschung.

    Hinweise zur aktuellen Ausgabe

    Die Überarbeitung der aktuellen Ausgabe war eine echte Herausforderung. Eingedenk der Regel »Repariere nichts, was funktioniert« verspürte ich gewisse Hemmungen, größere Eingriffe vorzunehmen. Das Buch hatte sich schließlich öfter verkauft, als ich je zu träumen gewagt hatte, es hatte mehrere Ausgaben durchlaufen und war in 44 Sprachen übersetzt worden. Meine polnische Kollegin Wilhelmina Wosinska hat den Stellenwert des Buchs mit diesem hübschen (wenngleich etwas ernüchternden) Satz zusammengefasst: »Ihr Buch ist in Polen so bekannt, dass meine Studenten meinen, Sie müssten schon tot sein.«

    Andererseits erinnerte ich mich an einen der Lieblingsaussprüche meines sizilianischen Großvaters: »Wenn alles so bleiben soll, wie es ist, dann muss sich etwas ändern.« ² Das wiederum sprach für eine zeitgemäße Aktualisierung. Die letzte Neuausgabe liegt bereits einige Zeit zurück, und seither ist vieles passiert, was Eingang in dieses Buch finden sollte. Erstens verstehen wir den Prozess der Beeinflussung heute noch besser; die Forschung hat weitere Fortschritte gemacht, die ich in den folgenden Seiten aufgenommen habe. Neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen habe ich allerdings auch die Rolle des Einflusses im Alltag aktualisiert, also die Frage, wie der Prozess der Beeinflussung nicht im Labor, sondern im wirklichen Leben funktioniert.

    Außerdem habe ich das Buch um etwas erweitert, das durch die Reaktionen meiner früheren Leser angeregt wurde. Einige von Ihnen haben die in diesem Buch beschriebenen Grundsätze in bestimmten Situationen wiedererkannt und mir davon geschrieben. Ihre Schilderungen, die Sie in jedem Kapitel unter der Überschrift »Erfahrungsbericht« finden, unterstreichen, wie leicht und häufig wir uns im Alltag beeinflussen lassen. Inzwischen habe ich zahlreiche neue Berichte gesammelt, die uns vor Augen führen, wie die in diesem Buch geschilderten Prinzipien in unserem Alltag und Beruf wirken. Ich danke den folgenden Personen, die persönlich oder vermittelt durch Kursleiter zu den Erfahrungsberichten früherer Ausgaben beigetragen haben: Pat Bobbs, Hartmut Bock, Annie Carto, Michael Conroy, William Cooper, Alicia Friedman, William Graziano, Jonathan Harries, Mark Hastings, Endayehu Kendie, Karen Klawer, Danuta Lubnicka, James Michaels, Steven Moysey, Katie Mueller, Paul Nail, Dan Norris, Sam Omar, Alan J. Resnik, Daryl Retzlaff, Geoffrey Rosenberger, Joanna Spychala, Robert Stauth, Dan Swift und Karla Vasks. Ein besonderer Dank den Lesern, die ihre Erfahrungen zu dieser Neuausgabe beigesteuert haben: Laura Clark, Jake Epps, Juan Gomez, Phillip Johnston, Paola, M. S., Joe St. John, Carol Thomas, Jens Trabolt, Lucas Weimann, Anna Wroblewski und Agrima Yadav. Damit möchte ich Sie alle ganz herzlich einladen, mir für mögliche künftige Neuausgaben Ihre Erfahrungen zu schildern. Sie können mir Ihre Berichte per E-Mail an die Adresse ReadersReports@InfluenceAtWork.com zukommen lassen. Zusätzliche Informationen zum Thema Beeinflussung finden Sie übrigens auf meiner Internetseite www.InfluenceAtWork.com.

    Neben Erweiterungen bestehender Abschnitte habe ich drei neue Elemente in diese aktualisierte Ausgabe aufgenommen. Die erste Neuerung betrifft die Umsetzung bekannter Strategien der sozialen Beeinflussung im Internet. Soziale Medien und E-Commerce machen sich die Lektionen der Psychologie der Beeinflussung zu eigen. Daher habe ich in jedem Kapitel E-Boxes ergänzt, in denen ich aufzeige, wie die Übertragung auf die aktuellen Technologien funktioniert. Die zweite Neuerung sind erweiterte Anmerkungen, in denen Sie neben der zitierten Forschungsliteratur ergänzende Ausführungen zu den jeweiligen Themen finden. Und schließlich habe ich ein siebtes allgemeingültiges Prinzip der sozialen Beeinflussung ergänzt, und zwar das der Gemeinschaft. Diesem neuen Prinzip habe ich ein eigenes neues Kapitel gewidmet, in dem ich darstelle, wie empfänglich wir für die Botschaften von Menschen sind, wenn sie uns glauben machen, dass sie sinnvolle persönliche oder soziale Gemeinsamkeiten mit uns haben.

    Einleitung

    EINLEITUNG

    Heute kann ich es ja zugeben: Ich bin ein echter Gimpel. So lange ich mich erinnern kann, gehe ich Verkäufern, Spendensammlern und Hausierern aller Art auf den Leim. Zwar geht es den wenigsten darum, mich übers Ohr zu hauen, und die meisten – zum Beispiel Vertreter gemeinnütziger Organisationen – haben natürlich nur die allerbesten Absichten. Aber das tut gar nichts zur Sache. Mit einer Häufigkeit, die mir selbst Angst macht, abonniere ich Zeitschriften, die ich gar nicht lesen möchte, oder kaufe Eintrittskarten zu Wohltätigkeitsveranstaltungen. Das könnte eine Erklärung für mein besonderes Interesse am Thema Beeinflussung sein: Wie schaffen es andere, uns herumzukriegen? Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? Welche Überzeugungstechniken sind besonders wirkungsvoll? Ich habe mich schon immer gefragt, warum ein Anliegen auf taube Ohren stößt, wenn es auf eine bestimmte Art und Weise vorgetragen wird, aber erfolgreich ist, wenn es nur ein klein wenig anders dargestellt wird.

    So kam es, dass ich mich als Sozialpsychologe der Beeinflussung zuwandte. Anfangs führte ich dazu vor allem Laborversuche mit meinen Studenten durch. Ich wollte herausfinden, welche psychologischen Prinzipien einen Einfluss darauf haben, ob wir einem Anliegen entsprechen oder nicht. Heute kennt die Psychologie zahlreiche solcher Prinzipien und weiß, wie sie wirken. Ich bezeichne sie als »Einflusshebel« und beschreibe die wichtigsten davon in diesem Buch.

    Mir wurde allerdings bald klar, dass Experimente unter Laborbedingungen nicht ausreichen. Sie verrieten mir nichts darüber, wie diese Prinzipien im wirklichen Leben funktionieren. Wenn ich die Psychologie der Beeinflussung tatsächlich verstehen wollte, musste ich meine Forschungen ausweiten. Ich musste mir ansehen, wie die Überzeugungsprofis vorgehen – die Menschen, die diese Hebel immer wieder so erfolgreich bei mir ansetzten. Sie wissen ganz genau, was funktioniert und was nicht; dafür sorgt schon das Gesetz vom Überleben der Besten. Sie verdienen schließlich ihren Lebensunterhalt damit, uns zu überzeugen. Wer nicht weiß, wie man andere überzeugt, hat keine Chance; Erfolg hat nur, wer die Kunst des Überzeugens beherrscht.

    Natürlich sind professionelle Verführer nicht die Einzigen, die diese Prinzipien kennen und nutzen. Wir alle verwenden sie in unserem alltäglichen Umgang mit Nachbarn, Freunden, Partnern und Familien, und wir lassen uns alle von ihnen verleiten. Doch im Gegensatz zu uns haben die Überzeugungsprofis mehr als nur eine ungefähre Ahnung davon, was funktioniert und was nicht. Je mehr ich mich damit beschäftigte, desto klarer wurde mir, dass diese Menschen meine wichtigsten Informanten zum Thema Beeinflussung waren. Drei Jahre lang ergänzte ich daher meine Laborversuche durch ein ausgesprochen unterhaltsames Programm: Ich tauchte systematisch in die Welt der Überzeugungsprofis ein – Verkäufer, Spendensammler, Werbeleute, Personalvermittler und viele mehr.

    Ich wollte mir einen Insiderblick auf die beliebtesten und wirkungsvollsten Techniken und Strategien einer großen Bandbreite von Überzeugungsprofis verschaffen. Dazu interviewte ich nicht nur die Praktiker selbst, sondern auch die natürlichen Feinde (Betrugsdezernenten, Enthüllungsjournalisten, Verbraucherschützer) der schwarzen Schafe des Gewerbes. Außerdem vertiefte ich mich in die Handbücher, in denen Überzeugungstechniken von einer Generation an die nächste weitergegeben werden.

    Vor allem bediente ich mich aber der teilnehmenden Beobachtung – ein Forschungsansatz, bei dem der Wissenschaftler zum Spion wird. Anonym und mit verschleierten Absichten schleicht sich der Forscher dazu in das fragliche Gebiet ein und wird zum Teilnehmer der Gruppe, die er untersuchen will. Um die Strategien der Verkäufer von Zeitschriften (oder Staubsaugern oder Fotoporträts oder Gesundheitsartikeln) zu verstehen, wollte ich ihre Methoden von der Pike auf selbst erlernen und bewarb mich daher auf Stellenanzeigen von Verkaufsabteilungen. Auf diese Weise schleuste ich mich auch in Werbe-, PR- und Fundraising-Agenturen ein, um deren Techniken auf den Grund zu gehen. Viele der in diesem Buch gesammelten Informationen stammen aus meinen Erfahrungen als Lehrling in Unternehmen und Organisationen, die ihr Geld damit verdienen, uns von etwas zu überzeugen.

    In diesen drei Jahren machte ich eine entscheidende Entdeckung. Überzeugungsprofis arbeiten zwar mit Tausenden von Methoden der Beeinflussung, doch die meisten davon fallen in sieben große Gruppen. Jede dieser Kategorien unterliegt einem psychologischen Grundprinzip, das unser Verhalten lenkt und diese Methoden so wirkungsvoll macht. Diese sieben Prinzipien – Gegenseitigkeit, Sympathie, soziale Bewährtheit, Autorität, Knappheit, Festlegung und Konsequenz sowie Gemeinschaft – stehen im Mittelpunkt dieses Buchs, jedem ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Ich beschreibe die Funktion jedes Prinzips in der Gesellschaft und zeige, wie Überzeugungsprofis ihre mächtige Hebelwirkung nutzen, um Produkte zu verkaufen, Spenden zu sammeln, Zugeständnisse zu erreichen, Wählerstimmen zu gewinnen oder Zustimmung zu etwas zu erhalten. ³

    Jedes Prinzip wird darauf abgeklopft, inwieweit es geeignet ist, uns zu einer ganz bestimmten Art der reflexhaften und gedankenlosen Zustimmung zu bewegen – der Bereitschaft, einem Anliegen ohne langes Nachdenken zuzustimmen. Alles deutet darauf hin, dass diese Art der reflexhaften Zustimmung vor dem Hintergrund des modernen Lebens mit seiner Beschleunigung und Informationsflut immer weiter an Bedeutung gewinnen wird. Daher wird es für uns als Gesellschaft immer wichtiger, das Wie und Warum dieser Art der Beeinflussung zu verstehen.

    Schließlich habe ich in dieser Ausgabe die Prinzipien nach den Erkenntnissen meines Kollegen Gregory Neidert neu geordnet. Je nach dem Ziel einer Botschaft sind manche Prinzipien wirkungsvoller als andere. Natürlich wollen uns alle Überzeugungsprofis dazu bewegen, unser Verhalten in der von ihnen gewünschten Art und Weise zu verändern; doch nach Neiderts Modell der sozialen Beeinflussung hängt es von ihrem zentralen Anliegen ab, welches Prinzip sie zur Anwendung bringen. Als eines der zentralen Anliegen der Überzeugungsarbeit nennt Neidert beispielsweise den Aufbau einer guten Beziehung. Die Forschung beobachtet, dass Botschaften eher Wirkung zeigen, wenn der Empfänger dem Sender gegenüber positiv eingestellt ist. Drei der sieben Prinzipien – Gegenseitigkeit, Sympathie und Gemeinschaft – bieten sich hier besonders an.

    In anderen Situationen, etwa wenn bereits eine gute Beziehung besteht, kann das zentrale Anliegen die Beseitigung von Ungewissheit sein. Eine gute Beziehung zum Sender allein reicht schließlich nicht immer aus, um den Empfänger von einer Botschaft zu überzeugen. Ehe wir einem Anliegen entsprechen, wollen wir wissen, dass die Entscheidung, die man von uns erwartet, auch vernünftig ist. Daher dürfen auch die Prinzipien soziale Bewährtheit und Autorität nie vernachlässigt werden, denn wir halten eine Entscheidung für vernünftiger, wenn wir Belege dafür bekommen, dass Angehörige unserer Gruppe oder gar Experten diese Entscheidung gutheißen würden.

    Aber selbst nachdem eine gute Beziehung hergestellt und Ungewissheit ausgeräumt wurde, muss noch ein letztes Ziel erreicht werden, um eine Verhaltensänderung wahrscheinlicher zu machen. Dann tritt das Anliegen des Handlungsanstoßes in den Vordergrund. Auch wenn mir ein guter Freund noch so viele Beweise dafür liefert, dass alle Welt an die positive Wirkung der täglichen sportlichen Betätigung glaubt und dass sogar führende Mediziner die Vorteile für die Gesundheit betonen, könnte das noch nicht ausreichen, um mich selbst in Bewegung zu setzen. Daher wäre der Freund gut beraten, auch die Prinzipien der Konsequenz und der Knappheit in seine Argumentation einzubeziehen. So könnte er mich beispielsweise an all das erinnern, was ich in der Vergangenheit über die Bedeutung meiner Gesundheit gesagt habe (Konsequenz) und was mir ohne sie alles entgehen würde (Knappheit). Diese Botschaft könnte mich schließlich motivieren, nicht nur eine Entscheidung zu treffen, sondern auch konkrete Schritte zu unternehmen. Diese Botschaft wäre also am ehesten geeignet, mich morgens aus dem Bett und ins Fitnessstudio zu bringen.

    Die neue Anordnung der Kapitel (im Vergleich zu früheren Ausgaben) berücksichtigt daher, welche Prinzipien besonders geeignet sind, die jeweiligen Motive der Beeinflussung zu verfolgen: Gegenseitigkeit, Sympathie und Gemeinschaft, wenn es primär um den Aufbau einer Beziehung geht, gefolgt von sozialer Bewährtheit und Autorität zur Beseitigung der Ungewissheit und schließlich Knappheit sowie Festlegung und Konsequenz, wenn der Handlungsanstoß im Vordergrund steht. Ich möchte betonen, dass diese Prinzipien nicht der einzige Weg zum jeweiligen Ziel sind. Doch wenn sie sich anbieten, wäre es ein großer Fehler, sie nicht zu nutzen.

    1: Einlfusshebel – Unser Handwerkszeug

    1

    EINFLUSSHEBEL

    Unser Handwerkszeug

    Die Zivilisation schreitet in ihrer Entwicklung voran, indem sie diejenigen Operationen vermehrt, die wir ohne Denken ausführen können.

    – Alfred North Whitehead

    Einfachheit ist die höchste Stufe der Vollendung.

    – Leonardo da Vinci

    In diesem Buch stelle ich Ihnen immer wieder Forschungsergebnisse vor, die uns zunächst verblüffen, die sich aber ganz einfach erklären lassen, wenn wir unsere natürlichen menschlichen Eigenheiten verstehen. Neulich las ich zum Beispiel von einem Experiment, dessen Teilnehmer einen Energydrink erhielten, der angeblich ihre geistige Leistungsfähigkeit steigern sollte. Einige der Teilnehmer sollten für das Getränk den vollen Ladenpreis von 1,89 Dollar bezahlen, und den anderen teilten die Wissenschaftler mit, sie hätten einen Mengenrabatt bekommen und könnten ihnen das Getränk für 0,89 Dollar verkaufen. Dann erhielten die Teilnehmer eine halbe Stunde Zeit, in der sie so viele Denksportaufgaben wie möglich lösen sollten. Ich wäre davon ausgegangen, dass sich die zweite Gruppe, die den Preisnachlass bekommen hatte, besonders ins Zeug legen und mehr Aufgaben lösen würde. Doch das Gegenteil war der Fall. ¹

    Dieses Ergebnis erinnerte mich an eine Bekannte, die mich vor einigen Jahren aufgeregt anrief, um mir eine Geschichte zu erzählen. Sie hatte in Arizona einen Laden für indigenen Schmuck eröffnet. Dort war ihr etwas Merkwürdiges passiert, und nun hoffte sie, dass ich als Psychologe es ihr erklären könnte. Sie hatte eine Schmuckkollektion aus Türkis im Angebot, die wie Blei im Laden lag. Es war Hochsaison, die Touristen gaben sich die Klinke in die Hand, die Schmuckstücke waren von guter Qualität, der Preis war in Ordnung, doch die Sachen verkauften sich einfach nicht. Meine Bekannte hatte es mit einigen der üblichen Tricks versucht und sie zum Beispiel sichtbarer platziert, aber ohne Erfolg. Sie hatte ihren Verkäuferinnen sogar eingeschärft, die Kunden ausdrücklich auf die Schmuckstücke aufmerksam zu machen, doch auch das hatte nicht gefruchtet.

    Eines Tages musste sie verreisen, um neue Ware für ihren Laden zu kaufen. Am Abend zuvor kritzelte sie ihrer Verkäuferin eine verzweifelte Notiz auf einen Zettel: »Alles in diesem Schaukasten: Preis × ½«. Sie hoffte, dass sie die Stücke auf diese Weise losschlagen könnte, auch wenn sie dabei Verlust machte. Als sie einige Tage später zurückkam, wunderte sie sich nicht, dass die Kollektion bis auf das letzte Stück verkauft war. Umso verblüffter war sie jedoch, als sie erfuhr, dass ihre Angestellte ihre hingeschmierte Notiz falsch entziffert hatte: Statt ½ hatte sie 2 gelesen und die gesamte Kollektion zum doppelten Preis verkauft.

    Das wollte sie mir unbedingt erzählen. Ich ahnte den Grund, doch um es ihr zu erklären, musste ich etwas weiter ausholen und ihr eine andere Geschichte erzählen. Diese Geschichte handelt von Truthennen und stammt aus der Verhaltensforschung, die Tiere in freier Wildbahn beobachtet. Truthennen sind gute Mütter – fürsorglich, wachsam und wehrhaft. Sie verbringen viel Zeit damit, ihre Küken zu umsorgen, zu wärmen, zu putzen und unter ihrem Gefieder zu scharen, doch ihre Methode ist ein wenig sonderbar. Ihr mütterliches Verhalten wird fast ausschließlich durch ein einziges Signal angestoßen, nämlich das »Tschiip-tschiip« ihrer Küken. Andere Eigenschaften ihres Nachwuchses, etwa Geruch, Berührungen oder Aussehen, scheinen lediglich eine Nebenrolle zu spielen. Wenn ein Küken »tschiip-tschiip« ruft, dann kümmert sich die Truthenne darum, und wenn nicht, dann ignoriert sie es, und manchmal tötet sie es sogar.

    Wie sehr sich Truthennen auf diesen Ruf verlassen, zeigte sich in einem Experiment mit einem ausgestopften Iltis. Da der Iltis ein natürlicher Feind ist, begrüßt ihn die Truthenne in der Regel mit wildem Gekreisch und attackiert ihn mit Schnabel und Klauen. Auch einen ausgestopften Iltis, der an einer Schnur gezogen wurde, griff die Henne sofort wutentbrannt an. Doch als diese Attrappe mit einem kleinen Rekorder ausgestattet wurde, der das »Tschiip-tschiip« der Küken abspielte, duldete die Henne die Annäherung des Feindes nicht nur, sondern sie nahm ihn sogar unter ihr Federkleid. Als der Rekorder abgestellt wurde, nahm die Henne ihre wütenden Angriffe auf die Iltisattrappe wieder auf.

    KLICK & AB

    Das Verhalten der Truthenne scheint vollkommen absurd: Einen natürlichen Feind nimmt sie auf, nur weil er »tschiip-tschiip« ruft, und eines ihrer eigenen Küken tötet sie, nur weil es das nicht tut. Sie wirkt wie ein Automat, dessen Mutterinstinkte von einem einzigen Signal ein- und ausgeschaltet werden. Die Truthenne ist jedoch kein Einzelfall: Verhaltensforscher haben diese regelmäßigen und blind mechanischen Verhaltensmuster bei zahlreichen Arten beobachtet.

    Instinktverhalten wie dieses kann aus komplexen Abfolgen von Verhaltensweisen bestehen, zum Beispiel ganzen Balz- und Paarungsritualen. Diese Verhaltensmuster zeichnen sich dadurch aus, dass sie fast immer auf dieselbe Art und in derselben Reihenfolge ablaufen. Es wirkt, als wäre das Muster wie ein Programm in den Tieren abgespeichert. Wenn eine Situation Balz verlangt, dann wird das Balzprogramm abgespult, und wenn eine Situation Brutpflege erfordert, dann läuft das Mutterprogramm ab. Klick – wird das passende Programm aktiviert – & ab läuft die Standardabfolge von Verhaltensweisen.

    Das Interessanteste daran ist, wie diese Programme aktiviert werden. Wenn ein Tier beispielsweise sein Revier verteidigt, dann aktiviert das Auftauchen eines Artgenossen das Programm zur Verteidigung des Reviers, das mit Wachsamkeit, Drohgebärden und nötigenfalls einem Angriff einhergeht. Das System hat allerdings eine Besonderheit. Es ist nicht der Rivale als solcher, der das Programm auslöst, sondern eine ganz besondere Eigenschaft: der sogenannte Schlüsselreiz. Dieser Schlüsselreiz ist oft nur ein winziger Aspekt des Eindringlings, zum Beispiel ein bestimmter Farbton. Verhaltensforscher beobachteten beispielsweise, dass ein männliches Rotkehlchen auch ein Büschel roter Brustfedern angreift, ganz so als handelte es sich um einen eindringenden Rivalen. Ein ausgestopftes Rotkehlchen ohne die roten Brustfedern ignoriert es dagegen. Beim Blaukehlchen wurden ähnliche Beobachtungen gemacht, hier wird das Revierverhalten durch den Blauton des Brustgefieders aktiviert. ²

    Ehe wir uns nun darüber amüsieren, mit welcher Leichtigkeit man Tiere allein durch Schlüsselreize zu absurden Verhaltensweisen animieren kann, sollten wir uns zweierlei klarmachen. Erstens zeitigt das Instinktverhalten der Tiere in den allermeisten Fällen die gewünschte Wirkung. Da nur gesunde Küken das typische »Tschiip-tschiip« von sich geben, ist es sinnvoll, dass Truthennen mit mütterlichem Verhalten auf den Ruf reagieren. Mit ihrer Reaktion auf diesen einen Reiz liegen sie fast immer richtig – es muss schon ein Wissenschaftler mit seinen Taschenspielertricks daherkommen, um die Reaktion ins Absurde zu führen. Und zweitens haben auch wir Menschen unsere Instinktprogramme. Auch diese funktionieren in aller Regel zu unserem Vorteil, doch auch unsere Schlüsselreize lassen sich mit Tricks hinters Licht führen, die uns dazu bringen, ein Programm zum falschen Zeitpunkt abzuspulen.

    In einem Experiment demonstrierte die Sozialpsychologin Ellen Langer, wie diese Automatismen bei uns Menschen funktionieren. Es ist bekannt, dass wir einer Bitte eher nachkommen, wenn uns der Bittsteller einen Grund nennt. Wir wissen einfach gern, warum wir etwas tun sollen. Langer belegte das, indem sie die Wartenden vor einem Fotokopierer in der Bibliothek um einen Gefallen bat: »Entschuldigung, ich habe nur fünf Seiten zu kopieren. Könnten Sie mich bitte vorlassen, weil ich es eilig habe?« Die Bitte in Kombination mit einer Begründung war fast immer erfolgreich: 94 Prozent der Gefragten ließen sie vor. Anders, als sie keine Begründung anführte: »Entschuldigung, ich habe nur fünf Seiten zu kopieren. Könnten Sie mich bitte vorlassen?« In diesem Fall stimmten nur 60 Prozent zu. Auf den ersten Blick macht die zusätzliche Information im Halbsatz »weil ich es eilig habe« den Unterschied.

    Doch eine dritte Formulierung der Bitte zeigte, dass das gar nicht der Fall war. Nicht der ganze Halbsatz war entscheidend, sondern nur das einleitende Wörtchen »weil«. In ihrer dritten Variante der Bitte gab Langer keinen Grund an, sondern verwendete nur das Wörtchen »weil« und wiederholte dann das Offensichtliche: »Entschuldigung, ich habe nur fünf Seiten zu kopieren. Könnten Sie mich bitte vorlassen, weil ich ein paar Kopien machen muss?« Diesmal wurde sie in 93 Prozent der Fälle vorgelassen, obwohl sie gar keinen Grund genannt hatte. Wie das »Tschiip-tschiip« das mütterliche Verhalten der Truthenne auslöste, selbst wenn es von einem ausgestopften Iltis kam, löste Langers »weil« eine automatische Zustimmung aus, selbst wenn darauf gar keine Begründung folgte. Klick & ab. ³

    In weiteren Untersuchungen zeigte Langer zwar, dass wir in vielen Situationen keineswegs mechanisch reagieren, doch sie und viele andere Verhaltensforscher sind überzeugt, dass wir das in den meisten Fällen eben doch tun. Nehmen wir nur das sonderbare Verhalten der Kunden, die sich auf den Türkisschmuck stürzten, nachdem der Preis fälschlicherweise verdoppelt worden war. Dieses Verhalten ist nur dann verständlich, wenn wir es als einen Fall von Klick & ab verstehen.

    Die Kunden meiner Bekannten aus dem Schmuckladen, überwiegend betuchte Touristen, die wenig von Halbedelsteinen verstanden, wendeten bei der Kaufentscheidung ein Prinzip der Vereinfachung an: das Stereotyp »teuer = gut«. Untersuchungen zeigen, dass wir oft auf dieses Stereotyp zugreifen, wenn wir selbst nicht in der Lage sind, die Qualität einer Ware einzuschätzen. Die Kunden, die »guten« Schmuck kaufen wollten, hielten den Türkisschmuck für deutlich wertvoller und begehrenswerter, obwohl sich rein gar nichts daran verändert hatte – er war lediglich teurer geworden. Der Preis wurde zum ausschließlichen Schlüsselreiz für Qualität, und eine dramatische Verteuerung hatte eine dramatische Steigerung der Verkäufe unter den auf Qualität bedachten Kunden zur Folge.

    Erfahrungsbericht 1.1

    Von einem Doktoranden der Wirtschaftswissenschaften

    In meinem Ort gibt es einen Laden für Antikschmuck, und dessen Besitzer erzählte mir, wie er die Lektion »teuer = gut« lernte. Ein Mann aus seinem Freundeskreis suchte ein besonderes Geburtstagsgeschenk für seine Verlobte. Also zeigte ihm der Juwelier eine Halskette, die er in seinem Laden für 500 Dollar verkaufte, die er seinem Freund aber gern für 250 Dollar überlassen wollte. Als der Mann die Kette sah, war er begeistert. Doch als ihm der Juwelier den Preis nannte, machte er ein langes Gesicht und nahm Abstand, weil er seiner Zukünftigen etwas »wirklich Hübsches« schenken wollte.

    Tags darauf dämmerte dem Juwelier, was passiert war. Er rief seinen Freund an und sagte ihm, er habe eine andere Halskette, die er ihm zeigen wolle. Diesmal nannte er ihm den Ladenpreis von 500 Dollar. Die Kette gefiel seinem Freund so gut, dass er sie sofort kaufen wollte. Doch ehe er den Geldbeutel zückte, sagte ihm der Juwelier, dass er ihm die Kette als Hochzeitsgeschenk für 250 Dollar überlassen würde. Der Freund war begeistert. Nun erschien ihm der Preis von 250 Dollar nicht anstößig, sondern er war im Gegenteil hocherfreut und dankbar.

    Anmerkung des Autors: Wie bei den Käufern des Türkisschmucks handelte es sich bei diesem Mann um jemanden, der etwas qualitativ Hochwertiges suchte und daher die vermeintliche Billigware verschmähte. Neben der Regel »teuer = gut« gibt es in unserem Denken die komplementäre Regel »billig = schlecht«. Nicht umsonst bedeutet das Wort »billig« nicht nur preisgünstig, sondern auch minderwertig.

    VEREINFACHUNG DURCH ABKÜRZUNG

    Es ist leicht, sich über das Kaufverhalten der Touristen zu mokieren, doch wenn wir genauer hinsehen, kommen wir vielleicht zu einem gnädigeren Urteil. Diese Menschen waren mit dem Glaubenssatz »Qualität hat ihren Preis« groß geworden und hatten erlebt, wie er sich ein ums andere Mal bewahrheitete. Irgendwann wurde daraus die Regel »teuer = gut«. Dieses Stereotyp hatte ihnen in der Vergangenheit gute Dienste geleistet, denn normalerweise ist ein Objekt umso teurer, je größer sein Wert ist – ein höherer Preis steht also für bessere Qualität. Als sie nun hochwertigen Schmuck kaufen wollten, ohne etwas von Halbedelsteinen zu verstehen, griffen sie verständlicherweise auf die leicht verfügbare Eigenschaft »Preis« zurück, um den Wert der Schmuckstücke einzuschätzen.

    Indem sie den Preis zu ihrem einzigen Kriterium machten, nahmen sie unbewusst eine Abkürzung. Statt sich gründlich mit sämtlichen Einzelheiten auseinanderzusetzen, die den Wert eines Schmuckstücks aus Türkis ausmachen, vereinfachten sie ihre Entscheidung, indem sie sich auf eine einzige Eigenschaft stützten, an der sich ihrer Ansicht nach die Qualität jedes beliebigen Objekts erkennen lässt. Sie zählten darauf, dass sie am Preis alles ablesen konnten, was sie wissen mussten. Weil jemand »½« mit »2« verwechselt hatte, ging ihre Wette in diesem Fall nicht auf. Doch auf lange Sicht ist die Verwendung von Abkürzungen dieser Art der vernünftigste Ansatz.

    Jetzt verstehen wir auch das verblüffende Ergebnis des eingangs beschriebenen Experiments, in dem ein Energydrink, der angeblich die geistige Leistungsfähigkeit steigerte, wirkungsvoller war, wenn die Versuchsteilnehmer mehr dafür bezahlt hatten. Die Wissenschaftler erklärten das Ergebnis mit dem Stereotyp »teuer = gut«: Die Teilnehmer gingen von der Annahme aus, dass ein Getränk für 1,89 Dollar besser wirkte als eines für 0,89 Dollar, und diese Erwartung bestätigte sich erstaunlicherweise. Ein ähnliches Phänomen wurde in einem anderen Experiment beobachtet, in dem Versuchsteilnehmer ein Schmerzmittel einnehmen sollten und dann kleine Stromschläge erhielten. Der Hälfte der Teilnehmer sagte man, die Schmerzmittel kosteten 10 Cent pro Gabe, der anderen Hälfte nannte man einen Preis von 2,50 Dollar. Alle erhielten sie dasselbe Medikament, doch diejenigen, die glaubten, das teurere Medikament erhalten zu haben, berichteten über eine wirkungsvollere Unterdrückung des Schmerzes der Stromschläge.

    Stereotype Automatismen dieser Art lassen sich überall in unserem Alltag beobachten, denn in vielen Fällen handelt es sich um die effizienteste Verhaltensweise, und oft bleibt uns auch gar nichts anderes übrig. Wir leben in einer furchtbar komplizierten Welt, die sich vermutlich schneller verändert und komplexer ist als alles, was dieser Planet jemals gesehen hat. Um in dieser Welt bestehen zu können, sind wir auf Vereinfachungen und Abkürzungen angewiesen. Wir können nicht jeden Menschen, jedes Ereignis oder jede Situation, denen wir im Alltag begegnen, bis ins kleinste Detail verfolgen und analysieren. Dazu haben wir weder die Zeit noch die Energie oder die Kapazitäten. Also müssen wir auf unsere Stereotype und Faustregeln zurückgreifen und Dinge nach einigen wenigen wesentlichen Eigenschaften einordnen, um ohne langes Nachdenken reagieren zu können, wenn sich der eine oder andere Schlüsselreiz präsentiert.

    Mit freundlicher Genehmigung von Dansk International Designs

    Abb. 1.1: Kaviar und Kunsthandwerk

    Die Botschaft, die mit dieser Anzeige vermittelt werden soll, ist natürlich »teuer = gut«.

    Manchmal führt dies zu Verhaltensweisen, die einer Situation nicht angemessen sind, denn selbst die besten Stereotype und Schlüsselreize greifen nicht immer und überall. Diese Schwächen nehmen wir jedoch in Kauf, weil uns kaum etwas anderes übrig bleibt. Ohne Vereinfachungen würden wir beim Einordnen, Bewerten und Abwägen stecken bleiben, während der Moment des Handelns an uns vorüberrast. Es ist absehbar, dass wir uns in Zukunft sogar noch stärker auf diese Stereotype verlassen müssen. Um mit den immer zahlreicheren und vielfältigeren Reizen fertigzuwerden, die auf uns einstürzen, sind wir immer stärker auf unsere Abkürzungen angewiesen.

    Psychologen haben eine ganze Reihe mentaler Abkürzungen gefunden, mit denen wir uns im Alltag die Entscheidungsfindung erleichtern. Diese sogenannten Heuristiken funktionieren ganz ähnlich wie unsere Regel »teuer = gut« und ermöglichen eine Vereinfachung des Denkens, die uns in den meisten Fällen gute Dienste leistet, uns aber hin und wieder auch teuer zu stehen kommt. Im Zusammenhang dieses Buchs interessieren uns vor allem diejenigen Heuristiken, die uns sagen, wann wir das, was man an uns heranträgt, tun oder glauben sollten. Nehmen wir zum Beispiel die Abkürzung »Wenn Fachleute das sagen, dann muss es richtig sein«. Wie wir in Kapitel 5 sehen werden, haben wir die geradezu besorgniserregende Neigung, Aussagen und Anweisungen vermeintlicher Autoritäten unhinterfragt zu akzeptieren. Statt die Argumente von Experten zu durchdenken und uns von ihnen überzeugen zu lassen (oder auch nicht), sehen wir uns diese Argumente häufig nicht einmal an und lassen uns allein vom Expertenstatus überzeugen. Diese Tendenz zur automatischen Reaktion auf einen einzigen Aspekt ist ein Fall von Klick & ab – ein klarer Gegensatz zur kontrollierten Reaktion, die auf Grundlage einer gründlichen Auswertung aller verfügbaren Informationen erfolgt.

    Umfangreiche Untersuchungen im Labor haben gezeigt, dass wir eher kontrolliert mit Information umgehen, wenn wir das Bedürfnis verspüren, sie sorgfältig auszuwerten, und wenn wir die Möglichkeit dazu haben. Andernfalls greifen wir mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zur einfacheren Klick & ab-Entscheidung. In einem Experiment hörten zum Beispiel Studierende den Vortrag eines Redners, der die Einführung einer Abschlussprüfung für alle Bachelorstudiengänge verlangte. Einige der Teilnehmer wären davon persönlich betroffen gewesen, weil sie die Information erhielten, dass diese Prüfung schon im kommenden Jahr und damit vor dem Ende ihres Studiums eingeführt werden sollte. Sie hatten natürlich ein besonderes Interesse daran, die Argumente gründlich abzuklopfen. Andere Teilnehmer des Experiments wären dagegen nicht betroffen gewesen, weil der Vortrag, den sie hörten, die Einführung der Abschlussprüfung in eine ferne Zukunft verlegte; sie hatten daher wenig Interesse daran, sich im Einzelnen mit der Argumentation auseinanderzusetzen. Entsprechend eindeutig waren die Ergebnisse des Experiments: Diejenigen Teilnehmer, die nicht betroffen gewesen wären, ließen sich in erster Linie vom Status des Redners als Bildungsexperte überzeugen; sie verwendeten die Regel »Wenn Fachleute das sagen, dann muss es richtig sein« und machten sich keine weiteren Gedanken über die Überzeugungskraft der Argumente. Die vermeintlich Betroffenen ignorierten dagegen den Expertenstatus des Redners und ließen sich in erster Linie von der Qualität der Argumentation überzeugen.

    Da Klick & ab-Reaktionen gefährlich sein können, haben wir offenbar eine Art Schutzvorrichtung. Wenn ein Thema für uns relevant ist, verzichten wir auf die verführerische Einfachheit, aus den verfügbaren Informationen einen einzigen Schlüsselreiz herauszugreifen und ausschließlich auf diesen zu reagieren. Die Schutzvorrichtung greift sicherlich häufig. Mich beruhigt das allerdings nur bedingt. Erinnern wir uns daran, dass wir nur dann kontrolliert und mit eigenständigem Denken reagieren, wenn wir das Bedürfnis und die Möglichkeit dazu haben. Es mehren sich jedoch die Hinweise, dass unser moderner Alltag mit seinem Tempo kontrollierte Entscheidungen kaum noch zulässt, selbst wenn für uns persönlich viel auf dem Spiel steht. Mal ist die Frage zu kompliziert, mal die Zeit zu knapp, die Ablenkungen zu groß, die Emotion zu aufwühlend oder die geistige Erschöpfung zu übermächtig, und wir sind kognitiv einfach nicht imstande, einem Thema unsere ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken. Auch wenn es sich um ein wichtiges Thema handelt, sehen wir uns gezwungen, eine Abkürzung zu nehmen.

    Nirgends wird dies auf dramatischere Weise deutlich als in einem Phänomen, das in der Luftfahrt als »Kapitänitis« bekannt ist. Die Unfallermittler von Luftfahrtbehörden stellen fest, wie häufig ein ganz offensichtlicher Fehler eines Flugkapitäns von anderen Offizieren übergangen wird und schließlich in die Katastrophe führt. Obwohl es um Leben und Tod geht, greifen die Angehörigen der Mannschaft auf die Regel »Wenn Fachleute das sagen, dann muss es richtig sein« zurück und unternehmen nichts, um einen verhängnisvollen Fehler des Kapitäns zu korrigieren.

    © Cohen/Liaison Agency

    Abb. 1.2: Die katastrophalen Folgen der »Kapitänitis«

    Wenige Augenblicke bevor dieses Flugzeug in der Nähe des National Airports von Washington, D. C., in den Potomac stürzte, unterhielten sich Pilot und Co-Pilot darüber, ob ein Start mit vereisten Tragflächen klug sei. Das Gespräch wurde vom Flugschreiber aufgezeichnet.

    Co-Pilot: Dieser Wert kann nicht stimmen.

    Pilot: Doch, der stimmt.

    Co-Pilot: Nein, das glaube ich nicht. [Sieben Sekunden Pause] Okay, vielleicht stimmt er ja doch.

    Pilot: Ich bin mir sicher.

    [Geräusche des Aufpralls, bei dem der Pilot, der Co-Pilot und 67 Fluggäste ums Leben kamen.]

    PROFITJÄGER UND GESCHÄFTEMACHER

    Obwohl unser Verhalten von zahlreichen automatischen Mustern bestimmt wird und diese in Zukunft immer wichtiger werden, wissen die meisten von uns erstaunlich wenig über sie. Was vermutlich genau daran liegt, dass sie so reflexhaft ablaufen. Aber was auch immer die Ursache sein mag, müssen wir wissen, was das für uns bedeutet: Sie machen uns nämlich zum leichten Opfer von allen, die verstehen, wie sie funktionieren.

    Um einen Eindruck davon zu bekommen, wie verwundbar wir sind, bemühen wir noch einmal die Verhaltensforschung. Die Forscher mit ihren Aufnahmen vom »Tschiip-tschiip« der Truthahnküken und den roten Brustfedern der Rotkehlchen sind natürlich nicht die Einzigen, die erkannt haben, wie sich Verhaltensprogramme aktivieren lassen. Es gibt Tierarten, die mithilfe der Nachahmung, der sogenannten Mimikry, Schlüsselreize anderer Tiere kopieren, um diese dazu zu bringen, das richtige Programm im falschen Moment abzuspulen. Dieses Programm nutzen sie dann für ihre Zwecke aus.

    So haben zum Beispiel die gefräßigen Weibchen einer Glühwürmchenart (Photuris) einen tödlichen Trick erfunden, um die Männchen einer anderen Glühwürmchenart (Photinus) in die Falle zu locken. Photinus-Männchen haben verständlicherweise wenig Interesse daran, einem hungrigen Photuris-Weibchen zu nahe zu kommen. Doch in ihrer Jahrmillionen langen Evolution haben die Jägerinnen eine Schwäche ihrer Beute ausgemacht – ein besonderes Blinken, mit dem die Photinus-Weibchen ihren Männchen ihre Paarungsbereitschaft signalisieren. Die Killerin ahmt dieses Blinken nach und tut sich dann an den Männchen gütlich, die ihr Balzprogramm starten und daraufhin nicht der Geliebten, sondern dem Tod in die Arme fliegen.

    Auf fast jeder Ebene des Lebens gibt es Mimikry, sogar bei den primitivsten Krankheitserregern. Clevere Bakterien und Viren ahmen bestimmte Eigenschaften nützlicher Hormone oder Nährstoffe nach, um sich Zutritt zu Wirtszellen zu verschaffen. Auf diese Weise bringen Erreger von Krankheiten wie Tollwut, Pfeiffersches Drüsenfieber oder einem gewöhnlichen Schnupfen gesunde Zellen dazu, ihnen bereitwillig Tür und Tor zu öffnen.

    Auch wir Menschen kennen die Mimikry in Form von Profitjägern, die Schlüsselreize nachahmen, um unsere reflexhaften Reaktionen zu aktivieren. Anders als die angeborenen Verhaltenssequenzen bei nichtmenschlichen Tieren stammen unsere automatischen Programme oft aus erlernten psychologischen Prinzipien oder Stereotypen. Sie können unterschiedlich stark sein, doch in der Regel beeinflussen sie unser Handeln in ganz erstaunlichem Maße. Wir haben diese Automatismen derart früh erlernt und werden seither so umfassend von ihnen gesteuert, dass wir kaum wahrnehmen, welchen Einfluss sie auf unsere Entscheidungen haben. Andere erkennen diese Prinzipien jedoch als Hebel, über die sie automatischen Einfluss auf uns ausüben können. Ein Beispiel ist das Prinzip der sozialen Bewährtheit, das besagt, dass wir das glauben beziehungsweise tun, was andere in unserer Umgebung glauben oder tun. Nach diesem Prinzip handeln wir zum Beispiel, wenn wir Kundenmeinungen lesen oder Sterne zählen, ehe wir im Internet etwas kaufen. Doch auf den Bewertungsseiten der Anbieter bekommen wir es mit einer ganz eigenen Art der Mimikry zu tun – Menschen, die Bewertungen fälschen. Zum Glück gibt es Möglichkeiten, echte von falschen Kritiken zu unterscheiden.

    E-Box 1.1

    So erkennen Sie gefakte Online-Rezensionen mit 90-prozentiger Sicherheit

    Ein neues Computerprogramm identifiziert falsche Rezensionen mit unglaublicher Präzision

    von Jessica Stillman, Inc.com@EntryLevelRebel

    Wenn wir im Internet Produkte kaufen, ob privat oder geschäftlich, lassen wir uns bei unserer Kaufentscheidung vermutlich stark von Kundenbewertungen leiten. Wir sehen uns die Meinung früherer Käufer an, entscheiden uns für das Produkt mit den fünf Sternen statt viereinhalb oder buchen das Hotel, das von den Gästen in besonders hohen Tönen gelobt wird.

    Natürlich ist uns klar, dass diese Bewertungen falsch sein könnten oder dass der Anbieter beziehungsweise ein böswilliger Konkurrent dafür bezahlt haben könnte. Umso erfreulicher, dass Wissenschaftler der Cornell University nun ein Computerprogramm entwickelt haben, das Fake-Rezensionen erkennen soll.

    Woran können wir erkennen, dass sich hinter der Fünfsternebewertung eines Hotelzimmers in Wirklichkeit eine schimmelige Rumpelkammer verbirgt oder dass ein umjubelter Toaster schon nach der dritten Scheibe den Geist aufgibt? Die Wissenschaftler raten zu Misstrauen, wenn die Kundenbesprechung …

    … kaum Details enthält. Es ist schwer, etwas zu beschreiben, was man nicht selbst kennt, weshalb gefakte Bewertungen oft allgemein bleiben und nicht in Einzelheiten gehen. »Echte Hotelbewertungen verwenden oft konkrete, mit dem Hotel in Zusammenhang stehende Begriffe wie ›Badezimmer‹, ›Rezeption‹ oder ›Preis‹. Fälscher schreiben eher über den allgemeinen Zusammenhang und verwenden Begriffe wie ›Urlaub‹, ›Geschäftsreise‹ oder ›mein Mann‹.«

    … mehr Pronomen der ersten Person enthält. Wer den Eindruck der Authentizität vermitteln möchte, spricht häufiger von sich selbst. Deshalb kommen in gefakten Rezensionen die Worte »ich« oder »mir« häufiger vor.

    … mehr Verben als Substantive enthält. Auswertungen zeigen, dass gefälschte Bewertungen mehr Verben enthalten, weil die Verfasser anstelle echter Erfahrungen oft angenehme (oder unangenehme) Geschichten erzählen. Echte Bewertungen enthalten mehr Substantive.

    Diese subtilen Signale reichen nicht aus, um sämtliche Fake-Bewertungen zu enttarnen, doch zusammen mit anderen Hinweisen – zum Beispiel verifizierte Käufer oder verräterische Zeitstempel – helfen sie, die Vertrauenswürdigkeit einer Rezension besser einzuschätzen.

    Anmerkung des Autors: Vorsicht, Mimikry! Onlineversandhändler führen einen ständigen Kampf gegen falsche Rezensionen. Dem sollten wir uns anschließen. Einige Zahlen zeigen, warum. Von 2014 bis 2018 nahm die Bedeutung der Bewertungen in allen Bereichen zu (so stieg zum Beispiel der Anteil der Kunden, die vor dem Kauf die Bewertungen lasen, von 88 auf 92 Prozent), während gleichzeitig das Vertrauen in Unternehmen mit positiven Bewertungen von 72 auf 68 Prozent sank. Mimikry untergräbt also das Vertrauen in den Wert der Abkürzungen, auf die wir uns verlassen wollen.

    Einige Menschen wissen sehr genau, wo sich die Hebel der automatischen Beeinflussung befinden und wie sie sie betätigen können, um ihre Ziele zu erreichen. Sie haben ein erstaunlich gutes Händchen dafür, andere von etwas zu überzeugen. Ihr Erfolgsgeheimnis liegt in der Art, wie sie ihr Anliegen vortragen und die Hebel bedienen. Manchmal reicht schon ein gut gewähltes Wort, um ein starkes psychologisches Prinzip anzusprechen und eines unserer automatischen Verhaltensprogramme zu aktivieren. Profitjäger lernen sehr schnell, wie sie sich unsere Tendenz zunutze machen können, reflexhaft nach diesen Prinzipien zu reagieren.

    So auch meine Bekannte, die Schmuckhändlerin. Beim ersten Mal half ihr der Zufall auf die Sprünge, doch schon bald nutzte sie unsere stereotype Gleichsetzung von »teuer = gut« regelmäßig und gezielt aus. Während der Hochsaison versucht sie nun, ihre Ladenhüter loszuschlagen, indem sie ihren Preis deutlich heraufsetzt. Ihrer Ansicht nach ist das ein wunderbar rentabler Trick. Wenn die ahnungslosen Touristen darauf hereinfallen, wie dies häufig der Fall ist, macht sie einen hübschen Gewinn. Und wenn es nicht funktioniert, kann sie es später immer noch als »Sonderangebot« deklarieren und zum ursprünglichen Ladenpreis an Schnäppchenjäger verkaufen; damit nutzt sie deren Gleichsetzung von »teuer = gut« in Bezug auf den überhöhten Preis aus.

    JUDO

    Judo ist eine japanische Kampfsportart, bei der Sie sich gegen einen Gegner zur Wehr setzen, indem Sie nur ein Minimum Ihrer eigenen Kraft aufwenden. Stattdessen nutzen Sie die Schwerkraft, die Hebelwirkung, den Schwung, die Trägheit und andere natürliche Kräfte. Auf diese Weise können Sie sogar körperlich überlegene Gegner bezwingen. Genauso gehen die Geschäftemacher vor, wenn sie sich die allgegenwärtigen Hebel der automatischen Beeinflussung zunutze machen. Mit minimalem Aufwand können sie diese Prinzipien gegen uns einsetzen. Damit verschaffen sie sich einen gewaltigen zusätzlichen Vorteil: Sie können uns manipulieren, ohne dass der Eindruck der Manipulation entsteht. Selbst die Opfer meinen, spontan und selbstständig zu ihrer Entscheidung gekommen zu sein; sie bemerken gar nicht, dass sie durch die Machenschaften derjenigen manipuliert wurden, die von ihrer Entscheidung profitieren.

    Ein Beispiel. In der menschlichen Wahrnehmung gibt es das sogenannte Kontrastprinzip, das einen Einfluss darauf hat, wie wir den Unterschied zwischen zwei Dingen wahrnehmen, die uns nacheinander präsentiert werden. Wenn sich das zweite Objekt geringfügig vom ersten unterscheidet, dann ist dieser Unterschied in unserer Wahrnehmung größer als in Wirklichkeit. Wenn wir beispielsweise zuerst einen leichten und dann einen schweren Gegenstand heben, erscheint uns der zweite schwerer, als wenn wir ihn als Erstes gehoben hätten. Das Kontrastprinzip ist in der Psychophysik bestens erforscht und trifft auf alle möglichen Wahrnehmungsbereiche zu. Wenn wir als ernährungsbewusste Menschen beim Mittagessen den Kaloriengehalt eines Cheeseburgers schätzen sollen, geben wir diesen höher an (in einer Untersuchung um 38 Prozent), wenn wir zuvor den Kaloriengehalt eines Salats schätzen sollen. Im Vergleich zum Salat scheint die Bulette nun noch mehr Kalorien zu haben. Und wenn wir uns auf einer Party mit einem attraktiven Menschen unterhalten und ein weniger attraktiver zu uns stößt, erscheint uns dieser zweite noch unattraktiver als unter anderen Umständen. Einige Forscher warnen deshalb, dass die unrealistisch schönen Schauspieler und Models, die uns von den Medien vorgeführt werden, die potenziellen Partner in unserer Umgebung weniger attraktiv erscheinen lassen. Sie zeigten, dass die zunehmende Begegnung mit hypersexualisierten Models in den Medien die sexuelle Attraktivität unserer realen Partner schmälert.

    Meinen Studenten veranschauliche ich das Kontrastprinzip gerne mit Folgendem: Nacheinander setze ich sie jeweils vor drei Eimer, von denen einer kaltes, einer lauwarmes und der dritte heißes Wasser enthält. Zunächst sollen sie die eine Hand in den Eimer mit kaltem und die andere in den Eimer mit heißem Wasser stecken. Dann sollen sie beide gleichzeitig in das lauwarme Wasser halten. Ihr verwirrter Blick spricht Bände: Obwohl beide Hände in demselben Eimer stecken, empfindet die Hand, die zuvor im kalten Wasser war, das Wasser als heiß, während die andere Hand, die zuvor im heißen Wasser war, es als kalt wahrnimmt. Ein und dasselbe Objekt – in diesem Fall das lauwarme Wasser – kann also ganz unterschiedlich wahrgenommen werden, je nachdem, was ihm voranging. Das trifft auf alles Mögliche zu, sogar auf Zensuren – wie der folgende Brief einer Studentin an ihre Eltern belegt, der vor einigen Jahren auf meinen Schreibtisch flatterte.

    Der Kontrastprinzip-Trick einer Studentin

    Liebe Eltern,

    tut mir leid, dass ich mich seit Beginn des Studiums nicht gemeldet habe. Das möchte ich jetzt nachholen, aber vorher habe ich eine Bitte: Setzt euch erst mal. Bitte lest erst weiter, wenn ihr euch hingesetzt habt.

    Also. Inzwischen geht es mir schon wieder ganz gut. Der Schädelbruch und die Prellungen, die ich mir zugezogen habe, als ich kurz nach Semesterbeginn aus dem Fenster des brennenden Wohnheims gesprungen bin, sind einigermaßen verheilt. Ich bin bereits nach zwei Wochen wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden und kann auch schon fast wieder normal sehen, und diese entsetzlichen Kopfschmerzen bekomme ich auch nur noch einmal am Tag. Zum Glück hat ein Tankwart, der an der Tankstelle gegenüber vom Wohnheim arbeitet, das Feuer und meinen Sprung aus dem Fenster beobachtet und die Feuerwehr und den Notarzt gerufen. Er hat mich im Krankenhaus besucht, und weil ich nicht wusste, wo ich unterkommen soll, weil das Wohnheim ja völlig ausgebrannt war, hat er mich nachher bei sich in seiner Wohnung aufgenommen. Also, eigentlich ist es ja mehr so ein Kellerraum, aber wirklich ganz schnuckelig. Er ist ein lieber Kerl, wir sind total verliebt und wollen heiraten. Ein Datum für die Hochzeit haben wir noch nicht, aber es sollte auf jeden Fall passieren, bevor man mir die Schwangerschaft ansieht.

    Ja, Mama und Papa, ich bekomme ein Kind! Ich weiß, wie sehr ihr euch ein Enkelchen gewünscht habt, und bin mir sicher, dass ihr euch mit derselben Liebe und Hingabe um es kümmern werdet wie damals um mich. Dass sich unsere Hochzeit noch ein bisschen verzögert, liegt daran, dass mein Freund eine kleinere Infektion hat, wegen der wir unsere Bluttests nicht bestanden haben, und weil ich nicht aufgepasst habe, habe ich sie mir auch eingefangen.

    So. Nachdem ich euch auf den neuesten Stand gebracht habe, muss ich euch etwas gestehen: Das Wohnheim ist nicht abgebrannt, ich hatte keinen Schädelbruch und keine Prellungen, ich war nicht im Krankenhaus, ich bin nicht schwanger, ich bin nicht verlobt, ich habe keine Infektion, und ich habe auch keinen Freund. Ich bin nur in Geschichte und Chemie durchgefallen und möchte, dass ihr das richtig einordnen könnt.

    In Liebe

    Eure Tochter Sharon

    Anmerkung des Autors: In Geschichte und Chemie mag Sharon keine Leuchte sein, aber Psychologie besteht sie mit Auszeichnung.

    Sie können darauf wetten, dass der Hebel des Kontrastprinzips nicht ungenutzt bleibt. Er hat den großen Vorteil, dass er nicht nur wirkt, sondern dass er obendrein kaum zu entdecken ist. Wer ihn einsetzt, kann davon profitieren, ohne den Eindruck der Manipulation zu erwecken.

    Modegeschäfte machen es vor. Nehmen wir an, ein Mann kommt zu einem Herrenausstatter, um sich einen Anzug und einen Pullover zu kaufen. Wenn Sie der Verkäufer wären, was würden Sie ihm als Erstes zeigen, damit er möglichst viel Geld bei Ihnen ausgibt? Kaufhausangestellte lernen, ihren Kunden zuerst den teuren Artikel zu verkaufen. Vielleicht rät Ihnen Ihr gesunder Menschenverstand, mit dem billigeren Artikel anzufangen, weil dem Mann nach dem Kauf des teuren Anzugs die Lust auf weitere Ausgaben vergangen sein könnte. Doch die Modeverkäufer wissen es besser. Sie haben aus dem Kontrastprinzip gelernt: Beginnen Sie mit dem Anzug, denn wenn Sie dann zu den Pullovern kommen, wirken selbst teure Stücke vergleichsweise günstig. Das gilt auch für Accessoires wie Hemden, Schuhe und Gürtel zum neuen Anzug. Auch wenn unser gesunder Menschenverstand widerspricht, bestätigen Untersuchungen die Wirkung des Kontrastprinzips.

    Verkäufer sollten in jedem Fall mit dem teuren Artikel beginnen. Andernfalls lassen sie nicht nur den Hebel des Kontrastprinzips ungenutzt, sondern im Gegenteil, er wirkt sogar gegen sie. Wenn sie mit dem billigeren Artikel beginnen und dann zum teuren kommen, wirkt der teure gleich doppelt teuer – keine wünschenswerte Konsequenz für den Verkäufer. So wie uns dasselbe Wasser je nach der zuvor gefühlten Temperatur heiß oder kalt erscheinen kann, kann uns ein und derselbe Artikel teurer oder günstiger vorkommen, je nach dem Preis des Artikels, den wir zuvor gesehen haben.

    © The New Yorker

    Abb. 1.4: »Eine leuchtende Idee«

    Die Anwendungsmöglichkeiten des Kontrastprinzips sind schier unendlich.

    Aber nicht nur Modeverkäufer machen sich das Kontrastprinzip zunutze. Bei meinen Undercoverrecherchen bin ich ihm auch im Immobilienhandel begegnet. Während meiner Einweisung begleitete ich ein Wochenende lang einen Makler – nennen wir ihn Phil – auf seinen Besichtigungstouren, damit er mir einige seiner Tricks vorführte. Mir fiel sofort auf, dass Phil neuen Kunden zunächst einige wenig ansprechende Häuser zeigte. Als ich ihn darauf ansprach, lachte er. Er nannte sie seine »Strohhäuser«. Der Makler behielt bewusst ein oder zwei unattraktive und überteuerte Objekte im Angebot. Diese waren gar nicht zum Verkauf bestimmt, sondern sollten den Kunden nur gezeigt werden, um die eigentlichen Immobilien des Maklers besser aussehen zu lassen. Nicht alle Mitarbeiter des Maklers arbeiteten mit diesem Trick, doch Phil nutzte ihn gern und häufig. Er beschrieb mir, wie die Augen der Kunden aufleuchteten, wenn er ihnen nach den unattraktiven Strohhäusern sein eigentliches Portfolio präsentierte. »Nachdem sie sich ein paar Bruchbuden angeschaut haben, sieht das Haus, das ich ihnen zugedacht habe, gleich noch besser aus.«

    Autohändler nutzen das Kontrastprinzip, indem sie sich mit dem Kunden erst auf den Preis des Neuwagens einigen und ihm dann ein Extra nach dem anderen anbieten. Wenn man gerade einige Zehntausend Euro für ein Auto hingeblättert hat, scheinen ein paar Hundert Euro mehr für eine bessere Stereoanlage kaum noch ins Gewicht zu fallen. Genau wie der Aufpreis für die getönten Scheiben, die Alufelgen oder die griffigeren Reifen, die der Händler nun nacheinander vorschlägt. Der Trick besteht darin, die Extras unabhängig voneinander zu präsentieren, sodass jeder Aufpreis neben dem erheblich höheren Grundpreis des Wagens läppisch erscheint. Gewiefte Autohändler können bezeugen, dass so manches Schnäppchen durch die vielen vermeintlich kleinen Extras richtig teuer werden kann. Während sich der Kunde dann beim Blick auf den unterzeichneten Kaufvertrag fragt, wie das passieren konnte, und die Schuld nur bei sich selbst suchen kann, steht der Händler mit dem stillen Lächeln eines Judomeisters daneben.

    Erfahrungsbericht 1.2

    Von einem Wirtschaftsstudenten der University of Chicago

    Während ich im Abflugbereich auf das Boarding wartete, sagte ein Mitarbeiter der Fluggesellschaft durch, dass der Flug überbucht sei. Wer von den Passagieren bereit sei, einen späteren Flug zu nehmen, bekomme eine Gutschrift von 10000 Dollar. Das war natürlich als Witz gemeint und sollte die Leute zum Lachen bringen. Das ist ihm auch gelungen. Aber als er dann sagte, dass er in Wirklichkeit nur eine Gutschrift von 200 Dollar anbieten konnte, hat niemand die Hand gehoben. Er musste das Angebot zweimal aufstocken, erst auf 300, dann auf 500 Dollar, bevor sich ein paar Freiwillige meldeten. Ich habe damals gerade Ihr Buch gelesen, und mir ist klar geworden, dass er zwar ein paar Lacher geerntet, aber nach dem Kontrastprinzip einen Kapitalfehler begangen hat. Im Vergleich zu den 10000 waren die paar Hundert Dollar ein Almosen. Das war ein teurer Spaß. Er hat die Fluggesellschaft pro Freiwilligen 300 Dollar mehr gekostet.

    Anmerkung des Autors: Hätten Sie Vorschläge, wie der Mitarbeiter der Fluggesellschaft das Kontrastprinzip zu seinem Vorteil hätte nutzen können? Was halten Sie davon, wenn er als Witz zunächst 2 Dollar geboten und dann das wahre – und jetzt deutlich attraktiver klingende – Angebot von 200 Dollar genannt hätte? Ich bin mir ziemlich sicher, dass er damit sowohl auf seine Lacher als auch auf seine Kosten gekommen wäre.

    ZUSAMMENFASSUNG

    Verhaltensforscher haben beobachtet, dass sich viele Tierarten oft nach starren mechanischen Mustern verhalten. Diese instinktiven Handlungsabfolgen sind deshalb so interessant, weil sie gewisse Ähnlichkeit mit reflexhaften Reaktionen (Klick & ab) beim Menschen haben. Bei Menschen und anderen Tieren werden automatische Verhaltensmuster oft durch einen einzigen Aspekt der in der jeweiligen Situation verfügbaren Informationen ausgelöst. Mithilfe dieses Schlüsselreizes können wir uns für eine Handlungsoption entscheiden, ohne alle verfügbaren Informationen gründlich auswerten zu müssen.

    Der Vorteil der Abkürzungen ist ihre Effizienz und Wirtschaftlichkeit; mit einer automatischen Reaktion auf einen in der Regel informativen Schlüsselreiz sparen wir Zeit, Energie und Hirnkapazitäten. Der Nachteil ist allerdings, dass wir auf diese Weise anfällig für absurde und kostspielige Fehler werden; indem wir unsere Entscheidung aufgrund eines einzigen Aspekts der verfügbaren Informationen treffen, wird die Wahrscheinlichkeit eines Irrtums größer, vor allem, wenn wir reflexhaft und ohne zu denken reagieren. Diese Wahrscheinlichkeit wird noch größer, wenn jemand die Schlüsselreize zu seinen Gunsten manipuliert, um das gewünschte Verhalten im unpassenden Moment zu aktivieren.

    Ein großer Teil des Überzeugungsprozesses (der uns dazu bringen soll, dem Anliegen anderer nachzukommen) lässt sich durch unsere Vorliebe für automatische Reaktionen erklären. Die meisten von uns haben eine Reihe von Schlüsselreizen, also konkrete Signale, die uns sagen, dass eine Entscheidung korrekt und von Vorteil ist. Jeder dieser Schlüsselreize kann allerdings auch als Hebel verwendet werden, um uns von etwas zu überzeugen, das überhaupt nicht in unserem Interesse ist.

    Kontrastierende Wahrnehmungen – die Tendenz, die Unterschiede zwischen Objekten größer wahrzunehmen als sie sind – werden von Überzeugungsprofis besonders gern als Hebel eingesetzt. So zeigen zum Beispiel Immobilienmakler ihren potenziellen Kunden erst ein oder zwei unattraktive Objekte, ehe sie ihnen ein attraktiveres Haus präsentieren, das nun deutlich verlockender erscheint, als es dies ohne diesen Trick gewesen wäre. Ein Vorteil dieses Hebels ist, dass er sich meist unbemerkt einsetzen lässt.

    2: Gegenseitigkeit – Eine Hand wäscht die andere

    2

    GEGENSEITIGKEIT

    Eine Hand wäscht die andere

    Deine Hand sei nicht offen, wenn’s ums Nehmen geht, und nicht geschlossen, wenn’s ans Geben geht.

    – Jesus Sirach, 4:31

    Vor einigen Jahren unternahm ein Professor ein kleines Experiment. Er verschickte Weihnachtskarten an eine Reihe wildfremder Menschen. Er erwartete zwar eine gewisse Reaktion, doch das Ergebnis verblüffte selbst ihn: Er erhielt eine wahre Flut von Weihnachtskarten von Menschen, die ihn nicht einmal dem Namen nach kannten. Die Mehrheit der Schreiber fragte nicht einmal, wer er denn war. Sie hatten eine Weihnachtskarte erhalten, also schickten sie eine Antwort – Klick & ab!

    Das Experiment ist zwar nicht repräsentativ, doch es demonstriert die Wirkung eines der mächtigsten Einflusshebel in unserer Gesellschaft: das Prinzip der Gegenseitigkeit. Dieses Prinzip verlangt von uns, Gefälligkeiten zu erwidern. Wenn uns eine Frau einen Gefallen tut, sollten wir ihr im Gegenzug ebenfalls einen Gefallen tun. Wenn ein Mann uns ein Geburtstagsgeschenk schickt, dann sollten wir uns an seinen Geburtstag erinnern und ihm ebenfalls eines schicken. Wenn ein befreundetes Ehepaar uns zu seiner Party einlädt, sollten wir es auch zu unserer einladen. Sie könnten nun einwenden, dass die Erwiderung von Weihnachtskarten, Geburtstagsgeschenken und Einladungen kein ausreichender Beweis für die Macht dieses Gebots ist – aber täuschen Sie sich nicht: Es kann unser Verhalten auf bemerkenswerte Art und Weise beeinflussen. Wissenschaftler, die als Spendensammler für gemeinnützige britische Organisationen arbeiteten, sprachen Banker auf dem Weg ins Büro an und baten sie um eine beträchtliche Spende – ein Tagesgehalt, was je nach Position über 1000 Euro betragen konnte. Wenn sie den Bankern ein Tütchen mit Süßigkeiten in die Hand drückten, ehe sie ihr Anliegen vortrugen, spendeten diese im Schnitt doppelt so viel.

    Dieses Prinzip gilt sogar für ganze Nationen. Die Magna Charta des Jahres 1215 verwendete es, um zu klären, wie Länder bei Kriegsausbruch mit Händlern aus verfeindeten Nationen verfahren sollten: »Widerfährt den unsrigen dort kein Schaden, so soll auch jenen in unserm Lande keiner geschehen.« Die Gegenseitigkeit ist nicht nur ein Prinzip, sondern ein Gebot, das uns zu späterer Erwiderung von Gefälligkeiten, Geschenken, Einladungen, freundlichen Gesten und so weiter verpflichtet. Das geht so weit, dass in den Redewendungen vieler Sprachen Dank und Schuldigkeit Hand in Hand gehen: »Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet«, sagt man im Deutschen, im Englischen ist much obliged ein Synonym für »danke«, und im Portugiesischen sagt man dafür obrigado, wörtlich »verpflichtet«. Wie weit diese Verpflichtung reicht, deutet das japanische Wort für »danke« an: Sumimasen bedeutet buchstäblich »das wird nicht enden«.

    Das Prinzip der Gegenseitigkeit zieht sich durch die gesamte menschliche Kultur. Alvin Gouldner und andere Soziologen berichten, dass es in ausnahmslos allen Gesellschaften bekannt ist und das gesamte Miteinander durchdringt. Der Archäologe Richard Leakey ist der Ansicht, dass hochentwickelte Systeme der wechselseitigen Verpflichtung geradezu das Wesen menschlicher Kulturen ausmachen. Erst die »ehrwürdigen Netzwerke der Verpflichtung«, mit denen unsere Vorfahren Beute und Fähigkeiten miteinander teilten, hätten uns zu Menschen gemacht, so Leakey. Kulturanthropologen wie Lionel Tiger und Robin Fox beschreiben dieses »Netz der Schuld« als einzigartigen Anpassungsmechanismus des Menschen, der Arbeitsteilung, den Austausch von Gütern und Dienstleistungen sowie die Entstehung wechselseitiger Abhängigkeiten ermöglicht, mit denen sich Menschen zu hocheffizienten Gruppen zusammenschließen.

    Das Gefühl künftiger Verpflichtungen ist eine entscheidende Voraussetzung gesellschaftlicher Fortschritte, wie sie Tiger und Fox beschreiben. Ein gemeinsames und starkes Gefühl der Wechselseitigkeit war ein Motor der gesellschaftlichen Evolution, denn es bedeutete, dass ein Mensch anderen

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