Die Glerien Saga: Das Recht des Blutes
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Über dieses E-Book
Angélique Knieps
Angélique Knieps wurde am 1992 in Bochum geboren und studierte Germanistik und Geschichte auf Lehramt. Die Idee zur vielschichtigen Glerien Saga, die durch viele Charaktere, Nebenhandlungen und gesellschaftskritischen Themen eine enorme Tiefgründigkeit aufweist, hatte ihren Ursprung in der Entwicklung einer Kurzgeschichte, die als Geburtstagsgeschenk gedacht war.
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Buchvorschau
Die Glerien Saga - Angélique Knieps
Zusammenkunft
Vor Neil türmte der imposante Anblick des herrschaftlichen Schlosskomplexes. Er fügte sich symbiotisch in das angrenzende Gebirge ein. Als sie mit knarrenden Rädern über den mit Steinen gepflasterten Weg fuhren, passierten sie das Burgtor und gelangten auf diesem Weg in die Vorburg. Neil staunte nicht schlecht, als er erkannte, dass sich in der Vorburg ein ganzes Dorf befand. Häuser standen dicht an dicht und die Menschen wuselten über die Straßen. Von weiter weg hörte er die Marktschreier, die ihre Waren anpriesen. Während die Kutsche den Hauptweg entlang fuhr, fiel Neil das Kolosseum auf, welches im Westen aufragte und auch über die Dächer hinweg gut sichtbar war. Er musste seinen ersten Eindruck revidieren. Die Vorburg war nicht einfach ein kleines Dorf, sondern viel mehr eine eigenständige Stadt, die diverse Tischler- und Schmiedewerkstätten, Kneipen und Wohnhäuser beherbergte. Er hoffte, dass er die Möglichkeit bekommen würde jeden Winkel zu durchforsten, um zu sehen was diese Stadt zu bieten hatte. Doch ein Gefühl verriet ihm, dass er dafür wahrscheinlich keine Zeit haben würde. Als sie die Torhalle passierten und die große Mauer hinter sich gelassen hatten, gelangten sie in die Hauptburg. Der Hof, auf dem die Kutsche anhielt, war gigantisch. Als Neil sich nach Osten drehte, sah er ein großes Tor, welches anscheinend in eine Trainingshalle führte. Zumindest erkannte er durch das geöffnete Tor Krieger, die ihre Schwerter schwangen. Am liebsten hätte er sich das Training aus der Nähe angesehen, doch die Dekanin forderte ihn auf ihr zu folgen. Während er ihr hinterher trottete, fiel sein Blick auf den riesigen Bergfried. Er ragte weit in den Himmel empor und Neil konnte sich vorstellen, welch eine wunderschöne Aussicht man von dort haben würde. Da er seinen Blick gen Himmel gerichtet hatte, bemerkte er nicht, dass zwei Elitekrieger aus dem kunstvoll verzierten Metalltor, welches in die Eingangshalle, das Herzstück des Königshofes, führte, heraustraten. Neil stieß prompt mit einem der beiden zusammen. Bevor er sich entschuldigen konnte, erklang die verärgerte Stimme des Mannes. »Pass auf wo du hinläufst, Balg.«
Der Mann trug eine schlichte, lockere, schwarze Hose und ein weißes Obergewand. Doch seine festen Stiefel, die das Wappen der königlichen Garde zierten, sowie sein Schwert, welches an seinem Gürtel auf seiner linken Seite angebracht war, verrieten, dass er ein Elitekrieger war. Neil hatte noch nie in seinem Leben einen Elitekrieger getroffen. Ihm schossen tausende von Fragen durch den Kopf, doch bevor er seine Gedanken sortieren konnte, war Frau Borner an seiner Seite erschienen und bedachte den Elitekrieger mit einem freundlichen Lächeln. »Verzeiht, mein Herr. Mein Name ist Tamara Borner. Der Junge hat leider nicht aufgepasst.«
Der Mann setzte sofort ein sanftes Lächeln auf. »Es ist nichts weiter passiert«, antwortete er und erinnerte Neil dabei irgendwie an Himer. Dann nahm er Frau Borners Hand, verbeugte sich vor ihr und küsste diese. »Mein Name ist Elram Dryw, Elitekrieger am Königshof. Es freut mich sehr Ihre Bekanntschaft zu machen.«
Frau Borner ließ das Spektakel geschehen und wandte sich erst wieder an Neil, als die beiden Männer durch die Torhalle in die Vorburg verschwunden waren. Sanft schob sie ihn durch das Metalltor in die Eingangshalle. Vor Neil erstreckte sich ein gigantischer Treppenaufgang, den er gemeinsam mit seiner Dekanin erklomm. Nachdem sie durch einen langen Korridor gewandert waren, bog Frau Borner durch eine unscheinbare Tür in einen kleinen Raum ab. Neil bemerkte sofort, dass es kein gewöhnlicher Raum war. Er war eingerichtet wie ein Baumhaus in Norken.
»Was ist das?«, fragte Neil mit einem Anflug von Nervosität.
»Dies ist das Zimmer, das der Akademiekämpfer Norkens während der Wettkämpfe bewohnt. Jetzt ist es jedoch für die nächste Zeit dein Zimmer.«
»Mein Zimmer?«, wiederholte Neil. »Ich dachte, wir sollen nach Darkonia?«
»Stimmt«, entgegnete die Dekanin. »Zuvor werdet ihr hier noch unterrichtet. Man wird euch das Wichtigste zeigen. Das Kämpfen, den Umgang mit den Elementarsteinen und vor allem wie man überlebt, wenn ihr die schützenden Mauern der Städte verlassen habt. Du hast jetzt ein bisschen Zeit für dich. Ruh dich aus, mach es dir gemütlich. Ich werde dich dann zur Aufwartung am königlichen Hof abholen.«
»Aufwartung?« wiederholte Neil erneut, der sich mittlerweile blöd vorkam, immer wieder nachzuhaken.
»Es sind noch nicht alle deine Gefährten eingetroffen. Sobald der Rest den Hof erreicht, werdet ihr euch dem König und der Königin vorstellen. Danach werdet ihr euren Übungsleitern übergeben, die mit euch den Plan für die nächsten Tage durchgehen werden. Anschließend ist es an der Zeit, dass ihr euch untereinander kennenlernt.«
Neils Blick wanderte zu Boden. Er hatte sich immer fest vorgenommen nicht der zweifelnde Typ zu sein, jedoch gelang es ihm eher selten. Eine große Klappe hatte er zwar ständig, doch musste er sich eingestehen, dass kaum etwas dahintersteckte. Frau Boner tätschelte leicht seine Schulter und ihr offenes und freundliches Gesicht leuchtete förmlich. »Mach dir keine Sorgen. Es wird sich alles regeln. Aber nun ruh dich aus.«
Elegant drehte sie sich um und verschwand durch die Tür. Neil ließ sich rücklings auf das gemütliche Bett fallen und schloss die Augen. Er war so erschöpft, dass es nicht lange dauerte, bis er tief und fest schlief.
Es fühlte sich an, als seien höchstens Sekunden seit ihrer letzten Unterhaltung vergangen, als das unsanfte Öffnen der quietschenden Tür ihn aus seinem traumlosen Schlaf riss. Irritiert blinzelnd nahm er wahr, dass Frau Borner sich entschlossen vor seinem Bett positioniert hatte. » Gut, dass du noch etwas schlafen konntest. Es ist Zeit.«
Neil raffte sich auf und folgte der Dekanin blindlings den langen, in sanftes Licht getauchten Gang entlang. Die Wände waren gesäumt von alten Gemälden, die von einer feinen Staubschicht bedeckt waren. Neil vermutete, dass es sich dabei um mehr oder weniger schmeichelhafte Porträts der früheren Herrscher handelte. Fasziniert und belustigt von der illustren Ahnengalerie des amtierenden Monarchen konnte er nur knapp verhindern in Frau Borner hineinzulaufen, die unvermittelt stehen blieb. Die beiden befanden sich nun vor einem gigantischen Tor, das aus einem eigenartig glänzenden Material bestand. Ruckartig öffnete es sich, nachdem die Dekanin etwas gemurmelt hatte, das Neil nicht verstand. Er trottete ihr beim Betreten des hell beleuchteten Raumes wie ein treues Schoßhündchen hinterher. »Neil, stell dich auf das Symbol des Waldes. Ich werde direkt hinter dir stehen.« Er schaute sich verwirrt um. Dabei fiel ihm auf, dass sich bereits einige Personen in dem Raum aufhielten. Jedoch schenkte er ihnen zunächst keine weitere Beachtung. Immerhin suchte er verzweifelt dieses verdammte Symbol, was immer das auch sein mochte. Schließlich entdeckte er auf dem Boden einen braun-grünlichen Kreis, in dessen Mitte ein Baum zu sehen war. Neil steuerte geradewegs darauf zu und blieb in der Mitte stehen, dabei hoffend, dass es sich um das Waldsymbol handelte und die schon zur Tagesordnung gehörende Blamage ausblieb. Seine Dekanin stellte sich, wie zuvor angekündigt, direkt hinter ihn, was Neil Hoffnung gab.
»Dies hier ist die Ruhmeshalle«, erklärte Frau Borner ihm, wobei Neil nicht direkt eine Vorstellung hatte, was dies bedeutete. Er kam auch nicht mehr dazu eine Frage zu stellen, da sechs weitere Personen eintraten. Alle anderen verbeugten sich, sodass Neil es ihnen gleichtat. Die Frau und der Mann in kostbar bestickten Gewändern mussten demnach das Königspaar, Königin Emilia und König Carlos von Glorios, sein. So viel konnte sogar Neil sich zusammenreimen. Dem Herrscherpaar folgte eine Gruppe von vier Personen, bestehend aus drei jungen Männern und einer Frau. Auffällig war das schneeweiße Haar des jungen, attraktiven Mannes, der an letzter Stelle ging. Ein aufwändig verarbeitetes Diadem diente als zusätzlicher Haarschmuck. Zudem trug er über seinem eng anliegenden Wams, das seinen gestählten Oberkörper vorteilhaft umschmeichelte, einen flatternden Umhang. An seinen festen Lederstiefeln prangte die geflügelte Triskele, die ihn als Mitglied der königlichen Garde auswies. Anhand dieser Uniform wurde deutlich, dass er nicht nur eine führende Position in der Leibgarde innehatte, sondern auch ein Elitekrieger war. Die junge Frau, die sich im gleichen Alter des Mannes befand, war dank ihrer ähnlich gearteten optischen Erscheinung nicht zu übersehen. Auch sie war weißhaarig und uniformiert, was sie ebenfalls als Elitekriegerin kennzeichnete. Als die Königin und der König auf ihrem Thron Platz nahmen, postierten sich die Mitglieder der Armee hinter diesem. Der Jüngere der beiden anderen Männer, die im gleichen Maße, wie das königliche Paar reich gewandet waren, setzte sich neben den Monarchen auf einen weiteren Thron. Es musste sich demnach um den leiblichen Königssohn handeln, der nicht nur die symmetrischen Gesichtszüge, sondern auch die athletische Veranlagung seines Vaters geerbt hatte. Seine weißen Haare waren kurz geschnitten und seine zusammengekniffenen Augen blickten wachsam umher. Neil konnte sich des Eindruckes nicht erwehren, dass er von allen Anwesenden am geringschätzigsten gemustert wurde. Der andere Mann musste dahingehend der Adoptivsohn sein. Man erzählte sich, dass seine Eltern dem König treu ergeben gewesen seien und bei einem seiner Aufträge ums Leben kamen. Als Zeichen seines Respekts und Dankes den Eltern gegenüber, nahm er ihren Sohn Helio Zilles in seine Familie auf.
Helio setzte sich auf einen Thron neben der Königin. Obwohl er durch sein strubbeliges blondes Haar und seine leuchtend blauen Augen, die sanftmütig in die Runde blickten, Unbeschwertheit ausstrahlte, hatte seine Gestik und Mimik etwas Anmutiges und Würdevolles an sich.
Endlich richtete der König das Wort an die geladenen Auserwählten. »Ich bin erfreut, dass ihr alle so schnell erschienen seid. Ich, Carlos von Glorios, König Gleriens, meine Frau Emilia und meine beiden Söhne Zekra und Helio begrüßen euch herzlichst als unsere Gäste. Ein Element wird erst später eintreffen. Dennoch beginnen wir, da wir keine Zeit zu verlieren haben. Den Grund für dieses Zusammentreffen muss ich nicht näher erläutern. Es geht um nichts Geringeres als das Schicksal Gleriens. Ihr seid von den Elementarsteinen auserwählt worden. Nun seid ihr an der Reihe euer Schicksal zu erfüllen. Sarina Trent und Kratos Siolta«, er wies auf die Leibgardisten, die mit ihm zusammen den Raum betreten hatten, »sind Skipertios und werden euch innerhalb der nächsten Zeit das Wichtigste beibringen. Außerdem werden sie euch auf eurer Reise begleiten. Sie sollen euch unter Einsatz ihres Lebens beschützen und sicher nach Darkonia geleiten. Ihr werdet den beiden später in den Raum rechts hinter dieser Tür folgen. Dort werden sie euch alles Weitere erklären. Nun möchte ich euch bitten, euch in der traditionellen Reihenfolge vorzustellen.«
Ein sehr schlanker Jugendlicher mit längerem braunem Haar, welches er zu einem Zopf gebunden hatte, begann mit der Vorstellung. »Ich bin Ilay Femse aus Kuasto, das Element der Berge.«
Über seinem zerknitterten, löchrigen Hemd hing eine ebenfalls zerrissene braune Jacke. Neil kam es so vor, als ob er diesen Jungen schon einmal gesehen oder den Namen gehört hatte, doch wusste er nicht, warum. Seine Erinnerung ließ ihn mal wieder im Stich, so angestrengt er den Jungen auch beobachtete. Dabei fiel ihm eine kreuzförmige Narbe an seiner linken Wange auf. Sie musste bereits mehrere Jahre alt sein, da sie schon deutlich verblasst war.
Als nächstes ergriff ein junger Mann das Wort. »Mein Name ist Keylim Rewpalm. Ich bin das Feuerelement aus Volgion.«
Neil stockte der Atem. Keylim Rewpalm, der beste Kämpfer der Akademien, dreifacher Meister, einfach unverwechselbar! Seinen muskulösen Körper bedeckten eine weite schwarze Hose und ein schwarzes Gewand, mit einem roten Umhang, der in Schulterhöhe angebracht war. Den Umhang zierte das Emblem der Feuerelemente. Aufgrund dessen nannte man Keylim auch den schwarzen Ritter der Flammen. Nie hatte er andere Kleidung im Kampf getragen. Doch am hervorstechendsten waren seine smaragdgrünen Augen. Sie blitzten vor Kampfeslust. Das blieb sogar Neil aus der Distanz nicht verborgen, der bei dem Gedanken daran, ansatzweise mit Keylim mithalten zu müssen, bereits Schweißausbrüche bekam. Aber eigentlich hätte er es wissen sollen. Wenn ein Krieger wie Keylim nicht auserwählt war, wer dann? Noch in Gedanken bei Keylims Kämpfen, stellte sich die nächste Person vor, und zwar ein Mädchen mit langem, zum Zopf gebundenem, braunem Haar. Es trug eine dekolletierte, eng anliegende, weiße Tunika, die im Hüftbereich von einem Gürtel zusammengezogen wurde und eine eng geschnittene, braune