Herby: Eine ungewöhnliche Freundschaft
Von Phillip Förster
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Über dieses E-Book
Er ist ein gewöhnlicher neunjähriger Junge, dessen Leben sich eigentlich nicht von demjenigen vieler anderer Kinder unterscheidet, wäre da nicht jener unheimliche Freund aus dem Internet, den Luke Herby nennt und der ihm jeden Wunsch erfüllt.
Herby ist eine Künstliche Intelligenz, die im Netz der digitalen Welt lebt, deren Herkunft aber unklar bleibt. Die KI bemüht sich Luke zu helfen und sein Leben zu verbessern, doch handelt sie auch sehr impulsiv und schreckt vor drastischen Maßnahmen nicht zurück, um Luke zu beschützen.
Das kann auf Dauer nicht gut gehen und schließlich kommt es zur Katastrophe . . .
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Buchvorschau
Herby - Phillip Förster
Phillip Förster
Herby
Eine ungewöhnliche Freundschaft
Impressum
Herby – eine ungewöhnliche Freundschaft
Phillip Förster
© 2019 vss-verlag, 60389 Frankfurt
Covergestaltung: Annemarie Werner (www.bookcover.eu)
unter Verwendung eines Motivs von www.pixabay.de
Lektorat: Chris Schilling
www.vss-verlag.de
Prolog
Luke stand aufrecht auf dem Sessel im Wohnzimmer. Er hielt sein blinkendes Lichtschwert weit in die Luft gestreckt und rief aus voller Kehle: Ich habe das vergessene Zauberschwert der Titanen, Dein Untergang ist gewiss!
Es wird Dir nichts nutzen!
schallte es aus den Lautsprecherboxen der Stereoanlage. Daraufhin erklangen dröhnende Schlachtengeräusche von kämpfenden Männern mit Schwertern und Katapulten, die abgefeuert wurden.
Luke wandte sich in Richtung der Stereoanlage: Nicht so laut, Du musst auf die Nachbarn aufpassen...
, augenblicklich ebbte der Kampfeslärm ab.
Luke sprang vom Sessel hinunter und begann mit seinem Schwert wilde Attacken in der Luft auszuführen. Seine lockigen braunen Haare hatte er mit einem Stirnband nach hinten gebunden. Seine ebenso braunen Augen blitzten vor Freude. Der sonst traurige Ausdruck war aus seinem Gesicht verschwunden, stattdessen zeigte er ein schönes Lachen, während er mit Kampfesschreien durch das Wohnzimmer tobte und gegen unsichtbare Feinde focht.
Dabei traf er mit seinem Schwert ein Bild, das auf der Kommode stand. Es flog im hohen Bogen auf das Sofa, wo es glücklicherweise auf einem Kissen landete. Luke atmete erleichtert auf.
Du magst zwar geschickt im Umgang mit dem Schwert sein,
dröhnte es wieder aus den Lautsprecherboxen, aber meiner Macht bist Du nicht gewachsen!
Der LED Bildschirm des Fernsehers begann blau aufzuleuchten. Die blaue Farbe verdichtete sich, wurde gelb und ein gigantischer Feuerball erschien. Die Stimme aus den Boxen ertönte wieder:
Der Zauberer vom weißen Turm stellt sich Dir gegenüber. Er beschwört seine magischen Kräfte und greift Dich mit einem mächtigen Feuerzauber an.
Luke hielt das blinkende Lichtschwert mit beiden Händen fest umklammert und stemmte sich gegen den imaginären Angriff: Du kannst mir nichts, böser Zauberer, mein magisches Schwert hält Deinen Zaubersprüchen stand!
Er ging jetzt in die Knie und tat so, als müsste er sich einer gigantischen Last entgegenstemmen. Endlich vollführte er einen Satz nach vorne und schlug mit dem Schwert in Richtung des Fernsehers, wobei er beinahe den Bildschirm getroffen hätte. Danach sprang er zurück auf den Sessel und begann auf den Deckenventilator einzuschlagen, während er mit dröhnender Stimme rief: Nimm das, Schurke ich bin der beste Schwertkämpfer dieser Landen, ich werde Dich vernichten!
Augenblicklich begann der Ventilator sich zu drehen und Luke wehrte die rotierenden Blätter mit seinem Schwert ab, dabei stieß er Kampfesschreie aus. Schließlich stach er in die Mitte des Ventilators und rief:
Stirb, der Sieg ist mein.
Die Stimme aus dem Lautsprecher meldete sich wieder: Luke, deine Mutter ist auf dem Weg, sie ist in fünf Minuten da.
Luke sprang vom Sofa und begann die Spuren der Schlacht zu beseitigen. Eilig stellte er die Sachen an ihren Platz zurück und rückte die Stühle zurecht. Der Fernseher wechselte das Programm und zeigte die nachmittäglichen Kindersendungen. Luke nahm auf dem Sofa Platz und wartete bis er die Schritte seiner Mutter im Treppenhaus hörte.
Er versuchte möglichst entspannt zu wirken, als sie die Tür öffnete. Sie hatte die blonden Haare zu einem Zopf gebunden und das Make - Up unter ihren Augen war verlaufen. Ihr Blick schien in die Ferne gerichtet, als würde sie jenseits der Mauern des Raumes etwas suchen. Du bist ja schon da, hat die Schule denn wieder geschlossen?
Ihre Stimme klang hell, zu schrill, so dass sie schon fast in den Ohren weh tat.
Luke sprang vom Sofa und nahm ihr die Einkaufstüten ab. Ja, Mum,
antwortete er, heute ist doch Donnerstag, da haben wir immer früher aus. Hast du mir Eis mitgebracht?
Sie schüttelte den Kopf: Hab ich vergessen, sorry.
Mit fahrigen Bewegungen begann sie den Inhalt der Tüte zu verstauen. Luke musterte sie kritisch, so wie jeden Tag, wenn sie nach Hause kam. Sie wirkte blass und roch nach Alkohol. Luke kannte den Geruch inzwischen gut. Er hasste ihn. Ein großes Pflaster war um ihren linken Mittelfinger gewickelt. Die Schnittwunde darunter schien tief zu sein. Sie legte ihre rechte Hand auf den Kopf von Luke und fuhr ihm durch die Haare. Die Berührung hatte etwas beiläufiges, es lag aber auch eine gewisse Wut darin, als wollte sie ihn streicheln und an den Haaren packen zugleich.
Du hast es mir versprochen!
zischte Luke zwischen den Zähnen hervor und riss ihr die Einkaufstüte aus der Hand. Seine Mutter blickte für einen Moment irritiert. Sie verharrte in ihrer Bewegung, als wäre sie zu Eis erfroren.
Endlich schüttelte sie den Kopf und antwortete: Was meinst du? Ist doch alles in Ordnung. Hast du Hunger?
Ich will nichts zu essen!
schrie er, Ich will überhaupt nichts von Dir!
Luke rannte aus dem Zimmer und schlug die Türe hinter sich zu. Er legte sich auf das Bett im Kinderzimmer und spielte mit seinem Nintendo.
Aus der Küche hörte er klirrende Geräusche. Er wusste was sie tat. Sie durchsuchte die Schränke nach den Schnapsflaschen. Aber er hatte sie alle gefunden und mit Wasser gefüllt. Für eine Weile war es ruhig.
Dann öffnete sie die Türe des Kinderzimmers, steckte ihren Kopf hindurch und sagte in ruhigem beiläufigem Ton: Ich habe noch etwas bei den Einkäufen vergessen, ich bin gleich wieder da.
Luke antwortete nicht. Er lag abgewandt auf dem Bett und spielte weiter. Wortlos verließ sie den Raum. Sie sah nicht, dass sich seine Augen mit Tränen gefüllt hatten und seine Hände zitterten.
Sie ist schon aus dem Haus,
ertönte die Stimme aus den Lautsprecherboxen des Radios, sie geht zum Kiosk auf der anderen Straßenseite.
Ich weiß, Herby
antwortete Luke.
Es war das gleiche Schauspiel, das sie schon lange aufführten. Sie kaufte den Schnaps und versteckte ihn. Er suchte nach den Flaschen und leerte sie, um sie mit Wasser aufzufüllen. Sie hatten darüber gesprochen. Nicht oft, aber einige Male. Sie hatte ihm das Versprechen gegeben, damit aufzuhören, aber es immer wieder gebrochen. Er hatte ihr gesagt er hasste es, wenn sie getrunken hatte. Sie war dann anders, nicht mehr wie seine Mutter, sondern eine Fremde, jemand, den er eigentlich kennen müsste, aber nicht kannte.
Willst Du Angry Birds spielen?
fragte die Stimme aus den Lautsprechern. Nein,
erwiderte Luke, aber spiel mir bitte das Lied mit den Diamonds vor, aber nicht das von der Frau, das mit dem Mann. Und schalte das Licht aus.
Vor einiger Zeit hatte seine Mutter bei einem Preisausschreiben gewonnen, von dem sie gar nicht wusste, dass sie daran teilgenommen hatte. Seitdem waren alle elektrischen Geräte in der Wohnung miteinander über den Tablet- PC vernetzt. Und das war auch gut so. Das Licht im Kinderzimmer schaltete sich aus. Das Lied Diamonds in the sky
von Franz Benton erklang aus dem Radio und in der Küche schaltete sich die Herdplatte ab, welche die Mutter vor Verlassen der Wohnung angeschaltet und vergessen hatte.
Kapitel I
Am nächsten Tag klingelte wie jeden morgen um sieben Uhr der Wecker.
Den Tag zuvor hatte Luke fast ausschließlich auf dem Zimmer verbracht. Nur zum Essen war er kurz in die Küche gegangen, dabei hatte er versucht seine Mutter, die auf dem Sofa lag, möglichst nicht anzusehen. Sie hatte auch keine Regung gezeigt, sie lag einfach nur da, bewegungslos, halb schlafend, halb wach.
Jetzt aber saß sie am Küchentisch, mit frisch aufgetragenem Make - Up, doch ihre Augen waren gerötet und Luke konnte noch durch den Raum den Alkohol riechen.
Sie schob ihm eine Schüssel mit Cornflakes zu.
Luke setzte sich und hielt sich die Hand über den Bauch.
Es tut so weh, Mum, ich kann nichts essen, ich kann nicht in die Schule heute,
sagte er wehleidig.
Seine Mutter erwiderte zunächst nichts. Schließlich stand sie auf, stemmte die Hände in die Hüften und blickte ihn streng an. In dem Maß, in dem sie sich aufbaute, schien Luke kleiner zu werden und zu schrumpfen. Dann griff sie in einer langen Bewegung über den Tisch und streichelte über seinen Arm. Es wirkte als müsste sie etwas von ihm abwischen, ihn vom Dreck befreien.
Sie sagte in fürsorglichem Ton: Iss doch einen Schokoriegel, der tut dir doch immer gut.
Diesmal nicht Mum, heute ist es echt schlimm, da klappt das nicht mit dem Schokoriegel.
"Luke, ich habe dir doch schon oft gesagt, dass ich nicht immer zu Hause bleiben kann wegen dir, um auf dich aufzupassen. Ich brauch meinen Job, sonst kommen wir nicht über die Runden.
Oder willst du, dass wir auf der Straße landen. Du weißt was wir von deinem Vater zu erwarten haben. Nichts. Wenn ich nicht mehr arbeiten gehe, sieht es schlecht aus für uns. Also reiß dich bitte zusammen."
Ich kann doch allein zu Hause bleiben,
entgegnete Luke, während er sich noch stärker zusammenkrümmte.
Seine Mutter lief um den Tisch und kniete sich vor ihm auf den Boden. Ich kann dich nicht den ganzen Tag alleine zu Hause lassen. Du bist einfach nicht alt genug dafür. Du weißt, dass ich alles opfern würde für dich. Ich würde dich niemals wie dein Vater im Stich lassen. Ich tue alles was in meiner Macht steht, um für dich zu sorgen, damit es dir gut geht. Aber dafür kannst du mir,
- und diese Worte zischte sie zwischen den Zähnen hervor- zumindest ein kleines bisschen helfen und in die Schule gehen. Bist du so lieb?
Ihr Gesicht war jetzt so nah an seinem, dass der Geruch von Vodka ihm Übelkeit bereitete.
Ok mum,
sagte er schließlich, ich schaff das schon, ich geh zur Schule.
Sie stand auf, drückte ihm einen Kuss auf die Stirn und setzte sich zurück auf ihren Platz, um ihr Frühstück zu beenden.
Kapitel II
Luke wurde von seiner Mutter zur nächsten Busstation gebracht. Zu einer der eher wenigen, die in Detroit überhaupt noch angefahren wurden. Seitdem die Bevölkerung der Stadt durch Abwanderung um die Hälfte geschrumpft ist, wurden auch die Mittel für den öffentlichen Verkehr entsprechend gekürzt. Die Stadt musste sparen. Doch war das Stadtgebiet über eine so große Fläche verteilt, dass die Entfernungen zu Fuß nicht zu bewältigen waren. Selbst mit dem Auto waren die Entfernungen teilweise noch enorm.
Die Straßen waren die Lebensadern der Stadt, die ihren ehemaligen Reichtum den Autofabriken verdankte. Doch mit den schwindenden Bussen verlor die Stadt ihren Lebensimpuls. Wer sich kein Auto leisten konnte, hatte Schwierigkeiten einen passenden Job zu finden, der noch einigermaßen in Reichweite war.
Luke hatte Glück. Die Bushaltestelle, an der er ausstieg, lag zu Fuß etwa 10 Minuten von seiner Schule entfernt.
Die lange breite Straße, die er überqueren musste, war gesäumt von verlassenen Häusern mit zugenagelten Fenstern. Rostige Schilder standen in verwitterten Vorgärten, welche die Grundstücke zum Verkauf anboten.
Die Straße wirkte leer, so wie immer. Nur hier und dort bewegte sich gelegentlich ein Schatten zwischen den Gebäuden. Schatten, die eher mit den Gebäuden zu verschmelzen schienen, als dass man sie für eigenständige, lebendige Wesen hielt. Einer der Schatten heftete sich dennoch an seine Fersen.
Luke überquerte gerade die Straße, um den kurzen Weg durch den Park zu nehmen.
In der rechten Hand hielt er sein neues I - Phone, das er kürzlich bei einem Preisausschreiben gewonnen hatte. Von hinten näherte sich ein 15-jähriger Junge, der eigentlich Jason hieß, sich selbst aber nur silentpaw
oder SP
nannte.
Hey Kleiner, schickes Telefon,
rief SP, während er langsam aufschloss. Er trat Luke von hinten gegen die Wade, so dass er ins Straucheln geriet.
Luke versuchte davon zu laufen. Er rannte an einem kleinen Pavillon vorbei, der vor einigen Jahren seitlich des Weges aufgestellt worden war, um dem Park ein Zentrum zu geben. Jetzt war er allerdings mit Graffiti übersprüht und völlig verwittert. Unmittelbar davor befand sich ein kleines Gewässer, das völlig veralgt war und in dem Plastiktüten und Getränkedosen schwammen. Luke schrie mit heller Stimme nach Hilfe, aber es war niemand da, der ihn hören könnte. SP packte ihn an der Schulter und versetze ihm einen Faustschlag ins Gesicht, so dass die Lippe aufplatzte und ein Blutschwall aus seiner Nase schoss. Mit einem schnellen Griff verdrehte er Luke das Handgelenk und entwand ihm das Mobiltelefon. SP wollte einfach weitergehen, doch Luke stürzte sich von hinten auf ihn, um ihn zu packen und das Telefon zurückzuholen. In einer Bewegung, die er lange geübt hatte, wirbelte SP um die Achse, packte Luke mit beiden Händen am Hals, während er sein rechtes Knie nach oben zog und es ihm in die Rippen rammte. Luke spürte wie die Luft aus seinen Lungen entwich und ihm der Schmerz die Tränen in die Augen trieb.
Er verlor das Gleichgewicht und fiel rückwärts in das schlammige Gewässer.
SP wurde nervös. Eine Gruppe von Schülern mit grünen Rucksäcken näherte sich von der anderen Seite des Parks und hatte den Kampf beobachtet. SP rannte so schnell er konnte zwischen den Bäumen davon. Hinter sich hörte er Lukes schrille Rufe. Er konnte es nicht mehr genau verstehen, aber es war etwas wie: "er wird dich finden und