Der Todeswurm
Von Paul Pietsch, Pixabay und net-Verlag
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Über dieses E-Book
Was mag nun das Ziel seiner Jagd zu sein? Wird ihn der dort ansässige Nomadenstamm, dem das junge Mädchen Ayrun angehört, unterstützen? Und ist sein unzuverlässiger Stellvertreter Meier in der Lage, seinen Zoo in seiner Abwesenheit zu leiten?
Als Ottos alter Bekannter in der Wüste auftaucht, verschärft sich die Situation.
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Rezensionen für Der Todeswurm
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Buchvorschau
Der Todeswurm - Paul Pietsch
Timbavati, 7. August 1923
Langsam pirscht sich Otto Landbirgh durch das Dickicht. Er ist sehr leise. Niemand kann auch nur ein leises Rascheln eines von ihm berührten Blattes hören. Er ist so still, dass es scheint, er würde über den Boden schweben und durch das Dickicht, durch das er unterwegs ist, gleiten.
Plötzlich bleibt er stehen. Er hat sein Ziel erreicht. Sehr langsam hebt er seine Arme mit dem darin liegenden Gewehr. Jetzt gilt es nicht nur leise zu sein, sondern auch keine ruckartigen Bewegungen zu machen. Jede noch so kleine Unkonzentriertheit kann für ihn das Ende bedeuten. Nicht nur das Ende dieses Ausfluges. Das endgültige Ende.
Ruhig visiert er den Löwen an. Der Löwe mit dem weißen Fell. Eine echte Rarität.
Gerade als Otto abdrücken will, richten sich die strahlend blauen Augen des Tieres auf ihn. Otto sitzt zwar gut versteckt im Dickicht, aber er hat trotzdem das Gefühl, dass ihn das Tier direkt ansieht. Demonstrativ gähnt es und zeigt dabei die daumenlangen, gelben Zähne. Dann legt es seelenruhig erst die eine und dann die zweite riesige Pranke vor sich auf den Boden. Ruckartig stemmt es sich auf die Pfoten und knurrt ihm entgegen.
Otto kriecht heimlich rückwärts tiefer ins Dickicht. Noch immer verursacht er kein einziges Geräusch. Aber das ist mittlerweile unwichtig. Der Löwe hat ihn nicht gehört, sondern gewittert. Jetzt schleicht auch er in das tiefe, dornige Dickicht. Die Dornen stören den Löwen nicht. Sie sind nicht lang genug, um das dichte, weiße Fell zu durchdringen. Immer weiter pirscht er sich heran. Immer weiter hinter Otto her, der sich noch immer rückwärts durch die Dornen schiebt.
Schließlich merkt er keinen Widerstand mehr und tritt ins Freie. Ohne zu überlegen wirft er sein Gewehr weg, dreht sich um und rennt davon.
Sofort bemerkt der Löwe die Bewegungen, springt auch aus dem Dickicht und hechtet hinter Otto her.
Aus Erfahrung weiß Otto, dass ein Löwe um ein Vielfaches schneller ist als ein Mensch. So auch dieser Löwe. Mit jedem Sprung halbiert er den Abstand zwischen sich und seinem Opfer.
Obwohl Otto weiß, dass die Flucht hoffnungslos ist, rennt er stur weiter. Immer weiter auf die nächste Anhöhe zu.
Gerade als er sie erreicht, holt der Löwe zu einem kraftvollen Prankenhieb aus. Kurz bevor er zuschlägt, hält er jedoch inne. Er hat eine neue Duftnote gewittert. Eine, die zuvor nicht dagewesen war.
Otto nutzt das Zögern und sprintet weiter. »Jetzt!«, brüllt er.
Augenblicklich erheben sich hinter der Hügelkuppe mehrere Einheimische und richten ihre Gewehre auf den Löwen.
»Jetzt schießt endlich!«, brüllt Otto.
Mehrere Gewehre knallen.
Augenblicke später kippt der Löwe in den Staub.
Otto bleibt an der Hügelkuppe stehen und ringt um Atem. Mit einem Handzeichen signalisiert er seinen Kumpanen, dass er eine kurze Verschnaufpause benötigt. »Das war aber auch allerhöchste Zeit«, keucht er außer Puste.
Die Einheimischen erwidern nichts. Sie nicken nur und machen sich dann daran, ihre Gewehre zu reinigen und wegzuräumen.
Otto wendet sich wieder dem Löwen zu. Ein richtiges Prachtexemplar. Er ist bestimmt drei Meter lang und hat eine Mähne, wie sie Otto seit Jahren nicht mehr gesehen hat.
Langsam nähert er sich der Bestie. Aus der Nähe sieht er, dass nur ein Schuss den Löwen wirklich getroffen hat. Und der war ein Volltreffer. Genau in die Flanke der Bestie. Aus der Nähe kann er auch sehen, dass sich der Bauch des Löwen in regelmäßigen Abständen hebt und senkt. Zufrieden lächelt er. »Fahrt den Jeep rüber!«, ruft er den Einheimischen zu. »Der Löwe wird eine Sensation.«
Gobi, 23. September 1923
Gedankenversunken stapft Kaan durch die Wüste. An einer Leine führt er seine beiden Kamele. Beide sind mit verschiedenen Waren für den Markt bepackt. Er hat Schaffell, Kuhleder, einige Klumpen Rindfleisch und vieles mehr dabei. Alles liegt auf einer gelben Decke auf dem Rücken der Kamele zwischen den beiden Höckern.
Kaan hält die Zügel des ersten Kamels und führt die beiden zielstrebig durch die Wüste. Für ihn kommt der Marsch sehr ungelegen. Gestern erst hat er sich dazu durchgerungen, seine Angebetete Ayrun anzusprechen. Sein Herz klopft jetzt noch schneller, wenn er nur an den Moment denkt.
Er ging gerade die Straße entlang zum nächsten Dorf, um ein paar Einkäufe zu erledigen. Da sah er sie. In ihren staubigen Lederklamotten zog sie nicht unbedingt alle Blicke auf sich. Nur den von Kaan. Er beobachtete, wie sich bei jedem Schritt ihr langes, schwarzes Haar hin- und herbewegte. Wie sie immer wieder auf ihre niedliche Art die Nase rümpfte.
Kaan kennt alle ihre Macken und Ticks. Er kennt diese Frau besser als sich selbst. Er wusste auch, dass sie genau zu der Zeit hier sein würde. Das war sie immer. Und er auch. Aber nie traute er sich, sie anzusprechen.
Mehr als einen freundlichen Gruß brachte er nie zustande.
Heute würde es anders sein, hatte er sich vorgenommen. Also ging er freundlich grüßend auf sie zu.
Sie grüßte lächelnd zurück. Das ermutigte ihn weiterzugehen, bis er vor ihr stand.
Erwartungsvoll sah sie ihn an.
»Und, wie geht’s dir so?«, fragte er freundlich.
»Ach, ganz gut. Es ist zwar ziemlich warm, aber damit komme ich schon klar. Und wie geht’s dir?«, fragte sie freundlich zurück.
»Sehr gut. Wie immer«, antwortete er lachend. »Du, was ich dich schon immer mal fragen wollte. Ähm … Hast du morgen Abend schon etwas vor?«
»Nein, bis jetzt hatte ich nichts vor. Aber das scheint sich jetzt zu ändern«, antwortete sie lachend.
Sie plauderten noch kurz weiter, dann gingen beide ihres Weges.
Kaan konnte sein Glück kaum fassen. Er hatte sie tatsächlich angesprochen. Und nicht nur das. Sie würden sich schon am nächsten Abend wiedersehen. Er war noch nie so glücklich.
Bis ihn am heutigen Morgen sein Vater, weckte und mit den beiden mit irgendwelchem Zeug vollgepackten Kamele zum nächsten größeren Markt schickte. Allerdings braucht man für diese Aufgabe den ganzen Tag. Ein Tag, den er viel sinnvoller verbringen wollte. Eigentlich wollte er sich seelisch und moralisch auf den heutigen Abend vorbereiten. Sich und seine Sachen gründlich waschen und eventuell seiner Mutter noch etwas helfen. Aber er wollte nicht stundenlang durch die Wüste stapfen mit nichts als zwei plumpen Tieren als Begleitung.
Im Moment hasste er seinen Vater für diese Aufgabe. Aber was hätte er tun sollen? Seinen Vater vor den Kopf stoßen? So was würde er nie tun. Das schlechte Gewissen würde ihn zu sehr quälen.
Plötzlich hört Kaan ein Scharren. Als würde etwas sehr Großes über den Sand kriechen. Verwundert sieht er sich um. Überall ist nur Sand. Nichts als Sand, der sich in Form von Dünen durch die Gegend zieht. Der Sand und Kaan mit seinen zwei Kamelen. Ansonsten ist hier nichts.
Also stapft Kaan lustlos weiter und zerrt seine Kamele hinter sich her. Noch ein paar Kilometer, dann ist er endlich auf dem Markt und kann seine Waren verkaufen. Wenn er sich beeilt, schafft er es vielleicht doch noch, wenigstens seine Sachen etwas zu waschen.
Plötzlich schreckt Kaan hoch. Wenige Meter vor ihm wölbt sich der Sand, als würde sich etwas darunter auf ihn zu bewegen. Eine Schlange oder ein Wurm oder so etwas Ähnliches. Die Wölbung kommt immer näher.
Kaan schaut dem Phänomen nur gebannt zu. Erst als er merkt, in welche Richtung es sich bewegt, beginnt er sich wieder zu regen. Es kommt direkt auf ihn zu.
Kaan zerrt die beiden Kamele weiter. Weg aus der Bahn, die der Sandstrom nimmt. Aber kaum ist er aus der Bahn, korrigiert der Sandstrom seine Bahn