Ein Junge zieht es in die Fremde
Von Cilla Valer
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Über dieses E-Book
In seinem neuen Alltag erlebt er viele spannende Dinge und reift so zu einem Jüngling heran.
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Buchvorschau
Ein Junge zieht es in die Fremde - Cilla Valer
Als kleiner Junge gab es eine Zeit in der meine Mutter jeweils, wenn der Vater im Männerchor war und ich im Bett sein sollte, in der Stube fleissig mit der Schreibmaschine hantierte. Damals wusste ich noch nicht, was da entstand und auch die Mutter wollte nicht mit der Wahrheit herausrücken.
Erst nach ihrem Tode fand ich im Nachlass ein Manuskript. Anscheinend hatte sie auch schon versucht es bei einem Verlag unterzubringen – leider ohne Erfolg.
Doch heute gibt es andere Möglichkeiten. Dank Computer und Print on Demand kann man leicht eigene Bücher in kleiner Auflage erstellen.
Das bewog mich, ihr diesen Wunsch posthum doch noch zu erfüllen und habe das Manuskript auf den Computer übernommen und den Text redigiert und formatiert.
Das vorliegende Büchlein widme ich meiner Tochter und den beiden Enkelinnen. Diese hätten ihr Urnani sicher ins Herz geschlossen, wenn sie es noch gekannt hätten.
Wie gewöhnlich an ihrem schulfreien Nachmittag, sassen die drei jüngsten Schwendibuben im Wäldchen hinter der elterlichen Hofstatt. Dort gab sich jeder seiner eigenen Beschäftigung hin. Einer schnitzte an einem Stecken, streckte ihn von sich, um seine Arbeit besser betrachten zu können und schien mit der Arbeit recht zufrieden zu sein, denn eifrig schnitzte er noch schnell seinen Namen hinein.
Sein Bruder Hansi, etwas grösser flickte an einem alten Korb und es war eine Freude, ihm zuzuschauen mit welcher Fachkenntnis er die zarten Weiden bearbeitete.
Nur Lenzi, der älteste der dreien, schien keine rechte Lust zur Arbeit zu haben. Er schaute traumverloren in die Tannen hinauf, wo ein Eichhörnchen von Ast zu Ast hüpfte. Immer wieder tauchte das zierliche Tierchen vor den Augen des Buben auf und das geschmeidige Geschöpfchen mit den kleinen spitzen Öhrchen schaute neugierig auf die Menschenkinder hinunter. Es war, als wollte es ihnen noch extra beweisen wie frei und lustig es sich in der Welt draussen leben liess. Immer wieder warf es seinen buschigen Schwanz in die Luft und landete mit einem kühnen Sprung auf der nächsten Tanne.
Und es war, als ob diese Freiheit und Wanderlust direkt auf Lenzi überspringe, vierzehn Jahre war er jetzt schon alt. Die Spiele seiner Brüder fingen an, ihn grenzenlos zu langweilen. Er sehnte sich plötzlich unheimlich hinaus in die grosse weite Welt.
Noch hatte der gute Lenzi keine Ahnung, wie nahe die Zeit war, wo seine Sehnsucht nach eigenem Erleben gestillt werden sollte. Sein Vater jedoch, Schwendihans, wie man ihn allgemein nannte, hatte schon lange gemerkt, dass etwas im Kopfe seines Jungen vorging. Die aufgetragenen Arbeiten verrichtete er ohne Schneid und Rasse. Ja, manchmal konnte er sogar recht bockig werden. Dem Vater war klar, da musste etwas geschehen - so ging das nicht mehr weiter.
Am grossen Aprilmarkt im Weiler traf er einen alten Militärkameraden. So im Gespräch fragte ihn dieser, ob er ihm nicht einen aufgeweckten Burschen wüsste, der sich als Geissenhirt auf seiner hohen Alp eignen würde?
Da wusste Schwendihans sofort, das wäre etwas für seinen Jungen - da würden ihm die Flausen bald vergehen! Die beiden Freunde waren sich bald einig, dass Lenzi die Stelle antreten könne, und das schon am ersten Mai.
Das gab einen schönen Wirbel, als diese Neuigkeit in der Schwendi bekannt wurde!
Lenzi konnte es erst gar nicht glauben, dass sein sehnlichster Wunsch sich so bald erfüllen sollte. Aber Geissenhirt, nein das war allerdings nicht gerade sein Traum gewesen, denn in Wirklichkeit mochte er diese Viecher gar nicht ausstehen. Aber diese Gedanken behielt er wohlweislich für sich - Hauptsache war jetzt für ihn dass er viel Neues erleben durfte, da nahm er ein wenig Geissengemecker noch so gerne in Kauf.
Aber da war noch die Mutter, die einfach nicht verstehen wollte, dass eines ihrer Kinder schon in die fremde Welt hinaus sollte! Und da war noch das kleine Schwesterchen Cilli, das bittere Tränen vergoss, als es erfuhr, dass ausgerechnet Lenzi, ihr Lieblingsbruder weggehen sollte. Dieser Bruder, mochte er manchmal gegen die andern bös sein, ihr war er immer ein lieber Beschützer gewesen. Wenn die andern Brüder sie auf die von den Eltern verbotenen Pfaden nicht mitnehmen wollten, weil sie nur im Wege stehe - Lenzi gab immer auf sie Acht. Wenn andere Kinder sie plagen wollten, so bekamen sie es oft auf recht unangenehme Weise mit Lenzi zu tun! Begreiflich, dass Cilli alles andere als erfreut von dieser neuen Wende in ihrem Leben war!
Am ersten Mai war wie versprochen Lenzis Reisetag. Mutter Deta hatte den alten Weidenkoffer vom Estrich geholt und mit Liebe und Sorgfalt gepackt. Na - besonders nobel sah das Ding nun wirklich nicht mehr aus, aber sie hatte keinen andern. Zum Glück machte das Lenzi gar nichts aus. Wenn’s nach ihm gegangen wäre, hätte er seine Habseligkeiten in einen Kartoffelsack gepackt und auf den Buckel geschwungen.
Mutter Deta aber machte sich derweil grosse Sorgen! So weit weg von Zuhause - die schweren Gewitter in den Bergen und würde der Bub nicht doch Heimweh bekommen?
Viel leichter, viel froher sah Lenzi in die Zukunft. Er war doch kein Baby mehr. Für ihn sah alles rosig und schön aus. Vor allem freute er sich jetzt auf die lange Eisenbahnfahrt. Denn für die Schwendikinder war das ein seltenes Vergnügen.
Als nun die Stunde des Abschiednehmens kam, zupfte er Hansi kameradschaftlich an den Ohren, während Andi einen kleinen Box in die Seite bekam. Lenzi dachte, nur ja nicht merken lassen, dass er selber ein recht ungutes Gefühl im Magen hatte.
Die Ermahnungen der Mutter liess er diesmal mit Engelsgeduld über sich ergehen. Wie hart es ihm auch ankam, aber Cillis Tränen musste er diesmal einfach übersehen. Er war heilfroh, als der Abschied endlich überstanden war. Nicht etwa, dass ihm in diesem Moment besonders wohl zu Mute war. Er wusste, es kam eine Veränderung in sein Leben und viel wusste er von seiner neuen Heimat auch noch nicht. Aber ein Bergbub zeigt seine Gefühle nicht so offen und so ahnte niemand, wie es wirklich in ihm aussah!
Langsam, als habe er schon jetzt Angst vor der Bergsteigung, fuhr der Zug aus dem Bahnhof seines Heimatdorfes. Nun konnte Lenzi doch nicht anders, als seine Augen zurück schweifen zu lassen nach dem elterlichen Hof. Die schönen Blumenstöcke der Mutter entschwanden seinen Augen - dann die Fenster - er schaute und schaute, bis auch die letzte Spitze des Dachgiebels verschwunden war.
Dann aber gab er sich einen energischen Ruck und fing an die neue Umgebung zu betrachten. Der Zug war angefüllt mit einer laut schwatzenden Menschenmenge. Zum ersten Mal im Leben hörte er Laute die er nicht verstand. Von den Viehmärkten her kannte er das Gewaschel der Italiener, aber was er hier hörte war wieder etwas ganz anderes. Dem Bub wurde es etwas ungemütlich in dieser Umgebung. Als er noch bemerkte, wie ihn sein Gegenüber, eine noble Dame, fast spöttisch musterte, warf er seinen Kopf herum und schaute zum Fenster hinaus.
Und was er da alles sah, liess ihn seine Mitreisenden für eine Weile vergessen.
Durch das enge Bergtal schlängelte sich der Zug immer höher und höher. Plötzlich aber schnellte der Bub auf seinen Sitz zurück. Vor seinen Augen wurde es stockfinster. Erschrocken hielt er seinen Koffer fest - es wäre ja gut möglich, dass so ein Fremder mit ihm abhauen könnte? Als es heller wurde sah er, dass auch die fremde Frau krampfhaft ihre Tasche festhielt und ihn recht misstrauisch ansah. Da stieg Lenzi die Röte ins Gesicht. Welche Gemeinheit, auch nur zu denken, dass er - ein Schwendibub klauen würde!
Stolz kehrte er seiner Begleiterin den Rücken zu und würdigte ihr keinen Blick mehr, er wusste