Die Quitzows: Räuber oder Rebellen?
Von Dr. Uwe Michas
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Über dieses E-Book
Uwe Michas, Archäologe und Mittelalterexperte, folgt den historischen Spuren der Quitzows und erzählt ihre Geschichte neu.
Die Geschichte Brandenburgs im Mittelalter bewegte schon Karl May. Er setzte den Brüdern Dietrich von Quitzow und Johann von Quitzow ein Denkmal in seinem Historienroman "Der Quitzow letzte Fahrten". Die Brüder kommen nicht gut weg – Raubritter sollen sie gewesen sein und Menschen gefangen gehalten haben.
Lange hielt sich dieses Bild der Brüder auch in Geschichtsbüchern. Dr. Uwe Michas beleuchtet die Karrieren dieser beiden Brüder aus dem Brandenburger Adel neu. Und er zeigt, welche Rolle sie spielten bei der Übernahme der Mark Brandenburg durch die Hohenzollern.
Diese historische Biografie ist genau die richte Lektüre für alle Fans von Mittelalter, von Landesgeschichte oder für all jene, die noch ein passendes Geschenk für die Großeltern suchen.
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Buchvorschau
Die Quitzows - Dr. Uwe Michas
Uwe Michas
Die Quitzows
Räuber und Rebellen
Märkische Lebensläufe
Band 2
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de/ abrufbar.
1. Auflage 2022
© ammian Verlag, Berlin
Inhaber: Marcel Piethe, Rahnsdorfer Straße 26, 12587 Berlin.
Redaktionsschluss: September 2022
Redaktion: Bettina Bergmann, Marcel Piethe
Lektorat: Konrad H. Roenne
Satz und Umschlag: Sabrina Milazzo, www.sabrinamilazzo.net
Gedruckt in der EU
ISBN: 978-3-948052-57-7
eISBN: 978-3-948052-65-2
www.ammian-verlag.de
Inhalt
Vorwort
Die Mark Brandenburg unter den Askaniern
Der brandenburgische Adel – Herkunft und Genese
Wittelsbacher und Luxemburger
Jobst von Mähren
Die spätmittelalterliche Agrarkrise
Militärische Ereignisse in der Mark im 14. Jahrhundert
Die Quitzows und ihre Wurzeln
Die Vorfahren
Der Weg nach oben
Zwei gute Partien
Das mittelalterliche Heerwesen in der Mark Brandenburg
Stich ins Wespennest
Der Landesherr
Der Feldzug von 1402
Dietrich von Quitzow
Ein neuer Landeshauptmann
Berlin und Cölln
Neue Bündnisse
Der gefeierte Held
Die Nachbarn
Innere Zustände
Machtausbau
Johann II. von Mecklenburg-Stargard
Neue Kämpfe
Die Macht des Geldes
Köpenick
Quitzowland
Schutzgeld
Privatleben
Das Ende einer Beziehung
Neue Zeiten
Verwirrung
Die Kanone
Der neue Statthalter
Bündnisse und Vorbereitungen
Der Plan
Friesack
Plaue
Golzow und Beuthen
Ende eines Feldzuges
Dietrich von Quitzow in Pommern
Johann von Quitzow
Fehden und Krieg
Polen und Hussiten
Die Prignitz
Die Erben
Dietrich und Johann von Quitzow – Räuber und Rebellen?
Literatur
Personen- und Ortsregister
Bildnachweis
Der Autor
Vorwort
„Es entspricht innerhalb der märkisch-preußischen Geschichtsschreibung einem alten, beinahe heiliggesprochenen Herkommen, Quitzows als Landesverräter, Buschklepper und Räuber anzusehen, eine Tradition, deren Anschauungen, um nicht zu sagen, Dogmen, auch so ein hervorragender Gelehrter wie Adolf Friedrich Riedel – dem sich, an Wissen und Eingedrungensein in kleinste Einzelheiten der Quitzowzeit wohl niemand an die Seite zu stellen wagt – aufs nachdrücklichste zustimmt".
Mit diesen Worten mischte sich der märkische Dichter Theodor Fontane, der hier für eine differenzierte Sichtweise plädiert, in die seit dem 19. Jahrhundert hitzig geführte Debatte über die sogenannte Quitzow-Zeit ein. Im Fokus der Diskussion standen und stehen die Brüder Dietrich und Johann von Quitzow, denen es in der ersten Dekade des 15. Jahrhunderts gelang, ganze Landstriche der Mittelmark unter ihre Kontrolle zu bringen. Dass sie dabei nicht zimperlich vorgingen, hätte man ihnen sicher verziehen – da waren sie in guter Gesellschaft. Der Stab wurde über ihnen gebrochen, weil sie sich dem späteren ersten Kurfürsten aus dem Haus Hohenzollern in der Mark Brandenburg widersetzten.
Das Leben der Brüder erfüllt alle Bedingungen eines historischen Romans: rasanter Aufstieg aus dem niederen Adel zum mächtigsten Geschlecht in der Mark Brandenburg, dem ein umso tieferer Fall folgte. Und wie in einem klassischen Plot gab es auch, zumindest für einen der Brüder, ein Happy End. Es wurden einige Romane über ihr Leben verfasst, darunter auch einer des sächsischen Abenteuerschriftstellers Karl May, mit Dietrich von Quitzow als klassischem Bösewicht. Auch sie förderten ein negatives Bild der Quitzow-Brüder, die neben ihrer Tätigkeit als „Raubritter" den ersten Landesherren aus dem Haus Hohenzollern Paroli boten. Es war vor allem dieser historische Vorgang, der das Bild der Brüder prägen sollte.
Abb. 1: Karl May: Der beiden Quitzows letzte Fahrten, erschien erstmals von November 1876 bis Juni 1877 in der Zeitschrift Feierstunden am häuslichen Heerde.
Abb. 2: Karl Friedrich von Klöden: Die Quitzows und ihre Zeit, in Aus Anlass des fünfhundertjährigen Bestehens der Hohenzollernherrschaft in der Mark, erschienen 1913.
In der Zeit der deutschen Einigung unter den Hohenzollern im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts brauchte es auch eine Art Gründungsmythos, der etwa so verlief: Nach dem Sieg über die märkische Adelsopposition unter Führung der Quitzow-Brüder konnten die Hohenzollern in 17 Generationen erst die Mark Brandenburg konsolidieren, das Königreich Preußen und dann das deutsche Kaiserreich schaffen. Die zahlreichen Historiker dieser Zeit waren natürlich national und kaiserlich orientiert, und da hatte ein differenziertes Bild der Hohenzollernschen Frühzeit in der Mark Brandenburg kaum Platz. Eines der opulentesten dieser Werke schuf Friedrich von Klöden mit seinem ab 1836 erschienenen Vierteiler „Die Quitzows und ihre Zeit."
In einem Aufsatz aus dem Jahr 2006 über die Quitzows schreibt der Historiker Clemens Bergstedt: „Der Mythos der Quitzows besteht in dem, was die Historiker aus ihnen gemacht haben". Aber das ist ein Vorgang, der sich in der Geschichtswissenschaft und der Literatur lange verfolgen lässt. Bei den Quitzows setzte diese Geschichtsschreibung schon zu ihren Lebzeiten durch die Märkische Chronik des Engelbert Wusterwitz ein, die unbestritten die wichtigste Quelle der Quitzow-Zeit ist. Allerdings ist diese Chronik tendenziös und adelsfeindlich. Es hat in den letzten Jahrzehnten nicht an Veröffentlichungen gefehlt, die für einen sachlichen Umgang mit den Quitzows plädieren. Die Forschungen in den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass insbesondere der Kern des Vorwurfes, der Widerstand gegen Friedrich von Hohenzollern, neu zu bewerten ist.
Eines der berühmtesten Beispiele, oder besser Opfer, einer tendenziösen Geschichtsschreibung und der dazugehörigen Literatur ist der englische König Richard III. (1483–1485) aus dem Hause York, der durch Henry Tudor in der Schlacht von Bosworth im Jahr 1485 Krone und Leben verlor. William Shakespeare, als Propagandist der Tudor-Familie, malte Richard III. in den finstersten Farben. Sein gleichnamiges Theaterstück bestimmt das Bild dieses auf dem Schlachtfeld gefallenen Königs bis heute. Nicht nur bei ihm, sondern auch bei den heimischen Quitzows lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen.
Wer sich ein Bild über die Quitzow-Brüder machen möchte, sollte jedoch Folgendes beachten: Es wäre völlig fehl am Platz, heutige Maßstäbe – vor allem moralische – an die Menschen jener Zeit anzulegen, wie es gerne in einschlägigen Romanen oder Filmen getan wird. In fast allen Lebensbereichen trifft man auf eine uns fremde Welt, egal ob es um das tägliche Brot, das Recht, die Ehe oder den Krieg geht. Es ist deshalb unumgänglich, auch einen genauen Blick auf die politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und militärischen Verhältnisse des Spätmittelalters an der Wende des 14. zum 15. Jahrhundert zu werfen.
Es hat sich eingebürgert, vom hohen moralischen Ross der Jetztzeit über das Verhalten und die Handlungen von Menschen vergangener Zeiten zu urteilen. Dass bestimmte Zustände und Verhaltensweisen nicht plötzlich entstanden und ein Ergebnis langer gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen waren, soll hier beschrieben werden.
Die Mark Brandenburg unter den Askaniern
Der 11. Juni 1157 gilt als das Gründungsdatum der Mark Brandenburg. Das war der Tag, an dem es Albrecht dem Bären (1134–1180)¹ gelang, die Brennaburg, heute Brandenburg, von seinem Widersacher Jacza von Köpenick (ca. 1125/30–1176) endgültig zu erobern. Dieses historische Ereignis war ein Teil der heute als deutsche Ostkolonisation, hochmittelalterlicher Landesausbau oder Transformationsprozess bezeichneten Vorgänge. Sie beschreiben letztendlich ein und denselben historischen Vorgang: die militärische Eroberung, die wirtschaftliche Erschließung und den Ausbau der ehemals slawischen Gebiete zwischen Elbe und Oder unter Führung einer feudalen Fürstenmacht. Dabei beteiligten sich slawische Fürsten der Polen und Pommern ebenso wie die deutschen Askanier und Wettiner.
Voraussetzung für diesen Expansionsdrang war ein beträchtliches Bevölkerungswachstum in weiten Teilen Europas im 11. und 12. Jahrhundert, was für einen steigenden Nahrungsmittel- und Versorgungsgüterbedarf sorgte. Zahlreiche neue Städte entstanden als Handwerks- und Handelszentren, die Landwirtschaft wurde durch Ausweitung der Anbauflächen intensiviert. Weltliche und kirchliche Fürsten strebten nach Aufwertung und Ausdehnung ihrer Herrschaftsgebiete, und Angehörige des Adels und der Ministerialität hofften, eigene Herrschaften oder Lehen zu erlangen. Die Bischöfe von Brandenburg und Havelberg sowie der Erzbischof von Magdeburg, deren Bistümer im 10. Jahrhundert gegründet worden waren und nach dem großen Slawenaufstand des Jahres 983 außerhalb ihres Zugriffes lagen, drängten auf eine erneute Eroberung der noch freien slawischen Gebiete östlich der Elbe. Der Höhepunkt war der sogenannte Wendenkreuzzug von 1147. Dass es diesen Pilgern in Waffen weniger um Christianisierung ging, zeigt der Angriff auf das schon längst christliche Pommern.
Abb. 3: Brakteat Albrecht des Bären und seiner Frau Sophia.
Eines der Länder, die in jener Zeit entstanden, war die Mark Brandenburg unter den Askaniern. Ihnen gelang es, im Verlauf des 13. Jahrhunderts einen der größten Staaten Nordeuropas zu schaffen, der von der Altmark im Westen bis nach Danzig in Preußen reichte. Doch mit dem Tod des letzten brandenburgischen Askaniers, des Markgrafen Waldemar (1308–1319), implodierte die Mark Brandenburg. Waldemar hatte keine direkten Nachfahren, nur einen zehnjährigen Cousin, der ein Jahr später ebenfalls starb. Damit fiel die Mark als erledigtes Lehen an die Krone zurück.
1Angegeben sind hier die Regierungszeiten.
Der brandenburgische Adel – Herkunft und Genese
Kein Stand in der Mark Brandenburg und dem späteren Preußen ist so kontrovers beurteilt worden wie der Adel. Je nach Betrachter wurde er bewundert, gefürchtet oder verspottet. Es finden sich klangvolle Namen unter ihnen wie die Schulenburgs, die Bredows, die Arnims oder die Gans zu Putlitz. Ihr neuzeitlicher Ruf und die zahlreichen prachtvollen, barocken Schlösser verdecken ihre geschichtlichen Wurzeln sowie die Höhen und Tiefen.
Die Wurzeln der märkischen Ritterschaft finden sich in der Entstehungszeit der Mark Brandenburg. Das neue Land musste durch Schwert und Pflug erobert werden. Die militärische Hauptlast dieser Eroberung lag bei den Angehörigen der späteren Ritterschaft. Der überwiegende Teil dieses Standes ging aus unfreien Ministerialen hervor, die mit den Askaniern, Greifen, Wettinern und Magdeburgern einwanderten. Sie waren ursprünglich eine Schicht unfreier Haus- und Hofdiener, die seit der Karolingerzeit (8. bis Anfang 11.