Konradin, der letzte Staufer: Spiele der Macht
Von Gerald Huber
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Buchvorschau
Konradin, der letzte Staufer - Gerald Huber
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Zum Buch
In dieser Biografie geht es um mehr als das kurze, nur 16-jährige Leben Corradinos, des „letzten Staufers", das 1252 auf Burg Wolfstein bei Landshut begann und 1268 in Neapel unter dem Henkersschwert endete. Es geht um die Machtspiele jener Zeit, die rund um den Königssohn, den Enkel Kaiser Friedrichs II., deutlich werden und eng verwoben sind mit dem Vormund des kleinen Königs, dem bayerischen Herzog Ludwig II. dem Strengen. Es geht um das Ende der Idee vom hochmittelalterlichen Universalreich und um die ersten Anfänge moderner Nationalstaaten. Und es geht um ein tragisches, symbolhaft wirkendes Fürstenschicksal, das viele Jahrhunderte in höchst unterschiedlicher Weise bewegt hat – bis in unsere Gegenwart.
Zum Autor
Gerald Huber M. A., geb. 1962, studierte Geschichte und Germanistik in Regensburg und München. Der Rundfunkjournalist (BR) ist Autor zahlreicher Sendungen und Publikationen zu kulturellen und historischen Themen.
Biografien machen Vergangenheit lebendig: Keine andere literarische Gattung verbindet so anschaulich den Menschen mit seiner Zeit, das Besondere mit dem Allgemeinen, das Bedingte mit dem Bedingenden. So ist Lesen Lernen und Vergnügen zugleich.
Dafür sind gut 100 Seiten genug – also ein Wochenende, eine längere Bahnfahrt, zwei Nachmittage im Café. Wobei klein nicht leichtgewichtig heißt: Die Autoren sind Fachleute, die wissenschaftlich Fundiertes auch für den verständlich machen, der zwar allgemein interessiert, aber nicht speziell vorgebildet ist.
Bayern ist von nahezu einzigartiger Vielfalt: Seinen großen Geschichtslandschaften Altbayern, Franken und Schwaben eignen unverwechselbares Profil und historische Tiefenschärfe. Sie prägten ihre Menschen – und wurden geprägt durch die Männer und Frauen, um die es hier geht: Herrscher und Gelehrte, Politiker und Künstler, Geistliche und Unternehmer – und andere mehr.
Das wollen die KLEINEN BAYERISCHEN BIOGRAFIEN: Bekannte Personen neu beleuchten, die unbekannten (wieder) entdecken – und alle zur Diskussion um eine zeitgemäße regionale Identität im Jahrhundert fortschreitender Globalisierung stellen. Eine Aufgabe mit Zukunft.
DR. THOMAS GÖTZ, Herausgeber der Buchreihe, geboren 1965, lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Regensburg. Veröffentlichungen zu Stadt und Bürgertum in der Neuzeit.
GERALD HUBER
Konradin, der letzte Staufer
Spiele der Macht
Verlag Friedrich Pustet
Regensburg
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
eISBN 978-3-7917-6127-5 (epub)
© 2018 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg
Einbandgestaltung: Martin Veicht, Regensburg
eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg
Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:
ISBN 978-3-7917-2842-1
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Informationen und Bestellungen unter verlag@pustet.de
1 Vorwort: Konradin lebt
Konradin, der letzte Staufer. Das ist nicht nur ein Name. Es ist ein Begriff, noch heute, obwohl sein Ruhm, seine Bekanntheit in keinem Verhältnis mehr stehen zu dem Klang, den er vor allem im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehabt hat. Ungezählt sind die Werke der Maler und Bildhauer, der Dichter und Geschichtenerzähler, aber auch der ernsthaften Historiker, die sich, wenn auch zum Teil mit sehr bedenklicher Tendenz, dieses Themas, dieses deutschen Mythos angenommen haben. Darin floss vieles zusammen und wurde mit neuer Bedeutung aufgeladen: Größe, Glanz, Erhabenheit und tragischer Fall des mittelalterlichen Reiches genauso wie die berühmt-berüchtigte Erbfeindschaft mit Frankreich oder die antipäpstliche Haltung und die wilden Großmachtphantasien samt Führerverklärung des zweiten, des preußischen Kaiserreiches, ebenso wie des sogenannten Dritten Reiches.
Eine im 21. Jahrhundert erscheinende Biografie Konradins darf sich deshalb nicht ausschließlich mit der Beschreibung eines nur 16 Jahre währenden Fürstenlebens zwischen 1252 und 1268 aufhalten. Sie muss mehr erzählen. Eben weil dieses Leben, obwohl es vor einem Dreivierteljahrtausend ein physisches Ende gefunden hat, bis heute mehr bedeutet; weil Leben und Sterben Konradins von nachfolgenden Generationen auf ungewöhnliche Weise mit Bedeutung aufgeladen wurden.
Nicht zuletzt auch, weil das Erbe der Staufer fortlebt. Ganz besonders eng ist die Geschichte Konradins mit der Bayerns verwoben. Der letzte Staufererbe kam 1252 in Burg Wolfstein bei Landshut als Sohn einer wittelsbachischen Herzogstochter zur Welt. Er wuchs auf im wittelsbachischen Familienverbund, sein persönlicher und politischer Werdegang ist aufs engste verknüpft mit dem seines wichtigsten Vormunds, des Bayernherzogs Ludwig II. Diesem wiederum fielen schließlich aus Konradins Erbschaft bedeutende Ländereien und Herrschaften am Lechrain und in der Oberpfalz zu: für das Herzogtum Bayern, das sich im 13. Jahrhundert auf den Weg machte, eines der bedeutendsten Territorien des Reiches zu werden, ein bedeutender Zuwachs, der heute zum »Altbestand« des Landes zählt.
Es gibt zahlreiche große und kleine, ältere und neuere Biografien Konradins. Abgesehen von Karl Hampes großer, 1894 erschienener Biografie, die bis heute als das fundierteste Werk zu diesem Thema gilt, fokussieren sich die allermeisten Werke auf den zunächst triumphalen Italienzug des 16-Jährigen und sein tragisches Ende, das zugleich das Ende seiner Dynastie bedeutete. Nur wenige beschreiben sein Heranwachsen ausführlicher. Gerade aber wenn man das politische Kräftespiel betrachtet, das den Stauferspross seit seiner Geburt umgab, entsteht ein buntes Bild der Chancen und verpassten Möglichkeiten jener Zeit, die mit der zeitgenössischen Allegorie des sich immerfort drehenden Rads der Fortuna so treffend beschrieben ist. Es war eine Zeit, in der viele alte Geschlechter zugrundegingen, die Staufer gehörten nur zu den prominentesten unter ihnen. Andere brachte das Glücksrad nach oben: In Deutschland waren es die Habsburger, die Hohenzollern oder auch die Wittelsbacher, die danach für viele Jahrhunderte Politik und Leben der Menschen prägten.
2 Marksteine der Stauferherrschaft
Die frühesten Anfänge der Staufer verlieren sich im 10. Jahrhundert. Im 11. Jahrhundert gelingt Angehörigen dieses Uradelsgeschlechts der Aufstieg zu Pfalzgrafen, wenig später auch zu Herzögen von Schwaben. Noch als Graf hatte der erste Herzog, Friedrich I., auf dem Hohenstaufen, einem markanten Zeugenberg bei Göppingen, die neue Stammburg errichtet, die der Familie erst in nachmittelalterlichen Zeiten den Namen geben sollte. So, schrieb Martin Crusius, ein Historiker des 16. Jahrhunderts, wurde der Grund zu den Schwäbischen Kaysern gelegt, welche aus dem Schloß Hohenstauffen oder der Stadt Waiblingen abkamen und das Kaysertum auch bey 120 Jahren rühmlichst verwalteten. Die heute sogenannten Staufer nannten sich selbst meistens von Schwaben, von außen, namentlich in Italien, wurden sie als Waiblinger (= Ghibellini) bezeichnet.
Konrad III.
Aufgrund ihrer Verwandtschaft mit dem salischen Königshaus erhoben die staufischen Aufsteiger bereits nach dem Tod Kaiser Heinrichs V. im Jahr 1125 Anspruch auf die deutsche Königswürde, mussten sich aber zunächst dem Sachsen Lothar von Supplinburg geschlagen geben. Als dieser zwölf Jahre später starb, bestieg mit Konrad III. erstmals ein Staufer den römisch-deutschen Königsthron. Er setzte sich dabei gegen den Welfen Heinrich den Stolzen von Bayern durch, der von seinem Schwiegervater Lothar noch zu Lebzeiten als Nachfolger designiert worden war. Doch dem Welfen machten die mächtig und selbstbewusst gewordenen Reichsfürsten einen Strich durch die Rechnung: Ein Kaiser mit zu starker Hausmacht hätte ihre Selbständigkeit möglicherweise zurückgestutzt. Sie wählten lieber den schwachbegüterten Staufer Konrad. Der nutzte kurz nach der Königswahl seine neugewonnene Macht skrupellos aus, nahm dem mächtigen Widersacher auch noch das Herzogtum Bayern ab und ächtete ihn. So entstand der berühmt-berüchtigte staufisch-welfische Gegensatz, der die kommenden eineinhalb Jahrhunderte politisch prägen sollte.
Die Welfen
Die Welfen gelten heute als das älteste Fürstenhaus in Europa. Die Familie stammte ursprünglich aus Oberschwaben und war zunächst eng mit den Karolingern versippt. Das ältere Haus starb 1030 im Mannesstamm aus. Der welfische Hausbesitz in Schwaben und dem Westen Bayerns vererbte sich über Kunigunde, die mit dem Lombarden Alberto Azzo, dem Gründer des Hauses d’Este, verheiratet war, an Welf IV. Dieser wurde 1070 Herzog von Bayern und Stammvater des bis heute existierenden Hauses. Bis 1180 stellten die Welfen die Herzöge von Bayern. Heinrich der Stolze, Welfs Enkel und Schwiegersohn des Sachsenkaisers Lothar von Supplinburg, brachte nach dessen Tod auch noch das Herzogtum Sachsen an sich und wurde überdies Markgraf von Tuscien (Toskana). Die Welfen waren damit die unbestritten mächtigste Adelsfamilie des Reiches, und Heinrich der Stolze griff überdies nach der Kaiserwürde. In der Auseinandersetzung mit den Stauferkaisern zogen die Welfen schließlich den Kürzeren. Sie mussten sich auf ihre sächsischen Besitzungen in Norddeutschland beschränken, aus denen die welfischen Herzöge von Braunschweig und Lüneburg, respektive die Kurfürsten und späteren Könige von Hannover sowie das gleichnamige englische Königshaus hervorgingen.
Friedrich I. Barbarossa
Konrads Erbe Friedrich I. mit dem Beinamen Barbarossa ging als einer der bedeutendsten Kaiser des Mittelalters in die Geschichte ein. Er mehrte nicht nur den Besitz des staufischen Hauses in Schwaben, sondern versuchte auch, die alte Kaisermacht in Italien wiederherzustellen. Doch er geriet in die Mühlen der Konflikte, die die italienischen Städte untereinander hatten. Auch die römischen Bürger wollten die Papstherrschaft abstreifen. Sie hatten den altrömischen Senat erneuert und boten Friedrich die Kaiserkrone aus den Händen des römischen Volkes an. Den Bruch mit der von Karl dem Großen begründeten Tradition, dass der Papst den Kaiser krönt, lehnte Friedrich aber ab.
Barbarossa wurde vom Papst gekrönt, gleich darauf aber kam es zu Unruhen mit den Römern. Er musste 1155 den Italienzug abbrechen, den er ein Jahr zuvor begonnen hatte. Das wiederum brachte ihn mit dem Papst in Konflikt, der sich vom Kaiser im Stich gelassen fühlte. Der Misserfolg ermunterte schließlich auch die oberitalienischen Städte, an ihrer Spitze Mailand, vom Kaiser abzufallen. Friedrich gelang es zwar 1162, Mailand zu unterwerfen, 1176 aber besiegte der sogenannte Lombardenbund, ein Bund der Städte in der Lombardei, den Kaiser. Danach gehörten die oberitalienischen Städte nur noch nominell zum Reich, zu dem sie immer mehr in Konkurrenz traten.
Innenpolitisch setzte Barbarossa auf Ausgleich mit den Welfen, der 1156 in der Restitution des bayerischen Herzogtums an Heinrich den Löwen kulminierte. Allerdings bekam der Welfe nur das bayerische Kerngebiet. Für den bisherigen babenbergischen Bayernherzog wurde die bayerische Ostmark, Österreich, abgetrennt und zu einem eigenen Herzogtum erhoben.
Lange Zeit kooperierten der Staufer und der mächtige Welfe so erfolgreich, dass den anderen Großen des Reiches die Machtfülle Heinrichs des Löwen bald ein Dorn im Auge war. Sie betrieben schließlich den erneuten Bruch zwischen Staufern und Welfen, der 1180 erfolgte: Barbarossa entzog Heinrich seine sämtlichen Reichslehen, darunter auch Bayern, das er seinem treuen Gefolgsmann, dem bisherigen bayerischen Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach, übergab. Bei dieser Gelegenheit wurde von Bayern auch noch die steirische Mark abgetrennt und zum selbständigen Herzogtum Steiermark erhoben. Obwohl sie damit quasi nur noch einen kläglichen Rest des alten bayerischen Stammesherzogtums übernahmen, entwickelten die Wittelsbacher in den nächsten Jahrzehnten eine glückliche Hand bei der Festigung und beim Ausbau ihrer Herrschaft. Heinrich der Löwe aber musste ins Exil, an den Hof seines englischen Schwiegervaters Heinrich II. Plantagenet.
Friedrich baute nun ungehemmt an seinem Königsstaat weiter, zu dem er sein schwäbisch-staufisches Hausgut, zusammen mit zahlreichen Erwerbungen im Elsass und in Franken bis hinein ins Egerland, entwickeln wollte.
Seine folgenreichste Aktion im Süden sollte die Hochzeit seines Sohnes Heinrich (VI.) mit der normannischen Erbprinzessin Constanze von Sizilien sein. Zu den schwäbischen Erblanden der Staufer würde also später ein eigenes süditalienisches Königreich kommen. Das normannische Königreich umfasste damals neben der eigentlichen Insel Sizilien den gesamten Süden Italiens in den heutigen Regionen Kalabrien, Basilicata, Kampanien und Apulien. Ideale Voraussetzungen also, um künftig den Kirchenstaat von Norden und Süden aus in die Zange zu nehmen.
Die Städte
Das sogenannte Hochmittelalterliche Klimaoptimum, eine klimatische Warmzeit etwa zwischen den Jahren 900 und 1400, ließ im Verbund mit