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Die Sieben
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eBook268 Seiten3 Stunden

Die Sieben

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Über dieses E-Book

Über das Buch:
Saron ist sechzehn und lebt mit Vater und Cousin auf einem kleinen Hof im Reich eines tyrannischen Herrschers. Er führt ein einfaches, arbeitsreiches Leben, bis er eines Morgens im Stall einem jungen Drachen begegnet.
Kaum hat er sich von dem Schrecken erholt, erscheint bereits der nächste ungebetene Besucher. Der alte Dragomir offenbart Saron, dass er einer der Sieben sei und der Drache von nun an zu ihm gehöre.
Und so kommt es, dass Saron sich aufmacht, seiner Bestimmung zu folgen und seinen Platz an der Spitze der Sieben einzunehmen. Eine lange gefahrvolle Zeit voller Abenteuer, Freund- und Feindschaften liegt vor ihm.
Werden die Sieben es am Ende schaffen, das Reich von der Herrschaft des bösen Königs zu befreien?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum27. März 2019
ISBN9783748259046
Die Sieben

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    Buchvorschau

    Die Sieben - Pauline M. Krämer

    Kapitel 1 – Morgenstund hat Feuer im Mund

    Der Wind heulte durch die Nacht. Es zog in jeder Ritze der kleinen Hütte, die Saron mit seinem Vater und seinem älteren Cousin Roderick bewohnte. Es war kalt und an einer Stelle des kleinen Raumes, den er sich mit Roderick teilte, tropfte Regenwasser durchs Dach. Morgen würde die Welt vielleicht schon wieder anders aussehen, denn das schlechte Wetter hielt in Andrija nie lange an. Doch bis dahin blieb Saron nichts, als zu warten.

    Ihm graute vor dem Sonnenaufgang, denn es war viel Arbeit liegen geblieben in den letzten zwei Tagen, die er und Roderick morgen würden aufarbeiten müssen. Sie lebten von der Landwirtschaft, wie beinahe alle Leute, die in dem kleinen Dorf Elben wohnten, in dem auch er lebte.

    Er fröstelte und zog die zerlumpte Decke, in die er sich gehüllt hatte, etwas fester um seinen Körper. Der Wind hielt ihn wach, doch er musste schlafen, wenn er morgen in der Lage sein wollte, den ganzen Tag auf dem Feld zu verbringen, um den Winterweizen zu säen. Sie konnten nicht mehr damit warten, selbst wenn es morgen immer noch regnen würde. Der Herbst stand vor der Tür.

    Nach einiger Zeit verfiel Saron in einen unruhigen Schlaf. Als er am nächsten Morgen aufwachte, kam es ihm vor, als habe er keine halbe Stunde geschlafen. Trotzdem durfte er nicht liegen bleiben, denn die Arbeit wartete nicht und sein Vater erst recht nicht.

    Er stand auf, zog sich an und ging hinunter in die Wohnstube. Roderick kam ebenfalls die Treppe nach unten. Im Gegensatz zu Saron, hatte er eine erholsame Nacht gehabt und war bester Laune. „Morgen", grummelte Saron.

    Gemeinsam packten sie genug Proviant ein, dass es für den ganzen Tag reichte. Glücklicherweise hatte das schlechte Wetter sich verzogen und Andrija zeigte sich von seiner schönsten Seite.

    Saron lief eilig in den Stall, wo sie einige Pferde stehen hatten. Sein Liebling war ein schöner Rappe mit seidig glänzendem Fell und feurigem Temperament. Deshalb hieß er auch Feuerblitz. Er war so schnell wie der Wind und es war herrlich, auf seinem Rücken zu sitzen, denn man fühlte sich, als könne man fliegen.

    Als er Feuerblitz einen Eimer voll Hafer hinstellen wollte, erschrak er, denn aus dem Augenwinkel bemerkte er etwas sehr Merkwürdiges. Ein kleines Wesen, kaum größer als ein Wolfsjunges, stand hinter seinen Beinen. Sarons Herz klopfte laut in der Brust. Er fand, es sah fast wie…, doch das war ganz und gar unmöglich, denn so etwas gab es doch gar nicht.

    Er fand, es sähe aus wie…

    „Npff!!!" Funken stoben aus der Nase des Kleinen. Als es dann auch noch kleine ledrige Flügel ausbreitete, gab es für Saron keinen Zweifel mehr. Das kleine Geschöpf, das da ungeschickt vor ihm her tapste, war ein Drache. Wenn auch ein sehr kleiner.

    Saron hatte schon viele Sagen über diese mystischen Geschöpfe gehört und hatte sie sich irgendwie anders vorgestellt. Der kleine Drache hatte einen langen Hals und kleine, spitze Hörner auf dem Kopf. Die Schnauze war schlank und endete in einem Maul mit kleinen, aber erschreckend spitzen Reißzähnchen. Seine Flügel waren groß und wirkten im Vergleich zu dem kleinen Körper überdimensional und sein Schwanz hatte angefangen, aufgeregt hin und her zu peitschen. Die Schuppen schimmerten in wunderschönem blau, doch seine klugen Reptilienaugen hatten einen gelblichen Stich.

    Eigentlich war Saron nach Brüllen, doch eine gewisse Faszination hielt ihn davon ab. Der Kleine wirkte nicht so, als wolle er ihn auf der Stelle in Stücke reißen. Außerdem würde sein Vater ihn sofort mitnehmen wollen, um ihn zu töten. Jedes nicht registrierte Tier brachte Ärger.

    Der König hatte ein Gesetz erlassen, nachdem jeder seine Tiere registrieren lassen musste. Niemand verstand, wieso der König unbedingt wissen wollte, wer welches Tier besaß. Doch wer dies nicht tat, wurde wegen Betrugs am Königshaus angeklagt. Das brachte einem einen Aufenthalt im Ikarus ein, dem schlimmsten Gefängnis im ganzen Land. Niemand, der dort wieder herauskam, und das waren bei Weitem nicht viele, war nachher wieder ganz der Alte. Man erzählte sich allerlei Schauermärchen, eines gruseliger als das andere. Angeblich hörte man die Schreie der Gefangenen bis in das nächste Dorf, obwohl die Mauern der Feste so dick sein mussten, dass kein Laut nach außen dringen konnte.

    Saron konnte seinen Vater ein bisschen verstehen, doch der Drache schaute ihn so vertrauensvoll an, dass er es nicht über sich brachte, seinen Vater zu holen. Langsam beruhigte sich sein Herzschlag.

    Er sah den Kleinen genau an und plötzlich überkam ihn eine unnatürliche Hitze. Dann hörte er eine merkwürdige Stimme in seinem Kopf: „ Saron, ich habe schon lange Zeit auf dich gewartet." Er fuhr herum, doch er konnte nichts entdecken. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass die Stimme wohl von dem Drachen kommen musste.

    Das war doch nicht möglich! Er musste zu wenig geschlafen haben, denn es erschien nicht einfach ein Drache aus dem Nichts und dass der dann auch noch mit ihm sprach war doch völlig verrückt. Doch tief im Innern seines Herzens wusste Saron, dass dieser Drache keine Fantasie war. So etwas war ihm nicht mal in seinen kühnsten Träumen passiert.

    „Saron, du brauchst keine Angst zu haben. Wir sind für einander bestimmt und werden zusammen mit den Sieben kämpfen." Das war mit Abstand das Seltsamste, das Saron je passiert war.

    Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Erschrocken fuhr Saron herum. Ein breitschultriger Mann mit langem Bart und stechend grünen Augen, die seinen eigenen sehr ähnlich waren, stand vor ihm. Hektisch versuchte Saron den Drachen zu verbergen, denn er vermutete, dass der Mann einer der Schergen des Königs war und ihn dafür bestrafen wollte, dass er ein Drachenbaby in seinem Stall beherbergte.

    „Ich habe ihn bereits gesehen", sagte der Bärtige mit tiefer, volltönender Stimme.

    „Oh, bitte, verhaftet mich nicht, Herr. Bitte bringt mich nicht ins Ikarus. Ich habe ihn doch gerade erst entdeckt. Wir wussten doch gar nichts von ihm. Wir sind nur einfache Bauern", flehte Saron.

    Der Mann hatte ihm belustigt zugehört und sein Mund kräuselte sich zu einem Lächeln. „So beruhige dich doch, Saron. Ich bin nicht der, für den du mich hältst. Du und dein Drache dort, ihr könnt mir helfen." Er zeigte auf den Kleinen.

    „Wer seid Ihr?, fragte Saron irritiert und erleichtert zugleich, dass er scheinbar doch nicht ins Ikarus musste. „Ich bin Dragomir. Komm heute Nacht hierher, wenn alle schlafen und ich werde dir alles in Ruhe erklären. Und nun geh, dein Cousin wartet sicher schon auf dich.

    Saron wollte nicht gehen, dafür war er viel zu neugierig, doch Dragomir wirkte nicht so, als dulde er Widerspruch. Also ging er schweren Herzen ins Freie.

    Roderick wartete tatsächlich bereits auf ihn. „Wo bleibst du denn?, rief er ungeduldig, „es kann doch unmöglich so lange dauern, die Pferde zu füttern.

    Saron schüttelte nur den Kopf. „ Ach, ich bin einfach noch ein wenig müde", log er. Obwohl er sich eben, nach dem Aufstehen, am liebsten wieder hingelegt hätte, fühlte er sich jetzt hellwach. Die Ereignisse der letzten halben Stunde hatten jegliche Müdigkeit vertrieben.

    „Jetzt komm endlich, lass uns aufbrechen", gähnte Roderick. Sie machten sich auf den Weg. Saron arbeitete an diesem Tag schneller als sonst, denn er wollte möglichst vor Sonnenuntergang nach Hause kommen. Obwohl er verschwitzt und erschöpft war, legte er keine Pause ein. Tatsächlich schafften sie es, noch vor der Dämmerung fertig zu werden.

    Müde stapften sie nach dem langen Tag nach Hause. Obwohl er so hart gearbeitet hatte, war ihm der fremde Mann nicht aus dem Kopf gegangen. Zwar wusste Saron, dass es nichts bringen würde, schon früher zum Stall zu gehen, denn er war sich ziemlich sicher, dass Dragomir nicht vor Anbruch der Nacht erscheinen würde, doch er musste den kleinen Drachen einfach wiedersehen.

    Also erzählte er Roderick unter dem Vorwand, nach der trächtigen Stute zu sehen, die ihr Fohlen bald bekommen sollte, dass er heute Nacht im Stall bleiben würde.

    Schnell wusch er sich und flitzte in seine Kammer, um sein Arbeitshemd gegen etwas weniger Dreckiges zu tauschen.

    Als er auf dem Weg nach unten seinem Vater begegnete, zogen sich seine Eingeweide zusammen. Das Verhältnis zwischen ihm und Saron war sehr bescheiden. Er hatte die letzte Auseinandersetzung mit seinem Vater noch nicht vergessen und dem Blick nach zu urteilen, den sein Vater ihm zuwarf, dieser ebenfalls nicht.

    Obwohl sie sich den ganzen Tag noch nicht gesehen hatten, gingen sie schweigend aneinander vorbei. Roderick war schon immer der Liebling seines Vaters gewesen. Das hatte Saron nie verstanden, da Roderick nicht einmal der leibliche Sohn seines Vaters war.

    Sarons Mutter war von einigen Schergen des Königs entführt, missbraucht und dann getötet worden, als er drei Jahre alt gewesen war. Bei diesem Gedanken brandete ein solcher Hass auf den König und seine Handlanger in Saron auf, dass er sich nichts sehnlicher wünschte, als sich zu rächen, doch das konnte er nicht. Sein Vater hatte sich nach dem Tod seiner Frau mit deren verwitweter Schwester vermählt. Diese hatte ebenfalls einen kleinen Jungen, Sarons älteren Cousin Roderick.

    Sie war eine schreckliche Frau und hatte Saron nie wie ihr eigenes Kind behandelt. Im Gegensatz zu Sarons Vater, der Roderick bereitwillig aufgenommen hatte. Doch auch sie war nach einigen Jahren am Fieber gestorben. Und so lebten Saron, sein Vater und Roderick nun allein in ihrer kleinen Hütte.

    Bei diesen Gedanken wurden weitere dunkle Erinnerungen wach. Saron dachte an den Streit mit Lyra, den er ebenfalls in dieser Zeit gehabt hatte. Was damals geschehen war, konnte sie ihm nicht verzeihen, und so hatte er seine beste Freundin in dieser schwierigen Zeit verloren. Kurz darauf war sie mit ihrem Vater fortgezogen. Nie wieder hatte er die Chance erhalten, sich zu entschuldigen.

    Ein Schwall frischer Luft traf ihn, als er ins Freie trat. Eilig machte er sich auf den Weg zum Stall. Er ging zu Feuerblitz‘ Box um nachzuschauen, ob der Kleine noch dort war. Saron hatte Angst, dass er sich alles nur eingebildet hatte, doch zu seiner großen Erleichterung hatte der Drache sich an den schlafenden Feuerblitz gelehnt.

    Als Saron in die Box trat, überkam ihn wieder diese unnatürliche Wärme. Auf unerklärlich Weise fühlte er sich mit dem Kleinen tief verbunden. Fast war es, als würde er seine Gedanken und Gefühle kennen und verstehen. Er wusste nicht woher dieses Gefühl kam, doch er wusste, dass es die Wahrheit war.

    Er hörte ein Geräusch hinter sich und fuhr herum. Zu seiner Freude war es Dragomir. Doch das Lächeln auf Sarons Gesicht verschwand so plötzlich, wie es erschienen war. Dragomir blickte so finster drein, dass Saron ein ungutes Gefühl beschlich.

    „Ist etwas passiert?", fragte Saron besorgt.

    „Komm mit", grummelte Dragomir.

    „Wohin?", fragte Saron ein wenig überrumpelt, doch Dragomir gab keine Antwort. Also blieb Saron nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.

    Kapitel 2 – Auf ewig dein

    Sie waren jetzt schon mehr als eine halbe Stunde unterwegs und Saron wurde langsam ungeduldig, als Dragomir plötzlich stehen blieb und sich aufmerksam umsah. Der Alte hatte ihn in den Wald geführt und Saron war sich langsam nicht mehr sicher, ob er ihm wirklich trauen konnte und doch blieb ihm nichts, als bei ihm zu bleiben, denn Saron hatte nicht die leiseste Ahnung, wo sie sich eigentlich befanden.

    Obwohl er sich in der Gegend eigentlich gut auskannte, hatte er den Wald noch nie betreten, denn er galt allgemein als verrufen und gefährlich. Sein Vater hatte ihm stets verboten, ihn je zu betreten. Trotzdem war er diese Nacht widerspruchslos mit Dragomir mitgegangen. Nun hatte er ein flaues Gefühl im Magen und Angst machte sich in ihm breit. Warum hatte Dragomir eigentlich nicht bei ihm zu Hause über die Angelegenheit sprechen können? Das hätte ihn von Anfang an misstrauisch machen sollen.

    Ehe er sich versah, war er mit der Frage herausgeplatzt, doch Dragomir legte ihm die Hand auf den Mund, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Sei still, raunte er ihm ins Ohr, „wir werden verfolgt. Er zog Saron in ein Gebüsch in der Nähe des Weges und kurz darauf hasteten zwei Männer an ihnen vorbei, ohne sie zu bemerken. Erleichtert stellte Saron fest, dass der Boden von gestern Nacht noch so matschig war, dass man einen menschlichen Fußabdruck in der Dunkelheit nicht von den Hufabdrücken eines Hirsches unterscheiden konnte.

    Dragomir packte Saron am Ärmel und zog ihn tiefer ins Gebüsch. Rückwärts stolperten sie durchs Dickicht. Ein Ast mit Dornen streifte Saron Arm und riss ihm Hemd und Haut auf. Es brannte höllisch und langsam wurde er ärgerlich. Wenn Dragomir ihm nicht verriet, was los war, würde er einfach stehen bleiben und ihn damit zwingen, ihm zu antworten.

    Saron stemmte seine Füße in den Boden und blieb stehen. Dragomir drehte sich um. Mit fester Stimme sagte Saron:

    „Ich möchte jetzt sofort wissen, was eigentlich los ist!" Dragomir schaute ihn finster und mit zusammengezogenen Brauen an.

    „Ich werde dir alles erklären, wenn wir da sind, Junge."

    „Ich will aber auf der Stelle wissen, was hier passiert", antwortete Saron trotzig. Er wusste selber, wie albern er klang, doch auch seine Geduld hatte ein Ende und dieses Ende war jetzt gekommen.

    „Komm jetzt mit, sagte Dragomir nun ärgerlich. „Ich werde mich erst wieder in Bewegung setzen, wenn ich alles weiß. Vorher gehe ich keinen Schritt weiter.

    Zu Sarons großem Erstaunen trat ein Lächeln auf Dragomirs wettergegerbtes Gesicht. Kurzerhand kam er einen Schritt auf Saron zu und hievte ihn über seine Schulter. Saron wehrte sich aus Leibeskräften, doch obwohl Dragomir schon sehr alt sein musste, hatte Saron nicht die geringste Chance. Er trommelte mit den Fäusten auf ihn ein, doch es war, als schlüge er auf einen Felsblock.

    Nach einiger Zeit sah er ein, dass es keinen Zweck hatte sich zu wehren. Dragomir stapfte unbeirrt weiter.

    Doch plötzlich lichtete sich der Wald. Dragomir setzte Saron unsanft auf dem Boden ab und trat auf die Lichtung. Der Anblick raubte einem den Atem. Der Mond leuchtete in dieser Nacht so hell wie schon lange nicht mehr. Er spiegelte sich in einem kleinen Teich, der ein Drittel der Lichtung beanspruchte. Um den Teich herum standen überall Blumen, deren Farben Saron nicht genau erkennen konnte, da die Sonne erst in einigen Stunden aufgehen würde. Ein kleiner Wasserfall mündete in den Teich und dahinter ragten Felsen empor. Überall schwirrten Glühwürmchen umher und warfen ein zauberhaftes Licht auf die Szenerie.

    „Wo sind wir?", hauchte Saron.

    „Das, verkündete Dragomir feierlich, „ist der Ort, von dem dein Drache stammt. Hier wurde das Ei ausgebrütet, aus dem er geschlüpft ist. Es ist ein magischer Ort und dein Drache wird für immer eine enge Bindung zu ihm haben. Hier wird er, egal was passiert, sicher sein. Jetzt ist er noch sehr klein, doch wenn du dich geschickt anstellst, wirst du noch in dieser Nacht das erste Mal auf seinem Rücken sitzen. Ruf ihn jetzt zu dir.

    „Was meint Ihr mit rufen?", fragte Saron verdattert.

    „Du musst deinen Geist gänzlich leer machen und an ihn denken. Habe ihn ganz genau vor Augen und dann ruf ihn hierher."

    Obwohl Saron felsenfest davon überzeugt war, dass gar nichts passieren würde, schloss er die Augen und versuchte an nichts außer an den Drachen zu denken. Er konzentrierte sich und ihm wurde für den Bruchteil einer Sekunde wieder merkwürdig heiß. Doch das Gefühl war so schnell wieder verschwunden, wie es gekommen war.

    „Es klappt nicht. Da war nur wieder diese Wärme", sagte Saron ein wenig enttäuscht.

    „Es hätte mich auch gewundert, wenn es auf Anhieb funktioniert hätte. Nur selten gelingt es unerfahrenen Anfängern, ihre Drachen zu rufen. Versuch es nochmal", riet ihm Dragomir.

    Wieder schloss Saron die Augen und konzentrierte sich. Er stellte sich den Drachen ganz genau mit allen Einzelheiten vor und schlagartig verspürte er wieder die Wärme. Vor lauter Aufregung brach die Verbindung jedoch erneut ab.

    Beim fünften Mal schaffte Saron es, die Verbindung lange genug zu halten, um zu fühlen, wie erregt der Kleine darauf wartete, endlich mit Saron sprechen zu können.

    Als er es danach noch einmal versuchte, klappte es endlich. „Hallo Kleiner?", fragte Saron und kam sich irgendwie albern vor.

    „Saron? Bist du das?", hörte er die Stimme in seinem Kopf rufen.

    „Ja, ich bin es. Ich soll dich zu uns rufen. Kannst du uns finden?", fragte Saron.

    „Natürlich kann ich dich finden. Ich kann dich über hunderte Meilen spüren.", meinte der Drache.

    „Dann komm", sagte Saron.

    Die Verbindung brach ab und Saron war sehr stolz, als er Dragomir von seinem Erfolg berichtete.

    „Sehr gut, sagte Dragomir anerkennend. „Ich denke, du hast Talent.

    Sie warteten einige Minuten, dann war ein Rauschen zu vernehmen. Über den Baumkronen war die Silhouette des Drachen zu erkennen.

    „Aber er ist ja immer noch so klein.", stellte Saron irritiert fest. Der Drache landete sanft neben Saron und schaute erwartungsvoll zu ihm auf.

    „Ihr müsst gemeinsam in den Teich der Unendlichkeit steigen. Das wird eure Bindung für immer besiegeln. Er wird wachsen, sobald er das Wasser berührt. Wenn ihr beide vollkommen untergetaucht seid, kannst du ihn anfassen und dich auf seinen Rücken setzen. Er wird dich aus dem Wasser tragen."

    Saron schaute den Kleinen an und es kam ihm vor, als würde der nicken. Er fühlte sich irgendwie durch ihn bestärkt. Gemeinsam gingen sie auf den kleinen Teich zu. Als er seinen Fuß ins Wasser setzte, waren seine Schuhe sofort durchweicht. Wider Erwarten war das Wasser angenehm warm. Bald stand er bis zur Brust im Wasser. Der kleine Drache neben ihm hatte bereits den Kontakt zum Boden verloren und schwamm. Beide holten tief Luft und zusammen tauchten sie mit den Köpfen unter.

    Saron öffnete die Augen und musste feststellen, dass es Salzwasser war. Es brannte in seinen Augen, doch er spürte es kaum, denn er sah verschwommen, wie der Drache immer weiter anschwoll. Er tastete nach ihm und fühlte, wie die Schuppen auf dem Rücken des Drachen immer größer wurden. Die Berührung löste ein Kribbeln aus und auf einmal fühlte es sich an, als ob sie nicht mehr zwei, sondern eine gemeinsame Seele hätten.

    Es war ein unbeschreiblicher Moment und Saron tastete nach den Zacken des Drachen und schwang sich zum ersten Mal auf seinen Rücken. Ihre Körper verschmolzen miteinander. Es fühlte sich an, als ob beide ihre Flügel ausbreiten würden. Sie schwangen sich in die Luft. Pfeilschnell schossen sie aus dem Wasser.

    Saron fühlte sich, als ob er noch nie etwas anderes getan hätte, als zu fliegen. Er versuchte, geistig Kontakt mit dem Drachen aufzunehmen. Diesmal klappte es sofort. Saron vermutete, dass es daran lag, dass sie einander so nahe waren. „Das ist ja unglaublich!, rief Saron. Im nächsten Moment hallte ein Wort in seinem Kopf wider, doch er konnte es nicht wirklich fassen. Dann hörte er den Drachen: „Du suchst nach meinem Namen! Ich heiße Merwin.

    Sie drehten scharf ab und Saron musste sich kurz festhalten. Er schaute nach unten und stellte fest, dass sie sich etwa hundertfünfzig Fuß hoch in der Luft befanden. Saron konnte sein Glück kaum fassen. Sie absolvierten einige waghalsige Flugmanöver.

    Die Wärme war seit dem letzten Mal nicht mehr verschwunden und Saron fiel es nun nicht mehr schwer, den Kontakt aufrecht zu erhalten. Zwischen ihm und Merwin hatte sich, seit sie zusammen in den Teich gestiegen waren, eindeutig etwas verändert. Sie waren einander näher gekommen.

    Er genoss den Wind, der ihm ums Gesicht wehte. Ihm war ein wenig kalt, da seine Kleider noch nass waren,

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