Die Earanna Chroniken: Band3: Wie Rannas Herz gestohlen wurde
Von Wolfgang Seibert
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Und fortan zog es ihn noch mehr hinaus aus der Stadt, hinein in die Nacht. Und ehe er sichs versah fand er sich . . .
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Buchvorschau
Die Earanna Chroniken - Wolfgang Seibert
Kapitel 1: Am Grabhügel
„Ey Grobniz, haste ma n Pfriem?"
„Halts Maul, Suftak! Hab schon zwanzichmal gesacht, auf Wache wird nich gequatscht!" brummte Grobniz, schaute mit ruckhaften Kopfbewegungen in die Runde und beäugte missmutig die regennassen Büsche und Bäume.
Suftak, wenig beeindruckt, nahm gelassen den Finger aus der Nase und sagte, nachdem er seinen Fund eingehend betrachtet, ein wenig zwischen den Fingern gerollt und dann in die Nacht geschnippt hatte: „Is doch eh n Scheißjob! Aussm Menschendorf kommt doch eh keiner! Also, gibse mir jetzt n Pfriem?"
„Un gestern Nacht, du Krötenhirn?"
„Da hattet nich geregnet! Sind eh nur zwei gekommen und einer älter als der andere! Pah! - Zwei alte Menschlein! Warn kein Problem für unsere Jungs, also mach dir nich ins Hemd!" erwiderte Suftak, nachdem er den Finger aus dem anderen Nasenloch nahm.
„Pah, kein Problem! Wegen dein „kein Problem stehn wir im Regen un müssen Wache schieben, für wenn noch mehr von dein „kein Problem
hier schnüffeln kommt!"
„Sach ich doch: issn Scheißjob! Und nu gib schon endlich n verdammten Pfriem!"
Grobniz warf noch einen misstrauischen Blick in die Runde, dann schauten die beiden Orks gleichzeitig hinter sich und horchten in den Tunnel hinein. Schließlich fischte er den Heiß begehrten Pfriem aus einem Lederbeutel, der an seinem Gürtel hing und warf ihn Suftak zu, der ihn, wie ein eifriger Hund beim Stöckchen holen, gleich mit den Zähnen fing.
„Hass ja Recht, issn Scheißjob. brummte Grobniz. „Trotzdem musse jetz dat Maul halten, sons hörn die dich noch da drin!
„Warum machen wir den Scheiß bloß immer mit?"
„Mogosh seine Kinder sin hungrig!"
* * *
In einem dichten Gebüsch, nur wenige Schritte links neben Suftak, den weder der Pfriem noch Grobniz’ Drohgebärden zum Schweigen brachten, lag seit einiger Zeit Ardun und belauschte die beiden übellaunigen Orkwachen. Auch er war völlig durchnässt, denn er hatte fast den halben Hügel in geduckter Haltung umrundet, hatte jeden Busch als Deckung genutzt und war immer wieder durch das regennasse Gras gerobbt, in dem Bemühen, sowohl lautlos als auch unsichtbar zu bleiben.
Seit seinem letzten Abenteuer war dies die erste Nacht, die er außerhalb der Stadtmauern verbrachte. Kraan würde kaum begeistert sein, wenn er von einem weiteren seiner nächtlichen Alleingänge und dessen Ziel erfahren würde. Es war nämlich gerade einmal zwanzig Tage her, das er mit seinen Freunden aus dem großen Wald zurückgekehrt war.
So wie es aussah, würde er diesen Ausflug nicht geheim halten können. Im Gegenteil - die Geschehnisse hier machten es erforderlich, dass er Kraan sobald wie möglich davon in Kenntnis setzte.
Auf der anderen Seite des Hügels, im Schutze einer kleinen Baumgruppe wartete Targon gemeinsam mit Jengar auf seine Rückkehr.
Jengar war kurz nach Einbruch der Dunkelheit in Arduns Zimmer gestürzt und hatte alle Türen von der Haustür bis hinauf zum Dach offen gelassen. Völlig außer Atem stammelte er: „Frennek! . . . Ich habe Frennek gefunden . . . tot . . . Ich glaube er ist tot!
Und . . . Diralt . . . vielleicht auch!"
Ardun kannte Diralt:
Der Wettergegerbte Söldner war an einem regnerischen Tag mit der Raunsee-Fähre nach Darrelbrück gekommen und hatte sich in der Herberge „Zum alten Steg"einquartiert. Er fand Gefallen an dem kleinen Städtchen; so sehr gefiel es ihm, dass er sich insgeheim wünschte, hier eine dauerhafte Bleibe zu finden und in die Tempelwache aufgenommen zu werden. Ein angenehmer und geruhsamer Lebensabend für einen alten Veteranen, so sagte er immer wieder. Doch da er trotz seines Berufes das reife Alter von 58 Sommern erreicht hatte, verbot es ihm sein Stolz darum zu bitten. Stattdessen, so erzählte er seinen neuen Freunden, warte er auf eine Gelegenheit, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.
Nach dem, was Jengar erzählte, als er wieder bei Atem war, schien gestern Abend der Moment gekommen zu sein. Diralt tat sehr geheimnisvoll als Jengar ihn traf und wollte nicht mehr verraten, als dass er sich mit einem alten Fallensteller treffen wollte, der ihm eine interessante Geschichte erzählt hatte. Es ginge dabei um den Grabhügel, dem ja all dies abergläubische Volk fernblieb! Sogar bei Tag würden sie nicht einmal durch seinen Schatten gehen, lachte er, weil’s angeblich Unglück bringt!
Ha! Genau das Richtige für den alten Diralt!
Als Jengar Diralt so reden hörte, hätte er beinahe darum gebettelt, ihn zum Grabhügel begleiten zu dürfen. Doch er hatte noch einiges gutzumachen, wegen seines letzten Abenteuers, darum blieb er schweren Herzens vernünftig und zu Haus.
Dies konnte ihm Ardun nachfühlen, denn seit Tagen wurde er nun schon von einer stetig zunehmenden Unruhe gequält. Auch der seltsame Traum in dem er über eine endlose Wüstenebene wanderte, hatte ihn vor drei Tagen wieder heimgesucht. Seitdem schienen ihm die Mauern Darrelbrücks jeden Tag ein wenig enger.
Wie dem auch sei, als Jengar im Laufe des Tages weder den alten Fallensteller noch Diralt zu Gesicht bekam, überfiel ihn eine große Unruhe, die ihn endlich vor die Tore der Stadt trieb. Ehe er sich versah, war er auch schon in der Nähe des Hügelgrabes und bald darauf fand er den Fallensteller im Graben unter der Hecke. Genau dort wo die Straße dem Hügel am nächsten kommt.
„Und warum kommst du damit zu mir?" hatte Ardun gefragt, worauf Jengar meinte:
„Mir glaubt doch Keiner! – Und so was schon gar nicht!"
„Mein Ruf ist nicht viel besser als Deiner, Freund Jengar!" erwiderte Ardun. „Aber was meinst du mit so was?"
„Da war kein Blut, Ardun! Sie haben ihm die Kehle durchgeschnitten und nirgendwo war Blut! Das machte mir Angst!" Es hatte ihn eine gehörige Portion Überwindung gekostet, aber er hatte sich den Toten genau angesehen. Und dennoch den Schnitt im Hals des Mannes beinahe übersehen, denn seltsamerweise war da kein Blut – weder auf der Haut noch auf der Kleidung des Toten.
Natürlich lag der Gedanke nahe, dass Diralt selbst den alten Mann auf dem Gewissen hatte. Es würde auch sein Verschwinden erklären. Doch das wollte nicht zu Diralt passen, fand Jengar.
Ardun fand diesen Gedankengang ebenfalls wenig überzeugend. Er ließ Diralts Charakter außer Acht und erklärte nicht das fehlende Blut.
„Wir werden Targon brauchen!" entschied Ardun.
Es war nicht sonderlich schwierig Targon zu überreden, da er den alten Veteranen gut genug kannte, um an dessen Unschuld keinen Zweifel zu hegen.
Der Zauberer hatte ihn mit einem seiner seltsam durchdringlichen Blicke bedacht: „Gut das du zu Hause geblieben bist, obwohl du es um Diralts Willen bedauern magst." sagte er und Ardun begriff, das auch Diralt tot sein könnte. Doch das bestärkte ihn nur in seinem Entschluss, dem Hügelgrab einen Besuch abzustatten.
„Und auch heute verlässt du nicht die Stadt! sagte der Zauberer, als hätte er seine Gedanken gelesen. Doch dann grinste er und fügte hinzu: „Es sei denn, ich bin dabei!
„Kraan wird dir dafür Vorwürfe machen!" warnte Ardun.