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Die nächste Generation: Gejagt
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eBook321 Seiten4 Stunden

Die nächste Generation: Gejagt

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Über dieses E-Book

Clementine ist sechzehn und eigentlich hatte sie bisher angenommen, ihr Leben wäre völlig normal. Doch dann durchlebt sie eines Tages ihre erste Verwandlung in ein Dämonenwesen. Währenddessen entdeckt ein Junge im gleichen Alter ebenfalls, dass er besondere Fähigkeiten besitzt. Beide müssen ihre Familien und ihr altes Leben hinter sich lassen, um sich einer speziellen Ausbildung zu unterziehen und mehr über ihr Schicksal zu erfahren. Schon bald merken die beiden Teenager, dass sie durch ihre Geburt zum Spielball rachsüchtiger Menschen geworden sind und dass es allein in ihren Händen liegt, die Welt vor ihrem Untergang zu bewahren.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum2. Sept. 2020
ISBN9783347140486
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    Buchvorschau

    Die nächste Generation - Jule Beatsch

    Vorwort:

    Als erstes möchte ich mich bedanken, dass jemand dieses Buch in Händen hält, um es zu lesen. Meine Hauptzielgruppe sind von Anfang an Jugendliche gewesen, denn ich möchte ihnen mit diesem Buch zeigen, dass Bücher lesen Spaß machen kann. Als ich mit dem Schreiben dieses Buches anfing, war ich gerade mal dreizehn Jahre alt und habe das nur aus Langeweile gemacht. Aber die Idee umfasste mit der Zeit unglaubliche viele Details und es kamen immer mehr Seiten hinzu. Meine Grundidee war es das Buch so zu schreiben, dass jeder für sich einen Charakter finden kann, in der er sich gut hineinversetzen kann und sich mit diesem identifiziert. Ich habe auch Probleme angesprochen, die sicherlich der ein oder andere kennt oder vielleicht sogar jeden Tag damit konfrontiert wird: Schulstress, Depressionen, Angst, Einsamkeit oder auch das Gefühl einfach anders zu sein. Doch es sind auch Themen, wie Individualität, Teamgeist, Liebe und Zusammenhalt in diesem Buch zu finden. Dies soll bedeuten: auf schlechte Zeiten folgen gute; man darf sich nie selbst aufgeben und nie den Kopf hängen lassen. Dieses Buch soll euch einfach zeigen, dass es immer wieder Lichtblicke gibt, egal wie klein sie sind, man muss nur die Augen öffnen, um sie sehen zu können.

    In dem Sinne: Danke fürs Lesen. Ich hoffe ich kann hiermit etwas bewirken. Die Kapitelüberschriften sind übrigens Songs, die meiner Meinung nach perfekt zu den darin angesprochenen Themen passen.

    Clementine

    (Mark Owen, 1996)

    Gott wird oft als übernatürliches, körperloses Wesen definiert, für das die Naturgesetze nicht gelten.

    Anders formuliert ist unser Gott ein unsterbliches höheres Wesen von Menschengestalt, das die Verkörperung einer Naturkraft oder einer geistigen oder sittlichen Macht darstellt. Gott bedeutet: allmächtig und gerecht. Jeder von uns dachte doch einmal, dass Gott ein lieber und freundlicher alter Mann mit weißem Bart und einem weißen Gewand ist, welcher immer auf uns aufpasst und uns vor all dem Bösen in der Welt bewahrt. Der oben auf einer riesengroßen weichen Wolke sitzt und uns vor Gefahren beschützt, sodass wir niemals Angst haben müssen. Jemand, der uns zeigt, dass uns jeder Fehler vergeben wird. Jemand, der in schwierigen Zeiten immer für uns da ist. Eine Art Belohnung für unseren Glauben. Ja, das ist alles schön und gut, aber mal ehrlich: Als Kind haben sie dir immer erzählt, wie wunderbar und perfekt der religiöse Glauben ist. Ist er für manche Menschen ja auch. Aber nie hat jemand was von der anderen Seite unseres Glaubens berichtet. Vom Jenseits. Dort kommen alle bösen Seelen nach dem Tod hin, Menschen, die in ihrem Leben Fehler gemacht haben und genau das ist die Lücke in unserem Glauben. Denn jeder Mensch, jede Kreatur und jedes Wesen macht Fehler, das ist unvermeidbar. Ich schlussfolgere, dann müsste ja eigentlich jeder in das Jenseits beziehungsweise in die Hölle kommen, ich meine, die müsste ja dann schlichtweg total überfüllt sein. Hätte ich all das vorher gewusst, hätte ich sicherlich einiges davon vermeiden können, ich hätte mein Leben mehr geachtet, ich hätte es wertgeschätzt und ich wäre zu einigen Menschen netter gewesen. Glaubt mir, ich hätte sehr viel anders gemacht. Nun ist es vorbei. Es ist unaufhaltsam. Und irgendwann erwischt es auch dich. Und du wirst es viel zu spät bemerken.

    ***

    „Clementine! Hast du deine Hausaufgaben für morgen in Chemie schon gemacht? Du weißt, das wird benotet, und du weißt, dass du dich mehr anstrengen musst! Davon hängt sehr viel ab; das weißt du doch selbst! Stell dir mal vor, du würdest sitzen bleiben! Es würde unseren Ruf ruinieren, es wäre eine Tragödie!, rief ihre Mutter, Mrs. Campbell, aber mehr jammernd und mehr zu sich selbst, als wäre eine schlechte Note in Chemie ihr Todesurteil. Clementine hatte im ersten Stock einer sündhaft teuren Villa in den Beverly Hills der Stadt Los Angeles ihr Zimmer und rief trotzig durch die offene Zimmertür nach unten: „Ja, ich habe das Zeug fertig und ja, ich habe mich angestrengt! Und keine Sorge, ich werde schon nicht sitzenbleiben. Zufrieden?

    Ein tiefes Seufzen war die Antwort und sie hörte wie ihre Mutter zu sich selbst sagte: „Dieses Kind!"

    Clementine rollte nur mit den Augen, drehte dem Flur mit vergoldeten Stuck-Wänden den Rücken zu und schloss die Tür. Sie hatte ihrer Mutter nicht die ganze Wahrheit gesagt, denn ihre Hausaufgaben in Chemie, „von denen ja soooo viel abhing, hatte sie nicht mal zur Hälfte fertig. Sowieso hatte Clem nur wirres Zeug mit irgendwelchen Formen und Stoffen aufs Blatt geschmiert, so was H2O-mäßiges. Es würde schon schiefgehen; ihr Chemielehrer war eigentlich relativ locker, was Hausaufgaben betraf. Im Wesentlichen saß er im Unterricht immer nur vorne am Pult und las irgendwas, solche historischen Bücher, die er aus der Schulbibliothek auslieh. Mittlerweile war Clementine aber felsenfest davon überzeugt, dass er schon mindestens die Hälfte aller Bücher dort gelesen hatte, so müde wie er immer aussah mit seinen zerzausten Haaren, der schiefen Brille mit den dicken Gläsern und seinem zerknitterten Anzug. Nicht zu vergessen: seine gestreifte Krawatte. Clem war sowieso nicht so der „Ichlerne-weil-es-mir-Spaß-macht-Typ, sondern eher der „Ich-lernenachts-um-drei-weil-ich-die-Personifizierung-der-Faulheit-bin. Das könnte vermutlich der Grund sein, weshalb sie nicht so großartige Noten schrieb. Ihr persönlich war das ja auch nicht so wichtig, aber für Clems Mutter, das in Los Angeles hoch angesehene und heiß begehrte Model, war das ja das Wichtigste auf der Welt. Es hätte Clementine nicht gewundert, wenn sie Lehrerin geworden wäre, falls es mit der Model-Karriere nicht hingehauen hätte. Jedenfalls hatte sie die große Angst, Clem würde nicht erfolgreich werden. Ihre Vorstellung von der Zukunft ihrer Tochter war nämlich, dass Clementine wie sie ein Model werden würde oder zumindest eine Schauspielerin. Erfolg war alles für sie, und auch ihr Stiefvater hatte einen tollen Job: Er arbeitete als Regisseur von weltbekannten Filmen, die in allen möglichen Ländern ausgestrahlt wurden. Clementine selbst hatte noch keinen Beruf vor Augen, eine Modelkarriere wäre für sie allerdings das langweiligste auf der Welt. Immer nur perfekt lächeln, einen hässlichen roten Teppich entlang stöckeln und posieren? Dann könnte sie ja gleich Prostituierte werden, also mal ehrlich. Seufzend ließ sie sich auf ihr goldenes Himmelbett fallen. Die zahlreichen Kissen federten sie, sodass sie wie auf einer Wolke landete. So lag sie da eine ganze Weile und starrte die Decke an, die über und über mit beigen Paisleymustern verziert war. Natürlich hatte Clementines Mutter ihr Zimmer eingerichtet. Aber sonderlich beschweren konnte sie sich nicht darüber; es war besonders groß und geräumig, und sie besaß einen Balkon mit Blick auf den Schriftzug „Hollywood. Sie ließ ihren Blick kurz über die restliche Einrichtung ihres Zimmers schweifen. Sie besaß einen großen Kleiderschrank, eine etwas kleinere Kommode und einen hübschen Schminktisch.

    Erschrocken fuhr das Mädchen hoch, als das laute Klingeln ihres Handys sie aus ihren Tagträumereien riss. Verwundert blinzelte Clementine und starrte verwirrt auf das Display.

    „Oh wie schön, Kai ruft an!", murmelte sie und ging natürlich sofort ran.

    „Hi Clem", begrüßte die Stimme eines Jungen sie mit seiner sanften und ruhigen Stimme, wodurch Clementine sich sofort besser und fröhlicher fühlte. Kai war Clementines Freund und sie gingen in die gleiche Klasse. Er war in ihren Augen ihr Seelenverwandter, ihr Lebenssinn.

    „Hallo Kai, wie geht es dir?", fragte Clementine verträumt und zeichnete mit ihrem Zeigefinger wilde Muster in ihre Bettdecke.

    „Alles gut, nur Training nervt. Jordan ist so ein schlechter Spieler! Mich wundert es, dass der Coach ihn noch nicht aus dem Team geworfen hat. Sogar ein Nilpferd im Tanga würde besser spielen als er.", berichtete er ihr und Clementine prustete los. Kai war ein leidenschaftlicher Footballspieler, der Sport war einfach alles für ihn, mehr als nur ein Hobby.

    „Ach was, soooo verdammt schlecht wird er schon nicht sein.", grinste sie und hatte immer noch die Vorstellung von dem Nilpferd im Kopf.

    „Wie geht es dir sonst so?", fragte er sie als nächstes, doch die Verbindung schien abzubrechen, denn Clementine hörte nur noch komische kratzende Geräusche, als befände Kai sich gerade in einem Funkloch.

    „Mir geht es gut, nur meine Mutter nervt voll rum, mit meinen lebenswichtigen Hausaufgaben und so", erzählte sie ihm, aber die Verbindung wurde immer schlechter.

    „Ich… ch… rufe… dich…sp…später …zurück", knirschte seine vertraute Stimme und die Verbindung brach ab

    Bitter sweet Symphony

    (The Verve, 1997)

    „Der Wolf (Canis Lupus) ist das größte Raubtier aus der Familie der Hunde (Canadiae). Wölfe leben meist in Familienverbänden, fachsprachlich Rudel genannt. Die Art war seit dem späten Pleistozän in mehreren Unterarten in weiten Teilen [der Erde] heimisch Außerdem zählen sie zu den bekanntesten Raubtieren überhaupt, denn sie haben frühzeitig den Weg in viele Mythen und Märchen der alten Völker gefunden. Sie sind zudem die Stammform aller Haushunde und des sekundär wilden Dingos".

    „Hmmm, irgendwas fehlt noch, nicht wahr Jake?", murmelte Tarik konzentriert und kraulte seinen treuen Hund, der immer zur Stelle war, wenn er traurig war. Sein Blick jedoch war auf den Bildschirm seines PCs vor ihm gerichtet, denn dort schrieb er gerade einen Text über sein Lieblingstier, den Wolf. Er fand diese wilden Tiere wunderschön und war fasziniert von ihrer Stärke. Jake erhob sich auf seine Pfoten und riss das Maul auf, um zu gähnen. Dabei entblößte der Husky-Rüde eine Reihe perlweißer, scharfer Fangzähne und sah Tarik mit seinen großen, unschuldigen türkis-blauen Augen an. Tarik schmunzelte und strich seinem Freund sanft über den Kopf. Er liebte Tiere und auch die Wissenschaft. Es faszinierte ihn einfach immer wieder von Neuem, wie vielfältig diese Wesen waren und welch verblüffende Verhaltensweisen sie an den Tag legten. So war es auch bei Jake. Der Husky hatte schönes, glatt anliegendes schwarz-weißes Fell und einen sanftmütigen und durchaus menschenfreundlichen Charakter, weshalb Tarik diese Hunderasse auch so sehr mochte. Huskys sind in vielen Bereichen einsatzfähig, was Menschen betrifft, und deshalb auch unter vielen Kindern beliebt. Jake bellte kurz und hechelte Mitleid erregend.

    „Oh, sag bloß du hast schon wieder kein Futter mehr! Es ist doch nicht mal eine halbe Stunde her, seit – okay, ich hatte Recht, du Vielfraß. Wie kann man nur so verfressen sein? Wie schaffst du es nur, innerhalb von dreißig Minuten dein ganzes Futter zu verschlingen? Naja, man muss ja nicht alles auf dieser Welt verstehen…, murmelte Tarik und seufzte grinsend. Irgendwann würde dieser Hund ihnen noch die Haare vom Kopf fressen. „Na dann komm schon mit , forderte er den Vierbeiner mit einer einladenden Handbewegung auf und wartete an seiner Zimmertür, bis Jake an ihm vorbei gehuscht war. Tarik schloss geräuschlos die Tür hinter sich und fuhr sich mit der rechten Hand noch einmal prüfend durchs schwarze Haar, dessen Strähnen über seiner Stirn hingen. Das sieht süß aus, sagte seine Mutter immer. Seine graugrünen Augen bekamen einen traurigen Ausdruck, als der Junge an seine Mutter dachte. Sie machte so viel für ihn. Sie arbeitete für einen Professor in einem Labor als Assistentin. Früher hatte sie Biologie mit dem Schwerpunkt Botanik studiert, deshalb kannte sie sich in diesem Themengebiet auch ziemlich gut aus. Sie hatte früher auch einen guten Job gehabt, aber das war gewesen, bevor sein Vater seine Mutter verlassen hatte. Tarik kannte ihn nicht einmal, er war abgehauen, als Mrs. North mit ihm schwanger gewesen war. Einfach abgehauen. Seitdem kamen sie nur schwer über die Runden. Mrs. North arbeitete hart und viel, um ihrem Sohn alles zu ermöglichen. Tagsüber eben im Labor und in der Nacht hatte sie noch einen anderen Nebenjob. Tarik hatte seine Mutter früher oft gefragt, wer sein Vater sei, wo er wohne oder wie er aussah. Sie hatte darauf immer mit „Eines Tages wirst du das alles verstehen mein Schatz. Eines Tages, aber nicht heute. geantwortet. Jetzt war er sechzehn und hatte sehr wohl verstanden, was sie damals gemeint hatte. Sein Vater, Logan McCallister, hatte nun eine andere Familie. Er hatte eine schottische Frau geheiratet und mit ihr einen Sohn, der nicht viel jünger als Tarik war. So viel zu „Familien halten zusammen. Gar nichts hält zusammen.

    „Wuff!" bellte Jake ungeduldig und wedelte mit seiner Rute auffordernd gegen Tariks Schienbein.

    „Ja, ist ja gut, ich komme ja schon, Geduld ist wohl ein

    Fremdwort für dich, was?", neckte Tarik liebevoll und lief die alte Holztreppe hinunter in die geräumige Küche.

    Das Haus, in dem der Junge mit seiner Mutter wohnte, war schon ziemlich alt, bestimmt wurde es Anfang oder Mitte der neunziger Jahre erbaut, denn es war fast ausschließlich aus Holz, mit einem schönen Muster an der Fassade. Hier in Kanada war es sehr ruhig, die Dörfer waren abgelegen und man kannte sich untereinander. Das war eines der Dinge, die Tarik nur zu gut wusste. Nachdem er seinem Hund etwas Fressen und ein bisschen frisches Wasser in den Napf gefüllt hatte, hörte er, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Jake spitzte die Ohren, hob aber nicht den Kopf. Er kannte die vertrauten Schritte seiner Besitzerin.

    „Tarik? Bist du Zuhause?", fragte eine weibliche Stimme und es folgte ein heftiges Keuchen. Der schwarzhaarige Junge machte einen Sprung über Jake, der mit seinem Futter total im Weg stand, und huschte den Flur entlang zur Haustür. Seine Mutter, Mrs. North, hatte zwei volle Tüten in der Hand, die sie den langen Weg vom Labor mit nach Hause geschleppt hatte, denn ein Auto besaßen sie nicht. Entweder fuhren sie mit dem Bus oder gingen zu Fuß.

    „Wieso hast du mich denn nicht angerufen, Mum? Ich wäre dir doch entgegengekommen und hätte dir was abgenommen!", tadelte Tarik seine Mutter und nahm ihr schleunigst die schweren Taschen ab.

    Sie lächelte dankbar: „Ich weiß, mein Junge, aber du machst doch gerade deine Wissenschafts-Sachen. Da wollte ich nicht stören.", sagte sie und ihre Miene hellte sich auf, als der Husky um die Ecke getrottet kam. Liebevoll begrüßte Mrs. North den Familienhund und gab ihm eine Streicheleinheit der Extra-Klasse.

    „Kann ich wieder hochgehen oder brauchst du mich noch? Und, was ist eigentlich in den Taschen? Die sind nämlich wirklich voll schwer!, fragte Tarik neugierig. Seine Mutter, eine Frau mittleren Alters mit schulterlangen blonden Haaren, lächelte vielsagend: „Nichts Besonderes, das sind nur ein paar Setzlinge und Blumen. Ich habe sie aus dem Labor mitbekommen; der Professor hat sie in meine Obhut gegeben. Aber es wird schon ein Weilchen dauern bis sie wachsen, erklärte sie und ihre Augen bekamen einen wehmütigen Ausdruck. Tarik wusste, dass sie es vermisste, eine richtige Biologin zu sein. Das hatte ihr so viel bedeutet und so viel Spaß gemacht.

    „Musst du noch etwas für die Schule machen, Schatz? Ich könnte dich später gerne abfragen, wenn du willst", meinte sie und wollte so wahrscheinlich das Thema wechseln. Tarik war das ganz recht.

    „Ich muss nur eine Seite Spanisch Vokabeln lernen. Mr. Moreno fragt morgen ab. Abgesehen davon, dass er so cool ist, sind seine Abfragen ziemlich schwierig…", ergänzte er und begann mit seinen Fingerknöcheln zu knacksen.

    „Na dann lern mal fleißig! Falls du Hilfe brauchst, kannst du mich ja fragen. Ich bin im Wohnzimmer und schaue mir eine Doku an.", erzählte seine Mutter beiläufig und drehte ihrem einzigen Sohn den Rücken zu. Tarik grinste und lief gut gelaunt die Treppe nach oben in sein Zimmer. Hätte er gewusst, dass das wohl der letzte Abend sein würde, an dem alles normal war, hätte er die Doku bestimmt mit ihr zusammen geschaut….

    A whole Universe…

    (Bare naked ladies, 2008)

    „Tarik, verdammte Scheiße! Man, wo bist du gewesen? Wieso hat das denn nur so lange gedauert?", fragte ein braunhaariger Junge mit schokoladenbraunen Augen vorwurfsvoll und zerrte Tarik am Ärmel den Flur entlang.

    „Hey, mal halblang Alan! Wir haben noch drei Minuten und Mr. Moreno kommt doch eh immer etwas zu spät", beruhigte Tarik seinen aufgebrachten Freund und verlangsamte seine Schritte wieder.

    „Ich muss noch lernen! Ich kann keine EINZIGE Vokabel!! Wenn der mich abfragt, bin ich am Arsch!", rief Alan und kramte sein Spanischbuch aus dem schwarzen Rucksack mit dem Aufnäher: The Sky is the Limit.

    „Ah, da ist es ja! Komm Alter, es klingelt gleich!", drängte Alan und hetzte den blau gestrichenen Flur entlang, an dessen Wänden zahlreiche Bilder hingen, die von niedrigeren Klassen gemalt worden waren. Einige davon zeigten Blumenwiesen, ein paar andere eine hübsche verschneite Winterlandschaft mit

    Schneemännern und Schlitten, und die meisten waren Tier-zeichnungen. Fast alle zeigten das Nationaltier Kanadas, den kanadischen Biber. Das schrille Läuten der Schulglocke zwang Tarik dazu seinen Blick von den Gemälden abzuwenden, und gemeinsam mit seinem Freund mischte er sich unter die Menge an Schülern, die alle fröhlich durcheinander plapperten. So gelangten die beiden in ein großes Klassenzimmer. Alle Schüler des Spanischkurses waren bereits anwesend, manche saßen auf ihren Tischen, zeigten sich gegenseitig Fotos auf ihren Smartphones und kicherten. Andere hockten lässig an ihrem Platz und blätterten noch einmal ihre Schulunterlagen durch. Aber die meisten – und das wunderte Tarik überhaupt nicht – saßen bei Nina Smith und schrieben eilig die Hausaufgaben ab. Typisch Nina. Sie hatte einfach IMMER die Hausaufgaben. Als Tarik sich an seinen Platz in der zweiten Reihe neben Alan setzte, musterten ihn einige Mitschüler argwöhnisch und flüsterten sich Dinge zu. Er wusste, dass es Dinge waren, die mit ihm zu tun hatten, denn er wurde immer wieder schief von der Seite angeschaut. Das war für ihn allerdings nichts Neues; in seiner Klasse war er nur als „der verrückte Tier-Nerd" bekannt und das schon seit der 6. Klasse. Mittlerweile störte ihn das fast gar nicht mehr; er hatte sich mit der Tatsache abgefunden.

    „¡Buenos dias!", begrüßte Mr. Moreno die Schüler des Spanischkurses freundlich und gut gelaunt, so wie an jedem anderen Tag auch. Er hatte ein nettes, breites Grinsen im Gesicht und seine grauweißen Haare waren sauber nach hinten gekämmt. Der Lehrer legte seine braune Wildledertasche auf das Pult und verschränkte die Arme hinter dem Rücken.

    „Setzt euch", forderte er die Schüler mit einem Kopfnicken auf und wartete, bis alle Gespräche verstummt waren. Seine Augen huschten über die Klasse und er fragte nachdenklich:

    „Hatte ich euch vorgestern etwas aufgegeben? Dabei kratzte er sich am Kinn. Ein paar Jungs schüttelten den Kopf, als würden sie sich fragen „Was für Hausaufgaben? Das habe ich ja noch nie gehört! Doch sofort schnellte Ninas Zeigefinger in die Höhe:

    „Ja Mr. Moreno, wie hatten im Buch Seite 34. Nummer 5 A) und B) auf", erklärte sie und deutete vielsagend auf ihr Heft, um ihren Worten noch etwas Nachdruck zu verleihen.

    „Ach, stimmt ja, danke Nina! Dann schlagt bitte alle umgehend Seite 34 auf, damit wir die Hausaufgabe besprechen können. Dann frage ich heute mal nicht ab, sagte Mr. Moreno gut gelaunt und drehte sich um, um etwas an die Tafel zu schreiben. Alan seufzte erleichtert auf und flüsterte in Tariks Richtung: „Glück gehabt.

    Ein paar Schüler zischten „Streber oder „Schleimer in Ninas Richtung, aber das ließ sie völlig kalt, sie war sowieso eine Musterschülerin, schrieb fast nur 1er oder 2er, selten war auch eine 3 dabei. Bei Tarik war es auch so. Er schrieb auch ausschließlich Bestnoten, was sein Ansehen nicht gerade verbesserte. Gerade als Tarik sein gelbes Heft aus dem Rucksack holen wollte, um die Hausaufgabenverbesserung mit aufzuschreiben, traf ihn eine Papierkugel im Nacken. Er verdrehte die Augen und tat so, als hätte er es gar nicht gemerkt, aber ein paar Sekunden später traf ihn schon die nächste Kugel. Genervt drehte Tarik sich um und hob den zerknüllten Zettel vom

    Boden auf. Als er aufsah, blickte er in das hämisch grinsende Gesicht von Nate. War ja klar. Nate war der beliebteste Junge schlechthin; er wurde von ausnahmslos allen respektiert oder fast schon gefürchtet. Seufzend faltete Tarik den Zettel auf. In krakeliger Schrift stand

    Tir-FREAK

    auf dem Papier. Tarik musste beinahe grinsen, denn offenbar kannte Nate das Wort „Rechtschreibung" nicht. Er holte einen Kugelschreiber aus seinem Mäppchen, strich das Wort durch und schrieb:

    Es heißt Tier-Freak, du Grammatik-Allergiker!

    darunter. Zufrieden faltete er den kleinen Zettel zusammen und warf ihn geschickt nach hinten.

    Als es endlich zur Pause klingelte, war Tarik froh, die Schulstunde ohne weitere Zwischenfälle überstanden zu haben. Das sollte aber nicht von Dauer sein, denn als er hinaus auf den Gang lief und den Weg zu seinem Spind einschlug, wurde er von einer kräftigen Hand am Pullover gepackt und nach hinten gezogen. Die Hand gehörte, wie nicht anders zu erwarten, zu Nate. Eine Gruppe von fünf oder sechs anderen Jungs stand neben ihm und sie blickten Tarik höhnisch an. Auf Nates Gesicht erschien ein wutverzerrtes Grinsen und er packte den Zettel aus und wedelte damit hektisch vor Tariks Gesicht herum: „Deine Klugscheißerei kannst du dir sonst wo hin stecken kapiert, du Spinner?, befahl er und schüttelte Tarik, als er nicht antworte: „Ich habe dir eine Frage gestellt! Beantworte sie gefälligst!, brüllte der riesenhafte Junge und es sah fast so aus, als würde er gleich die Beherrschung verlieren. Tarik sammelte allen Mut, den er noch übrig hatte (es war nicht besonders viel) und sah in Nates rotes Gesicht. Dann verschränkte er die Hände und sagte überzeugt:

    „Erstens, du hast mir keine Frage gestellt, sondern einen Befehl geäußert. Zweitens war das auf dem Zettel eine Feststellung. Das ist ein Unterschied."

    Stille breitete sich auf dem gesamten Flur aus. Tarik blinzelte vorsichtig zur Seite und erhaschte einen Blick auf seine Mitschüler, die einen Kreis um Nate und ihn gebildet hatte. Keiner von ihnen wagte es, etwas zu sagen. Viele starrten Tarik schockiert an. Noch nie hatte jemand so direkt mit Nate gesprochen. Niemand. Dieser holte wortlos aus und schlug Tarik seine Faust mitten ins Gesicht.

    „Rede niemals wieder so mit mir! Verstanden du Spinner!?", schrie er aufgebracht und warf Tarik wie ein totes Tier auf den Boden. Dann beugte er sich hinunter uns sagte etwas leiser:

    „Das wird ein Nachspiel haben, du Spinner. Ich kriege dich noch!" Seine Schar folgte Nate den Flur entlang und himmelte ihn an wie einen Gott. Tarik spuckte etwas Blut und rieb sich die schmerzende Wange. Dann wanderte seine Hand weiter zu seiner Nase und er zuckte heftig zusammen, als er sie berührte. Fühlte sich gar nicht gut an, hoffentlich war sie nicht gebrochen. Tarik schaffte es, sich aufzusetzen und murmelte:

    „Wenn er mal sein Gehirn so gut wie seine Fäuste benutzen könnte", knurrte Tarik genervt und wollte sich aufsetzen. Dann stöhnte er kurz vor Schmerzen auf, als er seinen Arm belasten wollte. Bei seinem Sturz musste er auf ihn gefallen sein.

    „Tarik! Bist du wahnsinnig! Dich so mit Nate anzulegen… Hast du dir was getan?", fragte Alan bestürzt und eilte zu seinem Freund, der noch immer am Boden saß. Tarik stützte sich auf seine rechte, unverletzte Hand und erhob sich wieder.

    „Das werde ich ihm heimzahlen, selbst wenn ich mir dafür Flügel wachsen lassen muss!", knurrte er und konnte ja nicht ahnen, wie viel Wahrheit in diesem Satz steckte.

    Love hurts

    (Nazareth, 1976)

    „Oh Mann, kann mal jemand bitte denjenigen, der die Schule erfunden hat, fragen, ob der total hobbylos war?, seufzte Clementine niedergeschlagen und ließ sich auf das große pastellfarbene Sofa fallen, das im Eingangsbereich der Villa stand. Auch hier reihten sich viele „Kunstwerke aneinander, wobei Clementine diese immer als „Aus Versehen entstandene Kunst" bezeichnete, da sie selbst nicht viel davon hielt. Für sie war das nur Platzverschwendung, mehr nicht. Doch ihr Stiefvater sammelte leidenschaftlich gerne diese Bilder, die Clementines Ansicht nach nur aus wirren Strichen bestanden; er erstand diese meistens auf Auktionen.

    „Schule ist so scheiße und unnötig.", murmelte Clementine zu sich selbst und erhob sich wieder. Nun stand sie im menschenleeren Eingangsbereich und sah sich um. Heute war sie ganz allein zuhause; ihre Mutter hatte ein Fotoshooting und ihr Stiefvater war mal wieder bei einem wichtigen Drehtag als Regisseur. Also im Klartext hieß das, sie hatte die Riesenvilla für sich. Das war auch gut so, denn schon seit heute

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