Europas Wahl zwischen Rhetorik und Realität
Von Dieter Prokop
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Über dieses E-Book
Rhetorik ist Bestandteil jeder Kommunikation. Aber so wie Werbung in der Bevölkerung zwar für schön, aber unglaubwürdig gehalten wird, so wird auch mit Rhetorik arbeitende Politik, und wenn sie mit noch so eingängigen Wortbildungen wirbt, schließlich unglaubwürdig.
Die meisten Menschen sehen die Welt realistischer als man glaubt. Sie besitzen einen Sinn für Angemessenheit und für die Beachtung des demokratischen Rechtszustands - also auch der Bürgerrechte.
Das Dilemma der Europäischen Union sieht Prokop darin, dass deren Kompetenz und Interesse als Staaten-Verbund vor allem in der Organisation des Binnenmarkts liegt. Damit geraten aber die Bürgerrechte und damit auch das soziale Eigentum der europäischen Bevölkerung - von der Sozialhilfe bis zum kommunalen Wasserwerk - aus dem Blickfeld: das ›soziale Europa‹.
Dieter Prokop
Dieter Prokop ist Professor em. für Soziologie an der Goethe-Universität in Frankfurt.
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Buchvorschau
Europas Wahl zwischen Rhetorik und Realität - Dieter Prokop
ERSTER TEIL
FANTASIEN DER GRÖSSE UND DER GRENZENLOSIGKEIT
Größenfantasien zu haben, sich eine ›Welt ohne Grenzen‹ und sich selbst als hochherzig (›für alle‹) zu imaginieren – das ist schön, macht aber auch Kosten. Die Frage ist, mit welchen Mitteln und auf wessen Kosten Fantasien der Größe und der Grenzenlosigkeit politisch und gesellschaftlich durchgesetzt werden. Die Kosten europäischer Größenfantasien und des Hypes der grenzenlosen Hilfe für illegal Einreisende tragen in Europa die Bevölkerungen. Und das Mittel, um die Frage nach den Kosten und das Wissen über die Kosten aus den öffentlichen Debatten auszublenden, ist die Rhetorik. Sowohl bei der Europapolitik – bei den Bemühungen um die Verhinderung einer künftigen europäischen Schulden- und Eurokrise –, als auch in der europäischen ›Flüchtlingskrise‹ wird mittels Rhetorik Realität verleugnet. Und ein großer Teil der Bevölkerung glaubt an die grenzenlose, universale Realisierbarkeit ›guter Werte‹ wie Grenzenlosigkeit. Also muss die soziologische Analyse, die in diesem Buch beabsichtigt ist, auch die gesellschaftlichen Hintergründe der Fantasien totaler Grenzenlosigkeit untersuchen. – Das sind die Themen in diesem ersten Teil.
Aber die Menschen sind nicht so dumm, dass sie immer und überall auf rhetorische ›Überredungskommunikation‹ hereinfallen. Sie haben Realitässinn und Verstand. Darum wird es im zweiten Teil gehen.
GLAUBE STATT WISSEN
Rhetorik: Überredung? Überzeugung? Oder Ausnutzung von Uninformiertheit?
Die gegenwärtigen Debatten über die Zukunft Europas und über die Flüchtlingskrise bewegen sich zwischen Moral und Recht, Emphase und Angemessenheit, Glauben und Realismus, Rhetorik und Realität. Für Platon bzw. Sokrates war Rhetorik eine Überredungskommunikation, die sich bemüht, Glauben zu erzeugen. Das entspricht unseren heutigen Vorstellungen über Werbung und deren Manipulationsabsichten. Für Aristoteles war Rhetorik die Kunst der Überzeugung, die sich um das Wahrscheinliche und Glaubwürdige bemüht. Aber auch diese Bemühung will Glauben erzeugen.
Sprache und Bilder können mit Manipulationsabsicht gestaltet werden. Aber das ist nicht das Ergebnis von Verschwörungen, wie das die Kritik an ›Fake News‹ unterstellt. Das Problem ist vielmehr, dass jeder Diskurs Rhetorik impliziert, auch der politische und der journalistische Diskurs. Rhetorik gehört zum Handwerk – aber das kann missbraucht werden, denn mittels Sprache (und Bildern und Musik) kann man Realität verzerren. Wie in der europäischen Politik Realität verzerrt wird, in der Europapolitik und in der Flüchtlingspolitik, ist das Thema dieses Buchs. Ein weiteres Thema ist die Frage, ob man mittels verzerrter Realität die Menschen auch wirklich manipulieren kann. Das ist keineswegs sicher.
Platon/Sokrates über Rhetorik als Überredungskunst: die Herstellung von Glauben statt Wissen
Platon thematisierte den zweifelhaften Charakter der Rhetorik. In einem seiner Dialoge lässt er Sokrates argumentieren, dass Rhetorik nichts Anderes sei als eine Fertigkeit der Überredung, also keine Wahrheitssuche. Sokrates’ Diskussions-Gegner ist der Rhetor Gorgias, und jener sagt über die Rhetorik:
»GORGIAS: Mich dünkt, Sokrates, sie sei die Kunst der Überredung vor den Gerichtshöfen und vor anderen Versammlungen der großen Menge, wie ich eben schon sagte und sie befasse sich mit dem, was gerecht und ungerecht ist.«
Das klingt schön, wer kann schon etwas gegen das Streben nach Gerechtigkeit haben? Aber Sokrates sagt:
»SOKRATES: Willst du also, daß wir zwei Arten von Überredung annehmen, die eine, die Glauben erzeugt ohne Wissen, die andere aber, die zum Wissen führt?
GORGIAS: Ja.
SOKRATES: Welche von diesen beiden Arten der Überredung bewirkt nun die Redekunst über das Gerechte und das Ungerechte vor den Gerichtshöfen und den anderen Versammlungen? Die, aus der das Glauben ohne das Wissen entspringt, oder die, aus welcher das Wissen kommt?
GORGIAS: Ganz gewiss doch die, aus der das Glauben kommt, Sokrates.
SOKRATES: Die Redekunst ist also offenbar Wirken einer das Gerechte und Ungerechte betreffenden Überredung, die auf dem Glauben und nicht auf der Belehrung beruht.
GORGIAS: Ja.
SOKRATES: Der Redner kann also die Gerichtshöfe und die anderen Versammlungen über das, was gerecht und ungerecht ist, nicht belehren, sondern bloß Glauben erzeugen. Er könnte ja auch gewiß so viele Leute in der kurzen Zeit kaum über so wichtige Dinge belehren. GORGIAS: Allerdings nicht.«
(Platon, Gorgias, 4542-d–455a-d: 208 ff.)
Heute nennt man in der Werbung und Politikberatung das nicht mehr ›Glauben erzeugen‹, sondern man spricht von ›Wertorientierungen‹ oder ›Prädispositionen‹, ›Einstellungen‹, die man ›beeinflussen‹ möchte. Und man hält jene von vornherein für Glaubensvorstellungen. Aber ich behaupte: Sokrates war damals realistischer als die heutige Markt- und Meinungsforschung und die Werbewirtschaft. Jene glaubt, dass die Bevölkerungen – die man heute immer noch gern ›die Massen‹ nennt – vor allem Irrationales im Kopf haben: ›Prädispositionen‹, ›Wertorientierungen‹, Vorurteile und Bauchgefühle. Sokrates dagegen sah ›die große Menge‹ lediglich als ›unwissend‹ an, also als nicht gut informiert:
»SOKRATES: Du sagtest soeben, der Redner vermöge auch in Sachen der Gesundheit mehr Glauben zu finden als der Arzt.
GORGIAS: Ja, das sagte ich: vor der Menge wenigstens.
SOKRATES: Vor der Menge – das bedeutet doch so viel als vor den Unwissenden? Denn bei den Wissenden wird er doch sicher nicht mehr Glauben finden als der Arzt.
GORGIAS: Du hast recht.
SOKRATES: Findet er aber mehr Glauben als der Arzt, dann wirkt er eben überzeugender als der Sachverständige?
GORGIAS: Gewiß.
SOKRATES: Obgleich er kein Arzt ist, nicht wahr?
GORGIAS: Ja.
SOKRATES: Wer aber nicht Arzt ist, versteht doch sicher nichts von den Dingen, die der Arzt versteht.
GORGIAS: Das ist klar.
SOKRATES: Der Unwissende wird also bei den Unwissenden mehr Glauben finden als der Wissende, wenn der Redner überzeugender wirkt als der Arzt. Geht das daraus hervor, oder etwas anderes? GORGIAS: In diesem Falle ergibt es sich so.« (Ebd., 458c – 459b: 215)
›In diesem Falle‹, sagt der Rhetor Gorgias, denn er weiß, dass ein unwissender Redner nicht in jedem Fall die Unwissenden manipulieren kann.
Aristoteles über Rhetorik als Kunst der Überzeugung: die Herstellung von Glaubwürdigkeit durch Bezug auf das Wahrscheinliche, wenn auch nicht immer Wahre
Aristoteles sah Rhetorik in den Gerichtsreden gegeben; in den beratschlagenden (›deliberativen‹) Reden bei politischen Versammlungen; und in den Festtagsreden. (Aristoteles, Rhetorik, 3. Kap., 1–3; 1980: 20 f.) Bei der Rhetorik geht es nach Aristoteles nicht darum, zu überreden, sondern zu überzeugen. Aber der Redner überzeugt auch bei Aristoteles nicht durch einen strikt rationalen, informierenden Diskurs, sondern durch den Bezug auf Wahrscheinliches und Glaubwürdiges. Letztlich geht es dem Redner auch hier darum, im Publikum Glaubensvorstellungen und Stimmungen zu erzeugen. Aristoteles:
»Die Rhetorik stellt also das Vermögen dar, bei jedem Gegenstand das möglicherweise G l a u b e n e r w e c k e n d e zu erkennen. Denn dies ist die Funktion keiner anderen Theorie [d. h. keiner anderen Redensweise]. Jede andere nämlich will über den ihr zukommenden Gegenstand belehren und überzeugen: wie die Medizin über das, was gesund bzw. krank ist […]« (2. Kap., 1.; 1980: 12, gesperrter Druck im Original, [ ] hinzugefügt)
Die Möglichkeiten der Rhetorik hängen von vielem ab:
Auf der Ebene des Redners:
Davon, ob jener überzeugend wirkt. Aristoteles:
»[…] den Tugendhaften glauben wir lieber und schneller – im allgemeinen schlechthin –, ganz besonders aber da, wo keine letzte Gewißheit ist, sondern Zweifel herrscht.« (2. Kap., 4; ebd.)
Auf der Ebene des Publikums:
Die Möglichkeiten der Rhetorik hängen auch davon ab, ob der Redner es vermag, »den Hörer in eine gewisse S t i m m u n g zu versetzen« (2. Kap., 3; 1980: 13). Denn:
»Durch die Z u h ö r e r schließlich [erfolgt die Persuasion], wenn sie durch die Rede in Affekt versetzt werden, denn wir geben unser Urteil nicht in gleicher Weise ab, wenn wir traurig bzw. freudig sind oder wenn wir lieben bzw. hassen.« (2. Kap., 4, ebd., [ ] im Original) Auf der Ebene der Rede, also der Produktstruktur:
Die Möglichkeiten der Rhetorik hängen nicht zuletzt davon ab, ob die Rede selbst »durch Beweise oder scheinbares Beweisen« wirkt. (2. Kap., 3, ebd.) Denn:
»Durch die R e d e endlich erfolgt die Persuasion, wenn wir Wahres oder Wahrscheinliches von dem aus jedem Sachverhalt resultierenden Glaubwürdigen aufzeigen.« (2. Kap, 4, ebd.)
Das wichtigste Überzeugungsmittel ist hierbei der ›Beweis‹, also eine zureichend begründete Behauptung:
»Da ferner das Unmögliche weder vollbracht sein noch vollbracht werden kann, sondern nur das M ö g l i c h e, und da ferner das, was nicht geschehen ist und es nicht sein wird, auch nicht getan wurde oder getan werden kann, so muss notwendig der beratende Redner, der Gerichtsredner und der Prunkredner [Festredner] Beweisgründe zur Verfügung haben, die sich auf Mögliches und Unmögliches beziehen und darauf, ob etwas geschehen ist oder nicht, ob es sein wird oder nicht.« (3. Kap., 8; 1980: 22 f., [ ] hinzugefügt)
Allerdings ist diese Art von ›Beweis‹ seltener eine logische Deduktion vom Allgemeinen aufs Besondere (›Syllogismus‹) oder ein Tatsachenbezug, sondern dieser ›Beweis‹ (›Entyhmem‹) ist eher eine Aneinanderreihung von allgemein anerkannten Meinungen. Von Meinungen, die dem Publikum wie Wahrheiten vorkommen. Heute könnte man das auch ›Legitimation‹ bzw. ›Legitimationsideologie‹ nennen. Also geht es doch um ›Persuasion‹, also um Überredung. Rhetoren emotionalisieren, auch bei Aristoteles. Aber er wollte nicht ausschließen, dass Rhetorik auch im Vorbringen von Gründen ohne alle Emotionen bestehen kann. Jedenfalls in der Rede vor Gericht:
»Denn Verdächtigung, Mitleid, Zorn und dergleichen Affekte der Seele zielen nicht auf die Sache selbst, sondern auf den Richter.« (Kap.
1, 3; 1980: 7)
Jedenfalls handelt es sich bei Rhetorik nicht um platte Propaganda und nicht um ›Fake News‹. Rhetorik ist eine Art von ›Überzeugung‹ mittels der Darstellung von Wahrscheinlichem oder scheinbar Wahrscheinlichem, vor allem angesichts von Unsicherheit über das Wahre.
Also:
Wahrscheinliches oder nur scheinbar Wahrscheinliches – das ist hier die Frage. Es ist die Frage, ob Rhetorik rationale Überzeugung ist (vorgebracht mit Pathos, aber auch mit Logos und Ethos) oder doch nichts als Persuasion, die die Unsicherheit über das Wahre ausnützt.
Die bis heute wichtige sachliche Perspektive: Das Publikum ist nicht durch und durch in ›Wertorientierungen‹ oder Vorurteilen befangen, sondern lediglich uninformiert, und Rhetorik nützt das aus
Was Sokrates sagte, kann man auch so interpretieren: Wer einem Rhetor glaubt, hat lediglich zu wenig Wissen, ist also nicht zuletzt vom Rhetor schlecht informiert worden. Das bedeutet: Wer einem Rhetor glaubt, ist nicht – wie man heute annimmt – immer nur von Gefühlen geleitet oder von einem ›kollektiven Unbewussten‹. Wenn sie Wissen haben, sind die Menschen auch urteilsfähig. Rhetorik kann die Sprache manipulieren und Wissen ausschließen – aber damit ist noch lang nicht gesagt, dass sie die Menschen auch manipulieren kann.
Bei Aristoteles wird die Struktur der Rhetorik aufgegliedert. Es wird dargestellt, dass sie auf Affekte zielt, sich aber mittels des Scheins des sachlichen Bezugs auf Wahrscheinliches eine gewisse Glaubwürdigkeit verschafft. – Aber auch hier ist es die Frage, ob das empirisch wirklich so funktioniert.
Jedenfalls sind das sachlichere – und ich meine: deshalb auch bessere – Modelle als jene, die heute über die Konsumentinnen und Konsumenten, Wählerinnen und Wähler in Umlauf sind. Heute ist man – zumindest in der Werbewirtschaft und damit auch der Politikberatung – seit Gustave Le Bons unsäglich primitiver Psychologie der Massen (1895) daran gewöhnt, ›die Massen‹ für so dumm zu halten, dass sie – angeblich direkt von ihrem Unbewusstsein geleitet, das zudem angeblich ein ›kollektives Unbewusstes‹ ist – blindlings ›Führern‹ folgen. (Zur Kritik s. D. Prokop 2013: 28 ff.) An diesen Unsinn ist man gewöhnt, weil Le Bons unseriöse ›Massenpsychologie‹ verblüffend unkritisch von Sigmund Freud übernommen wurde (s. Freud 1921) und dann von dessen Neffen, dem Werbungs- und PR-Fachmann Edward Bernays, dem ›Vater der Public Relations‹, für die Legitimation von Propaganda benutzt wurde. (s. Bernays 1923) Danach begann in den USA eine empirische Werbewirkungsforschung, die sich ›wissenschaftliche Rhetorik‹ nannte und in experimentellen Versuchsanordnungen herauszufinden suchte, ob es in der Anzeigenwerbung effektiver ist, wenn man ›fear arrousing appeals‹ in die Werbung einbaut oder es besser bleiben lässt: Ob man also in einer Werbung für Zahnpasta ausfallende Zahne zeigen soll oder besser einen vertrauenswürdigen Zahnarzt im weißen Kittel. (s. Hovland, Lumsdaine, Sheffield 1949; Hovland 1951; Hovland et al. 1957) Später sprach man von ›Image‹ und nannte die Rhetorik in der Werbung ›Imagewerbung‹.
Aber wenn die Werbewirtschaft und PR-Wirtschaft behaupten, sie könnten die Menschen bis in ihr Unbewusstes hinein manipulieren, dann führt das höchstens zu Szenen in Werbespots, in denen eine Frau ein Eis am Stiel behandelt als begehe sie eine Fellatio. Diese vulgäre ›Massenpsychologie‹ führt zu Symbolbildern – aber es ist keinesfalls empirisch bewiesen, dass so etwas auch zu Kaufverhalten führt. Dafür gibt es keine empirischen Beweise. (s. ›Werbung, Wirkungen‹ in: D. Prokop 2017c: 476 ff.) Wirkungen kann es geben in Bezug auf das Image des Produkts. Das ist möglich, vor allem weil jeder Mensch sich immer mal von Gefühlen leiten lässt, wenn es nicht viel kostet. Je höher jedoch die Kosten, desto mehr setzt der Verstand ein. Ihr Verstand sagt den Leuten, dass sie mit Werbung keine Sachinformation vor sich haben. Und weil sie einen Verstand haben, halten die Leute Werbung prinzipiell nicht für glaubwürdig.
Das bedeutet auch: Je mehr Politikerinnen und Politiker mittels Rhetorik an die Öffentlichkeit gehen, als desto unglaubwürdiger gilt dann auch die Politik.
Ist also Wahrheitssuche das anzustrebende Gegenteil von Rhetorik?
Ja. Nur sollte man beachten, dass Rhetorik in jedem Diskurs enthalten ist. Wer also Rhetorik vom Standpunkt der Wahrheitssuche aus kritisiert, kann sich deshalb nicht auf den Standpunkt eines rein rationalen Experten-Diskurses stellen, so als sei nur jener der Garant für Wahrheit (denn auch Experen können Rhetorik einsetzen). Der Kritiker sollte berücksichtigen, dass es in der Politik und auch im Journalismus (und auch in der Wissenschaft) zwar um Sachfragen geht, aber auch um griffige Formulierungen, Zuspitzungen, Schlagworte. In der Öffentlichkeit müssen Sachfragen ›rübergebracht‹ werden, oder in der Sprache der Pädagogen gesagt: Sie müssen vermittelt werden. Diese Arbeit der Vermittlung braucht und gebraucht auch Elemente der Rhetorik.
Also ist die kritische Entgegensetzung von Rhetorik und Realität nur dann sinnvoll, wenn man als Kritiker diese Arbeit der Vermittlung ernst nimmt, die Politiker und Journalisten leisten. (Wobei Politiker und Politikerinnen, wenn sie öffentlich sprechen, sich einer ›rhetorischen‹ Sprache bedienen, während sie sich in Hintergrundgesprächen mit Journalisten als Experten mit viel Sachwissen erweisen und auch als