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A. H. Henderson: Und das unglaublichste Mädchen des ganzen Westens
A. H. Henderson: Und das unglaublichste Mädchen des ganzen Westens
A. H. Henderson: Und das unglaublichste Mädchen des ganzen Westens
eBook863 Seiten10 Stunden

A. H. Henderson: Und das unglaublichste Mädchen des ganzen Westens

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Über dieses E-Book

Ich war Kopfgeldjäger, als ich nach New Davenport kam.
Und nicht der Schlechteste - also eigentlich der Beste, wenn sie mich fragen, aber darüber kann man natürlich streiten.
Jedenfalls aber begann ich dann, darüber nachzudenken, dieses Geschäft an den Nagel zu hängen.
Denn da war dieses Mädchen.
Und ich tat es dann auch - und doch war das Ende dann ganz anders, als ich beim besten Willen je gedacht hätte - aber schon sowas von ganz anders.
Aber, so wie die Dinge heute liegen, kann ich nur sagen: Besser hätte es gar nicht kommen können.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum7. Mai 2021
ISBN9783347190689
A. H. Henderson: Und das unglaublichste Mädchen des ganzen Westens

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    Buchvorschau

    A. H. Henderson - Hugin West

    Wie es zuging, dass aus mir ein feiner Gent geworden ist, wollt Ihr wissen? So einigermaßen jedenfalls, oder sagen wir, ein gemachter Mann, wie es so schön heißt?

    Ich meine, wie es wirklich gewesen ist natürlich, denn es wird ´ne Menge geredet über diese Geschichte.

    Von wegen, dass ich einmal Kopfgeldjäger gewesen wäre zum Beispiel .…, im Westen, ein schnelles Eisen hat vorhin wer gesagt, und sonst noch was.

    Tatsache ist, dass ich eigentlich nie das werden wollte, was ich heute bin. Ich meine, so als Kind oder als junger Bursche. Da wäre meine Idealvorstellung damals wohl bestenfalls gewesen, mit genügend Geld irgendwo in Mexiko zu leben, wo ´s guten Wein gibt und feine mexikanische Mädchen. Denn es ist natürlich schon was dran an diesen Geschichten, aber ich glaube, es wird da auch ´ne Menge Unsinn erzählt.

    Meine Schuld ist es nicht. Ich hab nie mit jemanden darüber geredet … aber Chris natürlich. Aber Ihr wisst ja, wie das ist mit den jungen Burschen, da wird gerne aus jeder Mücke ein Elefant gemacht.Und was meine liebe Frau und Mrs. Wheeler ihren Freundinnen alles erzählt haben, weiß ich natürlich auch nicht, und auch nicht, wem ´s die dann wieder weiter erzählt haben, und was sie da weiter erzählt haben.

    Vielleicht sollte ich ja tatsächlich einmal erzählen, wie es wirklich gewesen ist. Vielleicht sollte ich ´s auch einmal aufschreiben .…, für unsere Kinder vielleicht, damit die auch einmal wissen, wie ´s wirklich gewesen ist.

    Irgendwie hat wohl alles seinerzeit in Jessica Simpsons Laden begonnen, in New Davenport in den Rockies. In so einem Laden kann man alle möglichen Leute treffen, und wenn die richtigen Leute zusammen kommen, dann kann alles mögliche geschehen.

    In der Umgebung von New Davenport wurde Gold gefunden damals und deswegen war ich auch da. Nicht wegen des Goldes, also jedenfalls nicht direkt, ich meine, ich hatte jedenfalls nicht die Absicht, wochenlang im eiskalten Wasser Gold zu waschen, oder in irgendeinem Loch im Berg nach Gold zu buddeln.

    Wenn wo Gold gefunden wird, da gibt es dann auch noch andere Möglichkeiten, um an Geld zu kommen, als Nutte im Puff zum Beispiel, oder indem man den Goldgräbern für teures Geld einen billigen Saufraß verkauft.

    Eine andere Möglichkeit wiederum ist es, und die ist ja auch durchaus gang und gäbe, anderen ihr Gold, oder ihr Geld mit Gewalt abzunehmen. Das ist allerdings bekanntlich nicht erlaubt.

    Erlaubt dagegen ist es, auf die Leute Jagd zumachen, die so was tun - vorausgesetzt natürlich, sie werden dafür steckbrieflich gesucht. Und wenn es auf so einem Steckbrief dann sogar heißt ´tot oder lebendig´, dann darfst du den Kerl auch ganz ungestraft umlegen. Und dafür konnte man dann auch noch Geld bekommen, oft sogar viel Geld, wenn ´s ´n richtig mieser Bursche war.

    Und genau das war mein Geschäft damals. Tja, Freunde! So ist es: Als ich damals nach New Davenport gekommen bin, war ich tatsächlich Kopfgeldjäger.

    Aber ich sollte natürlich irgendwie von vorne anfangen. Die Frage ist nur, wo und wie fing es eigentlich wirklich an?

    Schwer zu sagen, aber beginnen wir vielleicht einfach damit, wie ich auf dem Weg nach New Davenport war. Keine aufregende Sache - nachdem ich den letzten Pass passiert hatte, der mich von meinem Ziel trennte, hoffte ich, in einigen Stunden da zu sein. Es war zeitig im Frühjahr und wer ein Auge dafür hatte, für den blühte alles mögliche Zeug und Vögel waren auch genug zu hören, wenn auch in einigen schattigen Mulden gelegentlich noch die letzten schmutzigen Schneereste dahin schmolzen. Ich hatte aber eigentlich nicht wirklich ein Auge für all diese Dinge, dafür aber für die ersten drei Goldgräber, die mir vor die Augen kamen.

    Ich folgte einem kleinen Creek, der aber genug Wasser führte, um hier Gold zu waschen, überhaupt um diese Jahreszeit. Schon von weitem sah ich, dass sie ein gutes Stück oberhalb des Creeks auch ein ziemliches Loch in die Böschung gebuddelt hatten, von dort ging dann eine Rutsche hinunter zum Creek. Im Augenblick aber standen die drei im Wasser und hantierten mit irgendwelchen Sieben und Pfannen.

    Irgendwann bemerkten sie mich natürlich auch, und trotz der Entfernung spürte ich förmlich ihr Misstrauen - es sprach aus ihren Augen, ihren Mienen, ihrer Haltung … und allem eben. Schließlich stiegen sie aus dem Wasser und zwei griffen nach ihren Gewehren.

    „Hi, gents.", grüßte ich, als ich heran war.

    „Hi, Mister.", antwortete einer von ihnen, aber mit deutlich abweisender Stimme - er hätte wohl lieber ´Scher Dich zum Teufel´ gesagt. Hatte er aber eben doch nicht. Hätte natürlich auch nichts genützt.

    Ich ließ meinen Blick kurz über ihr Camp schweifen - ein schlampiges Zelt, eine Feuerstelle mit einem Dreibein, neben dem Zelt in einem schlampigen, ungeordneten Durcheinander ein großer Topf, Blechteller, Besteck, Becher und noch anderes Zeug. Ihre äußere Erscheinung passte auch bestens zu ihrem Camp. Die Drei, die ich mittlerweile im Übrigen für Vater und Söhne hielt, der jüngere vielleicht gerade einmal sechzehn Jahre, nahmen sich offensichtlich kaum für irgendetwas Zeit, außer für ´s Graben, Schürfen und Waschen. Von Zeit zu Zeit mochten sie sich vielleicht in Davenport beim Barbier in der Waschstube auf Vordermann bringen lassen, aber ihr letzter Besuch da musste wohl schon eine gute Weile her sein.

    „Wie weit ist es noch nach New Davenport?", fragte ich, um irgendetwas zu sagen.

    „Nach Davenpor., wiederholte der Alte, „Gute sechs Stunden … können Sie aber gar nicht verfehlen, den Creek da hinunter, und wenn Sie den Fluss erreicht haben, ist es nicht mehr weit bis Davenport.

    „Sechs Stunden …, na schön."

    Es war ihnen anzusehen, dass sie wünschten, dass ich so bald wie möglich verschwinden sollte.

    Grad deswegen aber tat ich ´s nicht,

    Wie läuft ´s? Viel zu holen?, fragte ich.

    „Nein, nichts. Reich wird man hier nicht.", brummte der Vater.

    Nun, das konnte auch gelogen sein.

    Da aber fragte der Jüngste, der mir auch am wenigsten misstrauisch zu sein schien:

    „Wollen Sie auch nach Gold suchen?"

    „Mein Name ist Henderson,, sagte ich, „Arthur Herward Henderson.

    Der Kopfgeldjäger?, stellte der Ältere etwas fragend und irgendwie lauernd fest, der Jüngste aber sagte, sichtlich beeindruckt:

    „Die Nase!"

    Der Alte warf ihm einen verweisenden Blick zu.

    Ich hatte ihnen im übrigen ganz wohlbedacht meinen Namen genannt, weil ich annahm, dass sie ihn kennen würden, was wohl etwas Klarheit schaffen würde. Und so war es ja offensichtlich auch. Und natürlich kannten sie auch diesen merkwürdigen Spitznamen meiner Wenigkeit. Ich fixierte den Jungen, der ihn dann eben tatsächlich auch genannt hatte, und da wurde er ein wenig nervös,

    „Entschuldigen Sie, Mister, aber …"

    „Schon gut, Junge,, unterbrach ich ihn, „ich weiß, was die Leute so reden., schätze, ich musste wohl auch ein wenig lächeln, denn die Sache amüsierte mich.

    „Also, wenn Sie schon dieser … dieser Kopfgeldjäger sind, , brummte da aber der Alte, „dann sollten Sie zusehen, dass Sie diesen verdammten Black Jack aus dem Verkehr ziehen.

    „John MacEnroe? Ich hörte, dass er hier sein soll."

    „Er ist da, darauf können Sie sich verlassen, Sie müssen ihn nur finden. Und dann legen Sie die Ratte am Besten gleich um. In den letzten Wochen haben sie innerhalb kürzester Zeit zwei Goldtransporte ausgeraubt und ich wette, sie warten schon auf den nächsten."

    „Hmm…, nicht schlecht. Wie viel ist er denn jetzt wert?"

    „Fünftausend glaub´ ich. Und wenn Sie seinen ganzen Haufen dazurechnen, dann warten sicher wenigstens zehntausend Dollar auf Sie."

    „Nicht schlecht. Aber wenn ich noch den nächsten Überfall abwarten, dann steigt vielleicht auch der Preis."

    „Sie kriegen ihn ja doch nicht. Keiner hat ihn gekriegt bis jetzt."

    „Der Sheriff?"

    „Es sind auch ein paar Kollegen von Ihnen da.", meinte da der ältere der beiden Söhne.

    „Tatsächlich? Nun, man wird sehen. So long, Gents!", ich deutete an die Krempe meines Hutes und setzte mein Pferd wieder in Bewegung.

    „So long, Mister!", hörte ich die drei hinter mir. Das heißt, ich war mir nicht so sicher, ob ich den Alten auch gehört hatte. Doch ich hatte die Drei bald vergessen - abgesehen davon, dass der Alte gesagt hatte: ´Der Kopfgeldjäger´.Denn ich begann, darüber ein wenig nachzudenken. Ich meine, ich war Kopfgeldjäger, natürlich, aber das war wieder einmal einer dieser Momente, wo ich ein wenig darüber zu sinnen begann, wie das alles gekommen war. Ich meine, ich erinnerte mich zum Beispiel wieder einmal an den Tag, als ich vor dem Steckbrief gestanden war, den ich eben vor dem Office des Marshals an die Wand genagelt hatte, und auf dem zweitausend Dollar geboten wurden, für einen Mann namens Davis Gray wenn ich mich richtig erinnerte, wegen eines großen Eisenbahnüberfalls.

    Zweitausend Dollar!

    Es brauchte nur ungefähr eine halbe Sekunde, bis ich mir ausgerechnet hatte, dass ich dafür den Leuten hier ein Jahr lang als Marshal den Narren machen musste. Und da war ich hingegangen und hatte ihnen den Stern zurück gegeben, um auf diesen Davis Gray Jagd zu machen

    Denn ich war damals eben der Marshal gewesen, ein gutes Jahr lang. Bettington hatte die Stadt geheißen, ein unbedeutendes Nest in Nevada, aber mit einer Verladestation für Rinder. Es war eine merkwürdige Stadt gewesen und es war mir nicht schwer gefallen, ihnen den Stern zurück zu geben. Jeder war gegen jeden gewesen, und dazu noch die Mannschaften, die ihre Rinder verladen wollten und gelegentlich auch Ärger mit Viehdieben. Es hatte jede Woche mindesten eine kleinere oder größere Schießerei gegeben - und dann war eben der große Eisenbahnüberfall gekommen. Ich hab ´s also bis zu einem gewissen Grad diesem Davis Gray zu verdanken, dass ich überhaupt Kopfgeldjäger geworden bin - und damit natürlich auch alles, was danach im Laufe der Zeit so geschehen ist.

    Ich hab ihn übrigens nicht gekriegt, ein anderer war schneller. Aber den nächsten hab ich gekriegt, denn irgendwie war ich jetzt auf den Geschmack gekommen, den nächsten auch, und noch viele andere im Laufe der Zeit.

    Und irgendwann war mir dann einmal die Erkenntnis gedämmert, dass ich jetzt eigentlich ein Kopfgeldjäger war.

    Aber wirklich begonnen hat es natürlich schon früher, vielleicht, als ich überhaupt das erstemal wen erschossen hatte. Da war ich fünfzehn.

    Seht Ihr, mein Vater ist im Krieg gefallen, und meine Mutter hat später ein Yankee erschossen. Ich meine, er hat ´s nicht mit Absicht getan, es war eine verirrte Kugel, eigentlich ein Querschläger. Ein paar betrunkene Yankees hatten sinnlos herum geballert und so war es geschehen. Trotzdem: Der Teufel hole alle Yankees, ich mag sie nicht. Doch welcher ehrliche Texaner mag die schon? In gewisser Weise hatte ich doch aber auch wieder Glück im Unglück, weil mich nämlich danach Miss Sellers bei sich aufnahm. Das war unsere Lehrerin. Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie mochte sie mich. Vielleicht, weil ich ´s schon immer mit den Zahlen hatte. Ich meine, ich hab ja sonst eher nicht so viel gelernt in der Schule, aber wenn ´s um Zahlen geht, da bin ich ziemlich fix. Wenn zum Beispiel einer wissen hätte wollen, wieviel Geld er brauchte, wenn er dreitausendzweihundertsechsundsiebzig Rinder um siebenundzwanzig Dollar kaufen wollte, was allerdings zugegebenermaßen selten vorkommen wird, dann hab ich das in Nullkommanichts und dazu brauch ich nicht einmal Bleistift und Papier. Das geht im Kopf bei mir.

    Na egal, bei Miss Sellers ging ´s mir jedenfalls nicht schlecht, abgesehen davon, dass sie immer von mir verlangte, dass ich viel lesen sollte, wozu ich ja eigentlich absolut keine Lust hatte. Aber sie bestand darauf. Vor allem musste ich jeden Tag ein Stück aus der Bibel lesen, also tat ich ´s auch. Alles hat eben so seinen Preis.Wie gründlich habt Ihr denn die Bibel gelesen? Ich meine so richtig? Also dieser Moses zum Beispiel, dass war doch wirklich eine ziemliche Ratte. Also, wenn der liebe Gott das wirklich alles so gewollt hat, dann kann es ja doch wohl keine Sünde sein, die Rothäute auszulöschen - ich meine, nur als Beispiel. Ich persönlich hab nichts gegen die Rothäute. Ich hatte allerdings auch nie allzuviel mit ihnen zu tun, und ich hatte auch nie irgendwie Ärger mit ihnen - wenn man davon absieht, dass sie einmal eine Kutsche angegriffen haben, als ich als Begleiter neben dem Fahrer auf dem Bock gesessen bin. Das gab ´ne ziemliche Schießerei, aber wir hatten gute, frische Pferde und nachdem ich drei von ihnen aus dem Sattel geholt hatte, konnten wir sie abschütteln. Hat mich allerdings meinen Hut gekostet - der flog mit einem Indianerpfeil davon. Der Fahrer hatte ´ne Kugel in den Bauch abgekriegt, aber er schaffte es immerhin noch, uns bis zur nächsten Station zu fahren. Nach drei oder vier Tagen ist er dann allerdings gestorben.

    Aber abgesehen davon hatte ich mit den Rothäuten niemals irgendwelchen Ärger, eher mit weißen Banditen. Die haben insgesamt fünfmal meine Kutsche angegriffen, als ich einige Zeit als bewaffneter Begleiter meine Brötchen verdient hab.

    Na egal, ich hab also die Bibel gelesen, und da kann man ja wirklich die unglaublichsten Dinge lesen. Dass man so etwas das Heilige Buch nennt – unglaublich! Da ist ja der schlimmste Hurenbock noch heiliger. Nun, wie auch immer, ich hab dann ja doch auch ein paar andere Bücher gelesen. Eins davon handelte von einem Mann namens Robinson Crusoe, der nach einem Schiffbruch jahrelang ganz allein auf einer kleinen Insel gelebt hat. Das war mein Lieblingsbuch. Hab ´s oft gelesen und vielleicht kennt Ihr ´s ja.

    Nun, Miss Sellers war eigentlich jung und hübsch und da war dann einmal ein junger Mann namens Roberts aufgetaucht, der verliebte sich in Miss Sellers und sie sich in ihn, und wie es so geht, nicht lange und sie wollten heiraten. Und da wollte mich dieser Roberts gerne los werden. Also nahm er mich eines Tages zur Seite und bot mir dreihundert Dollar, wenn ich meiner eigenen Wege ging.Nun, ich fand, dass das ein faires Angebot war, also nahm ich die dreihundert Dollar und sagte Miss Sellers, dass es an der Zeit wäre, dass ich meiner eigenen Wege ginge. Sie weinte sogar ein wenig und zum Abschied schenkte sie mir mein Lieblingsbuch. Ihr wisst schon, das von diesem Robinson Crusoe. Das hab ich übrigens heute noch.Und dann ging ich eben meiner eigenen Wege.

    Und die führten mich zunächst einmal zum Schmied. Da lebte ich dann die nächsten Jahre zusammen mit einem alten Stallhelp in einer kleinen Kammer am Ende des Mietstalls, der auch dem Schmied gehörte. Zusammen haben wir dann eben die Ställe ausgemistet und sonst so alles getan, was da eben zu tun war. Und wenn der Schmied Pferde beschlug, musste ich ihnen die Beine halten, oder auch einmal den Blasebalg treten und so weiter; mit der Zeit entwickelte ich jedenfalls eine gewisse Meisterschaft im Halten von Pferdebeinen beim Beschlagen,

    Das war natürlich nicht mehr so toll wie bei Miss Sellers, aber immerhin kriegte ich dafür sogar etwas Geld, etwas zu essen, und einen Platz zum Schlafen hatte ich eben auch. Und vor allem hatte ich ja diese dreihundert Dollar. Dafür kaufte ich mir umgehend ein Pferd und einen Sattel, sowie ein Schießeisen, vor allem ein Schießeisen.

    Verdammt, war ich stolz, als ich das Ding in unsere Kammer trug.

    Und wann immer ich nun ein wenig Zeit hatte, übte ich mich im Ziehen und Schießen, ich und noch ein paar andere Jungs wie ich.

    Und, man muss es sagen, ich war eigentlich der schnellste von allen. Es war schon etwas, wenn einer sagen konnte, dass er fast so schnell war wie Artie. Das war natürlich ich.Nun, diese Jungs waren fast durchwegs arme Teufel wie ich, mit denen nicht jeder redete. Ganz bestimmt nicht der feine Senor Alessandro Calvez und seine Söhne Jaime und Pedro. Wenn sie ´s hin und wieder getan hätten, dann hätten sie vielleicht gewusst, wie schnell ich mittlerweile war, und ich hätte vielleicht nicht einen von ihnen erschießen müssen. So aber wussten sie ´s eben nicht und das Unheil nahm seinen Lauf.

    Und das alles nur, weil ich es gewagt hatte, im Laden seine Tochter Maria anzusprechen. Sie war da, weil ihre Mutter Kleider kaufen wollte, und ich war da, weil ich Munition kaufen wollte, und man muss dazu doch immerhin sagen, dass Maria, ein niedliches Ding damals von dreizehn oder vierzehn vielleicht, zuvor ein wenig mit mir kokettiert hatte. Doch kaum hatte ihre Mutter es bemerkt, da schoss sie los auf mich und Maria wie eine Furie, und Jaime und Pedro hinterher. Sie keifte, dass ich das nie wieder wagen sollte und ihre Söhne sagten häßliche Worte und drohten mir für den Wiederholungsfall ebenso häßliche Dinge an.

    Nun, ich wollte im Laden keinen Streit, aber ich sorgte für den Wiederholungsfall, denn damals war ich fünfzehn und kein kleiner Junge mehr und dachte außerdem, dass ich weiß der Teufel wie toll schießen könnte.

    Maria war ziemlich überrascht, als ich mich spätabends durch das offene Fenster in ihr Zimmer schwang. Eine leichte Übung im Übrigen, ich war eben ein junger Bursche damals und konnte klettern wie ein Affe.

    Maria war so überrascht, dass sie im ersten Augenblick sogar aufs Schreien vergaß, und schon redete ich auf sie ein, dass sie es auch nicht tun sollte. Das tat sie dann auch tatsächlich nicht. Ich glaube, sie war nicht einmal wirklich böse, auch wenn sie so tat, als ob.Trotzdem aber musste wer was gehört haben, denn plötzlich stürmte der Alte ins Zimmer. Ich also wie der Teufel wieder raus beim Fenster und zurück in die Stadt. Sie haben zwar hinter mir noch ein paar Löcher in die Luft geschossen, was aber wohl keinen all zu großen Schaden angerichtet hat, wenn man eben von den Löchern in der Luft absieht.

    Später saß ich dann im Saloon mit einem Glas Bier in einer Ecke und war sehr zufrieden mit mir. Die Familie Calvez aber offensichtlich nicht, denn plötzlich tauchten Jaime und Pedro auf im Saloon. Sie redeten was von der Ehre ihrer Schwester und das ich mit ihnen raus kommen sollte. So wie es aussah, wollten sie mich erschießen – in einem fairen Kampf natürlich, wie es sich gehört.

    Da standen also nun die beiden Jungs vor mir, sie waren vielleicht um die zwanzig, in allerfeinstem mexikanischem Zeug, mit feinen glänzenden Colts in ebenso feinen glänzenden Revolvergurten, und da hatte ich plötzlich ganz verdammte Lust, ein paar Löcher in dieses feine mexikanische Zeug zu schießen. Also ging ich mit ihnen hinaus, und ein paar Männer, die sich das Schauspiel nicht entgehen lassen wollten, kamen nach.

    Ich erinnere mich noch, wie sie sich ansahen, als ich sagte, dass es jetzt vielleicht an der Zeit wäre, dass einer von ihnen ziehen sollte, wenn sie nicht die Hosen voll hatten. Und da mussten sie es wohl tun, Jaime versuchte es - und da musste ich ihn eben erschießen. Als Pedro merkte, wie die Sache lief, zuckte seine Hand blitzschnell wieder weg von seinem Schießeisen und seine Hände fuhren in die Höhe. Das war zwar vielleicht nicht ganz im Sinne der Ehre der Familie Calvez, aber es hat ihm sicher das Leben gerettet.

    Also, alles in allem also würd´ ich sagen, haben die dreihundert Dollar von Mr. Roberts, und die Ehre von Senorita Maria Calvez auch so das Ihre dazu beigetragen, dass ich Jahre später als Kopfgeldjäger unterwegs war nach New Davenport, einem Schicksal entgegen, das so beim besten Willen nicht vorher zu sehen, und noch weniger von mir auch nur im mindesten je so geplant gewesen war.

    Wie auch immer, jedenfalls kaufte ich mir bald danach auch noch eine Winchester, schwang mich auf mein Pferd und mache mich aus dem Staub. Ich zog hinaus in die weite Welt sozusagen.

    Ich meine, durch die ganze Geschichte hatte sich alles irgendwie verändert. Ich war jetzt nicht mehr der arme Junge, dessen Mutter erschossen worden war, sondern ein Mann, der andere Männer erschießen konnte. Und der alte Calvez begann, die Leute gegen mich aufzuhetzen. Er konnte ja sonst nicht viel tun, denn es gab genug Leute, die gesehen hatten, dass Jaime zuerst gezogen hatte. Ich spürte jedenfalls mit der Zeit, dass es an der Zeit war, zu gehen.

    Ich wußte zunächst natürlich nicht so recht, was ich tun sollte, Ich hatte ja nichts gelernt, außer wie man einen Pferdestall ausmistet, wie man einem Pferd das Bein hält, wenn es beschlagen werden soll - und wie man schnell schießt.Ich landete dann schließlich bei einem Transportunternehmer namens Keller in New Mexico. Der brauchte damals gerade ein paar bewaffnete Begleiter für seine Kutschen und Transportwagen.

    Ich denke ganz gerne zurück an diese Zeit. Das war besser als Pferdeställe ausmisten und Keller war in Ordnung, Und irgendwie hab ich auch ´ne Menge gelernt damals.

    Das ging so eine ganze Weile, bis es einmal Ärger gab wegen eines Mädchens, in das ich schwer verliebt war. Verdammt heftigen Ärger sogar, das war ziemlich schlimm damals für mich - und es lief dann darauf hinaus, dass ich voller Wut und finsterer Gedanken alles hinwarf und weiter zog.

    Ich meine, so schwer fiel mir das allerdings eigentlich auch wieder nicht, denn der Sitz des Beifahrers auf dem Kutschbock ist auf die Dauer sowieso ziemlich hart.

    Und dann landete ich eben als Marshal in Bettington.

    Nun, jetzt wißt Ihr also, so ungefähr, wie ich Kopfgeldjäger geworden bin, und jetzt sollt Ihr also auch hören, wie ich zuletzt doch noch in ein ganz anderes Fahrwasser geraten bin .… eben in New Davenport.

    New Davenport war nicht die erste Goldgräberstadt, die ich mit meiner Anwesenheit beehrte, und es bot sich auch durchaus das übliche Bild, am Stadtrand billige Holzhäuser, schnell errichtet, einige versprachen Schlafgelegenheiten für wenig Geld, zwei Boardinghäuser, die billiges Essen versprachen, dann wurde es besser, zwei, drei Saloons, eine Spielhalle, ein Puff, das mir allerdings irgendwie nicht gefallen wollte. und so weiter. Da gab es dann auch ein paar gemauerte Häuser, vor allem das Sheriffsoffice mit dem Gefängnis, gegenüber eine Bank, zwei, drei Häuser weiter wieder ein Puff, das mir aber bedeutend besser gefiel, als das erste.

    Ich allerdings hielt zunächst einmal vor einem Hotel neben der Bank, neugierig beäugt von drei Jungs, die vor dem Hotel auf der Kante des Sidewalks saßen.

    Das Hotel sah ziemlich solide aus und führte den wenig originellen Namen Palace-Hotel.

    Hier wollte ich, bis auf weiteres, meine Zelte aufschlagen.

    Ich stieg vom Pferd, machte es an der Haltestange fest, und sah mich kurz um. Es herrschte doch schon ein ziemlich reges Treiben, am Abend würde es aber zweifelsohne noch reger sein. Kurz musterte ich das Sheriffsoffice und unwillkürlich faßte ich für einen Augenblick die Tafel mit den Anschlägen neben der Tür schärfer ins Auge. Die musste ich mir dann ansehen, denn dort waren natürlich auch die Steckbriefe angeschlagen.

    Schließlich drehte ich mich zu den drei Jungs um und deutete auf einen von ihnen, den ich für den jüngsten hielt. Er schaute aber recht unternehmungslustig und schien mir der richtige Mann für meine Zwecke zu sein,

    „He, du! Komm her!", rief ich.

    Und schon kam er heran gewieselt,

    „Mister?", sagte er fragend, als er heran war.

    „Wie heißt du?", fragte ich.

    „Chris."

    „Chris also. Na schön."

    Ich schnipselte einen halben Dollar in die Höhe, den er geschickt auffing,

    „Würdest du mein Pferd versorgen?", forderte ich ihn auf.

    „Aber sicher.", und schon machte er Anstalten, es loszubinden.

    „Nein, warte noch.", sagte ich. Ich wies auf das Hotel,

    „Wer wohnt da hinter den Fenstern im ersten Stock?"; fragte ich und deutete dabei auch hinauf - so wie ich ihn einschätzte, wußte er das.

    Prompt antwortete er:

    „Da links, das ist die Nummer fünf, da wohnt Mrs. Randers, sie ist die Geliebte von Mr. Briggs."

    Er hielt einen Augenblick inne,

    „Ihm gehört die Bank.", fügte er dann hinzu.

    „Ist er verheiratet?"

    „Sicher. Sie wohnen in dem großen Haus hinter der Bank. Und sie haben zwei Söhne namens William und Edward."

    „Na schön! Und das nächste?"

    „Daneben, auf sechs, da wohnt zur Zeit ein Whiskey-Vertreter namens Milt Sands. Er wird aber bald abreisen, glaub ich. Dann auf sieben kommt Elmore Green, der hat was mit der Minengesellschaft zu tun, ist schon länger hier. Und im Eckzimmer wohnt dann Mrs. Everett."

    „Und von wem ist sie die Geliebte?"

    Sie ist die Frau von Mr. Everett, der ist ein Teilhaber der Minengesellschaft."

    „Wohnt sein Geliebte jetzt bei ihm?"

    „Nein, aber er trinkt so viel und es heißt, er hätte seine Frau schon des öfteren verprügelt."

    „Und da ist sie ausgezogen? Verstehe!"

    „Ihn finden Sie oft drüben bei Ma Samantha.", Chris wies die Straße hinunter, wo vor einem Haus etliche Pferde festgemacht waren, und ich fragte:

    „Ist das ein Puff da vorne?"

    „Genau. Es heißt House of Butterflies"

    „Na schön. Dann versorgst Du jetzt mein Pferd und nachher kommst Du auf Nummer sechs."

    „Zu Mr. Sands?", fragte Chris verwundert.

    „Komm einfach."

    Er zuckte mit den Schultern und band mein Pferd los, während ich ihm meine Deckenrolle und die Satteltaschen abnahm und die Winchester aus dem Scabbard zog.

    Ich sah ihm kurz nach, wie er mein Pferd fort führte. Er schien mir ein tüchtiger Bursche zu sein. Ob er seine Eltern noch hatte? In dem Alter etwa musste ich gewesen sein, als dieser verdammte Yankee meine Mutter erschossen hatte.

    Nun, wie auch immer, ich ging also ins Hotel und rüber zum Empfangspult, wo ich mein Zeug abstellte und die Winchester an das Pult lehnte.

    Ein etwas älterer, glatzköpfiger Mann, leicht korpulent, der daneben an einem Tisch gesessen war, als ich eingetreten war, hatte sich erhoben und war ebenfalls heran getreten,

    „Wollen Sie ein Zimmer?", fragte er.

    „Sie scheinen Gedanken lesen zu können."

    Er ignorierte den leichten Sarkasmus meiner Bemerkung,

    „Ich habe aber nur mehr zwei Dachzimmer frei,, meinte er nur, „die sind zwar etwas kleiner, aber Sie werden trotzdem zufrieden sein.

    „Ich werde ganz bestimmt zufrieden sein.", versicherte ich ihm.

    „Na schön, dann gebe ich Ihnen Zimmer zwölf."

    Er zog das Gästebuch zu sich heran, entstöpselte das Tintenfass und griff nach der Feder auf dem Pult,

    „Welchen Namen darf ich eintragen?", fragte er.

    „Ich mach das schon.", sagte ich und zog ihm das Buch aus der Hand, das er allerdings nicht los lassen wollte

    „Nein, Sir, das …", versuchte er aufzubegehren.

    Ich schaute ihm mit einem breiten, freundlichen Lächeln tief in die Augen und wiederholte:

    „Nein, was …?"

    Und da schien ihm aber die Sache dann doch nicht. so ganz geheuer zu sein, denn widerstrebend ließ er das Gästebuch endlich doch los, und da nahm ich ihm eben auch noch die Feder aus der Hand. Dann tunkte ich also die Feder ein und begann, meinen Namen einzutragen.

    „Arthur … Herward … Henderson.", las der Portier kaum vernehmbar mit, dann sah plötzlich mit einem prüfenden Blick auf zu mir,

    „Arthur Herward Henderson - sind Sie ..…?", setzte er zu einer Frage an. Für einige Augenblicke trafen sich unsere Blicke,

    „Genau der.", bestätigte ich ihm die unvollendete Frage und trug dann weiter ein: ´Zimmer 6´.

    „Nein Sir,, korrigierte er mich eifrig, „Zimmer zwölf! Zimmer sechs ist besetzt.

    „Ist das so?", fragte ich, und wieder kreuzten sich unsere Blicke, was ihn jetzt aber ein wenig nervös machte, glaub ich.

    „Sicher.", bestätigte er mir, aber irgendwie doch ein wenig zögernd.

    Da tauchte ich noch einmal die Feder ins Tintenfass und strich die Eintragung von diesem Milt Sands, die ich mittlerweile entdeckt hatte, durch,

    „Ich glaube, das Zimmer ist gerade frei geworden.", erklärte ich dazu.

    Und dann trug ich dafür für Mr. Sands das Zimmer zwölf ein.

    „Das wird Mr. Sands aber gar nicht gefallen.", bemerkte dazu der Mann hinter dem Pult, als ich fertig war, der sich aber mittlerweile wohl mit seinem Schicksal abgefunden hatte.

    Ich bedachte ihn wieder mit einem breiten, freundlichen Grinsen,

    „Schicken Sie ihn doch ganz einfach zu mir, wenn er noch irgendwelche Fragen hat."

    „Er wird sowieso bald kommen.", brummte der Portier und angelte mir unaufgefordert den Schlüssel vom Schlüsselbrett.

    Das Zimmer war okay, ich hatte schon mit weitaus schlechteren Bekanntschaft gemacht. Es gab ein Bett und daneben einen kleinen Schrank, einen Waschtisch mit einer Waschschüssel und einem großen Wasserkrug, sowie einen Tisch und zwei unbequeme Stühle. Das Schlimmste an den Hotels sind immer diese Stühle und manchmal die Wanzen natürlich. Aber hier gab es keine Wanzen, wie ich in den nächsten Tagen merkte.

    Mir aber war es ja darauf angekommen, ein Fenster hinaus auf die Straße zu haben.

    In einer Ecke stand der Koffer von Mr. Sands. Ich suchte alles zusammen, was offensichtlich ihm gehörte, so unter anderem einen feinen Anzug und zwei Hemden im Schrank, stopfte alles in den Koffer und stellte ihn neben die Tür.

    Dann verstaute ich meine Deckenrolle im Schrank, holte einiges Kleinzeug aus meinen Satteltaschen, das ich auf dem kleinen Schränkchen neben dem Bett deponierte, unter anderem im übrigen, in ein Wachstuch eingeschlagen, mein Buch - Ihr wisst schon, Robinson Crusoe. Das hielt ich immer so damals, meine Marotte eben. Im Übrigen liegt es auch jetzt noch neben meinem Bett, das muss einfach sein.

    Nun, gleichviel, als ich das alles erledigt hatte, ließ ich mich auf einem dieser vermaledeiten Stühle fallen und legte die Beine auf den Tisch.

    Und nicht lange, da erschien auch schon Chris.

    „Setz Dich!", forderte ich ihn auf.

    Und dann ließ ich mir eine ganze Weile einiges über diese Stadt erzählen und über die Leute hier.

    Dann irgendwann hörte man Schritte, rasche, energische Schritte. Ich zog meinen guten, alten Fünfundvierziger und als die Tür aufgerissen wurde, spannte ich den Hahn. Wie angewurzelt blieb ein gut gekleideter, etwas korpulenter Mann mittleren Alters in der Tür stehen und starrte verblüfft und erschreckt in den Lauf meiner Waffe.

    „Mr. Sands nehm´ ich an?", fragte ich.

    Da endlich überwand er seinen Schreck. Er holte tief Luft und fuhr mich an:

    „He! Sie glauben wohl, Sie können sich alles erlauben, nur weil Sie schneller sind mit dem Schießeisen als andere?."

    Ich zuckte mit den Schultern,

    „Sie werden lachen,, sagte ich, „Aber das glaube ich tatsächlich. Sonst noch Fragen?

    Er lachte nicht, sondern er machte weiter seinem Unmut Luft;

    „Sie … Sie, Sie sind wirklich unglaublich."

    „Ganz meine Meinung, aber … wenn Sie irgendwelche Beschwerden haben - dafür ist eigentlich die Direktion zuständig."

    „Die Direktion!", entfuhr es ihm empört, :

    „Ach hol ´s der Teufel!, setzte nach einem Augenblick grollend hinzu, „Es hat ja doch keinen Sinn, mit Ihnen zu streiten. Man hat mir gesagt, wer Sie sind. Ich gehe jetzt!

    Und augenblicklich setzte er diesen weisen Beschluss in die Tat um, indem er seinen Koffer schnappte und tatsächlich ging, natürlich nicht ohne die Tür hinter sich heftig zuzuwerfen.

    Tja! Was soll ich sagen? So war ich damals eben.

    Seht Ihr, man war als Kopfgeldjäger ja alles andere als ein hochgeachteter Mann, eher im Gegenteil - vielleicht auch zu Recht, darüber lässt sich streiten, aber .… , also, bei so gewissen Gelegenheiten, wurde man dafür doch auch wieder respektiert.

    Ich meine, respektiert ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber … Egal!

    Ich schaute kurz zu Chris, und ich glaube, auch er war ein wenig beeindruckt.

    Ich entspannte den Hahn meines Colts und schob ihn wieder ins Halfter,

    „Nun, wo waren wir stehen geblieben?", fragte ich dabei.

    Und wenig später wußte ich dann so einigermaßen alles, was für mich von Interesse sein konnte.

    Ich trat ans Fenster, schob den Vorhang ein wenig zur Seite und sah hinüber zum Sheriffsoffice. Es sah verwaist aus im Augenblick und das Leben auf der Straße war im übrigen mittlerweile reger geworden. Ich ließ mir durch den Kopf gehen, was Chris so alles erzählt hatte, vor allem aber eines:

    Wheeler war auch hier!

    Nun ja, irgendwann mussten sich unsere Wege ja wieder einmal kreuzen.

    Norman Wheeler! Das war die Konkurrenz, müsst Ihr wissen - vermutlich die beste, die ich kannte. Zusammen mit Norman habe ich die wohl heißeste Sache meines Lebens durchgezogen. Und ich kannte sonst niemanden, mit dem das zu schaffen gewesen wäre. Chris hatte aber unter anderem auch noch von einem Burschen namens Adam Smith erzählt, der mit fünf oder sechs Kerlen, oder vielleicht sogar mehr, hier ebenfalls auf Kopfgelder aus war.Von dem hatte ich allerdings bis dahin noch nicht so viel gehört.

    Nun es war wohl an der Zeit, sich anzusehen, was hier an Kopfgeldern überhaupt tatsächlich zu holen war.

    Nun, es war einiges zu holen.

    Ich stand vor dem Sheriffsoffice und studierte die Anschläge auf dem großen Brett neben der Tür, und versuchte, mir die Namen, Beschreibungen und Gesichter einzuprägen, nicht zuletzt natürlich den Steckbrief von John MacEnroe, genannt Black Jack. Von dem hatte ich auch anderswo schon gehört, und für den gab es auch anderswo üppiges Kopfgeld. Aber nun hatte er ja mich auf den Fersen. Tatsächlich wurden hier fünftausend Dollar für ihn geboten.

    Nun, die Liste an Verbrechen, die man ihm und seiner Bande anlastete, war aber auch nicht so ganz ohne, als da unter anderem waren: einige Überfälle auf Goldtransporte, sowie auch auf zwei große Ranches. Jedenfalls war immer richtig was zu holen gewesen - sagen wir es so: Mit Kleinigkeiten gab Black Jack sich gar nicht erst ab. Neben dem Kopfgeld wurde übrigens auch noch eine Belohnung für die Wiederbeschaffung des Goldes versprochen. Hier war wirklich einiges zu holen.

    Dann knarrte hinter mir ein Brett, als da jemand auf den Sidewalk trat. Ich hatte ihn aber schon zuvor in den spiegelnden Scheiben des Fensters vom Sheriffsoffice auf der anderen Straßenseite kommen gesehen,

    „Hi, Norman.", sagte ich

    „Hallo, Arthur.", antwortete hinter mir eine tiefe, ruhige Stimme, die ich nur zu gut kannte.

    Ich drehte mich um und da stand er tatsächlich vor mir:

    Norman Wheeler - eine große, wuchtige Gestalt mit eine langen Mähne hellblonder Haare, die unter dem Hut von einem Stirnband gebändigt wurden, wie ich wußte, und einem ebenso hellblonden, vollen Bart, allerdings gut gepflegt, wie er überhaupt auf seine äußere Erscheinung großen Wert legte.

    Er erinnerte mich immer an einen Wikinger.

    Ich meine, in einem der Bücher von Miss Sellers hatte ich ein Bild von einem Wikinger gesehen, und das hätte ganz gut nach Norman gemalt geworden sein, wenn man ihm einen Helm aufgesetzt und ein Schwert in die Hand gedrückt hätte.

    Ein leichtes Grinsen stand in seinem Gesicht,

    „Irgendwie hab ich ´s geahnt, dass Du hier auftauchen wirst.", meinte er.

    „Hast Du das? Nun, ich war jedenfalls auch nicht überrascht, als ich hörte, dass Du hier bist."

    „Das hast Du schön gehört? Sieh da! Sieh da! Das ging ja schnell. Nun, ich hab ja gesehen, wie Du vorhin in die Stadt gekommen bist. Bin grade da vorne im Saloon gewesen, und sieh mal da! Wer kommt da die Straße lang geritten? Mr. Henderson höchstpersönlich."

    „Wir könnten in den Saloon gehen.", schlug ich vor.

    „Gehn wir ins Puff da vorne., Norman wies mit dem Daumen nach rechts, „Da können wir grad so gut reden. Und ich zeig Dir die besten Mädchen. Du hast einen langen Ritt hinter Dir, da wird Dir das gut tun.

    „Meinetwegen.", stimmte ich ihm zu.

    Der Vorschlag war typisch für Norman, denn er hatte einen ziemlichen Hang für Nutten. Nach seinen Worten, war es sein großer Traum, sich einmal ein piekfeines Bordell in New Orleans zuzulegen, wenn er genug Geld beisammen hatte - nun, diesem Traum konnte er ja hier ein gutes Stück näher kommen, wenn er Glück hatte.

    Das Puff da vorne war übrigens jenes ´House of Butterflys´, das mir Chris schon gezeigt hatte, und die Schmetterlinge da drinnen waren ganz in Ordnung, und das Haus auch. Es gab bequeme Stühle an schönen, runden, glänzenden Tischen, die Wände waren mit Vorhängen verhangen und dazwischen gab es große Gemälde, die einen ganz gut auf das einstimmen konnten, was man hier üblicherweise vorhatte - zumeist jagten darauf unter anderem irgendwelche merkwürdige, bocksbeinige Zwerge mit lüsternen Blicken üppigen, weiblichen Wesen nach, die entweder nicht, oder höchstens mit durchscheinenden Schleiern bekleidet waren. Ich meine, in den feineren Puffs konnte man solche Bilder immer wieder finden, und mittlerweile weiß ich sogar, dass da Nymphen und irgendwelche Lustzwerge aus alten Geschichten zu sehen waren. Damals allerdings wußte ich das zwar noch nicht - aber es war mir auch ziemlich egal. Es gefiel mir einfach, und natürlich den anderen Männern auch.

    Norman steuerte auf eine dunkle Ecke zu, nachdem wir eingetreten waren, und fast augenblicklich kamen zwei der Mädchen angerückt, doch Norman rief ihnen zu:

    „Später, Nelly. Bring uns eine Flasche Whiskey."

    „Und? Wie steht ´s mit Black Jack?, fragte ich, kaum dass wir uns gesetzt hatten, „Noch nicht gefunden?

    „Keine Ahnung, in welchem Loch der steckt. Entweder liegt es so versteckt, dass man es wirklich nur mit viel Glück finden kann, oder es ist wo weiter weg, vielleicht irgendwo im Osten. Aber eigentlich weiß niemand wirklich was. Nun, Du wirst natürlich auch versuchen, dieses Loch zu finden. Also: Viel Glück kann ich dazu nur sagen."

    „Nun, wir werden ja sehen. Er ist jedenfalls der ganz große Fisch. Und sonst? Ich meine, es gibt ja sonst auch noch ein paar Steckbriefe."

    Norman zuckte mit den Schultern,

    „Ach, Du weißt ja, wie es ist. Der Winter war verdammt hart und viele haben aufgegeben. Die meisten sind einfach verschwunden, aber es sind genug übrig geblieben, die der Versuchung nicht widerstehen konnten und auf die krumme Tour, ihr Glück machen wollten. Obwohl sie doch eigentlich wissen müssten, dass es die meisten irgendwann doch einmal erwischt, aber … nun ja, so ist es eben. Und einige davon sind wohl auch bei Jack gelandet."

    „Und dieser Smith?"

    „Adam Smith? Von dem hast Du auch schon gehört? Tja! Das ging ja wirklich ziemlich flott. Nun ja, egal! Das sind jedenfalls ziemlich miese Ratten, glaub ich. Ich meine, ich glaube, ich weiß, was ich von mir selbst zu halten habe, aber ….. ich glaub´, die sind noch mieser."

    „Nun ja, wenn Du es sagst."

    Ich meine, es war ja nicht so, dass Norman sich für einen miesen Burschen gehalten hätte, ganz im Gegenteil. Aber … Norman war nicht zimperlich. Wenn es auf einem Steckbrief hieß, tot oder lebendig, dann brachte er seinen Mann meistens tot und wenn er ihn vor den Augen seiner Fau und seiner Kinder erschießen musste. Solche Dinge geschehen eben … und, genau genommen, war ich da auch nicht viel besser damals. Aber es ist dann immer noch eine andere Sache, diese Frau und ihre Kinder zum Beispiel zu verprügeln, oder sonst noch was zu tun, nur um aus ihr ´raus zu kriegen, wo ihr Mann zu finden ist. Aber Frauen und Kinder waren für Norman ein ziemliches Tabu - fast noch mehr als für mich, glaub´ ich. Und er erwartete das auch von allen anderen. Also, da könnte ich Euch Geschichten erzählen! Aber .… Lassen wir das lieber, ich komme sonst noch ganz von meiner Geschichte ab!

    „Du findest sie meist im ´Paradise´,, erzählte er jedenfalls weiter, „Du musst d´ran vorbei gekommen sein.

    „Bin ich."; so nämlich hatte das erste Puff geheißen, an dem ich vorbei gekommen war, als ich in die Stadt geritten war.

    „Gehört ´nem gewissen Ken Bowfield, Da geht ´s den Nutten eher dreckig, hab ich gehört, kriegen angeblich ´ne Menge Prügel dort."

    „Und das ausgerechnet im Paradies."

    „Du sagst es, üble Sache. Manchmal, wenn ich d´ran vorbei komme´, juckt ´s mich, einfach ´rein zu gehen und ein wenig was kurz und klein zu schlagen. Schätze, wahrscheinlich tu ich ´s auch einmal, wenn ich einmal richtig d´rauf bin."

    Tja! So war Norman: Er konnte ein gnadenloser Killer sein - aber andrerseits war er der Meinung, dass man Nutten nett zu behandeln hatte, und prügeln gehörte da jedenfalls nicht dazu. Und wenn ´s darum ging, wo was kurz und klein zu schlagen …, also davon verstand er was, das könnt Ihr mir glauben, also da könnte ich Euch auch ein paar Geschichten erzählen, aber … Ich glaube, ich komme da schon wieder von der Geschichte ab.

    „Nun, wenn ´s so weit ist, dann sag ´s mir, vielleicht bin ich dann auch g´rad in der richtigen Laune.", forderte ich ihn jedenfalls auf.

    Norman grinste,

    „Werd´ dran denken,, versicherte er mir, Zu zweit macht es natürlich schon viel mehr Spaß. Ich meine, es gibt aber auch im Paradise ein paar verdammt nette Mädchen. Ich meine, es ist ja nicht so, dass ich nicht schon da gewesen wäre."

    „Das hättest Du mir nicht extra sagen müssen. Wie steht ´s um Dich und Dein Puff in New Orleans?", wechselte ich das Thema.

    „Kommt schon noch., versicherte er mir, „Kommt schon noch.

    „Dann sieh dazu, ich warte schon. Ich meine, ich gehe davon aus, dass es bei Dir ein paar extra feine Mädchen geben wird."

    „Worauf Du Dich verlassen kannst, aber .…"

    Er drehte sich kurz um und meinte dabei:

    … es gibt auch hier ein paar verdammt feine Mädchen … und ich glaube Du hast Glück. Da kommt gerade Lily, die ist genau die richtige für Dich. Wie wär ´s?, er drehte sich wieder um zu mir und sah mich auffordernd an.

    „Wenn Du sagst, sie ist genau die richtige für mich …"

    Es gab im Hotel auch einen Speisesaal, wo man auch ein ganz ordentliches Frühstück kriegen konnte, mit Rührei, Schinken und reichlich Kaffee und so weiter. Und als ich dort am nächsten Morgen beim Frühstück saß, war ich sehr zufrieden mit mir und der Welt. Irgendwie hatte ich das Gefühl, genau am richtigen Ort zu sein.

    Es gab genug zu tun für mich und diese Lily war wirklich ein feines Mädchen gewesen, langbeinig und schlank. Sie nannten sie auch Indianer-Lily. Ihre Hautfarbe war relativ dunkel und dazu hatte sie dichtes, glänzendschwarzes Haar und tiefdunkle Augen und sie behauptete, ein Halbblut zu sein. Um daran keinen Zweifel aufkommen zu lassen, bändigte sie ihre Haarfülle nach Indianerart mit einem Stirnband und auch sonst war alles irgendwie indianisch an ihr. Sie trug zumeist einen ledernen Rock, der ihr bis kurz über die Knie reichte, ihre langen Beine steckten in feinledernen Leggins, die außen geschnürt waren und unwillkürlich hatte man Lust, herauszufinden, wo diese Leggins endeten. Ich meine, das hatte ich natürlich mittlerweile schon heraus gefunden, aber … egal. Dazu jedenfalls trug sie noch ein ebenso feinledernes, vorne geschnürtes Hemd, das aber so eng war, dass vorne ein ziemlicher Spalt klaffte, der für die Augen eines Mannes eine magische Anziehungskraft hatte, weil dahinter ziemlich nette Dinger versteckt waren.

    Es gab jedenfalls genug Männer, denen es gefiel, es einmal mit einem hübschen Indianermädchen zu treiben, obwohl ich mir nicht ganz sicher war, ob sie wirklich ein Halbblut war.

    Und ich weiß es bis heute nicht.

    Aber, so weit ´s mich betrifft: Es war mir auch egal.

    Norman hatte sich zuletzt an einen blonden Engel namens Mary gehalten, der einen Hüftschwung hatte, der seinesgleichen suchte. Aber Norman hatte es schon immer mit den Blondinen gehabt, üppigen Blondinen, und Mary war blond und üppig.

    Ich schenkte mir noch eine Tasse Kaffee ein und während ich, etwas in Gedanken, meinenKaffee schlürfte und durch das Fenster das Treiben draußen auf der Straße beobachtete, dachte ich an die glatte, bronzefarbene Haut von Lily.

    Ich war auch neugierig, ob Chris kommen würde, wie wir es ausgemacht hatten. Für einen halben Dollar die Woche sollte er mich auf dem Laufenden halten, was los war in der Stadt. Diese Jungs schnappen immer alles mögliche auf. Und sie kennen sich, weil sie ja zusammen allen möglichen Unfug machen, so wie ich und meine Freunde es in Texas ja seinerzeit auch gehalten hatten. Es hatte sich jedenfalls schon einigemale bewährt, sich von Jungs wie Chris stets ein wenig auf dem Laufenden halten zu lassen. Ich meine, natürlich erzählten sie hin und wieder so manchen Unfug, aber das musste man eben in Kauf nehmen.

    Er ließ dann auch nicht lange auf sich warten, es hatte sich aber nichts aufregendes getan, seit ich angekommen war. Im Paradise hatte es eine kleine Schlägerei gegeben und ein Mann war mit einem Bauchstich beim Doc gelandet. Das war schon das Aufregendste, nichts was mich wirklich interessiert hätte.

    Ich erkundigte mich nach dem Doc, man weiß ja nie. Da sahen wir draußen auf der Straße ein paar Burschen entlang geritten kommen, die auf zwei Pferden zwei Tote mit sich führten, die man über die Sättel der Pferde gelegt hatte.

    „Smith!", sagte da Chris irgendwie ehrfurchtsvoll oder so.

    Mr. Adam Smith vermutlich!

    „Welcher ist Smith?", fragte ich.

    „Er reitet voran.", antwortete Chris.

    Ich versuchte, den Mann etwas genauer ins Auge zu fassen, so weit es die Entfernung erlaubte. Er war groß und ziemlich schlank und zeichnete sich unter anderem durch einen prächtigen Schnurrbart und lang ausgezogene Bartkoteletten aus, beides dunkelblond, wie auch seine Haare, so weit man das erkennen konnte. Er war nicht mehr ganz jung, wohl ein paar Jahre älter als ich, vielleicht Mitte Dreißig. Auch die anderen Typen versuchte ich, mir einzuprägen, aber schließlich war die Kavalkade vorbei an den Fenstern.

    „Und wo finde ich Sie, nachdem Sie beim Sheriff gewesen sind?"

    „Wo schon? In Paddy´s Saloon wahrscheinlich, später vielleicht im Paradise.", antwortete Chris prompt.

    „Na schön.", sagte ich, dann wechselte ich das Thema,

    „Gehst Du in die Schule?", fragte ich, ich weiß auch nicht warum.

    „Jjja…", antwortete er etwas zögernd.

    „Solltest Du aber jedenfalls tun., sagte ich, „Ich meine, es geht mich ja nichts an, aber …

    „Ja, ja, ich geh schon.", versicherte er mir da schnell.

    „Na dann."

    Dann griff ich in meine Jackentasche,

    „Da!", ich schnippelte Chris einen halben Dollar zu, den er geschickt auffing,

    „Für diese Woche.", sagte ich dazu.

    „Danke, Mr. Henderson.": seine hellblauen Augen leuchteten.

    „Ich glaube aber, ich geh jetzt.", setzte er dann hinzu.

    „Und denk daran, wenn Du mir wem ans Messer lieferst, gibt ´s ein paar Dollar extra."

    „Ich weiß, ich weiß. So long, Mr. Henderson!"

    Und weg war er.

    Ich sah ihm nach, wie er durch die Tür verschwand.

    Ob er wirklich in die Schule gehen würde?

    Ich hatte da so meine Zweifel und begann, ein wenig über Chris nachzudenken.

    Wer wohl seine Eltern waren? Hatte er überhaupt noch Eltern?

    So alt wie Chris etwa war ich gewesen, als ich meine Mutter verloren hatte. Aber ich hatte ja dann Miss Sellers gehabt, die dafür gesorgt hatte, dass ich in die Schule gegangen war … und dass ich Bücher gelesen hatte. Ich konnte Chris meinen Robinson geben - aber das würde ich nicht tun. Im Laden hatten sie sicher auch Bücher.

    Wenig später erhob ich mich, ging hinaus vor das Hotel und beobachtete das Treiben auf der Straße:

    Reiter, Wägen und Kutschen, die in die Stadt strebten, jede Menge Leute auf den Sidewalks, die ihren Geschäften nachgingen, darunter eine mehr oder minder feine Lady mit Sonnenschirm , die ein wenig deplacirt wirkte in dem sonstigen Treiben, und so weiter eben.

    Mein Augenmerk aber galt eigentlich dem Sheriffsoffice.

    Da drinnen waren jetzt wohl Mr. Smith und seine Kumpane. Denn zweifellos waren die zwei Toten, die sie mit sich geführt hatten, so ihr Geld wert. Die Bande hatte ihre Pferde vor dem Sheriffsoffice festgemacht und die beiden Toten hingen noch immer über den Sätteln ihrer Pferde. Ein paar Leute hatten sich um die Toten versammelt, ich konnte allerdings nicht verstehen, was sie redeten. Ein paar neugierige Jungs waren auch dabei und darunter natürlich auch Chris.

    Mein Blick wanderte nach links. Schräg gegenüber fiel mir unter anderem der Laden eines Barbiers auf, der auch ein Badehaus betrieb. So stand ´s jedenfalls auf der großen Tafel über dem Laden, die allerdings einige Einschusslöcher aufwies. Vielleicht sollte ich mich dort heute noch auf Vordermann bringen lassen, ging es mir kurz durch den Kopf.

    Etwas weiter prangte das Schild eines großen Generalstores, vor dem gerade zwei Wagen hielten.

    Da öffnete sich rechts die Tür zum Sheriffsoffice und ein paar sichtlich gut gelaunte Männer traten heraus: Adam Smith und seine Männer. Sie schwangen sich wieder auf ihre Gäule und dampften ab. Im Näherkommen konnte ich sie jetzt besser ins Auge fassen, vor allem natürlich Adam Smith. Er war wohl etwa in meiner Größe und sicher tatsächlich ein paar Jahre älter als ich, höchstens aber fünfunddreißig. Er war wohl so etwas wie ein stattlicher Mann, den meisten Frauen würde er wohl gefallen. Seine Augen waren überall, ihm entging wohl nicht leicht etwas. Kurz streifte mich, unter seinem breitkrempigen Hut hervor, sein Blick, als sie am Hotel vorbei ritten. Ich versuchte, ein möglichst uninteressiertes Gesicht zu machen, und so verweilte dieser Blick eben nur kurz auf mir.

    Vor dem Sheriffsoffice waren nur der Sheriff und sein Deputy zurück geblieben, während die meisten Leute sich schon wieder verkrümelt hatten. So eine große Sensation waren die beiden Toten wohl auch wieder nicht. Der Sheriff und sein Deputy unterhielten sich noch kurz, dann verschwand der Sheriff wieder in seinem Büro, während sein Deputy die Pferde los machte und fort führte.

    Ein Stück die Straße hinauf hatten mittlerweile die Kopfgeldjäger angehalten und stiegen wieder von ihren Pferden, worauf sie, einer nach dem anderen, in dem Gebäude dort verschwanden - das musste wohl dieser Saloon sein, von dem Chris gesprochen hatte. Paddy´s Saloon hatte er wohl geheißen.

    Und plötzlich verspürte ich große Lust, mir Mr. Smith einmal aus der Nähe anzusehen – das würden mir ein oder zwei Whiskey schon wert sein. Dann sah ich wieder hinüber zu dem Laden des Barbiers, er hieß O´Malley - und ich entschied: Zunächst einmal O´Malley und dann Mr. Smith.

    „Henderson., sagte ich dann, als Smith mich nach meinem Namen gefragt hatte, „Arthur Herward Henderson.

    Das war sicher zwei Stunden später. O´Malley hatte inzwischen einen neuen Menschen aus mir gemacht, mein Gesicht war glatt wie ein Babyhintern und frisch gepudert. Bei Paddy´s war ich dann in ein Pokerspiel eingestiegen, an dem auch Smith beteiligt war. Und als ich nach einer Weile einen ziemlich fetten Pott einstrich, hatte er mich plötzlich nach meinem Namen gefragt.

    „Henderson. Hmm…", wiederholte er gedehnt und etwas betont, wobei er sich ein wenig aufrichtete und mich nun eingehend musterte.

    Hinter mir sagte einer halblaut, aber doch mit einem gewissen Respekt:

    „Die Nase!",

    und ein anderer:

    „A. H. Henderson!",

    Smith aber stellte endlich mit einem leichten Kopfnicken fest:

    „Du bist also A. H. Henderson, der große Kopfgeldjäger."

    Ich zuckte mit den Schultern,

    „Ich bin einfach nur ein Kopfgeldjäger, wie jeder andere auch.", korrigierte ich Smith mit freundlicher, sanfter Stimme.

    „Einfach nur ein Kopfgeldjäger also!, wiederholte Smith ein wenig spöttisch, „Wir sind bescheiden, sieh da, sieh da.

    Smith und ich, wir starrten uns in die Augen,

    „Nun, wie auch immer! Es ist nämlich so, dass wir auch hinter den Skalps aller Halunken hier in der Gegend her sind. Sieh also zu, dass Du uns nicht in die Quere kommst."

    „Verstehe!, sagte ich, „Klingt sehr vernünftig, aber … eigentlich braucht Ihr, mir nur immer aus dem Weg zu gehen, dann kann eigentlich nichts passieren.

    Smith nickte undverzog ein wenig den Mund,

    „Und witzig sind wir also auch., stellte er fest, „Nun ja, wie Du glaubst, war ja nur ein Tip.

    „Tip für Tip! Genau so soll es sein., erwiderte ich darauf, „Hast Du übrigens Wheeler Diesen kleinen Tip auch gegeben?

    „Wheeler!, wiederholte Smith langsam, „Kennst Du ihn?

    „Wie man ´s nimmt … aber jedenfalls gut genug, um zu wissen,, dass er ein gewisses Talent dafür hat, den Leuten in die Quere zu kommen."

    „Ist das so? Nun, man wird ja sehen."

    „Und noch ein Tip unter Freunden,, sagte ich und bedachte Smith mit einem freundlichen, breiten Grinsen, „schlag Dich nicht herum mit ihm. Er hat auch ein gewisses Talent dafür, anderen Leuten die Nasen kaputt zu schlagen. Wär´ echt schade um Deine hübsche Nase.

    Smith brachte auch ein freundliches Grinsen zustande und meinte:

    „Meine Nase lass Du nur meine Sorge sein. Und im Übrigen hätte ich ja auch noch ein paar Tips für Dich, aber … für heute reicht es mit den guten Tips würd´ ich sagen."

    „So soll es sein. Können wir dann weiterspielen?"

    Smith schaute mich noch einen Augenblick lang abwägend an – und dann plötzlich sagte er:

    „Gus, teil aus!"

    Und da begann der Mann neben ihm, mit viel Geschick und einigen kleinen Kunststückchen, wieder die Karten zu mischen.

    Tja! Das war also meine erste Begegnung mit Adam Smith.

    Dabei sollte es aber nicht bleiben.

    Ich sah mich dann an diesem Tag auch sonst noch ein wenig um in der Stadt. So hatte ich etwa auch noch einen kurzen Plausch mit dem Sheriff, einem bärbeißigen Typ vom Schlag Eiserner Hans, namens Bob Taylor, dem die Hartnäckigkeit eines Bullterriers eignen sollte, wenn er hinter einem Mann her war. So hieß es jedenfalls, und man konnte immerhin fast Angst haben, dass er einen gleich beißen würde, wenn man mit ihm zu tun hatte. Er hatte mir bei dieser Gelegenheit unter

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