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WILDTIERE IN NOT: Naturschutz und Klimaschutz sind keine Freunde
WILDTIERE IN NOT: Naturschutz und Klimaschutz sind keine Freunde
WILDTIERE IN NOT: Naturschutz und Klimaschutz sind keine Freunde
eBook315 Seiten3 Stunden

WILDTIERE IN NOT: Naturschutz und Klimaschutz sind keine Freunde

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Über dieses E-Book

Für Bernd Karl Hoffman haben Tiere von Kind an alles bedeutet. So war es die glücklichste Fügung seines Lebens, dass er über vier Jahrzehnte im Niedersächsischen Landesnaturschutz arbeiten durfte. Er schildert in den ersten beiden Teilen die vielfältige berufliche Tätigkeit. Diese reichte von der Errichtung von Betreuungsstationen für verletzte Tiere bis hin zum Kampf gegen den illegalen Wildtierhandel und zur Wiederansiedlung des Luchses im Harz. Besonders bewegt ihn das Schicksal der ausgerotteten Großtiere wie Urwildpferd und Urrind mit ihrer entscheidenden Rolle für die Entwicklung unserer Zivilisation. Er äußert sich weiterhin zu aktuellen naturschutzpolitischen Themen wie dem Umgang mit dem Wolf oder dem Missbrauch des Artenschutzes zur Verhinderung von großen Bauprojekten.
Im Teil III betrachtet er die Widersprüche zwischen Klima- und Naturschutz, die Folgen der Gewinnung erneuerbarer Energie für die Natur und die Instrumentalisierung des Klimaschutzes. Den seit Ende der letzten Eiszeit belegten Anstieg der globalen Temperatur bestreitet er nicht. Der Behauptung der "Klimaaktivisten", dass allein der Mensch durch die Industrialisierung dafür verantwortlich ist, widerspricht er jedoch energisch. Der Autor verdeutlicht, dass das Wachstum der Weltbevölkerung die wesentliche Ursache für die Verdrängung der Natur ist und auch für den Klimawandel, soweit durch den Menschen beeinflusst. Politisch ruft Hoffmann als liberaler Demokrat vor dem Hintergrund seiner Lebenserfahrung und seiner spannenden Ost-West-Biografie dazu auf, unsere Westliche Demokratie basierend auf der Sozialen Marktwirtschaft zu verteidigen. Denjenigen, die diese Gesellschaftsordnung aus vorgeschützten Gründen des Klimaschutzes wahlweise durch eine ökologische oder sozialistische Planwirtschaft ersetzen wollen, erteilt er eine Abfuhr.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum30. Okt. 2020
ISBN9783347090576
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    Buchvorschau

    WILDTIERE IN NOT - Bernd Karl Hoffmann

    Prolog

    Im zerrissenen und schließlich wiedervereinigten Nachkriegsdeutschland

    Meine Mutter, Jahrgang 1930, ist bei ihren Eltern in Mosel bei Zwickau in Sachsen aufgewachsen. Mein Vater, Jahrgang 1925, entstammt der Gärtnerei Hoffmann, die meine Großeltern in den 1920er-Jahren in Himbergen (Kreis Uelzen) aufgebaut hatten. Anders als sein älterer Bruder, der in Stalingrad verschollen ist, hat mein Vater den Zweiten Weltkrieg überlebt, wenn auch mehrfach schwer verwundet. Als seine Kompanie auf dem Weg von der West- an die Ostfront in Zwickau eine Pause einlegte, lernte er meine Mutter durch Zufall kennen. Aus einer Brieffreundschaft wurde nach dem Krieg mehr und so wurde ich 1950 im väterlichen Elternhaus geboren. Da meine Mutter Krankheit und Heimweh plagten, zogen meine Eltern ein halbes Jahr später nach Mosel in den Heimatort meiner Mutter. Sie taten das, obwohl sie, wie auch meine sächsischen Großeltern, das DDR-Regime strikt ablehnten. Meine Eltern haben sich nie verziehen, dass sie den Bau der Mauer nicht vorhergesehen haben und nicht rechtzeitig geflüchtet sind.

    So war ich von 1957 bis 1965 gezwungen, acht Jahre lang die Grundschule in Mosel zu besuchen, die als „Disziplinschule Mosel wegen ihres Drills selbst in der DDR einen speziellen Ruf hatte. Ganz anders die Erweiterte Oberschule „Käthe-Kollwitz in Zwickau, an der ich 1969 mein Abitur ablegte. Diese Schule war in unglaublicher Weise geradezu liberal. Dieser Zustand wurde kurze Zeit nach meinem Abschluss von SED und Stasi rigoros beendet. Der Schulalltag war hart: Neben den Hauptfächern waren drei Fremdsprachen – in unserer Klasse Russisch, Französisch und Latein – die musischkünstlerischen Fächer bis hin zu Kunstgeschichte sowie das gesamte naturwissenschaftliche Programm zu bewältigen. Sogar Astronomie war ein eigenes Fach. Abwählen konnten wir nichts und es gab auch kein Sitzenbleiben. Wer in einem Hauptfach eine 5 im Zeugnis hatte, musste die Schule verlassen. Damit nicht genug: Im Rahmen eines DDR-weiten Großversuchs mussten wir neben dem Abitur einen Facharbeiterbrief ablegen. So erwarb ich 1969 nicht nur das Abitur, sondern wider Willen auch einen Facharbeiterbrief für Textilveredelung. Wie manches in der DDR wurde dieser Versuch bald eingestellt. Mein zwei Jahre jüngerer Bruder Dieter, der ebenfalls auf die „Käthe-Kollwitz-Schule ging, musste diesen Unsinn nicht mehr mitmachen. An der „Käthe-Kollwitz-Schule selbst hatten wir meist hochkarätige und gleichzeitig sehr strenge Lehrer, eine bewährte Kombination. Diesen verdanke ich eine umfassende Allgemeinbildung, die zwar unter Zwang entstand, von der ich jedoch Zeit meines Lebens profitiert habe. Mein Interesse galt aber seit dem Vorschulalter in erster Linie den Tieren und so hätte ich liebend gern Biologie studiert. Man hat mir aber bedeutet, dass meine so genannten gesellschaftlichen Leistungen dafür nicht ausreichend seien. Zwar hatte ich mich als Leichtathlet im Sport, als Sänger im Schulchor und mit meiner ornithologischen Tätigkeit im Kulturbund der DDR so durchgemogelt, denn dies alles galt als „gesellschaftliche Leistung. Aber vor der FDJ-Arbeit oder gar einem Eintritt in die SED hatte ich mich konsequent gedrückt. So tat ich das Nächstliegende und studierte Tierproduktion und Veterinärmedizin an der Universität Leipzig. Diese Zeit von 1969 bis 1974 war für mich äußerst bedrückend und freudlos. Vom verhassten System in diese Lebensbahn gezwungen, war mir klar, dass ich niemals unter den 1960 nach der Zwangskollektivierung der Bauern entstandenen Bedingungen in der Landwirtschaft arbeiten wollte. Ein anderer Aspekt war aber noch schwerwiegender – ich wollte gar nicht in der DDR bleiben. Ein erster Fluchtversuch gemeinsam mit meinen Eltern und meinen beiden Brüdern von Rumänien nach Jugoslawien im Mai 1970 war gescheitert. Mein Vater, mein damals 17-jähriger Bruder Dieter und ich landeten im rumänischen Timişoara (Temeschburg) im Gefängnis, während meine Mutter mit meinem damals 2-jährigen Bruder Olaf ausgesetzt und von einer rumäniendeutschen Familie aufgenommen und damit gerettet wurde. Mein Onkel aus Himbergen konnte uns dann freikaufen. Erst nach der Wende habe ich in meiner Stasiakte gelesen, dass die Securitate tatsächlich Wort gehalten und die Stasi nicht über unseren Fluchtversuch informiert hat. Meine Eltern und mein Bruder resignierten vorerst. Ich dagegen habe 1972 noch einmal versucht in den Westen zu kommen, indem ich durch das Schwarze Meer von Bulgarien in die Türkei schwimmen wollte. Ich scheiterte erneut und wäre um ein Haar ums Leben gekommen. Aufgegeben habe ich den Fluchtgedanken jedoch nie und so habe ich an dem Tag, an dem ich mein Diplomzeugnis erhielt, einen Antrag auf Ausreise in die Bundesrepublik gestellt. Dabei habe ich die Tatsache genutzt, dass die DDR in die Vereinten Nationen aufgenommen worden war und ich mich somit auf die Menschenrechtscharta berufen konnte. Ich war damals mit dem Mut der Jugend zu allem entschlossen und hatte keine Angst, obwohl mir die Verhaftung drohte, weil ich weiterhin illegal in meinem privaten Studentenzimmer wohnte und keine Arbeit hatte. Die Evangelische Kirche hat mir dann entscheidend geholfen, indem sie mir eine Stelle als Hilfsarbeiter im Zoo Leipzig vermitteln konnte. Abgesehen von meiner Kinderzeit war dieses Jahr im Zoo merkwürdigerweise für mich die glücklichste Zeit in der DDR. Ich musste zwar aufgrund meines Ausreiseantrags ständig mit der Verhaftung rechnen, hatte mich aber ansonsten von allen Zwängen befreit. Nach harten Auseinandersetzungen wurde ich dann für mich völlig überraschend im Frühjahr 1975 in „Unehren aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen. Der 16. Mai 1975, der Tag meiner Ausreise, war der Tag meiner zweiten Geburt.

    Die ersten drei Monate in der Bundesrepublik lebte ich bei Onkel, Tante und meiner Großmutter in Himbergen in meinem Geburtshaus. Mit dem ersten ersparten Arbeitslosengeld zog ich dann im Herbst 1975 nach Hannover, da ich nur dort eine berufliche Perspektive hatte. Der Start im Westen war beruflich schwer. Das hat mich aber nicht belastet, denn mein Glück endlich frei zu sein, überstrahlte alles. Für mich stand fest, dass ich entweder im Bereich Naturschutz oder in einem Zoologischen Garten als wissenschaftlicher Assistent arbeiten wollte. Einem Rat des damaligen Direktors des Zoologischen Gartens Hannover Prof. Dittrich folgend, versuchte ich zunächst an der Universität Tübingen zu promovieren. Das scheiterte jedoch am Geldmangel, weil ich vor dem Hintergrund eines bereits abgeschlossenen Studiums kein Stipendium bekam. Nach Hannover zurückgekehrt setzte ich im Frühjahr 1976 meine Bewerbungsbemühungen fort. Auf mein Fachwissen, insbesondere meine umfangreichen Kenntnisse über Vogel- und Säugetierarten weltweit, konnte ich mich verlassen. Aber bis dahin hatte ich keine Gelegenheit erhalten, mich zu beweisen. Nach Vorsprache bei der Obersten Naturschutzbehörde erhielt ich dann endlich die Chance der Bewährung und zwar mit einem Zeitvertrag für drei Monate bei der Staatlichen Vogelschutzwarte (damals im Niedersächsischen Landesverwaltungsamt, Sonderdezernat Naturschutz angesiedelt) bei meinem hochverehrten Vorgesetzten Herrn Heckenroth. Und das Glück stand mir zur Seite: Am 15. Juni 1976 war mein erster Arbeitstag und am 20. Juni 1976 trat das Gesetz zum „Washingtoner Artenschutzübereinkommen" in der Bundesrepublik in Kraft. Für die Durchführung dieses Gesetzes in der Bundesrepublik Deutschland sind die Bundesländer zuständig und manches Bundesland war von diesen neuen Aufgaben geradezu überrascht. Aufgrund meiner umfassenden Artenkenntnisse war ich für dieses Spezialgebiet prädestiniert und meine Vorgesetzten erkannten das. So wurde ich zum 01. Januar 1978 fest eingestellt und dann auch sehr schnell Leiter des Dezernats für Internationalen Artenschutz. Zum 01. Januar 1994 wechselte ich in das wenige Jahre zuvor gegründete Niedersächsische Umweltministerium. Dort war ich fast zehn Jahre als Artenschutzreferent tätig. Nachdem die Leitung des Ministeriums 2003 an den FDP-Minister Sander übergegangen war, wurde ich zunächst Referatsleiter für Grundsatzangelegenheiten des Naturschutzes und anschließend Leiter der unmittelbar der Behördenleitung unterstellten Referatsgruppe für Naturschutz.

    Nach dem Wahlsieg von „Rot-Grün" im Jahr 2013 ging die Leitung des Ministeriums an Herrn Minister Wenzel und Frau Staatssekretärin Kottwitz über. Sie beschlossen gegen meinen Rat die Auflösung der selbstständigen Referatsgruppe für Naturschutz und deren Eingliederung in die Abteilung für Wasserwirtschaft. Weiterhin musste ich erkennen, dass die im Wahlkampf in Aussicht gestellte Gründung eines eigenständigen Landesamtes für Naturschutz, für das ich mich sehr eingesetzt hatte, nicht realisiert wurde. Beides war meiner Meinung nach nachteilig für den niedersächsischen Naturschutz. Am 01. August 2013 ging ich vor allem deshalb auf eigenen Wunsch in den Ruhestand. Ich ging nicht im persönlichen Streit, aber in der Sache auch nicht im Frieden. Um Missverständnissen vorzubeugen: menschlich war der Umgang mit Minister Wenzel und Staatssekretärin Kottwitz immer angenehm, wir waren nur sehr unterschiedlicher Meinung, was die organisatorische und inhaltliche Ausrichtung des Naturschutzes betraf. Vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen in der DDR hielt ich nichts von Plänen aller Art und von der zeitfressenden Ausarbeitung von Strategiepapieren. Ich wollte immer Aktionen, die den Zustand der Natur vor Ort nachweisbar, messbar und zeitnah verbesserten. Das konnte ich im Rahmen meiner Tätigkeit in vielen Fällen auch durchsetzen. Ein intern ausgetragener Dauerkonflikt zwischen Behördenleitung und einem an Weisungen gebundenen Spitzenbeamten konnte dem Naturschutzgedanken, dem ich mein Leben verschrieben hatte, nur schaden. Und so zog ich die Konsequenz. Bereut habe ich das nie.

    Bernd Karl als Abiturient 1969

    Wie wird man Naturschützer?

    Das kann jeder Naturschützer eigentlich nur für sich selbst beantworten, aber irgendetwas muss uns, die wir uns alle Naturschützer nennen, doch auch verbinden. In meinem langen Berufsleben und auch schon davor, als ich ehrenamtlich ornithologisch tätig war, habe ich mit vielen Menschen über dieses Thema gesprochen. Immer interessierten mich die Motive, die Mitstreiter und interne Gegner bewegt haben, sich dem Naturschutz zu widmen oder diesen gar zu ihrer Lebensaufgabe zu machen. Dabei meine ich nur den Naturschutz und nicht den Tierschutz, obwohl es zwischen Tierschutz und Tierartenschutz, der wiederum nur ein Teil des gesamten Naturschutzes ist, durchaus Überschneidungen gibt. Dagegen gibt es zwischen Naturschutz und Umweltschutz, der völlig andere Motive hat, zwar auch eine Schnittmenge, aber nach meinem Dafürhalten auch Gegensätze. Ich werde darauf zurückkommen. Der Tierschutz wiederum verfolgt das Ziel jedes einzelne Tier in Menschenhand vor Schäden zu bewahren, und zwar ganz gleich, ob es sich um ein Wildtier oder ein Haustier handelt. Leider werfen die Medien mit den Begriffen Naturschutz, Umweltschutz und Tierschutz oft so manches durcheinander. Selbst wenn man sich auf die Betrachtung des Naturschutzes beschränkt, gibt es Probleme. Im Grunde habe ich noch nie zwei Naturschützer getroffen, die sich vollständig über die Definition des Naturschutzbegriffs einig gewesen wären.

    Viele haben mir jedoch gesagt, dass ihnen ihre Naturverbundenheit praktisch in die Wiege gelegt worden sei. Diese sei durch kindliche oder spätestens durch Prägung in der frühen Jugendzeit entstanden. Das auf diese Weise erlangte Wissen über die Natur habe zu der Erkenntnis geführt, dass die Natur vor uns Menschen geschützt werden müsse. Und so war es auch bei mir. Bereits im frühkindlichen Alter, lange vor meiner Schulzeit, interessierte ich mich nur für Tiere. Sie faszinierten mich einfach. Und Gelegenheiten Tiere zu sehen, gab es in dem wunderschönen sächsischen Dorf Mosel, das damals in seinem oberen Ortsteil fast ausschließlich bäuerlichen Charakter hatte, mehr als genug. Dort gehörte zu jedem der herrlichen Vierseitenhöfe eine Streuobstwiese mit Hochstammobstbäumen. In nahezu jedem Garten liefen Ziegen, Schafe, Hühner, Gänse und Enten. Das war besonders reizvoll, wenn im Frühling die Jungtiere auf natürliche Weise von den Elterntieren ausgeführt wurden. Damit nicht genug: Viele, die auch nur ein kleines Grundstück mit Garten ihr Eigentum nannten, hielten Hühner zur Selbstversorgung und über den Dächern flogen Haustauben. Es gibt noch Fotos, auf denen zu sehen ist, wie ich als Vierjähriger die Tauben des Nachbarn füttere. Der Taubenschlag eines weiteren Nachbarn, dessen Haus in einem tief eingeschnittenen Tal lag, befand sich praktisch auf Augenhöhe. Schon in meiner Vorschulzeit habe ich Stunde um Stunde dort allein gesessen und die Tauben beobachtet, aber auch bereits die ersten Wildvögel. Wenn ich zeichnen könnte, könnte ich die einzelnen Tauben noch heute zu Papier bringen. Was ich damals noch nicht wusste und was mir erst sehr viel später klar wurde: Ich war und bin für Dinge, die mich interessieren, und das sind fast ausschließlich Tiere, mit einem fotografischen Gedächtnis ausgestattet. Auch die Wildvögel interessierten mich schon sehr. Und zwar zuerst dort, wo sie für ein Kleinkind erfassbar sind – bei der Wintervogelfütterung auf dem Fensterbrett.

    An dieser Stelle möchte ich etwas einflechten. Als es dem Zeitgeist folgend Ende der 1970er- und in den 1980er-Jahren im deutschen Naturschutz Mode war, die Wintervogelfütterung als unerlaubten Eingriff in die Natur und Quelle für Vogelkrankheiten zu verteufeln, habe ich das schon damals nicht mitgetragen. Ich habe bis heute immer wieder darauf hingewiesen, dass sich der Naturschutz durch derart ideologisches und pseudowissenschaftlich begründetes Vorgehen seine Zukunft selbst verbaut. Wie will man Nachwuchs gewinnen, wenn man Kindern und Jugendlichen eine der besten Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme mit Wildtieren nimmt? Heute bin ich aus diesen Gründen ein Verfechter der Ganzjahresfütterung von Wildvögeln an den Häusern und in den Gärten. Anders als früher stehe ich heute mit dieser Auffassung nicht mehr allein. Auf diese Weise kann jeder, der mithelfen möchte, praktisch etwas für den Artenschutz tun. In den Großstädten werden Ganzjahresfütterungen, Vogeltränken und Nistkästen sogar auf Balkonen von den Vögeln gern angenommen. Wer einen Garten hat, kann zusätzlich durch das Pflanzen von Hecken und beerentragenden Sträuchern und Bäumen für viele Arten Gutes bewirken.

    Meine Tierliebe, ja Besessenheit, wurde weder von meinen Großeltern noch von meinen Eltern gefördert. Im Gegenteil, sie machten sich Sorgen, dass ich in meiner Entwicklung sehr einseitig ausgerichtet sein würde, was nicht von der Hand zu weisen war. Mein Vater als Bauingenieur versuchte alles, um mir irgendwelche technischen oder handwerklichen Fähigkeiten beizubringen. Die Ergebnisse waren und sind bis heute katastrophal. Erst im Erwachsenenalter formten sich meine Interessen für Literatur, Politik und Architektur. Aber diese blieben immer im Schatten meiner Tierbesessenheit. Meinen Eltern bin ich bis heute dankbar, dass sie letztlich meine Neigung akzeptiert und unterstützt haben.

    Als ich sieben Jahre alt war, erwarben meine Eltern ein Grundstück in unmittelbarer Nähe zu unserer Wohnung. Mein Vater baute mir einen Taubenschlag, einen Hühnerstall und später auch eine Voliere für Goldfasane. In den Taubenschlag hielten von meinem alten Biologielehrer Fritz Wagner gestiftete Sächsische Feldfarbentauben Einzug, die ich bis heute mit Begeisterung züchte. In den Hühnerstall zogen nacheinander verschiedene Hühnerrassen ein. Es war in der DDR für Privatpersonen ausgesprochen teuer und schwierig, geeignetes Futter zu bekommen. Dass mein Vater das immer geschafft hat, grenzt an ein Wunder. Die Haustiere waren aber erst der Anfang. Zu meinem elften Geburtstag hatte ich die Wahl: entweder einen Fotoapparat oder ein Fernglas geschenkt zu bekommen. Ich entschied mich für das Fernglas. Ich kannte niemanden, der mir wildlebende Vogelarten geschweige denn ihre Stimmen hätte erklären können. Es waren aber kurz zuvor die wunderschönen Bände von Wolfgang Makatsch Die Vögel in Haus, Hof und Garten, Die Vögel in Wald und Heide, Die Vögel in Feld und Flur und Die Vögel der Seen und Teiche erschienen. Meine Eltern beschenkten mich stets reich mit Tierliteratur, nachdem sie erkannt hatten, dass man mir mit anderen Dingen kaum eine Freude machen konnte. Auf der Grundlage dieser Vogelbände und mit meinem Fernglas machte ich mich nun auf in die Natur und brachte mir selbst bei, die Vogelarten, die es in den Wäldern und Feldern um Mosel gab, und ihre Stimmen zu erkennen. Dieses Wissen ist mir bis heute erhalten geblieben. Ich hatte später als Erwachsener größere Schwierigkeiten, mir die Stimmen neuer Vogelarten zu merken.

    Der Anfang in Mosel in den 1950ern: Bernd Karl, Bruder Dieter (mit Sonnenbrille) – und die Tauben

    Bis zu meinem 14. Lebensjahr wusste ich tatsächlich nicht, dass es noch andere Menschen gab, die sich ebenfalls für Wildvögel interessierten. Digitale Medien gab es zu dieser Zeit selbstverständlich noch nicht und meine Eltern hatten nicht einmal ein Telefon genehmigt bekommen.

    An Ostern 1965 besuchte ich wieder einmal meinen Biologielehrer Fritz Wagner. Zu Gast war dessen Sohn Sigmund Wagner, der damals Biologie studierte und später wegen seiner umfassenden Artenkenntnisse ein weithin anerkannter Fachmann war. Er erkannte mein großes Interesse und nahm mich mit zu einem Treffen der Zwickauer Ornithologen, das traditionell am Karfreitag am Glauchauer Stausee stattfand. Damit hatte ich endlich Anschluss an Menschen gefunden, die sich ebenfalls für den Vogelschutz und den Naturschutz begeisterten. Die Gruppe wurde von meiner mütterlichen Freundin Herta Schneemann, der damaligen Leiterin des Zwickauer Naturkundemuseums, geleitet. Seit diesem Treffen und bis zu ihrem Tod waren wir in tiefer Freundschaft verbunden.

    Bis zu meiner Ausreise aus der DDR blieb ich mit der Gruppe der Zwickauer Ornithologen in enger Verbindung. Ich konnte von den hervorragenden ehrenamtlich tätigen Mitgliedern sehr viel lernen. Nach der Wende bin ich dann sofort nach dessen Neugründung in den „Verein sächsischer Ornithologen" eingetreten, der in der DDR verboten war.

    Pflanzen blieben, obwohl auch Teil und Gegenstand des Naturschutzes, immer am Rande meines Interesses. Dagegen machte mein Wissensdrang bei den einheimischen Tierarten nicht halt. Meine Eltern hatten 1960 ein Fernsehgerät angeschafft und wir konnten mit einer Antenne hinter der Zimmergardine heimlich West-Fernsehen empfangen. Wenn Grzimeks Fernsehsendungen Ein Platz für Tiere oder die Sendungen von Heinz Sielmann oder Eugen Schumacher liefen, kannte meine Begeisterung keine Grenzen. Insbesondere die Beiträge, in denen Filme über ihre Forschungsreisen ins Ausland gezeigt wurden, inspirierten geradezu, mich auch mit den weltweit vorkommenden Säugetieren, Vögeln und Reptilien zu beschäftigen.

    Das Fernseherlebnis endete mit Beginn des Studiums in Leipzig. Mein Mitbewohner, Freund und Kommilitone Bernhard Eichler und ich hatten zwar das Glück, bei unserer Wirtin in der William-Zipperer-Straße ein privates Zimmer bewohnen zu dürfen. Aber Fernsehen gab es nicht. Wir hatten nicht einmal ein Radio.

    Außerdem hatten wir an der Universität täglich zehn Unterrichtsstunden Anwesenheitspflicht. Wir mussten jeden Morgen um 06: 30 Uhr aufstehen, um 07: 15 Uhr war Vorlesungsbeginn. Es gab dann jeweils drei Doppelstunden Vorlesungen vormittags und nach einer Stunde Mittagspause zwei Doppelstunden Seminar, in denen ständig Leistungskontrollen durchgeführt wurden. Auch am Samstag hatten wir bis mittags Vorlesungen. Dann fuhren wir nach Hause, natürlich um Eltern und Geschwister zu sehen, aber insbesondere um wenigstens einmal in der Woche unter eine Dusche oder in eine Badewanne zu kommen. Unsere Wirtin ging jede Woche freitags in ein „Öffentliches Wannenbad".

    Die Anwesenheit bei den Vorlesungen musste jeden Morgen durch eigene Unterschrift bestätigt werden. Dies wurde heimlich von der Stasi überwacht. Wer mehrmals schwänzte, wurde unwiderruflich von der Universität entfernt. Ich hatte aber herausgefunden, dass unser Universitätsgebäude einen rückwärtigen Ausgang besaß. Auf diesem Weg habe ich mich nach der ersten Doppelstunde oft heimlich verdrückt und bin in die Universitätsbibliothek gegangen, um Grzimeks Tierleben förmlich zu verschlingen. Denn erstaunlicherweise war dieses Werk dort vorhanden. In diesem Zusammenhang entdeckte ich außerdem, dass ich mir Tierbeschreibungen hervorragend merken kann, und zwar noch besser, wenn Abbildungen der Tiere dabei waren. So legte ich den Grundstein für meine umfangreichen Artenkenntnisse weltweit, obwohl ich die meisten Arten bis dahin niemals lebend gesehen hatte. Gebüßt habe ich meinen Vorwitz dann doch: Ich fiel nämlich in der Hauptprüfung für Maschinentechnik prompt durch. So aufgeschreckt habe ich dann für dieses für mich geradezu abstoßende Wissensgebiet gelernt und die Nachprüfung mit der Note 2 bestanden. Dies erklärt das große „N" in meinem Diplomzeugnis.

    Im August 1974 kam ich in den Zoo Leipzig und das war ein Glücksfall in mehrfacher Hinsicht. Ich schloss dort Freundschaften, die bis heute Bestand haben. Einige Tierpfleger waren, so wie ich, vom DDR-Regime verfolgt oder geschädigt. Für mein weiteres Berufsleben war jedoch ausschlaggebend, dass ich dort meinen Freund Bruno Schneider traf, der im wahrsten Sinne des Wortes ein wandelndes Lexikon für Tierarten aus aller Welt war. Da er mein Interesse erkannte, nahm er sich meiner an, so dass ich die mir noch fehlenden Artenkenntnissen im Zoo Leipzig mit seiner Hilfe erwerben konnte. Ich bin Bruno bis heute dafür unendlich dankbar.

    Was mein Fachwissen betraf, war ich nun als Naturschützer gerüstet. Mir fehlte „nur noch eine Aufgabe zur Anwendung. Diese fiel mir dann nach dem Inkrafttreten des „Washingtoner Artenschutzübereinkommens in der Niedersächsischen Naturschutzverwaltung zu.

    Dabei habe ich mich ständig weitergebildet. Denn es ging nicht nur darum, lebende Tiere zu bestimmen, sondern auch ihre Pelze und Häute. Im Kampf gegen die weltweite Artenschutzkriminalität spielen diese Kenntnisse eine große Rolle. In Niedersachsen war ich aufgrund meiner Artenkenntnisse für diejenigen, die sich mit Tierhandel auf kriminellem Weg beschäftigten, eine Heimsuchung. Während in anderen Bundesländern Verwaltungsbeamte mit Hilfe externer Berater gegen die Kriminellen vorgehen mussten, war ich den Gesetzesbrechern aufgrund meiner Artenkenntnisse jederzeit ein zumindest ebenbürtiger Gegner.

    Mit meinen Ausführungen habe

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