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Trio Extratour: Special Codex
Trio Extratour: Special Codex
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eBook328 Seiten4 Stunden

Trio Extratour: Special Codex

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Über dieses E-Book

Andrea Steller ist eine extrem ehrgeizige Balletttänzerin. Nur alle paar Jahre bietet sich für derart hoch begabte Ausnahmetalente die Chance bei Madame Beaufort in Paris an einem harten Auswahlwettbewerb teilzunehmen, aus dem die größten Karrieren der Branche entspringen. Andrea gilt als Top Favoritin mit besten Aussichten auf eine solche Karriere.

Der Special Codex wurde als Gegenstück zu den offiziellen Sicherheitsinstitutionen der USA von politisch neutralen Persönlichkeiten ins Leben gerufen und gilt seither als die höchste moralische Instanz der Welt. Er ist eine Charta von Grundprinzipien und gleichzeitig Name der Organisation, die aus diesen entstanden ist. Michael Stannigan ist Special Codex Agent und genießt in der Welt der Geheimdienste den Ruf der Beste seines Fachs zu sein.

Eine schreckliche Entwicklung in seinem verpfuschten Leben lässt den verzweifelten Gino Verdelli unversehens in die Welt von Andrea Steller stürzen. Doch deren Welt ist zu diesem Zeitpunkt bereits völlig aus den Fugen geraten und hat mit Tanzen rein gar nichts mehr zu tun. Für Andrea hat ein Kampf ums nackte Überleben begonnen, den sie nur mit Hilfe ihrer ausgeprägten Disziplin bestehen kann.

Zusammen werden die drei auf einen haarsträubenden Trip getrieben, dessen Grund und Ziel keiner von ihnen kennt.

Lassen Sie sich in den Bann dieser actiongeladenen Geschichte ziehen und starten Sie Ihr persönliches Kopfkino. Kein Buch wie irgendein anderes, das Sie jemals gelesen haben mögen, erwartet Sie.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum13. Dez. 2016
ISBN9783734530449
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    Buchvorschau

    Trio Extratour - Magnus Karst

    SPECIAL CODEX

    TRIO EXTRATOUR

    Der Blick führt rückwärts durch das Zielfernrohr eines Präzisionsgewehres hindurch auf die geweitete schwarze Pupille, umrandet von einer dunkelbraunen Iris, gebettet in einen geröteten und vibrierenden Augapfel. Der Mann mit dunklem, schulterlangem, gewelltem und zerzaustem Haar nimmt die Waffe zitternd herunter. Seine Gesichtsmuskeln zucken nervös. Er wirkt angespannt, unruhig und nervös, doch gleichzeitig übernächtigt, müde und apathisch. Er legt das Gewehr neben sich auf dem zerwühlten Bett ab, auf dem er sitzt. Seine Aufmerksamkeit wird nun von dem Fernsehgerät in dem Zimmer erregt. Er zuckt zusammen, sein Kopf dreht sich ruckartig in Richtung des Bildschirms auf einem kleinen Wandtischchen, seine Augen schnellen auf das Bild. Das Logo eines französischen Fernsehkanals war der Vorschau auf einen morgigen Beitrag gewichen. Beine stapfen im Gleichschritt über den Asphalt. Soldaten in unterschiedlichsten Uniformen aus mehreren Epochen der französischen Geschichte marschieren über die Avenue des Champs-Élysées, die traditionelle Route für die Militärparade am 14. Juli zum französischen Nationalfeiertag. Mit reißerischer Stimme wird angekündigt: „Und wieder ist es soweit. Ganz Paris wird auf den Beinen sein. Und landesweit können Sie live dabei sein. Wir übertragen den ganzen Tag die spektakulärsten Veranstaltungen und Bilder zum diesjährigen Nationalfeiertag. Die besten Plätze an der Champs-Élysées sind für Sie reserviert! An Ihren Bildschirmen! Live... Da knipst der Mann das Gerät per Fernbedienung aus, wirft sie von sich weg auf das Bett und lässt sich etwas zurück fallen. Nach kurzem Umherblicken fällt ihm eine Schnapsflasche auf dem Beistelltischchen neben dem Bett auf. Er greift sie ruckartig und zittrig. Schnell öffnet er sie, wobei ihm schon auffällt, dass sie bereits leer ist. Er sieht kurz der Flasche entlang durch das Glas, führt sie schließlich doch erneut ruckartig zum Mund, kippt sie senkrecht über seinen Mund und schüttelt sie kurz, als wolle er unbedingt noch den letzten Tropfen herausbekommen. Dann nimmt er sie wieder herunter und macht eine enttäuschte und genervte Kopfbewegung. Seine Pupillen rasen hin und her, über das Bett, quer durch das Zimmer. Nach einigem Zögern wirft er die Flasche in eine Ecke. Er sitzt weiter auf dem Bett, blickt unruhig umher. Er stöhnt, stützt seinen Kopf in seine Hände, reibt sich über das unrasierte Gesicht und rauft sich schließlich durch die Haare: „Cazzo!, ruft er aus.

    Nach einer Weile rafft er sich auf, blickt etwas ruhiger im Raum umher und denkt nach. Schließlich steht er entschlossen auf, schnappt sich sein Portemonnaie, das neben dem Fernseher auf dem Tisch gelegen hatte, und noch eine abgetragene Lederjacke, die über einem Stuhl gehangen hatte. Dann verlässt er das Zimmer und lässt die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Etwas in das zerknautschte Überbett gehüllt, liegt auf dem Bett immernoch die Schusswaffe offen herum.

    Ein Mantel wird über den Tresen einer Garderobe gereicht. Auch seinen Schal, den er nun von seinem Hals nimmt, reicht der Eigentümer des Mantels dem Mitarbeiter dort. „Dankeschön., bedankt sich der Gast. „Gerne. Bis später., wird erwidert.

    In dem Restaurant, zu dem die große Garderobe gehört, sitzt Special Codex – Trio Extratour

    ein anderer Mann alleine an einem etwas separiert stehenden Tisch. Er blickt zum Eingangsbereich und einer Art Empfangstisch, auf dem ein großes, schweres, gebundenes Gästebuch aufliegt, in dem ein Angestellter liest. Er begrüßt den Mann, der eben an der Garderobe seinen Überzieher abgegeben hatte. Der betritt nun den Gastraum und blickt sich kurz um. Da sieht er schon den einzelnen Mann am Tisch ihn zu sich winken.

    Am Tisch angekommen, wird der neue Gast vom aufgestandenen Tischnachbarn freundlich begrüßt. „Mr. Hoolwerther.", hält er ihm breit lächelnd seine ausgestreckte Hand entgegen.

    Doch Mr. Hoolwerther entgegnet nur einen starren Blick und ein betont unherzliches „Guten Tag." Dann setzt er sich. Sein Gegenüber friert kurz beschämt in seiner Position ein, fasst sich dann wieder, zieht seine Hand langsam zurück und tut es seinem Gegenüber schließlich gleich.

    „Ersparen Sie mir jegliche Höflichkeitsfloskeln. Auf Smalltalk kann ich heute auch verzichten. Ich bin gelinde gesagt mehr als enttäuscht von Ihrer Zuverlässigkeit.", komplettiert Mr. Hoolwerther seinen unterkühlten Auftritt.

    In diesem Moment erscheint ein Kellner. „Entschuldigen Sie bitte. Darf ich Ihnen etwas bringen, Sir?"

    „Ja., erwidert Mr. Hoolwerther nach nur kurzem Zögern und Überlegen. „Einen Tee. Aber mild, bitte.

    „Sehr wohl."

    Nachdem der Kellner wieder gegangen ist, fährt Mr. Hoolwerther in energischem Ton, aber flüsternd leicht über den Tisch zu seinem Gesprächspartner gebeugt, fort: „Wie oft wollen sie noch versagen? Wir brauchen diesen Chip wieder! Und zwar bald."

    Sein Gegenüber, Mr. Morton, erwidert kontrolliert wütend und sehr gefasst, aber ebenfalls in energischem Ton: „ICH habe mich bis aufs Hemd vor dem Präsidenten blamiert. Wenn ich nicht ganz schnell Resultate liefere, bin ich dran. Aber Ihr Plan geht dann auch den Bach runter."

    „Das ist er doch schon. Dass sich Profis von kleinen Ganoven so zum Besten halten lassen."

    „Die kleinen Ganoven waren irische Terroristen."

    „Das ist Blödsinn. Wir wissen, wer hinter dem Chip her ist. Und ich lasse mir von keinem Industriellen auf der Nase herum tanzen."

    „Ich besorge Ihnen ja Ihren scheiß Chip. Aber die Daten darauf können MEINE Leute ins Grab bringen."

    Da bringt der Kellner einen Kaffee für Mr. Morton. „Sir., stellt er ihn auf den Tisch. „Danke., sagt Mr. Morton. Und der Kellner nickt Mr. Hoolwerther zu: „Ihr Tee kommt auch sofort, Sir." Mr. Hoolwerther nickt.

    Mr. Hoolwerther blickt dem Kellner noch nach. Dann sieht er zunächst auf Mr. Mortons Kaffee, bevor er ihn mit leiser Stimme und eisigem Lächeln fragt: „Seit wann denn so sensibel, Mr. Morton? - „Vielleicht sollten Sie etwas weniger Koffein konsumieren und dafür mehr Tee trinken., rät er lächelnd mit erneutem kurzen Blick auf Mortons Kaffeegedeck. „Das beruhigt ungemein."

    „Ich gehe nicht seelenruhig über Leichen, so wie Sie. Das sollte alles viel reibungsloser ablaufen."

    „Wem sagen Sie das., erwidert Hoolwerther ruhig. Dann fragt er mit eindringlichem Blick und energischem Ton: „Was werden Sie jetzt tun?

    Morton trinkt ruhig von seinem Kaffee. Betont gelassen stellt er seine Tasse zurück und erwidert: „Ich brauche den Mind-Spector, der im letzten Jahr entwickelt wurde."

    Hoolwerther wirkt nachdenklich und zum ersten Mal in dem Gespräch etwas aus seinem Konzept gebracht. „Der funktioniert noch nicht.", sagt er schließlich, jetzt auch mit deutlich ruhigerer Stimme.

    „Mich können Sie nicht zum Narren halten. Der Prototyp hat alle Testreihen erfolgreich bestanden."

    „Was wollen Sie damit?", fragt Hoolwerther nach erneutem Überlegen ruhig nach.

    „Für mich hat jetzt absolute Priorität, dass die Daten nicht in falsche Hände geraten. Ihren Chip bekommen Sie, wenn alles reibungslos abläuft."

    „Haben Sie eine Ahnung wo er ist?"

    „Ja. Und Sie brauchen mich schon, wenn Sie überhaupt eine Chance haben wollen, an das gute Stück heran zu kommen."

    „Und Sie haben einen Plan?"

    Morton nickt. „Den und das stärkste Sonderkommando, das der Secret Service derzeit aufzubieten hat."

    Hoolwerther nickt langsam. „Gut Morton. Sie kriegen was Sie wollen."

    Laute Tanzmusik dröhnt aus den Lautsprechern rund um eine Bühnenkulisse. Junge Frauen in Ballettkostümen schweben, tanzen und wirbeln über die Bühne, drehen Ihre Pirouetten und vollführen wahre Kunststücke auf ihren rasant über den Bühnenboden gleitenden Fußsohlen und Zehenspitzen. In aufwändigen Choreographien und zu dröhnenden Rhythmen fegen Gewänder, Gliedmaßen und Körper durch die Szenerie. Die Gesichter, oft glänzend von Schweiß, mit angestrengten, hoch konzentrierten Blicken – auf die eigenen Füße, die Beine, die Partner, den Boden, die Kulisse, die flimmernde Luft, die vibrierenden Lautsprecher – sind von Ehrgeiz und Erschöpfung gleichermaßen erfüllt. Doch noch ist das Crescendo nicht erreicht. Mit letzten Kräften und teils purer Verzweiflung, die mit dem eigenen Ego kämpft, das sich nicht niederringen lässt, scheint trotz allgegenwärtiger Erschöpfung pure Energie in alle Gliedmaßen zu schießen, die sich aufbäumend zu den letzten perfekt einstudierten und umgesetzten Bewegungsabläufen strecken, verdrehen, beugen und biegen, bis der finale Paukenschlag aus den Lautsprechern hämmert, durch die Bodenplanken und Bühnenbauten vibriert und in jeder Ader und Sehne sämtlicher Protagonisten sichtbar wird. Dann hat das Gewusel ein abruptes Ende, die Szenerie erstarrt und in ihr jeder Tänzer und jede Tänzerin in deren Endpose. Kein Bein, kein Arm, keine Hand und kein Finger rührt sich mehr. Kein Atemzug ist hörbar. Tosender Schall wich Totenstille.

    Eine der Teilnehmerinnen ist eine junge, zierliche, blonde Frau, sehr mädchenhaft wirkend. Auch in ihrem Gesicht glänzt im Scheinwerferlicht der Schweiß. Die Wangen zittern, die Augen vibrieren, der ganze Körper bebt, doch kaum sichtbar. In absoluter Beherrschtheit verbietet sie den Lungen ihren wohlverdienten und bitter notwendigen Atemzug. Dann klatscht jemand zweimal in die Hände. Die Spannung fällt von der Frau ab, fährt aus ihrem Körper, jedem einzelnen Muskel, nach und nach. Kurz wissen die Lungen nicht, ob schon eingeatmet werden kann oder erst noch auszuatmen ist. Dann fährt ein dünner Atemzug durch den nach außen zugespitzten Mund, bevor sie tief ein- und wieder ausatmet und nun mehrmals hörbar durchatmet. Sie lockert sich, noch immer in ihrem Spagat verharrend. Sie sieht sich um, sucht den Blickkontakt zu ihren Mittänzern und -tänzerinnen und schließlich zu einer älteren Dame, die zusammen mit nur wenigen anderen Damen und Herren in einer bühnennahen Balkonreihe gesessen war und der Darbietung beigewohnt hatte.

    Einige Herrschaften blicken noch gebannt auf die Bühne, während anderen sichtbar Bewertungsüberlegungen durch den Kopf gehen und manche sich Notizen machen.

    Eine dunkelhaarige Frau auf der Bühne neben der blonden sieht ebenso ermattet und abgekämpft aus, blickt jedoch deutlich unmotivierter als ihre Nachbarin und wirft nun einen gespannten, ungeduldigen und eher verächtlichen Blick auf den besetzten Balkon und die ältere Dame dort.

    Auch die blonde Frau schaut erwartungsvoll auf sie. Jedoch deutlich demütiger und hoffnungsvoller.

    Einige auf dem Balkon sehen nun eher verunsichert auf die ältere Dame, die stoisch, regungs- und ausdruckslos auf ihrem Platz sitzt. Einer setzt zum Klatschen an, da steht die Frau auf. „Sie müssen noch viel lernen.", tönt sie mit ruhiger aber deutlicher und erhabener Stimme und einem französischen Akzent.. Fast duckend und in sich sinkend, nimmt der Mann, der zum Klatschen ansetzte, seine Hände wieder herunter. Die ältere Dame, die elegant und stilsicher gekleidet ist und sich ebenso bewegt und artikuliert, steht nun auf und geht einige Schritte auf die Bühne zu.

    Die dunkelhaarige Frau stößt einen Seufzer der Empörung aus und löst sich kopfschüttelnd von ihrer Position. Auch der blonden Frau entfährt ein leiser Seufzer, jedoch ein Seufzer der Enttäuschung. Und sie verharrt noch in ihrer Position und lauscht der Dame weiter.

    „Wer von Euch nächste Woche auch nur den Hauch einer Chance haben will, hat die nächsten Tage noch sehr hart zu arbeiten. Ich meine HART. Und ich meine ARBEITEN. Und ich meine JEDEN Tag. Den GANZEN Tag. Und wenn Sie es wirklich ernst meinen, auch noch jede ganze Nacht. Atmen, trinken, ein bisschen essen und schlafen. Wer etwas anderes tun möchte, fährt bitte heute wieder nach Hause."

    Auf der Bühne wird die Ansprache unterschiedlich aufgenommen. Unverständnis, Verärgerung und leise Kommentare bei den einen: „Kannst du haben. „Das ist ja wohl die Höhe. Respektvolle und kommentarlose Akzeptanz bei den anderen.

    „In Ihren Kinderstuben waren Sie gut. Oder sogar die besten. Sonst wären Sie heute gar nicht hier. Wer nicht den Ehrgeiz hat, wenigstens perfekt zu werden, kann sich jede weitere Mühe und mir meine kostbare Zeit sparen. Denn die nächsten Tage werden die härtesten in Ihrem Leben sein. Ohne diesen Ehrgeiz überleben Sie sie gar nicht. Und nächste Woche wird es nicht mehr genügen perfekt zu sein. Das werden nämlich alle sein, die dann noch hier sind. Dann müssen Sie sein wie die Musik selbst. Ich muss Sie hören - und fühlen. Bevor Sie sich entscheiden, es zu versuchen, denken Sie gut darüber nach. Aber lassen Sie sich nicht zu viel Zeit dafür. Sie haben nämlich keine mehr."

    Auf der Bühne herrscht nun stille Aufruhr. „Alte Zicke. - „Ich wollte doch nicht hier her. Was denkt die, wer sie ist? - „Fünf Stunden schwitzen wir uns hier einen Ast, und dann das."

    Das blonde Mädchen, das noch immer im Spagat verharrt, nimmt die Ansprache und die ganze Angelegenheit deutlich ernster. Sie schnauft immernoch und wendet ihren Blick nun von der Rednerin ab. Sie nickt und lässt ihren Kopf mit einem schweren Seufzer auf Ihren Schenkel fallen.

    Der Hotelflur ist mit einem flauschigen aber niedergetretenen und abgenutzten roten Teppichboden ausgelegt. Auf ihm trottet die junge Frau von eben nun entlang.

    Eine Aufzugtür öffnet sich. Der Mann, der mit dem Gewehr auf dem Bett seines Hotelzimmers gesessen war, lehnt an einer Innenwand des Aufzuges. Er stößt sich nun von der Wand ab und torkelt sichtlich angetrunken aus dem Lift. Er schwankt den Etagengang entlang und nähert sich dem blonden Mädchen. Er sieht sie nur undeutlich und verschwommen durch seine deutlich von Müdigkeit und Alkohol eingetrübten Augen. Er geht schneller auf sie zu.

    Die junge Frau will gerade ihre Zimmertür aufschließen.

    „Chiara!, kommt da der Mann heran. Unversehens packt er sie an beiden Schulterseiten und dreht sie zu sich. „Chiara! Du lebst!

    Die junge Frau weiß gar nichts zu sagen. Sie war selbst in Gedanken versunken und muss sich nun erst in die reale Situation finden. Völlig überrascht und zunächst sprachlos, dauert es einen kleinen Moment, bis sie offensichtlich weniger einen Schrecken als ihre eigene Müdigkeit und gedankliche Abwesenheit überwunden hat. Dann nickt sie ein paar Mal bestimmt, in kurzen und zuckenden Bewegungen. Ja, ich lebe, denkt sie sich wohl. Aber: „Ich bin nicht Chiara., berichtigt sie, als ob ihr das gerade nach einer lange andauernden Amnesie wieder eingefallen wäre. Die unerwartete Annäherung und Inbesitznahme durch den Mann wird ihr nun deutlich unangenehm. Aber nur langsam und behutsam löst sie sich aus dem Griff des Mannes. Der wirkt verstört, mustert sie mit ruckartigen Bewegungen, begutachtet sie von Kopf bis Fuß. Schließlich streicht er ihr durchs Haar. Sie erkennt, dass der Mann angetrunken ist, sie offensichtlich verwechselt und keine bösen Absichten zu haben scheint. Daher reagiert sie sehr verständnisvoll. Mit einem freundlichen Lächeln lässt sie ihn wissen: „Sie verwechseln mich. - Sie betrachtet ihn fürsorglich und nickt ihm zu: „Ich denke, Sie sollten in Ihr Zimmer gehen und sich erst einmal richtig ausschlafen. Ok? -Sie blickt den Korridor auf und ab und möchte hilfsbereit wissen: „Wissen Sie, was für eine Zimmernummer Sie haben? - Sie nimmt nun ihrerseits den Mann am Arm und will mit ihm losgehen. „Kommen Sie. Ich helfe Ihnen Ihr Zimmer zu finden."

    „Nein., wehrt der Mann entschieden ab und scheint sich seines Irrtums nun bewusst zu werden. Mit gedämpfter, fast flüsternder Stimme räumt er – auch sich selbst – ein: „Ich – habe mich geirrt. Ja. Ich habe mich geirrt. - Er blickt verzweifelt zum Boden und wieder ins Gesicht der jungen Frau. „Entschuldigung. - Immer wieder blickt er auf den Boden und dann wieder in die Augen der Frau. „Entschuldigen Sie bitte. - Es kann ja auch gar nicht sein. Er wendet sich ab, wieder mit dem Blick zum Boden. „Kann ja nicht. Er geht ein paar Schritte, bevor er sich nochmals zu der Frau dreht: „Ich finde mein Zimmer. - Ich finde es schon.

    Die Frau blickt ihm etwas irritiert nach. „Ok. Dann nickt und lächelt sie wieder freundlich, winkt ihm hinterher: „Ist ok. -Gute Nacht.

    Nun geht sie wieder zu ihrer Tür und hat Mühe ihre Augen noch offen zu halten. „Gute Nacht, Andrea., sagt sie zu sich selbst. „Du hast deinen Schlaf auch bitter nötig.

    Derweil kommt erneut ein Aufzug in der Etage an und hält. Die Tür öffnet sich.

    Andrea verschwindet in ihrem Zimmer, während draußen auf dem Flur eine andere blonde Frau den Gang entlang geht. Anders als ihre Mitbewohner auf der Etage, scheint sie hellwach. In betont aufrechter Körperhaltung und mit wachem Blick für ihre Umgebung, bleibt sie eine Tür weiter stehen. Konzentriert und mit ernster Mine öffnet sie die Tür. Dann schließt sich auch diese Tür hinter der Frau und es kehrt Ruhe ein in dem Hotelflur.

    Laute Paradenmusik, militärisch, zackig, tönt aus Blasinstrumenten, begleitet von donnernden Trommelschlägen. Im Rhythmus und Gleichschritt gleiten hochglanzpolierte Halbschuhe an einer Stelle und stampfen massive Militärstiefel an anderer Stelle über Asphalt und Pflastersteine. Die Militärparade über die Champs-Élysées ist in vollem Gange. Die Straße ist gesäumt von Schaulustigen, Kamerateams und hoch gerüsteten Sicherheitskräften.

    In einem alten Gemäuer baut der Mann aus dem Hotelzimmer sein Präzisionsgewehr zusammen. Wieder nüchtern und hoch konzentriert holt er die letzten Teile aus einer alten Sporttasche und setzt sie an ihren jeweiligen Bestimmungsstellen ein. Noch ein letzter Handgriff, ein Klick und das Gewehr ist komplett. Jetzt blickt der Mann nachdenklich und unsicher ins Leere, atmet tief ein und wieder aus. Er hat Mühe, ein Zittern zu unterdrücken und eine offensichtliche Blockade zu überwinden. Dann richtet er seinen Blick auf einen kleinen Durchbruch in der Wand des Gebäudes. Dort ist bereits ein Standgerüst für sein Gewehr aufgebaut. Daneben steht ein Bild. Der Mann atmet erneut einmal tief ein und wieder aus. Nun geht er entschlossen aber bedächtig auf diese Stelle zu.

    Mit der Parade bewegen sich auch einige Fahrzeuge. In einer offenen Stretchlimousine sitzen sich jeweils ein Mann und eine Frau gegenüber, zwei Paare, die sich den Massen in allen Richtungen zuwenden und den Menschen freudig zuwinken.

    Der Mann verankert das Gewehr auf dem Standgerüst. Auf dem Bild daneben, einem Familienfoto, sind er, seine Frau und seine Tochter abgebildet, die Andrea, der Balletttänzerin, der er nachts zuvor im Hotelflur begegnet war, oberflächlich auf den ersten Blick leicht ähnlich sieht. Der Mann kniet sich neben Schussvorrichtung und Bild. Er nimmt das Bild mit einer Hand auf, betrachtet es eine Weile und schnauft erneut tief durch. Dann umschließt er es mit beiden Händen von hinten, blickt es noch intensiver an und drückt es schließlich an seine Stirn, beugt seinen Kopf gegrämt und schnauft wieder tief durch. Langsam hebt sich sein Kopf von dem Bild. Dann, als ob er wie ein Akku durch das Anlegen des Bildes aufgeladen wäre, blickt er entschlossen durch die Maueröffnung, durch die der Lauf seines Gewehres gerichtet ist. Mit einer Hand stellt er das Bild wieder ab. Dann legt er sich in Schussposition an seine Apparatur.

    An der Champs-Élysées jubeln die Leute der vorbeifahrenden Limousine zu. Die heiter und fröhlich gelaunten Insassen winken freudestrahlend und ausgelassen zurück.

    Am Mauersims laufen Tauben. Eine gurrt und blickt dann in die Ferne. Wenige Meter daneben ist der kleine Mauerdurchbruch zu erkennen.

    Innen liegt der Mann, das Gewehr im Anschlag, der Blick fest und konzentriert durch das große Zielfernrohr gerichtet. Die dunkelbraune Iris um die klare Pupille vibrieren nun kein bisschen. Der Blick hinter dem Fadenkreuz ist fixiert und starr. Vor dem Fadenkreuz die Personen in der Limousine. Eines der Paare.

    In der Limousine einer der Männer. Er dreht sich, lächelt seine Partnerin an. Er lacht und winkt. Ein dumpfer Ton, seine Mimik verzerrt sich und erstarrt. Ein wachsender rötlicher Punkt auf seiner Stirn, seine Partnerin ist irritiert. Ein Rinnsal entwickelt sich aus dem Punkt, der aufrecht ausgestreckt sitzende Mann sackt sanft in sich zusammen. Die Frau fängt ihn mit ihren Händen ab. Die Ausgelassenheit in ihrem Gesicht weicht einem Schock.

    Nachts in einer düsteren Hinterhofgasse. Alles ist still und ruhig. Nur eine Ratte huscht zwischen Mülltonnen und Abfallhaufen umher.

    In einem Hotelzimmer blickt ein bulliger Mann mit aggressiv gewalttätigem Gesichtsausdruck auf die junge Frau, die eine Nacht vorher in das Zimmer neben Andrea, der Balletttänzerin, eingezogen war. Er ist über sie gebeugt. Sie ist an einen Stuhl gefesselt, blutet und sackt nun regungslos in sich zusammen. Der Mann richtet sich auf.

    In der dunklen Hinterhofgasse durchbrechen Motorengeräusche die Stille. Lautes Aufheulen durch Beschleunigungen wechselt sich ab mit dem dumpfen Grollen von fast abgewürgten Motoren und dem Quietschen von Reifen, die über Pflastersteine schleifen.

    Zwei Autos liefern sich eine wilde Verfolgungsjagd durch die Straßenschluchten in Richtung der Gasse.

    Da kommt ein Auto hinter den Häusern hervorgeschossen, dreht sich in die Kurve, fast zu weit. Gerade noch abgefangen, rast es in die dunkle Seitengasse. Abrupt wird es abgebremst, reduziert quietschend seine Geschwindigkeit, während ein Mann in einem Kampfanzug bereits herausspringt, ohne den Stillstand des Fahrzeugs abzuwarten. Das Auto macht noch einen Satz nach vorn, der Motor gibt noch einen dumpfen Schlag von sich und stockt.

    Der hastig laufende Mann hält ein kleines Gerät in seinen Händen. Hektisch schaut er zurück auf die Abzweigung von der er gekommen war, seine Verfolger erwartend. Im Laufschritt versucht er gewissenhaft einige Einstellungen an dem kleinen Gerät, das er bei sich trägt, vorzunehmen. Er versucht sich zu konzentrieren, gleichzeitig weiterzulaufen und auch nicht aus den Augen zu verlieren, ob seine Verfolger in Sichtweite kommen.

    Da springt eine Tür auf. Der bullige Mann vom Hotelzimmer steht darin. Er ist nur schemenhaft zu sehen, von hinten blendet Licht, das grell in die Hinterhofnacht hinein scheint. Es ist ein Hintereingang des Hotels, auf den der Mann im Kampfanzug zugerannt war. Nun stoppt er abrupt. Er blickt auf den Mann, der ihm in der Eingangstür wenige Meter gegenüber steht. Sichtlich irritiert über die von ihm unerwartete Entwicklung der Situation, versucht er angestrengt eine Lösung zu finden. Die Zeit drängt. Schon dröhnt der Motor von nahem, das Fahrzeug seiner Verfolger dreht sich in die Gasse ein.

    Der Mann im Kampfanzug richtet seinen Blick wieder auf den Mann in der Tür. Der steht regungslos dort. Der Mann im Kampfanzug greift an ein leeres Pistolenhalfter, dann in seinen Anzug, sucht immer hektischer sämtliche Taschen nach einer Waffe ab, doch er hat keine dabei.

    Der Mann in der Tür zieht seine dagegen jetzt. Er beobachtet auch das herannahende Verfolgerfahrzeug. Das stoppt. Der Mann streckt seine Waffe aus. Die Autotüren springen auf. Der Mann zwischen Auto und Hinterhauseingang dreht seinen Kopf hektisch in hilfloser Todesangst mit weit aufgerissenen Augen zwischen dem Mann vor ihm und seinen Verfolgern hin und her. Auf der abgewandten Seite des Verfolgerfahrzeuges waren zwei Männer ausgestiegen und mit ihren Schusswaffen im Anschlag hinter dem Fahrzeug in Stellung gegangen. Der Mann in der Tür hat seine Waffe mit ausgestreckten Armen ebenfalls im Anschlag. Der Mann dazwischen starrt mit offenem Mund, weit aufgerissenen Augen und sich ausweitenden Nasenflügeln in den Pistolenlauf. Da fällt ein Schuss. Der Mann im Kampfanzug erstarrt. Der Körper des Mannes vor ihm ist leicht verrenkt. Dann fällt ein zweiter und noch ein dritter Schuss. Der Mann ist dreimal in den Oberkörper getroffen und wankt nach hinten. Bei dem Mann im Kampfanzug weicht

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