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Das Glück kam lautlos - Mein Camino 2018: Mein Camino 2018
Das Glück kam lautlos - Mein Camino 2018: Mein Camino 2018
Das Glück kam lautlos - Mein Camino 2018: Mein Camino 2018
eBook412 Seiten3 Stunden

Das Glück kam lautlos - Mein Camino 2018: Mein Camino 2018

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Über dieses E-Book

Im Mai 2018 nach einem Aufenthalt in der Kardiologie und den mahnenden Worten seines Arztes Ȁndern Sie ihr Leben" entstand der Wunsch den Jakobsweg zu gehen. Vier Monate Vorbereitung und Ende August 2018 war es so weit.
Er wollte den Camino Frances pilgern, ab Saint Jean-Pied-de-Port bis nach Santiago.
Was auf ihn zukam, was er erleben würde und welche Schmerzen er aushalten musste, davon war er weit entfernt, diese zu kennen. Euphorie und Enthusiasmus waren größer.
Sein Weg führte ihn durch Navarra, La Rioja, Kastilien über Galicien bis nach Santiago de Compostela. Eingeplant waren 24 Tage und 500 Kilometer legte er zurück.
Er lernte viele interessante Menschen kennen und mit Nele, Sara, Mina und Anka ging er seinen Camino.
Oft stieß er an seine körperlichen Grenzen. Die landschaftliche Schönheit mit seinen heißen Klimaregionen und den kargen Landschaftsabschnitten trieben ihn dazu schweißtreibende und längere Etappen zu absolvieren.
Er lässt die Leser/in an den schönen Begebenheiten und Erlebnissen teilhaben. Er beschreibt eindrucksvoll welche Spannung zwischen Nele und ihm aufkommen und wie sich ihre Wege trennen. Santiago de Compostela führt sehr oft die Pilger wieder zusammen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum3. Dez. 2019
ISBN9783748272427
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    Buchvorschau

    Das Glück kam lautlos - Mein Camino 2018 - Jens Kohl

    Der Grund meiner Pilgerreise

    Am 03. Mai 2018 verließ ich die kardiologische Abteilung eines Wiener Krankenhauses, in welche ich tags zuvor mit der Rettung eingewiesen wurde. Mein Ruhepuls war aus dem Takt geraten.

    Ab nun würde nichts mehr so sein, wie in der letzten Zeit. Der Oberarzt sagte: »Überdenken Sie Ihr Leben. Nur Sie können dies ändern und tun Sie es klugerweise sofort. Sie sind kerngesund. Unternehmen Sie etwas, was Sie ohnehin schon immer machen wollten. Verlassen Sie ihr Hamsterrad des Stresses und tauchen Sie für eine Zeit aus Ihrem gewohnten Umfeld ab.« Seine mahnenden, auffordernden und sehr deutlichen Worte. Was kann ich tun? Wo soll ich hin? Was habe ich bisher nicht getan, was ich schon immer wollte? Drei Fragen und keine Antwort.

    Auf der Heimfahrt ging mir sein warnendes Gespräch nicht aus dem Kopf. Ich muss mein Leben schnellstmöglich ändern. Tu ich dies nicht, werde ich bald wieder hier sein und dann für länger.

    Daheim fiel mir das Buch von Hape Kerkeling »Ich bin dann mal weg« welches ich 2014 zu Weihnachten bekam in die Hände. Ich las es in drei Tagen. Bis zum Zeitpunkt des Lesens verband ich dies mit der katholischen Kirche. Über drei Jahre stand es zwischen den übrigen Büchern und weckte in mir kein ernsthaftes Interesse. Warum fiel mein Blick jetzt auf jenes? Ab diesem Zeitpunkt befasste ich mich eingehend und ausführlich mit dem Jakobsweg dem Camino Francés und fand still Gefallen daran. Er war in der Vorbereitungszeit mein täglicher Begleiter über siebzehn Wochen. Dieser führt von Saint Jean Pied de Port quer durch das Baskenland, Navarra, die Rioja, Kastilien - León, Galicien nach Santiago de Compostela.

    Dass es viele dieser Jakobus Wege gibt, lernte ich schnell. Ich besorgte mir meine katholische Pilgerfibel. Im Stephansdom zu Wien bekam ich den Pilgerpass und meine Packliste las sich, als würde ich eine Weltreise unternehmen. Der Weg ließ mich nicht los und so durchstöberte ich Hunderte von Erlebnisberichten. Es gab sehr positive weniger ansprechende und einige rieten sogar ganz ab. Reizüberflutung der besonderen Art.

    Nachdem ich mir meinen passenden Rucksack besorgt hatte, inspizierte ich die Reiseroute. 791 Kilometer bis zum Ziel. Meine Vorbereitungen waren täglich so ausgiebig, als würde ich morgen starten. Tatsächlich überzeugt war ich nicht, erklärte meinem Chef jedoch mein abenteuerliches Vorhaben. Vier Wochen mit dem Rucksack durch Spanien . Ausgerechnet ich der das nie richtig klasse fand. Die Worte des Arztes hatte ich jederzeit im Hinterkopf. »Tauchen Sie für eine längere Zeit ab, um Ihren Kopf freizubekommen. Es geht um Ihre weitere Gesundheit!« Im Juni buchte ich meinen Flug nach Pamplona, infolge dessen stand fest, ich gehe meinen ersten Camino.

    Bisher waren meine Kollegin Martina und mein Chef eingeweiht. Beide dachten sicherlich, das kann nicht sein Ernst sein. Wie kommt er darauf?

    Meine Familie wollte ich erst mit einem Bild aus Saint Jean Pied de Port davon in Kenntnis setzen. Im Juni ließ ich dann die »Bombe« platzen nachdem die Frage kam, »Wo verbringst du deinen diesjährigen Sommerurlaub?» »Ich geh den Jakobsweg. Von Saint Jean Pied de Port bis nach Santiago de Compostela. 791 Kilometer. Ich habe es nicht vor, sondern tue es wirklich. Gebucht habe ich. Am 31.08. geht’s los.« Ungläubige Gesichter meiner Familie. Sicher nahmen auch sie an »Was ist das für eine Schnapsidee? Freiwillig und nur mit Rucksack?« Niemand konnte mich in den vergangenen Jahren für das Wandern begeistern.

    Überzeugend teilte ich mit, dass ich ausreichend belesen und hervorragend vorbereitet bin. Ein Zurück gab es für mich nicht, ich hatte ja bereits gebucht.

    Vier lange Monate des Wartens lagen nun vor mir. Mein Umfeld war angespannter als ich. Vom Wissen auf was ich mich da wirklich einlasse, war ich sehr weit entfernt. Keinen einzigen Millimeter wich ich von meinem Vorhaben zurück. Heute sage ich mit Freude zum Glück!

    Der Camino ist mit nichts vergleichbar!

    Ohne die Intensität meines Chefs mir diesen für mich entscheidenden Urlaub zu genehmigen, hätte ich eine der beeindruckendsten Zeit meines bisherigen Daseins verpasst. Nicht allein mein Arzt war ausschlaggebend, ebenso der September 2013 sowie der April 2014.

    Fehler begeht man. Jedoch nie denselben zweimal.

    Wochen vorher werde ich immer wieder gefragt, ob ich mich freue. Stets nicke ich stumm oder sage »Ja bald ist es so weit.« Innerlich denke ich, was habe ich mir schlicht und ergreifend nur angetan? Warum musste ich diesen Camino Francés auswählen? Wieso habe ich es nur erzählt? Könnte mich für die Wochen daheim einschließen oder irgendwohin fahren wo es ebenfalls abgeschiedene und staubige Wege, Berge und grüne Wälder gibt. Nach einer Woche teile ich ganz unverblümt mit, dass meine Füße schmerzen, ich aufgeben musste. Fliege Richtung Meer und verbringe dort entspannt den Rest meines Urlaubs. Richtig wäre es nicht, merken würde es aber niemand. All diese Gedanken gab es. Da meine Sachen gepackt waren, wollte ich jetzt starten. Lust hatte ich.

    Die Angst und der Respekt gaben jedoch den Ton an. Angst? Nicht vor der Einsamkeit, sondern vor der Ungewissheit. Was kommt wirklich auf mich zu? Vorbereitet bin ich gut. Glaubte ich.

    Anreise nach Saint Jean Pied de Port 31 August 2018 –2: 30 Uhr

    Mein Weg führt mich von Wien über Frankfurt / M. nach Pamplona in Spanien. Fahre über Zubiri, Roncesvalles nach Saint Jean Pied de Port in Frankreich zu meinem Startpunkt. Das Taxi holt mich halb vier in der Früh ab. Die Zentrale überrascht mich gleich mit einem äußerst kommunikationsfreudigen Fahrer, welcher sofort anfängt, mir ein Ohr abzukauen. Morgenmuffel bin ich keiner, aber ich werde gleich zu einem.

    Er: »Fährst du in den Urlaub?«

    Ich antworte knapp mit »Ja.«

    »Allein, das ist doch kein richtiger Urlaub.«

    Meine kurze Antwort »Doch.«

    »Wieso nur mit einem Rucksack?«

    Ich erkläre ihm: »Mehr brauche ich nicht.«

    »Warum fährst du allein, hast du denn keine Familie?« Ich lehne mich zurück und erkläre Josef meinem freundlichen Fahrer ausführlicher: »Weil ich etwas unternehme, wozu ich derzeitig niemanden außer mich allein brauch.« Seine selbstgebastelte Visitenkarte überreicht er mir, falls ich in absehbarer Zeit wieder ein Taxi benötige. Es ist ein solider Flughafenzubringer mit zwei Kindersitzen. Jene montiert er noch eilig vor Fahrtantritt ab und lässt sie im Kofferraum verschwinden. Ich sehe über diese Nuance schmunzelnd hinweg welche zu (m)einem seriösen Taxifahrer gehören. Bitte nicht viel fragen um diese Uhrzeit. Es geht schon gut los, kann lediglich nur besser werden.

    Zum Flughafen sind es fünfunddreißig Minuten. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen wir an. Josef lässt nicht locker und muss noch eine allerletzte Frage loswerden. »Was ist das für ein »weißes Ding« an deinem Rucksack?« Meine Antwort »Dies ist ein Geschenk.« Er redet vom Erkennungszeichen aller Pilger, der Jakobsmuschel.

    Zu meiner Verwunderung stelle ich beim Betreten des Terminals fest, den gewohnten Check-In gibt es so nicht mehr. Keine überfreundlich knallig geschminkten und immer lächelnden Damen hinter einem viel zu kleinem Tresen. Selbsteinchecken ist offensichtlich hier angesagt. Zettel raus und sechsstelligen Code eintippen. Nach fünf Minuten Lesen, Tippen, Löschen, Tippen, Löschen und es gelingt. Das grüne Band lässt sich blicken. Geschafft. Wohin nun mit meinem schweren beklebten Rucksack? Ich begebe mich zu den Einweisern, denn jene hat der Flughafen extra dafür abgestellt. Kevin, so steht es an seinem Namensschild, ignoriert mich gekonnt. Entweder ist es ihm noch zu früh oder ich bin nicht sein Typ, gehe ich eben zu den Einweiserinnen. Die vier netten Damen haben ein offeneres Ohr für mich. Ich erkläre ihnen mein Vorhaben und zeige mein hellgrünes Bändchen. Sie fragt: »Aufgeben?« Ja das wäre vorteilhaft, denn dafür habe ich dieses an meinen Rucksack gefummelt, schwirrt es in meinem Kopf.

    »Sie müssen sich dort drüben anstellen« und deutet mit einer schlingernden Handbewegung durch die Halle. »Gehen Sie zum Abwiegen und checken Sie ihr Gepäck eigenhändig ein.«

    Es läuft suboptimal für mich um kurz vor fünf. Gut das ich rechtzeitig vor Ort bin, sonst wäre die Gefahr gegeben, meinen Flieger zu verpassen. Nach dreißig Minuten schicke ich meinen knallig olivfarbenen Rucksack auf die Reise nach Pamplona und hoffe ihn dort wohlbehalten in Empfang nehmen zu dürfen.

    In der Hoffnung, alles erledigt zu haben, begebe ich mich zur Passkontrolle. Dort weist man mich bestimmt darauf hin »Sie haben Ihre Bordkarte nicht ausgedruckt.« Ich gehe wiederholt zu den freundlichen Einweiserinnen. Die Vertreterinnen des schönen Geschlechts erwarten mich bereits und überreichen mir diese. Nun halte ich sie in Papierform in meinen Händen »meine Bordkarte.«

    »Hätten Sie sich dort am Schalter angestellt, abermals mit einer nichtssagenden Handbewegung, alles wäre wie Sie es aus der Vergangenheit her kennen.« Ihr knapper Nachsatz. Ich danke dem Flughafen Wien für diese ausgesprochen hilfreiche Nichtbeschilderung.

    Fünf Uhr. Ich suche mein Gate nach Frankfurt / M. Die nächste Freude reiht sich nahtlos an die Vorherige. Das Rollband, welches die endlos blank polierten Gänge kurz erscheinen lässt, funktioniert nicht. Wer steht schon gern so früh auf? Es ist eindeutig zu früh und somit suche ich gehend mein Gate. So gewöhne ich mich daran, Gehen, ohne den genauen Weg zu kennen. Meine Freude um diese Uhrzeit kennt keine Grenzen.

    Das Beste kommt zum Schluss, der Body - Check. Gut gelaunt betrete ich die makellos abgegrenzte Laufstrecke. Ich umtanze sportlich und schnittig die eng aneinander gereihten neunzig Grad Winkel. Abgesteckt sind jene mit leuchtend roten Bändern. Lediglich das Ende war nicht ganz durchdacht. Hier geht’s nicht weiter. Bevor ich mich zurück schlängle, schlüpfe ich tanzend darunter hindurch und bekomme den Unmut von Radica zu spüren. Sie ist die Herrin des Body - Checks.

    Ihr tiefes, flaches Ausatmen vernehme ich deutlich und ein »So geht das hier aber sicher nicht! Wenn das jeder machen würde!« Frau Radica scheint eine sehr herzliche Zeitgenossin zu sein. Lautstark und in einer mir nicht vertrauten Sprache zeigt sie mir ihre ganze Autorität. Ich bin der Einzige vor Ort und niemand folgt meinem morgendlichen eleganten Limbo Tanz unter dem tiefroten Absperrband hindurch. Schon stehe ich vor ihr und begrüße sie mit einem »Wunderschönen guten Morgen!« Sie: »Haben Sie Flüssigkeiten dabei, wenn ja alles in diese graue Box legen. Nehmen müssen Sie sich diese selbst!« Ich liebe es, Einzelwesen zu begegnen welche sinnvoller einen Beruf gewählt hätten wo sie in der Früh weiterhin schlafen könnten. All jene wären (m)eine Bereicherung und unsere Pfade würden sich niemals kreuzen. Gleichwohl finde ich es lobenswert, wenn einem sein Job Spaß macht.

    Radica möchte abschließend den Sinn meiner Jakobsmuschel wissen. Sie wird freundlicher und wünscht einen nicht nur schönen, sondern angenehmen Tag. Na geht doch. Sollte die Muschel täglich an irgendeine Stelle hinhängen, um die Freundlichkeit bei einigen Mitmenschen raus zu kitzeln. Erleichtert packe ich all meine Habseligkeiten zusammen. Geschafft. Mein Gate wartet auf mich.

    Im Gehen kommt mir ein Gedanke. Wie reizvoll wäre in diesem Augenblick mein bisheriger Alltag. In die Firma fahren morgens um fünf Uhr einen Kaffee mit Martina trinken und mich ins Getümmel meines Stresses stürzen. Stattdessen sitze ich an einem Gate und schaue aus wie ein Gestrandeter. Ringsherum Leute mit Anzug und Laptop. Ihre Blicke streifen mich. Auf dem Camino wird sich dafür hoffentlich niemand interessieren. Lediglich muss ich dort erst einmal an- und hinkommen.

    Die Zeit bis zum Flug vergeht mit meinem Hörbuch von »Torsten Sträter« im Ohr und die Wunderlinge beobachten rasch. Menschen, welche halb sechs morgens lautstark am Handy hängen und irgendwem mitteilen, wie unentbehrlich sie sind und dass sie einen sehr langen und stressigen Tag in Frankfurt haben, das ohne sie nichts richtig läuft und sie sich ständig um alles selbst kümmern. Die Lautstärke meines Hörbuches steht am Limit. Dieses Unwichtige macht meinen Kopf derzeit nur unnütz voll. Mit wem saß ich hier? Wohin gingen all meine Reisen?

    Leipzig, Berlin, Düsseldorf, Lanzarote, Stuttgart, Kreta,

    Hamburg, Hurghada und nun nach Pamplona und SJPdP. Menschen kommen gedanklich hinzu und es formen sich Bilder und Dialoge. Manche Zeitgenossen sollte ich verdrängen, andere lassen tiefere Gedanken zu.

    Da ist meine Familie, meine Eltern, meine Großeltern, mein Bruder, Manu eine liebe Freundin, welche 2013 zu früh von uns ging, Roland mein früherer Chef und B. Worte für diese Frau sind ausnahmslos positiv und gehören nur mir.

    Gedanken fliegen durch meinen Kopf und so sitze ich hier allein und daran wird sich in den nächsten Wochen nichts ändern. Wochen klingen geringer als Tage hören sich jedoch nicht reizvoller an. Mir kommt es schon jetzt verdammt lang vor, wenn ich lediglich daran denke, wann ich hier wieder lande.

    Mein Tagebuch liegt genauso entspannt vor mir, wie ich mich in diesem Moment fühle. In der Hoffnung nach der Reise Bedeutsames zu lesen und nicht Hunderte von Fotos anschauen zu müssen schenkten mir meine Eltern jenes. Ohne diese Kladde wäre das Buch nie entstanden. Es ist mühsam Fotos anzuschauen, ohne dabei gewesen zu sein.

    Wie soll ich beginnen? Ich schreibe nie Tagebuch und habe nie etwas schriftlich festgehalten was mein Leben betrifft. Warum sollte es ausgerechnet jetzt jemanden interessieren? Ich schreibe es nur für mich.

    In den vergangenen zwei Stunden passierte schon die eine oder andere humorvolle Begebenheit und ab jetzt soll mein Stift noch regelmäßiger zum Einsatz kommen. Meine Erinnerungen sind noch frisch und so schreibe ich munter drauf los. Unterhaltend werde nur ich es finden, bin ja live dabei.

    Ich bin scheinbar nicht der Einzige, welcher den Camino für sich entdeckt hat. Eine Gruppe Frauen mit ähnlich schicker und funktionaler Kleidung möchte ebenso nach Frankfurt . Ein kurzer Small Talk und sie gehen den Weg ab Porto, den Caminho Português. Dieser hat eine Länge von 360 Kilometer und war mir bisher nicht so geläufig. Man lernt nie aus. Auch sie gingen noch nie einen Weg und erhoffen sich spirituelle Eingebungen. Sie gehören einer besonderen Gruppe an. Zwei sind Veganer und fünf sind Frutarier. In einem Hostel oder Hotel möchten sie nicht nächtigen. Ihnen ist alles zu kommerziell und sie ziehen es vor am Strand zu schlafen. Ihr Budget für sechzehn Tage beträgt beinahe null. Auf meine Frage was sie essen werden. »Nüsse, Beeren, Früchte, Gemüse und allerlei Samen. Unsere Ernährung findet nur statt, ohne dass die Pflanze stirbt. Wir haben ja etwas Getrocknetes mit.« Auch ist ihre Ausstattung sehr schmal. Sie sind nur mit etwas größeren Jutesäcken unterwegs. Ich wünsche ihnen viel Glück, tolle Erfahrungen, gutes Gelingen und immer einen vollen Gemüse- und Obstgarten. Das könnte für die Damen verdammt knapp werden.

    ABFLUG

    Sechs Uhr zehn mein Flieger hebt ab Richtung Frankfurt . Es geht los. Rückzug gibt es nun keinen mehr.

    Gut gelandet und gelaunt treffe ich in der Mainmetropole ein. Weitere zwei Stunden Warten auf den Weiterflug nach Pamplona in Spanien . Die Jakobsmuschel hängt mittlerweile seitlich an meinem ultraleichten Backpacker. Eine Frau steuert zielgerichtet auf mich zu. Mit ihrem sonnigen Lächeln spricht sie mich an und ihre goldgelben Zähne springen mir sofort ins Auge. Ohne Hallo stellt sie fragend fest. »Gehst du ebenso den Jakobsweg?!«

    Ich schaue sie mit großen Augen an und nicke. »Ja ich gehe den Camino , zumindest habe ich es vor.«

    Sie sofort auf »Fliegst »Du« auch nach Pamplona oder nach Biarritz?« Ich sitze vor dem Gate nach Pamplona.

    »Na rate mal wo es für mich hingeht?« frage ich sie. Mir schießt es in den Kopf »AUCH?!« Nein bitte nicht schon wieder. Das könnte die Schwester von Josef und Radica sein.

    Neunzig Minuten bis zum Weiterflug und bereits eine Klette an der Backe. Von dem wollte ich auf jeden Fall weg. Mein goldiges Lächeln kommt aus Dresden und heißt Saskia. Ich höre mir ausführlich den Grund ihres Weges an. Eine sehr spontane Idee ihrerseits um von allem Bisherigen auf Distanz zugehen. Den Abstand möchte ich gleichermaßen. Saskia geht ihren wegen der bevorstehenden Scheidung. Der Grund meiner Reise bleibt noch im Verborgenen. Saskia erklärt mir sehr ausführlich »Dass ihr Mann sich scheiden lässt, weil er nicht mit ihr reden kann. Sie sei in den letzten Jahren stehen geblieben. Seine eindringlichen Worte an sie.« Ganz toll das lässt sie nun gegenwärtig an mir aus. Warum erzählt sie mir das? Sie kennt mich gar nicht und redet ohne Punkt und Komma. Ihre Vita erfahre ich in dreißig Minuten. Ich gebe ihr das Gefühl, aufmerksam zuzuhören, um nicht ungefällig zu wirken. Er wird sicher eine Party schmeißen, wenn er das Amtsgericht verlässt, denke ich mir. Saskia ist unstrukturiert und bescheiden in ihrer sehr einfachen netten Art. Wie sie mir gerade unmissverständlich klar macht geht sie ebenso den Weg ab Saint Jean Pied de Port. Wie sie von Pamplona dorthin kommt, weiß sie nicht. Ich verkneife ihr mitzuteilen, dass ich ihr einige Schritte bereits voraus bin. Da ich kein Spanisch spreche, holte ich mir im Vorfeld Erkundigungen ein. Mein Gehirn teilt mir mit »Mit der gehst du ganz sicher keinen Meter.«

    Die Busfahrt dauert neunzig Minuten und führt von Pamplona über Zubiri, Roncesvalles nach Saint Jean Pied de Port. Laut ihrer Flugbordkarte sitzen wir nicht zusammen. Ich kann mich in den nächsten zwei Stunden in Ruhe auf meinen Camino vorbereiten. Mein Platz befindet sich in der zweiten Reihe und die Sonnenblumenbekanntschaft sitzt weit hinten. Da hatte bei der Platzauswahl sicherlich jemand seine Hand im Spiel. Das ist meine Chance ihr nach der Landung zu entkommen. Rucksack schnappen und mich aus dem Staub machen. Laufen kann ich, habe ja vor zwanzig Jahren mal aktiv Sport gemacht.

    Der turbulente drei Stunden Flug mit der spanischen Airline ist etwas ganz Besonderes. Die Sitzreihen sind so eng, dass ich mein Gepäck im Fach über mir beneide. Es kann sich ausstrecken.

    Pamplona begrüßt mich mit Sonnenschein. Mein Wegbegleiter hat es ebenso unbeschadet geschafft und bisher ist von der Sonnenblume nichts zu sehen.

    Ich atme tief durch und stürze aus dem Flughafen. Ein Taxi hält treffsicher vor mir. Erkläre meinem Fahrer, welcher mich nicht versteht, denn Englisch spricht er nicht, dass ich zum Busbahnhof nach Pamplona möchte wo die Busse nach SJPdP abfahren. Die Jakobsmuschel am Rucksack hilft mir dabei. Ich genieße die Fahrt in einem klimatisierten Auto und muss nicht sieben Kilometer über Land gehen. Leider bin ich wieder nicht allein. Rita ursprünglich aus Klagenfurt nun aus Bayern erklärt mir Oberlehrerinnenhaft, »Deinen Weg ging ich 2017. In sechzehn Tagen habe ich diesen komplett geschafft.«

    »Du bist täglich fünfzig Kilometer gepilgert?«, frage ich. Sie: »Klar war nicht schwer.« Rita ist 1,55 m und schaut ein klein wenig verbiestert aus, dafür ist sie sehr drahtig und sportlich. Sie war auf all ihren Wanderungen stets allein. Neunzehn Camino ist sie in zehn Jahren gepilgert. Verwundert gibt sie bekannt: »Ich brauch keine unnötigen Mitpilger, diese interessieren mich allesamt nicht.«

    Meine Gedanken sortieren sich augenblicklich schwer. Hoffentlich gibt es nicht zahlreiche von ihrer Sorte. Ich wurde im Nachhinein eines Besseren belehrt. Rita fährt mit und somit spare ich die Hälfte des Taxigeldes, feine Sache. Da sie den Camino del Norte den Küstenweg geht, werde ich ihr hoffentlich nirgends wieder begegnen.

    Pamplona fliegt an mir vorbei. Wenn alles weiterhin so problemlos verläuft und meine Füße mich tragen dürfte ich am Montag, heute ist Freitag, diese reizvolle Stadt wiedersehen. Siebzig harte Kilometer sollte ich dann in meinen Beinen spüren.

    Zwei sonnige Stunden verbringe ich in Pamplona. Lust zum Gehen verspüre ich nicht wirklich. Ich bin es nicht gewohnt ständig mit Gepäck zu gehen.

    Saskia verbrachte die ganze Zeit sitzend an einem Fixpunkt. Allein wollte sie nichts ergründen so ihre Worte. Mit ihr zusammen fahre ich nach Frankreich .

    Meinen schweren Rucksack verdamme ich schon jetzt. Bisher setzte ich keinen einzigen Schritt auf meinen Weg und merke, dass ich viel zu viel mithabe. Zwei lange und kurze Shirts, lange Hose, welche ebenso eine kurze ist, Regenjacke, Poncho, eine leichte Jacke, Trekking Sandalen, meine katholische Pilgerfibel, Erste Hilfe Set, drei Boxer, zwei Paar Socken, Digicam, ein Reise Necessaire, Schlafsack, Mikrofaser Handtuch, Traubenzucker, Geld und Handy. Das wiegt alles zusammen über sieben Kilo. Auf der Fahrt zu meinem Start denke ich, ob diese Entscheidung die Richtige gewesen ist.

    Ich habe mir einen alleinigen Sitzplatz gesichert. Neben mir nur mein olivfarbener Signalrucksack und ein Kopf voller tief greifender Gedanken welche schwerer wiegen als mein knalliger Begleiter.

    Warum tu ich mir das an? Eine Kollegin sagte kurz vor dem Start »Ich würde es mir nicht trauen. Du musst dir nichts beweisen. Ich finde gut, was du machst.« Genau jene welche sehr sporadisch mit mir redet, wenn sie besonders gut gelaunt ist oder etwas benötigt. Im Grunde ist sie ja auch eine ganz Liebenswerte. Lass die Gedanken ruhen, denke ich, sie hat es wirklich nur nett gemeint und das denke ich wahrhaftig. Wieso kommt sie mir gerade in den Sinn? Andere hätten diesen Platz eher verdient. Dem Vernehmen nach kommen mir all jene Menschen nacheinander in den Sinn von denen ich mich nach meiner Rückkehr galant und still verabschieden werde. Ich verschwende keinen weiteren Gedanken daran und füttere meinen Kopf nur mit erinnerungswürdigen

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