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Zweieinhalb: Die neue Welt
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eBook236 Seiten3 Stunden

Zweieinhalb: Die neue Welt

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Über dieses E-Book

Im Band 2 der Trilogie: Zweieinhalb, schreibt der Autor Berth Mann über eine Zeit, die der Protagonist Robert nach seiner Ausreise aus der DDR in der neuen Welt erleben darf. Es wird eine Achterbahnfahrt werden, mit allen Höhen und Tiefen, die das Leben auch nur bieten kann. Vieles Schöne wird er erleben dürfen. Aber auch die schwarzen Stunden auf dieser Lebensreise.
Berth Mann Dresden im August 2020
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum20. Aug. 2020
ISBN9783347123601
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    Buchvorschau

    Zweieinhalb - Berth Mann

    Kapitel 1             Ständige Ausreise

    Eine ganz lange Zeit ließen sie ihn da noch stehen, auf der Metallplatte und zwischen den Welten im Niemandsland. Hinter ihm waren nun alle Türen geschlossen und es gab nur noch einen Weg nach vorn, den er auch so schnell wie nur möglich gehen wollte. Er wollte nun in sein neues zweites Leben gehen, hinein in seine Zukunft. Was er hinter sich ließ war die Vergangenheit eines Lebens in einem Land welches sich einmal für das Morgen entschieden hatte. Seine alte Heimat befand sich nun aber in einer Starre, weil die alten Männer in der Regierung den Wind des Wandels nicht spüren wollten und schon lange den Bezug zur Wirklichkeit völlig verloren hatten. Das Leben dort bestand nur noch aus der Angst der Macht vor jeder Veränderung und die Botschaften der roten Regierung erreichten schon lange immer weniger Menschen. Sie glaubten sie wohl inzwischen selbst zum großen Teil nicht mehr. Die Bürger im Ostland wollten von nun an auch mitreden.

    Nun nicht mehr nur die allgemein bekannten Losungen nachplappern, diese Zeit war nun vorbei.

    Das Krebsgeschwür der Lügen war leider mächtig angewachsen und es wurde höchste Zeit, das ein großer Schnitt dieses Leiden bald beendete. Es war wirklich nur noch ein Frage der Zeit bis es soweit sein würde, oder würde das Ostland doch in dem schon allgemeinen Koma weiter dahinsiechen?

    Robert wusste darauf auch keine Antwort. Er hatte sich für seinen Schnitt entschieden und den alten Zopf einfach abgeschnitten, war von dort weggegangen. Das war seine Antwort, die für ihn und sein Leben von so wichtiger Bedeutung war. Was wollte er auch mehr tun? Die Minuten des Wartens im Niemandsland wollten einfach nicht vergehen, und sie kamen ihm vor wie Stunden und Ewigkeiten. Immer noch nicht wollten sie ihn in die Freiheit entlassen, er musste weiter warten und warten. Dann ging doch plötzlich die schwere Metalltür vor ihm auf und er konnte nun endlich durch die Plastikstreifen hindurch aus der Enge dieses Ortes entweichen.

    Nun war er wirklich herausgekommen aus der Gefangenschaft der ganzen letzten Jahre, nun durfte er diese enge Welt endlich verlassen. War er nun schon angekommen in der neuen Welt? Da wo alles so ganz anders sein sollte? Jetzt stand er jedenfalls erst einmal hinter der Metalltür, die sich langsam wieder hinter ihm schloss. Er war wirklich hier draußen und raus aus dem Land des Gestern. Nun wurde es ihm noch bewusster, was seine ständige Ausreise bedeuten würde. Die Tür hinter ihm war endgültig zu und er wird seine Eltern und die anderen Verwandten eine lange Zeit nicht besuchen dürfen. Er musste sich nun hier in der neuen Welt einrichten und nicht nach hinten schauen. Erst einmal schaute er sich deshalb auch hier um und suchte nach seiner Frau Anita. Sie stand aber gleich ganz unmittelbar neben ihm, denn bei ihr war das Prozedere viel schneller von statten gegangen, sie stand wohl schon eine ganze Weile hier draußen. Sie nahmen sich erst einmal wieder in die Arme und waren nun ganz glücklich und froh. Es war jetzt endlich vollbracht. Sie waren frei und nun wirklich auf der anderen Seite, welch ein Glück für sie.

    Sie bemerkten dabei gar nicht die vergehende Zeit und die Blicke der vorübergehenden Menschen. Das interessierte sie auch nicht. Jetzt waren sie endlich in ihrem Glück, was wollten sie denn auch mehr. Sie küssten sich einfach innig und lange, dieser schöne Moment wollte gar kein Ende nehmen. So vieles fiel in diesem Augenblick von ihnen ab: die Zeit des Wartens und der Ungewissheit hatte nun ein Ende. Die ganzen Entbehrungen, die Beleidigungen die sie bei der Inneren Abteilung ertragen mussten, die Ängste die sie durchgemacht hatten, alles löste sich nun auf. Nun war diese Zeit endgültig für sie vorbei und sie sollte niemals wiederkommen, darauf würden sie schon sehr achten. Jetzt mussten sie aber erst einmal auf ihre Koffer und Gepäckstücke achten, denn der Menschenstrom auf dem Bahnhof schwoll zunehmend an. Deshalb nahmen sie die beiden besser in ihre Hände und gingen die Treppe hinauf und hin zum Bahnsteig der S-Bahn. Den „Begleiter" aus der Eisenhüttenstadt meinte Robert auch einmal kurz erblickt zu haben. Aber er kann sich auch getäuscht haben, so erregt wie er war. Alles kam ihm sowieso vor wie in einem Traum, der nun aber doch Realität geworden war, es war manchmal gar nicht zu unterscheiden. Ihr Traum war nun Wirklichkeit geworden, welch ein Wunder, welch ein Glück. Sie saßen nun beide mit ihren Gepäckstücken und Koffern in der S- Bahn und fuhren einfach so an den Sperranlagen und Grenzbefestigungen des Arbeiterund Bauernlandes vorbei in ihr neues Leben, hinein in eine ganz andere Welt. Robert wollte das alles gar nicht glauben, war er doch vor Jahren selbst ein Grenzer gewesen und hatte Wache gestanden an der Mauer in Potsdam. Nun fuhr er an ihr vorbei und keiner hinderte ihn daran, kaum zu fassen das alles. Sie fuhren wirklich an der Mauer vorbei, sahen das Brandenburger Tor von weitem und bald auch den Reichstag. Es war so unfassbar für sie und es war dann doch eine schöne Realität, die sie nun erleben durften. Alles war so unwirklich und es war die neue Welt in die sie jetzt fuhren, hinein in ihr neues Glück. Die Grenze zwischen den Deutschen in Ostund Westberlin war nun für sie nicht mehr von Bedeutung. Dieser Lindwurm, der sich durch die ganze Stadt schlängelte wie eine böse Schlange, hatte für sie in diesem Moment seine ganze Schreckenskraft verloren. So als ob das ganz selbstverständlich wäre fuhren sie an all den Sperranlagen einfach vorbei, davon hatten sie Monate und Jahre geträumt. Jetzt war es Wirklichkeit geworden, weil sie es durch ihre Standhaftigkeit möglich gemacht hatten, weil sie gegen den Strom zu Quelle geschwommen sind. In dieser Zeit war das wirklich keine Selbstverständlich keit, denn noch existierten die zwei Welten ganz real und sie standen sich weiterhin recht feindlich gegenüber.

    Der Zug war auch nicht zu voll, so dass sie ungehindert aus dem Fenster schauen konnten, um all das Neue zu beobachten. So viel Eindrücke die da auf sie einströmten. Es gab so viel zu sehen und alles war wirklich anders und schön. Sie hatten auch Glück mit dem Wetter, denn es regnete nicht und die Sonne vollbrachte an diesem Sommertag wieder ihr gutes Werk. Etwas sonderlich kamen sie sich schon vor und die Blicke einiger Mitreisender trafen sie wohl auch in ihrer Unsicherheit und im Nachdenken. Darauf wollten sie aber gar nicht eingehen. Sie waren doch so glücklich und was sollten sie jetzt mit den fragenden Blicken auch anfangen.

    Nun mussten sie erst einmal zur Tante Inge kommen, zu ihrem Haus im Stadtteil Gladow am Rande der Stadt. Sie verließen deshalb die S-Bahn auch an einer Station und mussten von hier ab weiter mit der U-Bahn bis nach Berlin-Spandau fahren. In diesem Zug befanden schon sehr viel mehr Fahrgäste und Robert musste ganz schön auf Anita, sich und das Gepäck aufpassen. Er hatte ja von Dieben gehört, die nur auf die noch unerfahrenen Neuberliner warteten, um sie zu bestehlen. So etwas wollte er aber nicht erleben, so sollte sein neues Leben nun wirklich nicht beginnen. Als sie an der Endstation die Treppen nach ober stiegen, um zu ihrer Bushaltestelle zu gelangen, fiel Robert doch schnell so einiges auf. Sie standen nun zwar direkt an einer großen Straßenkreuzung, aber man hörte die vorüberfahrenden Autos einfach gar nicht. Sie waren sehr viel leiser als die im Ostland, die knatternden Trabbi`s und Wartburg`s. Es stank auch nicht so wie üblich in der Luft nach verbrannten Treibstoff, das war auch erst einmal ganz neu für ihn.

    Zu seiner großen Verwunderung stand am oberen Ende dann aber auch ein Bekannter aus der Hüttenstadt vor ihm, der bereits seit zwei Jahren ausgereist war und den er hier nun wieder zufällig traf, zufällig? Robert hatte früher keinen so direkten und intensiven Kontakte mit ihm unterhalten. Nur eine Schallplatte von BAP hat er einmal mit ihm getauscht. Nun stand er also hier und begrüßte freudig den Robert in der Freiheit und stellte bald komische Fragen. Wo sie denn hin wollten, und warum sie weg gegangen wären, wo sie jetzt wohnen würden… alles sehr suspekte Fragen. Der Bekannte war inzwischen im öffentlichen Dienst angestellt, bei der Justiz der Stadt, und Robert hätte dem Ganzen vielleicht auch gar nicht so viel Bedeutung beigemessen, wenn er da nicht den jungen Mann auf der anderen Straßenseite erblickt hätte, der ihn bereits seit seinem letzten Besuch im Wehrkreiskommando in Hütte begleitet hatte. Nun war ihm ganz klar, dass diese Begegnung wirklich kein Zufall war, sondern vorbereitet von der unsichtbaren Welt von drüben. Die Stasi hatte also doch auch hier ihre Leute auf die sie sich verlassen konnten und die wie Schläfer auf ihre Einsätze warteten. Deshalb beendete Robert das Gespräch ganz schnell mit ein paar Floskeln und sah zu, dass er das Weite gewann. Sicherlich sind ihm nun noch viele weitere Fragen durch den Kopf gegangen. Aber als Robert die Frage nach der Fahrkarte vom Busfahrer gestellt bekam, war er schnell wieder in der Wirklichkeit angelangt. Diesen Fahrausweis hatte er ja noch im Ostteil der Stadt gekauft und die Schalter Damen dort am Bahnhof Friedrichstraße versicherte ihm auch, das er damit bis nach Gladow fahren könne. Das erwies sich nun aber als eine falsche Auskunft. Diese Fahrkarten galten nur für die Reichsbahn und damit für die S- und U-Bahn Strecken, nicht aber für die BVG, die Berliner Verkehrsbetriebe mit ihren Bussen. Nun war guter Rat teuer, denn Robert besaß wirklich nur 20 DM an Westgeld. Den Schein hatte er auch noch in seiner Socke versteckt und sicherlich wollte den der Busfahrer so jetzt vielleicht doch nicht haben. Der roch nun bestimmt nicht mehr sehr gut. Aber, anders ging es ja nicht wegen der Grenzkontrollen. Was sollte er denn machen? Nachdem er vergeblich in seiner Brieftasche gewühlt hatte und dem Busfahrern dann doch nur ein paar letzte Osttaler anbieten konnte, die sich irgendwie noch darin versteckt hatten, blieb ihm gar nichts weiter übrig, als auf das Verständnis des guten Mannes da im Bus zu hoffen. Dieser Fahrer war zum Glück ganz freundlich. Ein echter Berliner mit Herz und Schnauze eben und er winkte sie dann einfach durch nach hinten. So ein Glück war es für die Beiden. Vielleicht war er auch einmal von drüben gekommen und kannte diese komische Situation? Konnte ja auch sein? Damals im Sommer kamen ja auch noch nicht ganz so viele herüber wie dann später im November. Da war es dann vorbei mit den kostenlosen Busfahrten. In Gladow sind sie auch an der richtigen Bushaltestelle ausgestiegen und nun mussten sie nur noch das Haus von Tante Inge und Onkel Ingo finden, da am Uetzer-Steig.

    Sie fanden es dann auch bald, und waren wirklich recht froh, ihre schweren Koffer wieder abstellen zu können, um an der Eingangstür der Verwandten zu klingeln. Die Tante und der Onkel waren aber selbst gar nicht da. Nur ein Freund der Familie begrüßte sie in ihrem Namen und lud sie in das Haus ein. Inge und Ingo waren auf einer Urlaubsreise im Ausland und konnten deshalb nicht hier in Berlin sein. Sie hatten den Hausfreund aber instruiert was er machen sollte und so waren ihre Schlafgelegenheiten gerichtet und etwas zu essen im Kühlschrank. Das Haus von Inge und Ingo war auch ein sehr schönes und war umgeben von einem großen Garten und von weiten konnte man das Ufer eines Sees sehen.- Die erste Nacht konnte Robert gar nicht einschlafen, so viele Eindrücke und Erlebnisse musste er nun verarbeiten. Der Anita erging es sicher auch nicht anders. Erst in den Morgenstunden sind sie dann vor Erschöpfung endlich eingeschlafen und durften ihre ersten Träume im Westland erleben. Am nächsten Morgen galt es für sie auch gleich wieder zeitig aufzustehen.

    Sie mussten ja sofort in das Aufnahmelager nach Berlin Marienfelde fahren. Dieses Aufnahmelager befand sich nun aber auch noch ausgerechnet ganz am anderen Ende der Stadt. Weite Wege also für die Beiden schon am Anfang. Für sie galt es nun das Bundesaufnahmeverfahren zu durchlaufen. Bisher besaßen sie doch nur ihre Identifikationsbestätigungen aus dem Ostland und keine richtigen Papiere der Bundesrepublik Deutschland, waren also eigentlich staatenlos. Der gute Hausfreud Wolfgang half ihnen auf ihren Wegen dabei so gut er konnte und fuhr sie mit seinem schönen Mercedes-Auto auch immer ein Stück bis zur U-Bahn nach Spandau. Das war schon eine große Hilfe für die Neubürger, denn dadurch konnten sie sich das Geld für die Busfahrt schon einmal sparen, das war wirklich gut. Geld besaßen sie ja immer noch keines außer dem geschmuggelten 20-DM Schein und deswegen war jede noch so kleine Hilfe sehr willkommen bei den Beiden. Von Inge und Ingo erhielten sie aber auch eine finanzielle Unterstützung. An jedem Tag lag am Morgen ein neuer 20-DM Schein an ihrem Platz am Frühstückstisch. Das war wirklich sehr schön und hilfreich.Sie haben das Geld auch nicht gleich sinnlos wieder ausgegeben. Aber die Fahrkarten zum Aufnahmelager kosteten Geld und wenn man sich einmal ein Eis leisten wollte, nahmen die Verkäufer auch keine Hosenknöpfe dafür, so war das eben.

    Im Aufnahmelager in Marienfelde trafen sie auch immer wieder einmal auf Menschen, die sie von früher her kannten. Einige waren aus der Elbestadt, Andere wiederum aus der Stahlarbeiterstadt an der Oder. Roberts ständiger „Begleiter" schlich dort auch herum und versuchte des öfteren wieder mit ihm in Kontakt zu kommen. Da Robert aber zunehmend immer wortkarger wurde, machte ihm seine Aufgaben wohl auch langsam keinen Spaß mehr und er ließ es dann mit seinen Fragen sein. Er wird sicher auch mitbekommen haben, dass Robert ihm nicht über den Weg traute und so machte es wohl auch keinen Sinn mehr für ihn weitere Fragen zu stellen, da er sowieso nur ausweichende Antworten darauf bekam. Robert hat ihn dann auch nur noch einmal gesehen, als er am Flughafen Berlin-Tegel in der Abfertigungshalle auf seinen Flieger nach Frankfurt/ Main wartete. Sicherlich ist der Aufpasser auch weitergezogen, oder er ist wieder zurückgegangen zu seinen Auftraggebern ins Ostland. Sein Auftrag hier in Berlin war ja erfüllt und in das Bundesgebiet durfte er anscheinend nicht einreisen, soweit reichte seine Befugnis dann wohl doch nicht. Komisch waren diese Begegnungen schon für Robert. Aber er wusste den Grund dafür ja nicht und konnte sich dagegen auch nicht wehren. Er war nur auf der Hut, hielt seinen Mund und gab keine Einzelheiten preis. Das sollte reichen, damit er in Sicherheit blieb und seinen Weg ungestört weitergehen konnte.

    Was er im Aufnahmelager nun als erstes wieder erleben musste, es war das Schlangestehen vor den Amtsstuben der verschiedenen Behörden. Robert war das zwar aus dem Ostland her gewohnt.Besser wurde es dadurch aber auch nicht. So stellte er also keine Fragen. Sondern er stellte sich einfach wie alle anderen brav in den Reihen an, damit er seine Stempel auf dem Laufzettel bekam. Diesen Laufzettel hatte er gleich im Lager bekommen und es waren darauf eine Vielzahl von Behörden aufgeführt bei denen er vorstellig werden musste.

    Um sein Identifikationspapier in einen gültigen Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland zu verwandeln war diese Prozedur nicht zu umgehen. In den langen Schlangen standen aber nicht nur die Ausgereisten aus den Ostland, sondern auch eine ganze Menge Leute die aus Polen oder der Sowjetunion stammten. Sie waren nach dem Grundgesetz auch Deutsche und wollten nun genau wie Robert ihr neues Leben im Westland beginnen.

    Für ihn war es aber dann doch recht verwunderlich, als er das große Sprachgewirr aus den verschiedenen slawischen Sprachen hörte und er sich mehr auf einem Basar oder Wochenmarkt wähnte, als in einem deutschen Aufnahmelager. Nun, in der neuen Welt musste er sich sowieso an so viele neue Dinge gewöhnen. Da war diese Tatsache auch nur ein ganz kleiner Teil davon.

    Die Beamten in den Amtsstuben waren wegen ihrer vielen Arbeit auch wirklich nicht zu beneiden. So fleißig sie sich bemühten der Sache Herr zu werden, so wenig Zweck hatte es am Ende doch, denn die Warteschlangen wurden einfach nicht kürzer.

    Es kamen immer wieder neue Leute dazu und es schien fast so, als ob die ganze Welt sich hier versammelt hätte, um ein gültiges Personaldokument der Bundesrepublik zu erhalten. Die Beamten waren auch wirklich fleißig und arbeitetet fast ohne Pause. Aber mit der übergroßen Zahl der Wartenden waren sie dann doch deutlich überfordert. Bei Manchen spürte man diese Belastung dann schon. Sie waren wenig freundlich und erledigten ihre Arbeit nur recht mürrisch und schlechtgelaunt. Nur ganz selten erlebte Robert dann einmal Einen, der ihn anlächelte und nett zu ihm war, wirklich nur ganz selten. Es gab ja auch so viele Anlaufstellen in diesem Lager, wo man sich immer wieder neu anstellen musste, um wieder einen Stempel auf dem Laufzettel zu bekommen, dessen Sinn man eigentlich gar nicht verstand. Da gab es einen Stempel, den man unbedingt benötigte um den nächsten zu bekommen. Eben deutsche Vorschriften und brachiales Beamtentum.

    So waren die Neubürger also jetzt angekommen in der Welt der deutschen Verordnungen, Paragrafen und gesetzlichen Bestimmungen. Preußens Gloria lässt grüßen !

    So vergingen die Tage mit Warten und Anstehen und erst ganz langsam kamen sie ihrem Ziel etwas näher. Einen deutschen Personalausweis mussten sie unbedingt haben. Sonst ging überall ja gar nichts weiter voran und sie blieben so nur weiter eine Nummer im Kataster des Lagers. Deshalb ertrugen sie ihre Last besser mit Geduld und Humor. Das machte die Situation etwas leichter und sie kamen einfach besser damit zurecht.

    Nur nicht schon wieder ärgern müssen! In der neuen Welt sollte doch alles besser sein, da konnten sie gar keinen Ärger gebrauchen. Immer positiv denken und handeln, das haben sie schon gleich am Anfang ihres neuen Weges gelernt, immer positiv.

    Eine ganz wichtige Erfahrung machte die Leute aus dem Ostland in den ersten Tagen aber doch. Wer hier gut organisiert war, der kam schneller voran und verringerte seine Wartezeit deutlich. Wer dazu noch Beziehungen in die Amtsstuben hatte, der war dann sogar noch besser dran und bekam seine Dokumente viel eher als die anderen. Manchmal kam es schon vor das einer aus der Reihe der Wartenden herausgerufen wurde, obwohl er noch gar nicht an der Reihe war. Das rief zwar den Unmut der anderen Wartenden hervor, aber diese Leute machten sich nichts daraus und gingen einfach frech nach vorn.

    So eine Situation kam Robert sehr bekannt vor und er erinnerte sich wieder an sein Roller Rennen. Damals war es auch so gewesen, als der Start dann begann und sich einige vordrängelten, um einen besseren Chance auf den Sieg zu haben. Anscheinend ist das immer so im ganzen Leben; es wird immer wieder

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