Heute Abend: Petra Constanza: Ein Leben im Scheinwerferlicht
Von Petra Constanza
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Buchvorschau
Heute Abend - Petra Constanza
Theaterkind
Ich komme aus einer Theaterfamilie und bin als glückliches Theaterkind aufgewachsen. Meine Eltern waren beide erfolgreiche Bühnenkünstler – mein Vater Operettentenor, meine Mutter Schauspielerin. An einem 29. Dezember erblickte ich das Licht der Welt und es war nicht verwunderlich, dass mein Vater selbst am Abend der Geburt als Zigeunerbaron auf der Bühne stand. Kurz vor Vorstellungsbeginn hieß es: »Eine Zigeunerbaronin ist geboren!« Der Titel dieser Operette sollte für meinen zukünftigen Lebensweg bezeichnend sein.
Zahlreiche Umzüge, Schulwechsel und Aufenthalte in immer neuer Umgebung gehörten zu meinem Leben, doch das Zigeunerleben war nie ein Problem für mich. Immer neue Eindrücke und die Herausforderungen bei Abschied und Ankunft prägten mich und ich empfand diese immer positiv. Schon in der Schule stand man als Neue immer im Mittelpunkt und neue Freunde buhlten um die Gunst der Zugezogenen. Ich integrierte mich spielerisch. Ob Hotelzimmer oder Strandkorb in der Urlaubszeit, überall wohnte ich sofort und fühlte mich zuhause.
Niemals hätte ich mich schon als Kind standhaft behaupten können, wenn das Elternhaus nicht ein starkes Fundament gewesen wäre. Je älter man wird, desto mehr wird einem klar, dass eine Kindheit in Liebe und Harmonie sehr stark macht und dieses Fundament ein Leben lang trägt. Ich spürte eine führende Hand, aber eine Erziehung mit harter Hand habe ich nicht erlebt. Alles basierte auf Liebe und Verständnis und daraus zu schöpfen macht einfach Spaß. Die Worte meiner Mutter sind immer in meinem Gedächtnis geblieben. Sie sagte oft: »Alles in unserem Zuhause hat Klang und Musik, denn alles ist von der Kunst ersungen.« Das ist ein schöner Gedanke. Meine Gagen verwandelten meine späteren Wohnungseinrichtungen sehr klangvoll zu einem großen Orchester.
Ich war ein temperamentvolles Kind. Schon als Kleinkind machte ich die Nacht zum Tage und das Schlafkissen wurde zur Bühne. Meine Eltern mussten das fidele Singen und Hopsen ertragen, sodass schon mal nach einer nächtlichen Vorstellung das Bett wieder zusammengebaut werden musste. Doch mit der Einschulung war der Spuk vorbei.
Schon sehr früh besuchte ich Theateraufführungen. Einmal durfte ich sogar meinen Vater hinter der Bühne besuchen. Auf der Bühne wurde gerade eine große Showtreppe aufgebaut. Ich bettelte so lange, bis man mir erlaubte, diese Treppe einmal hinunterzugehen. Was heißt hier zu gehen – mit meinen sechs Jahren stolzierte ich bereits elegant hinunter und ahmte dabei die von mir sehr verehrte Operettensängerin nach. Ein intensives Erlebnis! Diese Bühnenluft faszinierte mich sofort und der Sog war spürbar.
Erst viel später lernte ich auch den Kampf und das Ringen mit Regisseuren und Intendanten hinter den Kulissen kennen. Immer wieder habe ich erfahren, dass man die Auseinandersetzung nicht scheuen darf. Wenn es um die eigene Persönlichkeit in der Darstellung geht, sollte man sich niemals selbst verleugnen. Doch dazu später mehr.
Mit sechs Jahren kam ich ins Kinderballett am Opernhaus Nürnberg. Die Ballettmeisterin lehrte mich früh, dass das Training in einer Arbeitskleidung stattzufinden hatte und keineswegs im Tutu. Ihr Training war streng und erforderte ein hohes Maß an Disziplin. Gott sei Dank, denn von nichts kommt nichts!
Schönheit war für mich immer wichtig. Jedes kleine Mädchen liebt es, sich schön zu machen. Das Verkleiden und das Spiel als Prinzessin sehe ich als etwas ganz Natürliches. Ich arbeitete als Fotomodell für zahlreiche Modezeitschriften. Schon immer habe ich mich gern fotografieren lassen und bewegte mich ganz natürlich vor der Kamera. Oftmals wartete vor der Schule schon ein Fahrer, der mich zum Fotostudio brachte. In der Maske erhielt ich ein kleines Make-up und meine Haare wurden auf Lockenwickler gedreht. So saß ich dann mit vielen gleich gestylten Kindern im Aufenthaltsraum. Wir hatten viel Spaß zusammen und auch Schularbeiten wurden mit Vergnügen so ganz nebenbei erledigt. Meine Eltern sagten immer: »Wenn es dir Spaß macht, dann mach es.« Und ich machte es – mit Freude. So auch den Klavierunterricht, den ich einige Jahre besuchte. Oftmals war ich mit meinen Leistungen unzufrieden und daher galt die Devise: üben, üben, üben.
Nach und nach erkannte ich meine Stärken. Geprägt von spielerischem Talent und einer gehörigen Portion Fantasie fand ich meinen Weg zur Bühne. Ob auf der Straße, in der Schule oder vor Freunden: Überall inszenierte ich meine Auftritte. Mein Kinderzimmer wurde zu meiner Bühne. Ich wusste von einem älteren Ehepaar im Haus gegenüber, welches oft am offenen Fenster das Treiben draußen verfolgten. Dies brachte mich auf die Idee, dieses Paar als Publikum einzubeziehen und zu erfreuen. Ich öffnete ganz weit das Fenster meines Kinderzimmers und schaltete die Ballettmusik laut. Dann tanzte ich, was ich fühlte, und vergaß darüber die Welt. Meine Freude wuchs mit der Freude meiner Zuschauer. Ich tanzte bis zur Erschöpfung. Ein kleines Eckchen meines Zimmers blieb den Augen der beiden verborgen. In dieses verschwand ich immer kurz um zu verschnaufen, um dann wieder mit neuem Elan meine Vorstellung fortzusetzen. Die beiden waren begeistert; ich war glücklich und sah mich darin bestärkt, meine Vorstellungen, die auf andere offenbar eine Faszination ausübten, zu erweitern und zu vervollkommnen.
Besuche von Tante und Onkel sowie von Freunden meiner Eltern erwartete ich immer mit Aufregung und Freude, denn ich hatte immer etwas vorbereitet und hoffte auf die Möglichkeit, vor den Eingeladenen auftreten zu können. Kleidung und Schuhe lagen stets bereit und der Programmablauf klappte immer wie am Schnürchen. Unter Beifall wechselte ich schnell in den Darbietungen von Klassik bis Modern.
Die Tanzdarbietungen wirkten so rasant, dass sich einige Gäste einmal Gedanken machten ob dies das Kind auch nicht zu sehr beanspruche und die Kräfte vielleicht versagen könnten. Doch diese Sorgen waren völlig unbegründet, denn ich machte das immer mit Vergnügen. Je anstrengender, desto größer der Spaß, je umfangreicher das Programm, desto größer der Beifall. Die Aufmerksamkeit meiner Zuschauer habe ich geliebt und immer wieder gesucht.
Die Programme der Darbietungen wurden professioneller und die Entwicklung bis hin zu dem Erspüren meiner Berufung kam schnell. Meine Entscheidung für einen künstlerischen Beruf war für alle nachvollziehbar und nicht verwunderlich.
Meine Begeisterung erhielt mit der Aussage meiner Mutter, die mir klar zu verstehen gab, dass die Arbeit jetzt erst richtig beginne, einen ersten Dämpfer. Ich war in der Realität angekommen. Meine Eltern erkannten meine ungebändigte Spiellust, aber sie machten mir unmissverständlich klar, dass zur Begabung ein stabiler Boden gehöre und das bedeutete: Eine gute Ausbildung.
Das Arbeiten an den Schauspielrollen zusammen mit meiner Mutter – die übrigens auch eine hervorragende Lehrerin war – dürften für sie nicht leicht gewesen sein. Ich danke ihr noch heute für ihre stoische Ruhe, mit der sie mein ungezähmtes Temperament ertrug und zu bändigen verstand.
Ich war nun 16 Jahre alt und stand kurz vor meinem Schulabschluss. Danach wollte ich sofort auf die Schauspielschule. Zu jener Zeit gab es allerdings nur zwei Schulen, die Schüler und Schülerinnen unter 18 Jahren aufnahmen: die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main und die Hochschule in Zürich. Ganz klar entschied ich mich für eine Anmeldung zur Aufnahmeprüfung in Frankfurt, da diese Stadt nur eine Stunde von meinem Elternhaus entfernt lag. Ich erhielt die Prüfungsunterlagen und der Startschuss war gegeben.
Bis heute ist mir folgende Begebenheit unerklärlich: Vor dieser Aufnahmeprüfung fuhren meine Eltern mit mir nach Frankfurt und suchten für mich eine Wohnung. Ein hübsches Zimmerchen mit Kochnische und Badbenutzung war schnell gefunden, fünf Minuten von der Hochschule entfernt und sehr zentral. Der Mietertrag wurde unterzeichnet. Ich hatte also eine Wohnung, obwohl ich noch keine Zusage seitens der Hochschule hatte. Meine Eltern hatten offenbar nicht den geringsten Zweifel, dass ich die Prüfung bestehen würde. So viel Beistand gab mir unendliches Selbstvertrauen. So viel Zustimmung war einfach sensationell.
Der Prüfungstag kam und ich war vorbereitet. Ich hatte mir dafür ein Kleid ausgesucht, das allerdings völlig ungeeignet für ein Vorsprechen war. Ein kurzes Lederkleid, dazu hohe Schuhe. Meine Mutter redete unermüdlich auf mich ein, ich solle doch etwas anderes, etwas Passenderes anziehen, aber alles Reden war vergeblich. Ich fühlte mich wohl in meiner Kleidung und somit siegessicher.
Auch wenn ich im Nachhinein vollkommen auf der Seite meiner Mutter stehe und dieses Outfit heute als völlig unpassend empfinde, so hat es doch eines gezeigt: Wenn man von sich überzeugt ist, dann strahlt man das auch aus. Ein selbstsicheres Auftreten führt zum Erfolg, vorausgesetzt, die Mitglieder der Jury erkennen das Talent – trotz unangemessener Kleidung.
Im Gleichschritt mit Mami
Auf Papis Schultern immer sicher
Das Spiel kann beginnen
Schon immer gerne vor der Kamera
Ohne Fleiß kein Preis
Aufnahmeprüfung
Mein Nachname Zimmermann befand sich am Ende der Prüfungsliste. Die insgesamt nur 40 Prüflinge warteten in großer Aufregung vor einem Vorsprechen oder schon angespannt auf die Entscheidung der Jury nach dem bereits überstandenen Vorsprechen. Mit meinen 16 Jahren war ich die jüngste und dennoch diejenige mit der geringsten Prüfungsangst. Im Gegensatz zu den anderen freute ich mich unendlich darauf, mich mit meinen Darbietungen einem geschulten Kreis präsentieren zu können. Da auch ein Tanz- und Gesangsstück zur Auswahl stehen sollte, hoffte ich insgeheim, meine volle Bandbreite zeigen zu können. Eines sei noch erwähnt: Die Tochter des Direktors der Hochschule war als Schauspielerin am Theater Würzburg engagiert. Sie war viele Jahre im Ensemble eine gute Kollegin meiner Mutter. Aus diesem Grund wollte ich dem Direktor einen Gruß von meiner Mutter, mit ihrem Bühnennamen Antje Pilz, ausrichten.
Endlich wurde ich aufgerufen. Später sagte man mir, ich trat nicht ein, sondern auf. Ich spielte die gewünschten Rollen und konnte auch noch einen musikalischen Vortrag bringen. Ich hatte schon damals viele Stars in meinem Repertoire. Das Playback oder gar die Playback-Show gab es noch nicht und niemand konnte sich darunter etwas vorstellen. Ich setzte mich an den Flügel und playbackte den John-Lennon-Song Mother. Die Jury zeigte sich interessiert und verfolgte halb fasziniert halb amüsiert meine Gesangsdarbietung. Es hieß danach: »Danke, wir werden beraten und rufen Sie danach wieder in den Saal.«
Es dauerte nicht allzu lange und ich hörte abermals meinen Namen. Die Jury, bestehend aus acht Damen und Herren, saß mir gegenüber; in der Mitte ein sehr markanter charismatischer Mann, der das Wort führte. Ich war mir sicher: das musste der Hochschuldirektor sein.
Er fragte mich: »Wenn wir Sie jetzt aufnehmen würden, kommen Sie dann täglich von Würzburg nach Frankfurt gefahren?«
»Nein«, entgegnete ich selbstsicher. »Ich habe es nicht weit, ich habe ja schon eine Wohnung in der Nähe der Schule gemietet.« Erstauntes Schweigen.
Nach einer kurzen Pause meinte er: »Also, wir haben einstimmig beschlossen, Sie an unserer Schule aufzunehmen.«
»Danke schön, das freut mich sehr«, antwortete ich und ergänzte: »Übrigens, ich soll Sie von meiner Mutter grüßen.«
Interessiert fragte er mich: »Ja wer ist denn Ihre Mutter?«
Darauf antwortete ich sehr selbstbewusst: »Na Antje Pilz!«
Der Herr in der Mitte war übrigens nicht der Hochschuldirektor, sondern der allseits bekannte Schauspieler und auch durchaus gefürchtete Schauspiellehrer Franz Kutschera vom Schauspielhaus Frankfurt. Wie sich viel später herausstellte, war er von meiner Antwort so sehr beeindruckt, dass er es nicht wagte, den Namen zu hinterfragen, um damit zugeben zu müssen, dass er eine Schauspielerin mit diesem Namen gar nicht kenne.