Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Das Dokument der Befreiung: Der Römerbrief
Das Dokument der Befreiung: Der Römerbrief
Das Dokument der Befreiung: Der Römerbrief
eBook422 Seiten6 Stunden

Das Dokument der Befreiung: Der Römerbrief

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Im hier vorliegenden Kommentar zum Brief von Paulus an die Römer wird versucht, die Lehre von Paulus einer Gesamtschau zu unterziehen. Der Römerbrief ist ein Dokument der heilsgeschichtlichen Absichten und Ziele Gottes.
Bei Paulus steht die Erringung der absoluten Freiheit von den Gebundenheiten an unheilvolle und gottfeindliche Mächte im Vordergrund und dementsprechend die völlige Befreiung durch Jesus Christus. Es ist eine Befreiung von der Sünde und von der fatalen Gottesferne, aber auch von Irrtum und Unwahrheit. Und das ist für Paulus gleichbedeutend mit dem Hin zu Christus und der Vervollkommnung durch Ihn.
Die traditionelle Kirchentheologie ist demgegenüber eine Relativitätstheologie. Sie ist sinaitisch, weil sie noch nicht im gelobten Land des Theos-Logos, einer Gottes-Kunde, die vom Ziel, dem Christus herkommt, angekommen ist. Sie läuft sich, wie damals Israel in der Wüste, an ihrer Uneinsichtigkeit wund.
Das macht sie unfähig, Gottes authentisches Rufen zu hören. Man muss sie in der Wüste begraben, damit sie niemand mehr am Fortkommen von den menschlichen Gebundenheiten und dem Hinkommen zum Heiland Jesus, dem Theos-Logos, hindert.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum19. Feb. 2019
ISBN9783748239482
Das Dokument der Befreiung: Der Römerbrief

Mehr von Roman Nies lesen

Ähnlich wie Das Dokument der Befreiung

Titel in dieser Serie (7)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

New Age & Spiritualität für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Das Dokument der Befreiung

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Das Dokument der Befreiung - Roman Nies

    1.  Kapitel

    Eine Botschaft für Juden und Nichtjuden

    Röm 1,1.3.5.7.13.16-18

    Schon in seiner Eröffnung in Röm 1 bezeichnet Paulus das Evangelium für das er zum Apostelamt berufen wurde als das Evangelium, welches Gott „durch seine Propheten in heiligen Schriften zuvor verheißen hat!" Paulus kündigt den Inhalt seines Briefes so an, dass man erwarten kann, dass alles, was er in dem Brief sagt, mit diesem Evangelium, das verheißen worden ist, übereinstimmt. Wenn etwas verheißen ist, ist es offenbar noch nicht gekommen. Was also ist da von Paulus im Römerbrief als Aufklärung oder Hinzufügung zu dem, was die Propheten verheißen haben, zu erwarten? Man ist als Briefleser in eine Spannung versetzt. Und zwar gerade dann, wenn man ein Jude ist, der in den heiligen Schriften der Bibel gelehrt ist. Man kann die damaligen Juden am ehesten mit den heutigen orthodoxen Juden vergleichen, die ihre Kinder schon frühzeitig in die Schriften der Bibel einweisen.

    Das neutestamentliche Evangelium bedeutet „frohe Botschaft". Es hat einen Vorläufer im Alten Testament. So heißt es z.B. in Jes 61,1-3: „Der Geist des Herrn, JHWH, ist auf mir; denn JHWH hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, den Elenden frohe Botschaft zu bringen, zu verbinden, die gebrochenen Herzens sind, Freilassung auszurufen den Gefangenen und Öffnung des Kerkers den Gebundenen, auszurufen das Gnadenjahr JHWHs und den Tag der Rache für unsern Gott, zu trösten alle Trauernden. "

    Der Geist Gottes ist hier nicht eine mysteriöse Person, sondern wird JHWH zugeordnet als ruach adonai JHWH. „Der Geist des Herrn, JHWH, ist auf mir." - daraus ergibt sich, dass der Geist, der von Gott kommt, dem Gott namens JHWH zuzuordnen ist. In Jes 53,6 heißt es über den Knecht JHWHs, der die Sünden des Volkes trägt: „JHWH warf unsere Schuld auf ihn." Und in Jes 53,10: „JHWH gefiel es, ihn zu zerschlagen." Wegen Vers 8 ist er auch nicht mit Israel gleichsetzbar. In Jesus nimmt in Mk 12,36-37 auf Psalm 110,1-4 Bezug: „Der HERR sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel für deine Füße! Der HERR wird das Zepter deiner Macht ausstrecken von Zion: Herrsche inmitten deiner Feinde! … Du bist Priester in Ewigkeit nach der Weise Melchisedeks!" Jesus Erklärung lautet. Wenn David seinen Herrn von JHWH unterscheidet und dieser Herr zugleich als Davids Sohn zu betrachten ist, kann die logische Schlussfolgerung nur sein, dass der Herr Davids ein Wesen ist, welches zugleich als Nachfolger Davids auf dem Thron Davids zu sitzen kommt. Mit anderen Worten, der Herr Davids ist der Messias, der aus dem Haus Davids hervorgeht und zur Zeit Davids bereits Davids „Herr war. Da dieser Herr damals noch kein Mensch gewesen ist, weil er ja erst mit der Geburt in Bethlehem Mensch wurde, muss der Herr ein göttliches Wesen sein, dass dem von David genannten JHWH untergeordnet ist, denn dieser JHWH sagt ja zum „Herrn: „Setze dich zu meiner Rechten". Zur Rechten Gottes sitzt aber Jesus Christus. * 9

    Nach 1 Kor 10,4 war Jesus aber der „geistliche Fels", der Israel begleitete, als es durch die Wüste zog. Nach 2 Mos 7,16 und 8,23 u.a. ist der Gott, der Israel durch die Wüste begleitete JHWH. Wenn Jesus im Neuen Testament mit JHWH gleichgesetzt wird und Jesus bestätigt, dass David und Jesaja von dem Messias als Herr redet, zu dem JHWH spricht, dann bedeutet das, dass es zwei göttliche Personen gibt, die JHWH sind. Dies ergibt sich auch wegen Joh 1,1ff, wo der Sohn Gottes mit dem Schöpfergott gleichgesetzt wird, * 10 der nach 1 Mos 2,4ff ebenso JHWH genannt wird. In Anbetracht der sprachlichen Bedeutung des Gottesnamens, der aussagt, dass Gott der Seiende ist, von dem alles andere Seiende ausgeht und zu dem alles Seiende wieder zurückgeht, ohne den nichts existieren kann, trifft der Namen sowohl auf den Vatergott als auch auf den Sohn Gottes zu.

    Die Bibel kennt keine mysteriöse weitere Gottesperson als die, die namentlich unter El mit jeweiligen Zusätzen, Adonai, JHWH und Jesus genannt sind. Und so entspricht der „ruach adonai JHWH", im Neuen Testament der „pneuma christou", zu Deutsch „Geist Christi" (1 Pet 1,11).

    Theologen wissen, dass JHWH mit Jesus gleichgesetzt werden kann. Der „pneuma tou theo", zu Deutsch „Geist Gottes" entspricht dem „ruach elohim" im Alten Testament. Elohim kann als Plural von der Gottheit aufgefasst werden, ob das zwei „Personen" sind, oder mehr bleibt in der Bibel dahingestellt. * 11

    Die von Jesaja genannte frohe Botschaft, lə·ḇaś·śêr, kündigt Heilung an, gebrochene Herzen werden verbunden, Freilassung aus Kerkern erfolgt, Trauernde werden getröstet und allenthalben erfolgen Begnadigungen. Das erinnert an die Verhältnisse, die in Of 21,4 beschrieben werden. Das korrespondiert mit Ps 107,1ff, wo ausführlich beschrieben wird, dass sogar diejenigen, die Gott widerspenstig waren und Ihm zum Spott lebten, aus ihren Kerkern befreit werden, nachdem sie Gott als Gott der Gnade kennen gelernt haben, der allein ihnen zum Heil verhelfen kann. Es geht also schon im Alten Testament um ein Evangelium, das die Seelen rettet und heil macht. Dieses Evangelium ist eben keine Schreckensbotschaft, sondern auch der einzig gangbare Weg für die Gottlosen und Toren (Ps 107,17), die Widerspenstigen und Gottesverächter (Ps 107,11) und die in Finsternis gefesselten (Ps 107,10.14). In Psalm 107 steht auch bereits, wer der große Erlöser und Gnadengeber ist. Es ist das Wort Gottes:

    „Er sandte sein Wort und heilte sie, er rettete sie aus ihren Gruben." (Ps 107,20). Das Evangelium ist das Wort Gottes und Jesus Christus ist das Wort Gottes. Das ist die Botschaft von Paulus im Römerbrief. Jeden, der in die Grube muss, vermag Jesus zu retten. Das ist die frohe Botschaft. Ebenso deutlich sagt Paulus den Römern, was nicht rettet. Da spricht er vor allem die Torah der Juden an. * 12 Wenn das Evangelium von Paulus etwas ist, was im Alten Testament verheißen war, aber dort noch nicht eindeutig vorhanden war, dann bringt Paulus mit seiner Botschaft, mit seinem Evangelium, mit seiner Theologie, mit seinen Lehren, offensichtlich etwas Neues. Hier kann man bereits einen Unterschied zu dem erkennen, was Petrus verkündete, als er in Ap 2 an Pfingsten, nicht lange nach der Himmelfahrt Jesu, zum versammelten jüdischen Volk in Jerusalem sprach. Dort nimmt zwar Petrus ebenfalls Bezug auf das Alte Testament, wenn er sagt, dass sich die Verheißungen beim Propheten Joel nun im Augenblick vollziehen. Und tatsächlich waren die Zeichen dazu da. Doch das bei Joel angekündigte messianische Reich kam ja doch nicht!

    Zur Zeit als Paulus den Römerbrief schrieb, war diese Anfangsbegeisterung, wie sie bei Petrus geherrscht hatte, mitsamt Optimismus (Ap 2,14ff), das zeigt sich im Römerbrief recht deutlich, einem neuen Realismus gewichen, der genau genommen so ziemlich das Gegenteil darstellte von dem, was noch Petrus so vollmundig behauptet hatte (Ap 2,16ff). Petrus hatte sich nicht etwa geirrt, bei dem, was er verkündete: jetzt beginnt sich Joels Verheißungen zu erfüllen! (Joel 3,1-5) Aber er hatte sich geirrt bei dem, was er höchstwahrscheinlich dachte, nämlich, dass das Reich mit Macht jetzt bald kommen würde, denn natürlich gab es zwischen den Verheißungen bei Joel und dem Kommen des Reiches einen unmittelbaren Zusammenhang, den man auch zeitlich anzunehmen hatte.

    Dieser Irrtum bei Petrus ist nur nicht biblisch in Worten dokumentiert. Aber faktisch mussten Petrus und die anderen Jünger feststellen: Von wegen vollzog sich das messianische Reich wie es im Alten Testament beschrieben war schon vor ihren Augen! Zwar fanden die Jünger Jesu zunächst „Wohlwollen beim ganzen Volk" (Ap 2,47). Aber lange währte dieses Wohlwollen nicht. Es folgte durch die religiöse Obrigkeit eine Verfolgungsphase (Ap 7,59) * 13 und dann Gleichgültigkeit, die nur gelegentlich wieder von den religiösen oder politischen Machthabern angestachelt wurde. Ap 9,31 bringt den Frieden für die Gemeinde in ganz Judäa und Galiläa und Samarien mit der Befriedung des Paulus in Zusammenhang. Der Frieden war aber fragil, denn die Gemeinde in Jerusalem war nicht sonderlich beliebt, wie Ap 12 zeigt. Die in Ap 12,1 anhebende Verfolgung ging zunächst von König Herodes aus. Ihr fiel der Apostel Jakobus zum Opfer. Doch dann zeigte sich, dass das auch „den Juden" gefiel (Ap 12,3).

    Die Apostel predigten weiter das baldige Kommen des Messias, aber Er kam nicht. Und die Apostelgeschichte hört damit auf, dass Paulus den Juden sagt, dass sie verstockt sind und die Evangelisierung bei ihnen nicht mehr ankommen wird (Ap 28,25-28). Im Römerbrief ergänzt er, dass dies nur vorübergehend sein wird. Als das messianische Judentum im Jahre 70 seine Basis mit der Gemeinde in Jerusalem ganz verlor, waren seine Tage gezählt, denn es konnte sich kaum wieder von der Zerstörung Jerusalems und der Vertreibung der Juden erholen. In den römischen Provinzen gab es keine oder nur wenige messianisch jüdische Gemeinden, das nichtjüdische Christentum gewann sehr schnell die Oberhand und damit geschah etwas, was vielleicht keiner der Jünger Jesu so richtig voraussehen konnte.

    Anstatt Anbruch des messianischen Reiches entstand eine christliche Kirche, die keine Unterscheidung mehr vorzunehmen in der Lage war, was die Verkündigung des Evangeliums an die Juden von der Verkündigung des Evangeliums an die Nichtjuden unterschied. Die Lehren wurden vermischt zu einem wenig heilvollen Durcheinander. Mit dem Anwachsen des Anti-Judaismus auch in den christlichen Gemeinden, wurde alles vermeintlich Jüdische, wie zum Beispiel das Halten des Sabbats, ausgesondert und verbannt. Damit verschwand das Wissen um Gottes Heilsgeschichte. So entstanden christliche Kirchen, die aber nicht mehr oder nur noch zum Teil biblische Glaubensgemeinschaften waren. Gleichzeitig nahm der Einfluss der heidnischen Religionen und Philosophien zu. Im Vierten Jahrhundert hat man dann eine Christenheit, das nur noch wenig mit der Urgemeinde in Jerusalem zu tun hat. Die katholische Kirche ist entstanden, mit einem Grundgerüst an Lehren, das ihr erlaubt, 1600 Jahre später den Nationalsozialismus zu hofieren und nicht gegen das Unrecht zu protestieren, im Handel gegen die Zusicherung, die katholischen Kirchengüter und das „geistliche" Personal, sowie die katholische Religionsausübung unberührt zu lassen. * 14 Vor allem hat die katholische Kirche sich als neues Israel erklärt, die Judenverfolgungen abgesegnet und durch ihr Schweigen und ihr Kirchenvolk zum Holocaust wesentlich beigetragen. Die völkermordenden katholischen Nazis wurden folgerichtig auch nie aus der Kirche ausgeschlossen.

    Den Briefen von Paulus wird zu Unrecht nachgesagt, dass sie dem Anti-Judaismus Vorschub geleistet hätten. Aber so viel er gerade auch im Römerbrief Kritik übt, so macht er doch auch klar, dass Israel das Volk der Verheißung bleibt. Das kann man nur übersehen, wenn man seine Aussagen nicht alle gelten lässt. Paulus wird im Römerbrief von der großen Verstockung Israels reden, die jedoch nur dauern wird, bis die Zeit der Nationen sich erfüllt haben wird (Röm 11,25-27). Und solange wird das messianische Reich nicht beginnen.

    Aber nicht das meint Paulus, wenn er von dem redet, was in den „heiligen Schriften zuvor verheißen war", denn im Alten Testament findet sich nichts von einer Verstockung Israels, nachdem der Messias bereits zum ersten Mal gekommen sein würde. Es besteht kaum Zweifel, dass Paulus bei dem Verheißenen nicht nur israelogisch dachte, wie noch die Jünger Jesu. Deren Evangelium bestand hauptsächlich darin, das gleiche zu predigen, was schon Jesus und vor ihm die Propheten im Alten Testament verkündigt hatten, nämlich die Notwendigkeit der Umkehr des Volkes zum Vertrauen in den Gott ihrer Väter und zu einem gottwohlgefälligen Leben. Und sogar das war im Alten Testament verheißen worden. Das Volk würde umkehren! Was aber im Alten Testament ebenfalls verheißen war, aber nur in knappen Hinweisen, * 15 die vieles im Unklaren gelassen hatten, das bezog sich sehr wohl auf die Botschaft von Golgatha, nämlich dass Gott selber die für die Erlösung der Menschen erforderliche Sühnung bewirken würde. Und auch hier muss man feststellen, dass Gott das nicht klar zu Zeiten des Alten Testaments offenbart hatte, kann nur damit zusammenhängen, dass er mit Seinen Wahrheiten in der Kundmachung so sparsam umgeht, dass es immer noch der Zugabe des heiligen Geistes bedarf, ehe man Gott verstehen kann. Man bedenke, dass es kaum zum Opfertod Jesu hätte kommen können, wenn alles völlig klar gewesen wäre. * 16 Paulus dachte nicht nur israelogisch, weil der Messias Israels ja in erster Linie der Retter Israels war, sondern er dachte stark christuszentrisch.

    Dieser Christus würde ja Israel nur deshalb bevorzugt behandeln und zu Seinem Volk machen, um damit die Nationen zu erreichen. Und Christus war für ihn nicht nur ein Einlöser der Verheißungen der heiligen Schriften, sondern Er war der Erlöser des Alls. Das All, das ist gerade auch im Römerbrief die gesamte Schöpfung und all das, was aus der Schöpfung geworden ist, also nicht nur Adam und Eva, sondern die gesamte Menschheit, nicht nur Biene und Milchkuh, sondern auch Löwe und Drache. Nicht nur Oberwelt und Himmel, sondern auch Unterwelt und Hölle, denn alles ist geschaffen durch Gott zum Zwecke Ihn zu verherrlichen. Wenig sieht zur Zeit von Paulus und wenig sieht 2000 Jahre später danach aus. Aber was oder wer sieht danach aus, reif für den Himmel zu sein? Und doch will jeder hinein kommen. Es braucht alles eine Zielführung und Verwandlung. Was aber auch aus den Briefen von Paulus hervorgeht:

    Gott lässt sich Seine Verherrlichung durch niemand nehmen!

    Das Heil bezog sich auch schon im Alten Testament auf mehr als nur einzelne, speziell auserwählte Eliten. Gott fängt nicht mit Eliten an, Er hat gar keine erschaffen. Er fängt mit dem Geringen an, um das zu beschämen, was sich dem Irrtum hingibt, weniger gering zu sein. Bei Gott ist das weniger Geringe, welches bei den Menschen ein Mehr an Vermögen und Leistung bedeuten soll, noch weniger als gering. Vor der Vervollkommnung durch Christus in Christus gibt es überhaupt keine Eliten und in Christus gibt es auch nur Christusglieder, die mit allen Ehren ausgestattet sind, weil sie in Christus geehrt sind. Und auch Israels Ehre wird sich allein auf den Messias gründen können. Wenn jetzt Menschen, Juden oder Nichtjuden, Israel wegen seiner Fortschritte und Erfolge preisen, dann vergessen sie dabei den, dem der Lobpreis zusteht.

    Im Alten Testament wird das Heil bereits Israel und den Nationen in Aussicht gestellt. So z.B. bei Jesaja, der Gott als den Heiligen Israels bezeichnet (Jes 12,6): „Preist den HERRN, ruft seinen Namen aus, macht unter den Völkern seine Taten bekannt, verkündet, dass sein Name hoch erhaben ist! Lobsingt dem HERRN, denn Herrliches hat er getan! Das soll auf der ganzen Erde bekannt werden." (Jes 12,4-5; Vgl. Jes 49,6; 51,4f; 66,19) Oder in anderen alttestamentlichen Schriften. * 17 Aber den Propheten und Schriftkundigen war klar, dass an die Nationen noch lange nicht zu denken war, wenn das messianische Reich noch nicht einmal gekommen war und Israel sich noch nicht als die erste unter den Nationen qualifiziert hatte. Dazu war der Gehorsam gegenüber dem Bundesgott notwendig. Zuerst musste Israel umkehren von seinen Irrwegen und sich Gott zuwenden. Seit dem ersten Kommen des Messias war für Israel ein weiteres Problem dazugekommen. Nun hatten sie auch noch zu bereuen, dass sie ihren Messias nicht erkannt hatten, weil sie schon vorher nicht auf Gottes Worte gehört hatten. Der JHWH des Alten Bundes war auch der JHWH des Neuen Bundes. Und das war Jesus Christus.

    Nun kommt aber Paulus und spricht von einem „Evangelium Gottes" (Röm 1,1), für das er autorisiert worden ist, und führt in seinen Briefen auffälligerweise die Rede über die „Geheimnisse" Gottes. * 18 Eines dieser Geheimnisse ist das Geheimnis der Gemeinde des Leibes Christi, die die Gläubigen auch als Innewohnung Christi erleben. Und dieser Gemeinde stellt Paulus das Attest aus, dass sie etwas völlig Neues, Hinzugekommenes ist, was es im Alten Bund noch nicht gegeben hat. * 19 Anders gesagt, kommt es im Neuen Testament zu neuen Offenbarungen, die allenfalls ansatzweise im Alten Testament thematisiert wurden. Und Paulus war der Apostel, der andere Offenbarungen als die anderen Apostel hatte. Und während die Offenbarungen der anderen Apostel noch eng verbunden waren mit der auf der geraden Linie der Tradition liegenden Verkündigung, war das bei Paulus anders.

    Dies erklärt dann auch die fehlende Deckungsgleichheit der Verkündigungen. Theologen und Bibelausleger, die das nicht so feststellen, müssen etwas annehmen, was man nicht belegen kann, nämlich, dass die anderen Apostel in ihrer Verkündigung ebenso „paulinisch" waren, wie Paulus selbst. Es sei nur nicht überliefert worden. Das hört man immer wieder. Doch es stimmt nicht. Überliefert worden sind die Briefe von Petrus, Johannes und Jakobus und die bestätigen nur, dass es zum Teil erhebliche Unterschiede in ihren Botschaften gibt. Dies wird in der Apostelgeschichte nur allzu deutlich gemacht, als dass man es verleugnen könnte. Gerade die christlichen Glaubensgemeinschaften, die vorgeben, bibeltreu sein zu wollen, sollten einmal daran denken, dass Gewissenhaftigkeit und Treue am Wort festgemacht werden sollte, nicht an Traditionen, die aus einer Zeit stammen, wo die Theologen noch zugleich Menschen dem Scheiterhaufen überantworteten oder ihre Gegner, wenn sie ihrer nicht habhaft werden konnten, verfluchten. Die Kirchenchristenheit propagiert die Freiheit in Christus, befindet sich aber zum Teil in der Versklavung unter die Tradition. In dieser Versklavung beginnt man auch immer irgendwann damit Andersgläubige zu zwingen, sowohl psychisch als auch physisch.

    Auch zur Zeit von Paulus gab es Traditionen, deren Opfer ja auch Paulus geworden war. Er ließ Christen verfolgen und umbringen. Da auch wieder – psychischer oder physischer Zwang! Damals gab es die sogenannte mündliche Torah, die dann später auch schriftlich festgelegt wurde und hohes Ansehen im Judentum gewann. Sie sollte die schriftliche Torah ergänzen. * 20 Sie hat auch heute weitreichenden Einfluss und verhindert Juden messianische Juden anzuerkennen.

    Die Schriftforscher und Torahgelehrten studierten unablässig die Überlieferungen, um zu mehr Erkenntnis über Gott und die Torah zu gelangen. Wenn nun ein neuer Schriftgelehrter oder „Prophet" daherkam und behauptete, neue Erkenntnisse zu haben, prüfte man auch immer, inwieweit das Neue mit dem Etablierten übereinstimmte.

    Jesus hatte noch gesagt, wer Ihn und Seine Lehren verstehen wolle, müsse nur in der heiligen Schrift suchen, sie würde von Ihm Zeugnis ablegen. Damit meinte Er die hebräische Bibel damals, ohne das Neue Testament. Aber dieser Paulus behauptete, darüber hinaus Erkenntnisse zu haben, die bisher noch ein Geheimnis gewesen waren, bis sie ausgerechnet ihm offenbart worden sein sollen. Man muss sich im Klaren darüber sein, dass das auch eine Herausforderung für die messianischen Juden waren, die an Jesus als ihren Messias glaubten, aber auch die Torah und die Beschneidung in Ehren hielten. Was Jesus sagte, stand noch irgendwie nachvollziehbar in der Tradition der Lehre der Bibel. Und die Bibel umfasste damals nicht das Neue Testament!

    Und was war das Argument von Paulus, dass das, was er da neu einzubringen hatte, auch als Wahrheit von Gott gelten sollte? Er sagte, er hätte es ebenfalls von Christus in einer Sonderoffenbarung (Gal 1,12). * 21 Das bedurfte also eines zusätzlichen Glaubensaktes, den viele verständlicherweise zu erbringen nicht bereit waren. Das heißt, es gab Jünger Jesu, die nicht an das glaubten, was Paulus an Sonderlehren vertrat. Man bedenke, für sie war es schwieriger, überzeugt zu werden als für heutige Gläubige, die eine andere Bibel und damit auch eine andere Botschaft von Gott haben! Alle Christen damals hatten kein Neues Testament. Und als die Schriften von Paulus oder Petrus in Umlauf waren, * 22 gab es immer auch die Frage, wie sie zu werten waren. Waren sie inhaltlich inspiriert? * 23 Erst später kam die Idee, dass bestimmte Briefe in ihrer Gesamtheit inspiriert waren und gleichrangig mit den Schriften des Alten Testaments waren.

    Die Gemeinschaft der Jesusgläubigen war damals ein uneinheitliches Gebilde. Und Paulus war ein gewichtiger Grund dafür! Wer nun glaubt, dass das heute nicht mehr der Fall wäre, irrt sich. Tatsächlich werden von den Kirchen weltweit die Lehren von Paulus nicht in vollem Umfang anerkannt. Daher ist es wichtig, die Briefe von Paulus auch gerade dahingehend zu analysieren, was er, abweichend von Jesus, anders als die anderen Apostel und erst recht im Unterschied zu den Propheten des Alten Bundes, lehrte und predigte. Die Analyse wird erbringen, dass die heilige Schrift keine unüberbrückbaren Widersprüche hat und dass zwei Stimmen beide Recht haben und wahr reden können, obwohl sie sich zu widersprechen scheinen.

    Man muss folgendes beachten: Der Grund, warum die Lehren von Paulus bei den Juden, und zwar gerade auch bei den Judenchristen * 24 nicht ankam, ist ebenso klar, wie der Grund, warum Paulus bei den Nichtjuden auf ein offenes Ohr stieß. Es liegt an ein und demselben Umstand. Paulus verkündete aus Sicht der Juden, oberflächlich betrachtet, etwas, was den Juden zu vieles nahm und den Nichtjuden zu viel gab. Paulus nahm, wenn auch nur vermeintlich, den Juden ihre Sonderstellung, nämlich indem er die Beschneidung und die Torah entwertete. Und er gab den Nichtjuden das Heil, ohne dass sie Juden werden mussten und ohne, dass sie die Torah halten mussten, was leicht misszuverstehen war und auch schnell missverstanden wurde. Denn anstatt heilig werden zu wollen wie Gott heilig ist, wurden die Massen nur formelle Christusnachfolger.

    Wurde Paulus zum Urvater des Namenchristentums? Nein, es ist genau entgegengesetzt: gerade, weil die Kirchen Paulus nicht nachfolgten, erzeugten sie ein Namenchristentum. Das spricht ein Bekenntnis für Christus aus, aber es ist nur ein Lippenbekenntnis. Wer ein Jude werden wollte, das gilt auch noch heute, wurde hingegen umfassend in die jüdische Glaubenspraxis eingeführt. Das nahm man nur in Kauf, wenn man es entweder aus Glaubensgründen tat, oder andere starke Gründe hatte, dem Judentum beizutreten. Christ werden konnte man sehr schnell, natürlich nicht vor Gott, aber vor den Menschen. Das kostete nicht viel. Einmal untertauchen und ein paar Worte, schon war man aufgenommen in die Gemeinde. * 25 Wenn man die Briefe von Paulus verstehen will, muss man wissen, wen er überhaupt anspricht. Und man wird feststellen, weil er sowohl Juden als auch Nichtjuden anspricht, muss seine Botschaft auch für beide gelten. Ob die Angesprochenen gläubig waren, ob sie mehr oder weniger gläubig waren, ob sie mehr oder weniger an seine Lehren glaubten, das konnte auch Paulus nur mutmaßen.

    Der messianische Jude David H. Stern schreibt in seinem Kommentar zum Neuen Testament etwas, was für alle Briefe des Paulus stimmt: „Das richtige Verständnis des Römerbriefs hängt also von der Entscheidung ab, welche Teile für jedermann gelten und welche konkret für Nicht-Juden gedacht sind." * 26 Stern hat also erkannt, dass Paulus in seinen Briefen nicht immer nur eine bestimmte Personengruppe anspricht, sondern schwankt. Das muss Paulus, wenn er alle erreichen will. Das wiederum zeigt, dass bei den Briefempfängern eben verschiedene Personengruppen dabei gewesen sein müssen. Die ersten Empfänger des Römerbriefs waren römische Juden.

    Ab Röm 1,3 wird die Botschaft von Paulus inhaltlich präsentiert. Dabei stellt sich heraus, es ist das Evangelium über Gottes Sohn, „der aus dem Same Davids gekommen" ist. Hier klingt schon an, der Brief richtet sich zunächst einmal an die römischen Juden. Sie bildeten zweifellos damals lange die Mehrheit der messianischen Gemeinden in Rom. * 27 In der katholischen Kirche wird geglaubt, dass die erste Gemeinde die Urgemeinde der katholischen Kirche sei. Das ist vergleichbar mit dem Glauben des Islam, die ersten Rechtgläubigen, einschließlich Jesus, seien Muslime gewesen. Doch die ersten Messiasgläubigen in Rom waren weder Katholiken noch Muslime. Sie waren Juden und Nichtjuden, die näher am biblischen Glauben waren als am Katholizismus oder am Islam. „Biblischer" Glauben bedeutet, dass sie daran glaubten, dass der Tanach, das hebräisch-aramäische „Alte Testament" Gottes Wort sei. * 28 Jesus kam für sie in der Bibel gerade insoweit vor, als man begonnen hatte, zu verstehen, dass sich Aussagen über das Kommen des Messias und das Wirken des Geistes Gottes wie es die Propheten verheißen hatten, auf diesen Jesus von Nazareth bezogen. Man hatte nicht die Erwartung, dass die Bibel noch mit weiteren Schriften erweitert werden müsste. Und Paulus hatte diese Erwartung auch nicht.

    Doch gleich nachfolgend in Röm 1,5 verbindet Paulus sein Apostelamt mit der Verkündigung „unter allen Nationen, unter welchen auch ihr seid" (Röm 1,5). Allerdings fehlen diese Passagen in einigen Textzeugnissen, was überrascht, wenn man bedenkt, dass sich die nichtjüdischen Christen schon bald vom Judentum lösten und daher zu erwarten gewesen wäre, dass sie solche wichtigen Aussagen hüteten und bewahrten. Daher bleibt es unklar, ob es sich eher um eine Zufügung handelt, die aus eben diesen Reihen der Nichtjuden kam. * 29 „Unter allen Nationen" waren allerdings auch die Juden zerstreut, so dass „unter welchen auch ihr seid" sogar von Juden auf sich selbst beschränkt werden könnte. Die wahrscheinlichere Lesart ist aber, dass Paulus die Römer als Zugehörige der Nationen ansprechen wollte, auch wenn er wusste, dass bei den Briefempfängern Juden waren.

    Paulus ist auf seinen Missionsreisen zu den Nationen gegangen und hat zuerst die Synagogen der dort ansässigen Juden aufgesucht, die „unter" die Nationen zerstreut waren. Doch dann hat er etwas getan, was andere Missionsreisende anscheinend nicht im gleichen Maße praktiziert haben. Wo immer Nichtjuden auf sein Evangelium hörten, sein Evangelium, das er „nationenkompatibel" gemacht hatte, bezog er sie direkt in die Verkündigung ein, unabhängig davon, ob es Synagogenbesucher oder Zufallsbekanntschaften waren. * 30 Dabei berücksichtigte er immer den Bildungsstand dieser Menschen. Er holte sie sozusagen ab, wo er sie antraf. Er war den Griechen dabei ein Grieche, den Juden ein Jude (1 Kor 9,20). Und wieder gilt es, daran zu erinnern: Paulus war der erste Jude überhaupt, der so „unjüdisch" die Nichtjuden

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1